Die Gleichberechtigung der Arbeiterin als Klassenfrage

Dieser Text befasst sich mit der Klassenlage der Arbeiterin in Deutschland, der ökonomischen Ausbeutung und der sozialen Unterdrückung der Frau. Die proletarischen Frauen als Teil der ArbeiterInnenklasse unterliegen im Kapitalismus einer besonderen Unterdrückung und Ausbeutung. Das Kapital hat das Patriarchat als ältestes Unterdrückungsverhältnis übernommen und auf seine Bedürfnisse angepasst. Dadurch unterliegen die Arbeiterinnen aufgrund ihres Geschlechts nicht nur der ökonomischen Ausbeutung durch das Kapital, sondern auch der sozialen Unterdrückung durch das Patriarchat. In diesem Sinne wird es vorerst schwerpunktmäßig um die ökonomische Ausbeutung der Arbeiterinnen heute gehen. Dabei beziehen wir uns auf unseren Text „Struktur der ArbeiterInnenklasse in Deutschland“, in dem bereits die Grundlagen zur Frage der Klassenzugehörigkeit ausgearbeitet worden sind1

Die ökonomische Klassenlage
der Arbeiterin

Zur ArbeiterInnenklasse zählen wir alle Menschen, die keine Produktionsmittel besitzen und dementsprechend gezwungen sind, vom Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben; die sich zudem in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit in einer im wesentlichen ausführenden oder produzierenden Funktion befinden; und deren Anteil am gesellschaftlichen Vermögen sich im wesentlichen auf die Möglichkeit der Reproduktion ihrer Arbeitskraft (der Erfüllung ihrer grundsätzlichen Bedürfnisse) und der ihrer Familien beschränkt. Dazu gehören Millionen von Frauen und um die geht es im weiteren Text, um die Arbeiterin heute im Kapitalismus.

In diesem Artikel werden wir herausarbeiten, dass Arbeiterinnen durch das Zusammenwirken von Kapitalismus und Patriarchat einer besonderen Unterdrückung ausgesetzt sind, dass das Kapital zutiefst daran interessiert ist, das Patriarchat zu erhalten und für seine Zwecke zu nutzen. Während sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen immer mehr ausdifferenzieren, bleibt die besondere Unterdrückung bestehen und äußert sich in vielen Aspekten des Alltags der Arbeiterin. Beispielhaft stehen dafür die folgenden Punkte:

Frauen arbeiten heute vielfach als ungelernte Kraft oder mit einer Berufsausbildung in den unterschiedlichsten Bereichen: Z.B. in der Pflege, als Erzieherinnen, Sachbearbeiterinnen usw.

Durch die Veränderung der traditionellen Familienverhältnisse werden die Arbeiterinnen vermehrt in prekäre Jobs (Teilzeit, Minijobs, befristete Jobs) gezwungen. Eine Vollzeitarbeit ist heute für die Mehrheit der Frauen immer noch nicht möglich, weil nach wie vor die Hauptlast der sozialen Verantwortung (z.B. Kinderbetreuung, Versorgung von Angehörigen) bei der Frau liegt. 

Ein Großteil der Arbeiterinnen, die Kinder bekommen oder Angehörige pflegen und deshalb die Berufstätigkeit unterbrechen müssen, kommt später nicht mehr zu den alten Bedingungen in ihre Jobs. Infolgedessen erleben sie häufig einen wirtschaftlichen Absturz, spätestens bei der Rente (Altersarmut). 

Millionen Familien und Alleinerziehende leben aufgrund ihrer ökonomischen Bedingungen in Armut. Ihre Kinder wachsen in Armut auf. Das bestimmt ihren weiteren Lebensweg in der Jugend, in der Schulbildung, in Ausbildungsberufen, im Studium oder in der Jugendarbeitslosigkeit und in der beruflichen Zukunft.

Die Masse der ArbeiterInnen und insbesondere die proletarischen Frauen können ihre Klassenherkunft nicht durch Bildung, Berufstätigkeit und beruflichen Aufstieg überwinden. Dafür sorgen das Wesen und die Mechanismen der kapitalistischen Ökonomie und der Staatsapparat als Organisator der bürgerlichen Gesellschaft.   

Das ökonomische System bestimmt die Klassenlage der Arbeiterin im Kapitalismus.

Kapitalismus und Patriarchat

Um verständlich zu machen, warum der Kapitalismus das Patriarchat reproduziert, warum die Befreiung der Frau unter den Bedingungen des Kapitalismus eine Illusion ist, wollen wir an dieser Stelle kurz ein paar Grundlagen der marxistischen politischen Ökonomie zur Warenproduktion, zum Wertgesetz sowie zum Verhältnis zwischen Lohnarbeit und Kapital darlegen: 

Kapital ist Wert – das heißt geleistete Arbeit („geronnene“ Arbeit), die zur Ausbeutung neuer Arbeit dient. Kapital ist damit ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen zwei Klassen: Der Kapitalistenklasse, der die gesamte geleistete Arbeit in Form von Maschinen, Fabrikgebäuden, Produkten – also in Form von Waren – gehört. Und der ArbeiterInnenklasse, die von nichts anderem lebt als dem Verkauf ihrer Arbeitskraft. Die ArbeiterInnenklasse verkauft ihre Arbeitskraft, die eine Ware ist (= in der gesellschaftliche Arbeit steckt) an die Kapitalistenklasse. Sie erhält dafür den Wert ihrer Arbeitskraft (= die gesellschaftliche Arbeit, die darin eingeflossen ist) in Geldform bezahlt. Das ist das sich reproduzierende Kapitalverhältnis. Der Wert der Ware Arbeitskraft ist wie der Wert jeder anderen Ware bestimmt durch die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion einer Ware ist der Anteil des gesellschaftlichen Gesamtarbeitstages (= Arbeitstage aller ArbeiterInnen zusammengenommen), der für ihre Produktion gebraucht wird.

Das bedeutet:

Nur gesellschaftliche Arbeit – d.h. Produktion für den Austausch – bildet Wert.

Nur die Arbeitszeit bildet Wert, die gesellschaftlich im Durchschnitt notwendig ist (d.h. meine Produkte sind nicht mehr wert, weil ich aus Ungeschick doppelt so lange für ihre Produktion brauche).

Der Wert von Rohstoffen, Werkzeugen etc. wird durch Arbeit auf neue Produkte übertragen. Nur diejenigen Gebrauchswerte, die gleichzeitig (Tausch)werte sind, d.h. als Waren produziert wurden, können Wert übertragen. Privat – also außerhalb der gesellschaftlichen Warenproduktion – hergestellte Gebrauchswerte sind keine Waren und haben keinen Wert: Ein einfaches Beispiel ist Gemüse, das ich privat in meinem Garten anbaue und selbst verbrauche. Diese Produktion findet nicht im Rahmen des gesellschaftlichen Gesamtarbeitstages, sondern außerhalb desselben statt. 

Der Wert der Ware Arbeitskraft entspricht dem Wert der Existenzmittel, die zur Erhaltung und zur Reproduktion der ArbeiterInnenklasse notwendig sind, soweit es sich dabei um Waren handelt: Lebensmittel, Kleidung, etc. Diese machen jedoch nur einen Teil der Reproduktion aus! Privat, außerhalb des gesellschaftlichen Gesamtarbeitstages verrichtete Arbeit, geht nicht in den Wert der Ware Arbeitskraft ein, auch wenn ihr Erzeugnis einen gesellschaftlichen Gebrauchswert hat. Würden z.B. 10 % der Lebensmittel der ArbeiterInnenklasse von dieser selbst zu Hause für den Eigenbedarf angebaut – also nicht ausgetauscht, sondern selbst konsumiert – würde dies den Anteil des gesellschaftlichen Gesamtarbeitstages für die Reproduktion der Ware Arbeitskraft und damit ihren Wert entsprechend senken. Ein ganzer Teil der von Frauen geleisteten Reproduktionsarbeit (Kinder wickeln, Kochen, Putzen, Waschen, Pflege von Angehörigen) fällt aber unter diese Art von Privatarbeit, die zwar Gebrauchswert hat, aber keinen Wert produziert. Der Arbeitslohn im Kapitalismus wird zunächst durch den Wert der Ware Arbeitskraft bestimmt. Wir haben gesehen, dass der Wert der Ware Arbeitskraft dem Wert der Existenzmittel entspricht, die zur Reproduktion der ArbeiterInnenklasse erforderlich sind (Lebensmittel, Kleidung usw.). Jedoch ist nur ein Teil der Reproduktionsarbeit gesellschaftliche Arbeit, deren Produkte Werte darstellen. Hausarbeit ist in aller Regel Privatarbeit, die nicht im Rahmen der Warenproduktion, also nicht im Rahmen des gesellschaftlichen Gesamtarbeitstages stattfindet. Und das, obwohl sie Gebrauchswert hat, also ein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt. Privatarbeit in gesellschaftlich nennenswertem Umfang, wie sie insbesondere durch proletarischen Frauen aufgrund des Patriarchats geleistet wird, senkt unter kapitalistischen Verhältnissen also den Wert der Ware Arbeitskraft und in Folge den Arbeitslohn! 

Dies kann man sich an einigen Beispielen klarmachen: Während die Waschmaschine gesellschaftlich, d.h. für den Austausch produziert wurde und damit Wert darstellt, ist das Wäschewaschen zu Hause Privatsache und die saubere Wäsche damit (tausch)wertlos. Der Herd und die Lebensmittel stellen Werte dar, nicht aber das fertige Essen als Ergebnis des Kochens. Die Windeln stellen Werte dar, nicht aber das gewickelte Kind. Das Wickeln von Kindern wäre nur dann gesellschaftliche Arbeit und damit wertbildend, wenn es für den Austausch erledigt würde: Wickelt die Hausfrau ihr eigenes Kind daheim, handelt es sich um Privatarbeit. Eröffnet sie einen Stand auf dem Marktplatz und bietet dort an, Kinder anderer Leute zu wickeln, leistet sie gesellschaftliche Arbeit und produziert Wert.

Ein Teil der Reproduktionsarbeit, die Hausarbeit, hat also Gebrauchswert, im Kapitalismus aber keinen Wert. Sie überträgt daher, im Gegensatz zu Lebensmitteln, Kleidung, Waschmitteln, Haushaltsgeräten usw. keinen Wert auf die Ware Arbeitskraft.Haus- / Reproduktionsarbeit wird im Patriarchat, das ein älteres Unterdrückungsverhältnis als der Kapitalismus ist, den Frauen aufgedrückt. Der Kapitalismus übernimmt das Patriarchat und reproduziert es aus ökonomischem Interesse:

Findet Hausarbeit außerhalb der Sphäre der Warenproduktion statt, liegt der Wert der Arbeitskraft – alle anderen Umstände gleichbleibend– niedriger, als wenn dieselben Arbeiten als Waren produziert und ausgetauscht würden: Wenn die ArbeiterInnenklasse ihre Kinder z.B. von einer kapitalistischen Firma erziehen lassen würde, wenn die Wäsche komplett von einer Reinigungsfirma gemacht würde, wenn man generell auswärts essen ginge usw. Die vollständige Umwandlung der Hausarbeit in gesellschaftliche Arbeit würde den Wert der Ware Arbeitskraft erhöhen und damit den relativen Mehrwert und die Mehrwertrate senken. Dieser Umstand bremst das Eindringen des Kapitalverhältnisses in den Bereich der Haus- und Reproduktionsarbeit. Kapital dringt im Zuge der verzweifelten Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten zwar immer mehr in den Reproduktionssektor ein (z.B. durch die Privatisierung von Krankenhäusern, Pflegeheimen usw.). Die Haus- und Reproduktionsarbeit wird im Kapitalismus aufgrund des obigen Umstands jedoch niemals vollständig zu gesellschaftlicher Arbeit werden. Das Kapital will das Patriarchat erhalten. Die Kapitalistenklasse nimmt zwar haushaltsnahe Dienstleistungen, Privatschulen und Kindergärten etc. in Anspruch (bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der patriarchalen Rollenzuweisung auch für die bürgerlichen Frauen). Innerhalb der ArbeiterInnenklasse werden dieselben Tätigkeiten in Verewigung des Patriarchats jedoch von den proletarischen Frauen verrichtet: Frauen aus der ArbeiterInnenklasse sollen arbeiten gehen und unentgeltlich die Reproduktionsarbeit verrichten. Auch wenn sie berufstätig ist, kann die Arbeiterin keine private Dienstleistung für z.B. Putzen, Waschen, Kinderbetreuung bezahlen, da ihr Einkommen dafür oft nicht ausreicht. Diese Arbeit, die gesellschaftlichen Gebrauchswert hat, wird im Kapitalismus weiterhin in die Privatsphäre der Kleinfamilie ausgelagert und dort den Frauen aufgedrückt. Sie befinden sich damit in einem doppelten Ausbeutungs- und Unterdrückungsverhältnis. Gleichzeitig hat das Kapital Interesse daran, auch die Frauen in die Lohnarbeit zu ziehen: Erstens, um den Familienlohn, der vorher nur an die Männer bezahlt wurde, nun auf Mann und Frau aufzuteilen. Damit kann aus derselben Menge an variablem Kapital mehr Mehrwert gezogen werden. Die Mehrwertrate für die Kapitalistenklasse wird erhöht. Zweitens, um die industrielle Reservearmee zu vergrößern und den Arbeitslohn unter den Wert der Ware Arbeitskraft zu senken (allgemeines Gesetz der kapitalistischen Akkumulation). Die Rolle der Frauenarbeit ist hier eine besondere: Aufgrund von Schwangerschaften und Doppelbelastung (Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit) sind arbeitende Frauen von einem höheren Krankenstand2, Erziehungszeiten usw. betroffen. Aus der Sicht des Kapitals ist ihre Arbeitskraft daher weniger produktiv als die des Mannes (die Arbeitszeit ist kürzer, und daher der absolute Mehrwert aus der Frauenarbeit geringer). In der Folge fließt weniger variables Kapital in Frauen-Lohnarbeit: Frauen erhalten geringere Löhne, werden vor allem in befristete und Teilzeit-Jobs gedrängt, in denen sie hinzuverdienen (häufig im Reproduktionsbereich, z.B. Fürsorgearbeit, was ihrer Rolle in der Kleinfamilie entspricht) und fallen häufiger aus der Berufstätigkeit heraus. Der niedrigere Lohn von Frauen dient dem Kapital schlussendlich aber als zusätzliches Mittel, den Lohn der ArbeiterInnenklasse insgesamt zu senken. Dies verschafft dem Kapital ein zusätzliches Interesse an der Aufrechterhaltung des Patriarchats. Die doppelte Unterdrückung der Frauen dient der Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ausbeutung und Unterdrückung der ArbeiterInnenklasse insgesamt.

Die patriarchale Ordnung in der Kleinfamilie, d.h. die Herrschaft des Mannes, dient für das Kapital zusätzlich dem Zweck, die ArbeiterInnenklasse zu spalten, da die Frau in der Kleinfamilie durch den Mann unterdrückt wird und somit eine Unterdrückung innerhalb der Klasse stattfindet. Damit wird eine gefügige, für die Ausbeutung willig zur Verfügung stehende Klasse andauernd reproduziert. Das Kapital benutzt die Männer, um das System aufrechtzuerhalten.Für die Lage der Frauen/Arbeiterinnen hat das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation zur Folge, dass sie – je nach den Bedürfnissen des Kapitals – in die Produktion einbezogen und wieder ausgestoßen werden. Diese Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals werden durch entsprechende familienpolitische Maßnahmen des Staates unterstützt und spiegeln sich in der jeweiligen, gerade herrschenden politischen Regierungsdoktrin wieder („Frauen an den Herd“ vs. „Frauen in die Arbeit“). Aus dieser Klassenlage ergeben sich auch die gesellschaftlichen Rollenbilder, auf der die bürgerliche Ideologie aufbaut, wie der Familienlohn, der durch die Arbeit des Mannes definiert ist. Die Frau/Arbeiterin bleibt ideologisch in der Rolle der Ehe-,
Hausfrau und ökonomisch wie oben erklärt, in der Rolle der Zuverdienerin – und das ohne die gesellschaftlichen Veränderungen zu beachten wie z.B. den Anstieg der Alleinerziehenden.

Eine wichtige Schlussfolgerung aus diesen kurzen ökonomischen Ausführungen können wir schon an dieser Stelle ziehen, nämlich: Es gibt keine materielle Grundlage, um im Kapitalismus die Entlohnung der Hausarbeit zu fordern. Hier tut sich aus kommunistischer Sicht ein Widerspruch zu dieser Forderung aus Teilen der feministischen Bewegung auf. Dort wird diese Forderung in Verbindung mit dem Gedanken aufgestellt, dass das der Gleichberechtigung von Mann und Frau dient und der Frau eine ökonomische Unabhängigkeit bringen soll. Denjenigen, die diese Forderung aufstellen, sind die ökonomischen Grundlagen des Kapitalismus und darauf aufbauend das Funktionieren seiner systemsichernden Strukturen nicht bewusst. Es fehlt das Klassenbewusstsein. Aus ökonomischer Sicht wird der Teil der Reproduktion der Familie, der das Produkt gesellschaftlicher Arbeit ist (eben Lebensmittel, Kleidung, Haushaltsgeräte usw.), mit dem Lohn des Mannes bezahlt. Der Rest wird privat durch die Frauen erledigt. Die Entlohnung von privat erledigter Hausarbeit zu fordern wäre aber genau so unsinnig, wie zu fordern, der Anbau von Gemüse im eigenen Garten für den eigenen Konsum solle entlohnt werden.

Aus politischer Sicht können KommunistInnen der Forderung nach Entlohnung von Hausarbeit auch nicht zustimmen. Denn wenn Arbeiterinnen einen Lohn für Hausarbeit und Erziehung erhalten würden, würde das heißen, dass die Arbeiterin aus ihrer sozialen Lage der Familienarbeit noch schwerer oder gar nicht raus kommt. Die soziale Unterdrückung der Frau durch den Mann kann dann völlig abgeschirmt von dem gesellschaftlichen Leben durch die isolierten und vereinzelten Familienzusammenhänge aufrechterhalten werden. Der Lohn für Hausarbeit würde ja für alle Ewigkeit festschreiben, dass die Ehefrau für den Ehemann putzt, kocht, erzieht und so weiter. Wir können hier schon erkennen, dass die ökonomische Ausbeutung der Frau/Arbeiterin enge Verbindungen mit ihrer sozialen Unterdrückung aufweist und dass die Ursachen dafür in der kapitalistischen Klassengesellschaft liegen.

Arbeitsmarktpolitik, Lohn-,
Gehaltssystem und die Arbeiterin 

Die Arbeitsmarktpolitik kapitalistischer Staaten sowie das Lohn- und Gehaltssystem bezüglich Männern und Frauen bauen auf den beschriebenen ökonomischen Grundzügen des Patriarchats im Kapitalismus auf. Es hat in der Geschichte viele Veränderungen in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen gegeben, wie z.B. die Umorganisierung und Modernisierung der Produktion und der Arbeitsprozesse in der Industrie; ebenso im Handel, in der Logistik, im Handwerk, bei den Dienstleistungen, und in weiteren Wirtschaftszweigen. Teil der Entwicklung ist, dass Berufe verschwinden und neue Berufe entstehen, wie z.B. durch die Digitalisierung. Es wird in Zukunft noch ganz andere Entwicklungen geben wie z.B. durch die künstliche Intelligenz3.

Während sich das gesellschaftliche Denken und die Lebensrealität der Arbeiterin gegenüber von vor 100 Jahren verändert haben und weiter verändern, bauen die Realität auf dem Arbeitsmarkt und das Lohn- und Steuersystem weiter auf der traditionellen Rolle der Frau als Ehefrau, Mutter und Zuverdienerin auf. Die Arbeiterin kann heute eine gewisse ökonomische Unabhängigkeit vom Mann oder Ämtern auf Zeit erlangen, wenn sie durch Berufstätigkeit ein eigenes Gehalt erwirtschaftet, das ihr ein Leben ermöglicht, mit dem sie neben den Ausgaben von z.B. Miete, Strom usw. noch genug hat, um damit z.B. Freizeit, Kultur, Urlaub usw. zu finanzieren. Das ist vor allem dann möglich, wenn die Arbeiterin einen höheren Lohn z.B. durch Qualifizierung erreicht und nicht alleinerziehend ist. Auch durch Schichtzulagen und Wochenendarbeit oder sonstige Zulagen können höhere Löhne/Gehälter erreicht werden – aber nur solange, wie die Arbeiterin das gesundheitlich durchhält. Wenn die Berufstätigkeit unterbrochen wird – nämlich durch Schwangerschaft, Kindererziehung oder die Pflege von Angehörigen – dann ist das vorbei. Solange sie sich z.B. durch Heirat keine wohlhabenden Eigentumsverhältnisse, kein Kapital verschaffen kann, sondern nur ihre bloße Arbeitskraft besitzt – solange schafft es die Arbeiterin nicht, ihre Klassenzugehörigkeit zu überwinden. Das gilt zwar für die ArbeiterInnenklasse insgesamt – für die Arbeiterin, die tendenziell auf Teilzeitarbeit und befristete Beschäftigung und auf schlecht bezahlte, z.B. soziale Berufe festgelegt ist, und die ihre Berufstätigkeit häufiger unterbrechen muss, aber umso mehr. 

Heute ist es genau wie in der Geschichte so, dass die Arbeiterinnen nach den variablen Interessen der ökonomischen, kapitalistischen Bedingungen gebraucht und genutzt werden oder überflüssig gemacht und vom Arbeitsmarkt verdrängt werden.

Anfang der 90er Jahre waren 62 Prozent der Frauen berufstätig, heute sind es 73 Prozent. Bei den Männern sind es 86 Prozent4. Die Erwerbstätigkeit in Deutschland ist seit dem Tiefstand nach der Annektion der DDR von 37,8 Mio. 1995 um 7 Mio. auf 44,7 Mio. im 2. Quartal 20185 gestiegen. Neben dem Rückgang der Arbeitslosigkeit ist dieser große Anstieg vor allem auf den Anstieg der Frauenerwerbsquote zurückzuführen. Diese Zahlen vermitteln, dass heute fast genau so viele Frauen wie Männer arbeiten – aber es wird nicht vermittelt, dass die Frauen überwiegend in Teilzeit und nicht in Vollzeit arbeiten.

Der Arbeitsmarkt wächst allgemein und vor allem in der Pflege- und Gesundheitsbranche. Doch während die Zahl der Erwerbstätigen stark zugenommen hat, sind die geleisteten Arbeitsstunden gleich geblieben. Das liegt an der Zunahme von Teilzeitarbeit. Eine detaillierte Statistik zeigt einen Anstieg des Arbeitsvolumens von 57.960 Mill. Arbeitsstunden in 2000 auf 59.965 Mill. Stunden im Jahr 2017. Gleichzeitig sank die jährliche Arbeitsleistung pro Erwerbstätigen von 1452 Stunden (2000) auf 1354 Jahresarbeitsstunden (2017).6 Vom Staat wird vermittelt, dass der wachsende Arbeitsmarkt darauf zurückzuführen ist, dass immer mehr Frauen arbeiten gehen. Die Anzahl der Jobs steigt auch in der Tat. Es geht aber nicht um Vollzeitjobs.7

Teilzeitarbeit heißt für die Arbeiterin: Kein eigenes Auskommen, vor allem in den Niedriglohnberufen, also keine Chance auf ökonomische Unabhängigkeit. Die Löhne/Gehälter sind niedrig und so wird bei Teilzeitarbeit das noch niedrigere Einkommen der Frau zu einem Zusatzeinkommen, das kein Familienlohn sein kann. Als Teilzeit gilt jede Tätigkeit mit weniger als 35 Wochenstunden: Das kann heißen 30 oder 20 Wochenstunden oder Minijob8. Das heißt für die Arbeiterin in der Regel auch, dass sie keine Weiterbildung und/oder Aufstiegschancen bekommt und dass die meisten Arbeitsverträge befristet sind. In Deutschland ist es so, dass fast jede zweite Frau in Teilzeit arbeitet, während 91% der arbeitenden Männer eine Vollzeitstelle haben.9 Die Zahl der MinijobberInnen stieg seit der Neuregelung im Jahr 2003 stark an und betrug 2017 bereits 7,67 Mio. Beschäftigte, von denen 60% Frauen sind.10 Viele Arbeiterinnen müssen wegen ihres geringen Einkommens in mehreren Jobs arbeiten, um ihr Leben zu finanzieren, oder sie sind auf zusätzliche staatliche Unterstützung angewiesen. Neben der atypischen Beschäftigung, die besonders häufig Frauen trifft, gibt es einen weiteren Grund für die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede. Das Patriarchat lebt auf dem Arbeitsmarkt in Form der „typischen Frauenberufe“ weiter: „Berufe, in denen überwiegend Frauen arbeiten, werden um rund acht Euro brutto in der Stunde geringer entlohnt als männlich dominierte Berufe. Das entspreche bei einem ‚männlichen‘ Durchschnittslohn von 20 Euro einer Differenz von 40 Prozent. Typische Männer- oder Frauenberufe sind in der Studie solche, bei denen der Männer- oder Frauenanteil jeweils bei mindestens 70 Prozent liege. Der Lohnunterschied habe sich seit dem Jahr 2001 kaum verändert, (…)“ 11

Der Niedriglohnsektor wird im Vergleich zum mittleren Lohn definiert und betrug 2015 ca. 10 Euro die Stunde. Davon sind ca. 7 Millionen Menschen betroffen und es gilt, wie die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet: „Mehr als in den anderen Ländern ist in Deutschland Niedriglohnbeschäftigung Frauenbeschäftigung.“12

Das heißt konkret: Frauen verdienenn weniger, weil die geschlechterbezogenen Arbeiten/Berufe wie z.B. in der Pflege/Erziehung schlecht bezahlte Zuarbeitsberufe sind – und weil das nicht geändert wird. Aus dieser Lage kommt die Arbeiterin nicht heraus, auch wenn sie noch so fleißig arbeitet. Die Arbeiterin als Zuarbeiterin bleibt im Kapitalismus ein wichtige Ursache, um die Löhne/Gehälter insgesamt niedrig zu halten.

Als Teilzeitkraft ist die Arbeiterin oftmals einer besonderen Ausbeutung ausgesetzt: Teilzeitarbeit bedeutet für das Kapital im Allgemeinen die Möglichkeit, die Arbeit noch mehr zu intensivieren als bei Vollzeitjobs: Arbeit im Maximaltempo schafft man bei vielen Tätigkeiten vielleicht vier oder fünf Stunden, aber keinesfalls acht. Deshalb kann es sich für Unternehmen lohnen, für eine Tätigkeit lieber zwei Teilzeitkräfte anstatt einer Vollzeitkraft einzustellen. Dadurch wird es für die betroffenen ArbeiterInnen umso schwieriger, sich mehrere Jobs zu nehmen, um über die Runden zu kommen. Zudem kann man Teilzeitkräfte passgenau zu den Zeiten einbestellen, in denen die entsprechenden Arbeiten zu erledigen sind (z.B. Reinigungskräfte fünfmal in der Woche für 2,5 Stunden anstatt voller Schichten). Das bedeutet mehr Flexibilität für die Unternehmen und weniger Flexibilität für die ArbeiterInnen. Nicht zuletzt ist es gerade bei Teilzeitarbeit üblich, dass Unternehmen ihren Beschäftigten viele geltende Rechte ganz selbstverständlich nicht zugestehen (z.B. bei MinijobberInnen den Urlaub, die Nacht- und Wochenendzulagen oder die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall). Die Überbelastung trägt langfristig wiederum dazu bei, dass gerade Frauen häufig von Altersarmut betroffen sind: Personalreduzierung und steigende Arbeitsbelastung, z.B. im Gesundheits- und Erziehungsbereich führen dazu, dass Arbeiterinnen ihre Berufstätigkeit häufiger unterbrechen müssen. Wenn z.B. eine Pflegekraft 20 Stunden arbeitet, dann geht sie mit dem Gefühl nach Hause, sie hat mehr als 40 Stunden gearbeitet und das im Schicht- und Wochenenddienst. Jede/jeder kann verstehen, dass das rein körperlich, aber oft auch psychisch nicht 45 Jahre durchzuhalten ist. Diese wären aber notwendig, um eine ausreichende Rente zu bekommen. Es ist erst recht nicht durchzuhalten, wenn noch Kinder zu versorgen sind. Folge der Überbelastung ist, dass Beschäftigte oft krank sind und unfreiwillig vorzeitig in den Ruhestand gehen müssen (s.u.) – was wiederum bedeutet, dass sie in der Armut landen.

Auch andere Faktoren führen gerade bei der Arbeiterin zur Unterbrechung der Berufstätigkeit: Kinderbetreuung und die Pflege von Angehörigen passen nicht mit den Arbeitsbedingungen der Arbeiterin zusammen und privat finanzierte Versorgungsdienste kann sie sich aufgrund der niedrigen Löhne nicht leisten. Auch nach schweren Krankheiten wie z.B. Krebserkrankungen, die heute nicht mehr selten sind, oder Arbeitsunfällen kommt es zu Auszeiten. Oftmals ist danach eine Berufstätigkeit nicht mehr möglich oder eine Wiedereingliederung in den Beruf mit erheblichen Lohneinbußen verbunden, z.B. wenn es nur noch möglich ist, in Teilzeit zu arbeiten.

An dieser Stelle, nämlich zu den beruflichen Auszeiten der Frau und zur staatlicher Mütterideologie, eine kurze Erwähnung zum Elterngeld: „Zwischen 2006 und 2016 ging die Müttererwerbstätigkeit in Paarfamilien im ersten Lebensjahr des Kindes von 18% auf 9% zurück (…) Im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Vätern zeigen sich keine wesentlichen Veränderungen, was auch damit zusammenhängt, dass hauptsächlich Mütter Elterngeld in Anspruch nahmen: Für 2014 geborene Kinder waren dies insgesamt 91% aller Elternmonate.“ 13

Die besonderen Bedingungen der
alleinerziehenden Arbeiterinnen

Besonders hart trifft die Doppelbelastung durch Berufstätigkeit und die Versorgung der Kinder im Kapitalismus alleinerziehende Arbeiterinnen.14

Während es früher (z.B. nach dem Zweiten Weltkrieg) vor allem Witwen waren, die ihre Kinder allein erziehen mussten, hat sich dies in den vergangenen Jahrzehnten geändert: Mit den zunehmenden Scheidungen und Trennungen stieg die Zahl der alleinerziehenden Frauen seit den 1970er Jahren stark an und liegt heute bei 1,5 Millionen. Alleinerziehende Frauen sind damit keine Ausnahme mehr, sondern eine gesellschaftliche Massenerscheinung.

Eine junge Mutter mit Baby arbeitet zu Hause am Laptop (Foto vom 01.04.2007). Moderne Muetter scheinen es niemandem mehr so richtig recht machen zu koennen: Gehen sie mit hoher Stundenzahl arbeiten, heisst es, sie vernachlaessigten die Kinder, vor allem dann, wenn es schulisch nicht rund laeuft. Bleiben sie zu Hause, gilt das als Verrat an der Emanzipation.

Ein Beispiel: In Berlin sind 90 % aller allein erziehenden Elternteile Frauen, was einer absoluten Zahl von knapp 90.000 entspricht.15 Wie auch offizielle Statistiken darlegen, haben Alleinerziehende ein überdurchschnittlich hohes Armutsrisiko: „Im Jahr 2016 waren 42 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte in Westdeutschland armutsgefährdet, im Osten sogar 47 Prozent.“ 16

Arbeiterinnen sind hiervon besonders betroffen: Im Jahr 2017 arbeiteten nur 42% der alleinerziehenden Mütter in Vollzeit, während es bei den alleinerziehenden Vätern 88% waren. Der Anteil der Erwerbstätigen unter alleinerziehenden Müttern mit Kindern im Alter unter 3 Jahren lag 2017 bei 27%. Der entsprechende Anteil bei Vätern lag bei 69%.17 Ein Grund dafür ist, dass Frauen besonders häufig dann in Teilzeitjobs wechseln, wenn sie Mütter werden: Berufstätigkeit und die Versorgung und Erziehung von Kindern sind heute eben nur begrenzt vereinbar, weil es an der passenden Kinderunterbringung fehlt (fehlende Plätze, Personalmangel, Öffnungszeiten). Staatliche Kindergärten und die Arbeitszeit in Betrieben sind nicht aufeinander abgestimmt. 

Der Lohn der Mehrheit der alleinerziehenden Arbeiterinnen, die in Teilzeit arbeiten, reicht aber nicht, um Miete, Heizung, Strom, Kitagebühren oder Schulessen, Kleidung, Lebensmittel und sonstiges zu bezahlen: „Bei Menschen mit geringen Einkommen fällt die Miete besonders ins Gewicht, wie die Daten des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2014 zeigen. In Haushalten mit einem Nettoeinkommen von bis zu 900 Euro im Monat gingen im Schnitt zum Teil deutlich mehr als 40 Prozent für die Miete drauf. Bei Einkommen bis zu 1300 Euro netto waren es immerhin noch 30 Prozent.“18 Diese Umstände zwingen die alleinerziehenden Arbeiterinnen entweder dazu, zwei bis drei Jobs anzunehmen – und/oder zusätzlich Wohngeld und/oder Hartz IV zu beantragen. Das macht die Sache aber nicht besser: Zwar ist es die offizielle Legende in der BRD, dass der „Sozialstaat“ in Härtefällen einspringt und bedürftige Familien oder alleinerziehende Mütter mit Kindergeld und Familienzuschlag unterstützt. Davon profitieren aber durch die Steuerpolitik und das Ehegattensplitting vor allem die Gutverdiener: Familien und Alleinerziehenden, die auf Hartz IV angewiesen sind (2016 waren das immerhin 37% der alleinerziehenden Mütter), wird das Kindergeld nämlich als Einkommen angerechnet. Die alleinerziehenden Arbeiterinnen werden also durch schlecht bezahlte Teilzeitarbeit in Kombination mit diesen staatlichen Regelungen in die Armut gedrückt. Da wieder herauszukommen gelingt nur wenigen, denn wenn die Kinder älter und selbständiger werden, sind die Mütter eben auch älter und für den Arbeitsmarkt teurer. Sie bleiben in der Regel also auf Teilzeitarbeit festgelegt.

Der Staat organisiert die Sozialstruktur und die Wirtschaft organisiert die Kapitalvermehrung nach kapitalistischen Interessen. Dazu kommt die bürgerliche, rückschrittliche Mütterideologie als Hintergrund der Arbeitsmarktpolitik und des Lohn- und Steuersystems.

Entwicklungen in der Bildung und Berufstätigkeit von Mädchen
und Frauen

Gegen die dargelegten Argumente mag man einwenden, dass Mädchen und Frauen in der bürgerlichen Gesellschaft heute andere und bessere Bildungsmöglichkeiten haben als früher. Führt ein höherer Bildungsstand nicht auch zu besseren Berufsaussichten und einem guten Einkommen, auch für Frauen? 

Anhand zahlreicher Studien und Statistiken kann man in der Tat feststellen, dass sich die Bildung für Mädchen und Frauen in den letzten Jahrzehnten verbessert hat: Zwar gibt es in der BRD noch deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Bundesländern, vor allem zwischen Ost und West. Man kann aber trotzdem feststellen: Mädchen machen heute in der Regel die besseren Schulabschlüsse als Jungen. Der Frauenanteil bei den HochschulabsolventInnen liegt heute bei etwa fünfzig Prozent.19

Der Punkt ist aber: Bessere Bildung führt nicht zur Aufhebung der besonderen Unterdrückung der Arbeiterin! Zwar lassen sich immer Beispiele für Frauen finden, die es aufgrund ihrer Bildung auch in gut bezahlte Jobs geschafft haben. Trotzdem bleibt es so, dass die Mehrheit der Arbeiterinnen nicht diejenigen sind, die gut bezahlte Vollzeitjobs bekommen. Trotz verbesserter Bildung bleiben Frauen nämlich überwiegend in den typischen „Frauenberufen“ und auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt.

Das Patriarchat wirkt auch dahingehend, dass Frauen nach Schule, Studium oder Berufsausbildung tendenziell eher bereit sind, ihre eigenen Wünsche und Interessen zurückzunehmen als Männer. „Selbstbeschränkung kann dazu führen, Berufe mit geringeren Anforderungen zu suchen, weil der Wunschberuf als unerreichbar erscheint.“.20 Bezeichnend ist, dass trotz eines heute ausgewogenen Verhältnisses zwischen Frauen und Männern als Studierende die Männer als Beschäftigte an Hochschulen weit in der Überzahl sind. Frauen sind dagegen z.B. als Beschäftigte in Kindertagesstätten und Grundschulen überrepräsentiert. Die verdrehte und verkürzte Story, die bürgerliche Studien verbreiten, lautet in der Konsequenz: „Mädchen und junge Frauen in Deutschland schöpfen ihre Berufsmöglichkeiten nicht voll aus.“21 Die Klassenlage wird bei solchen Studien eben ziemlich konsequent ausgeblendet. 

Es zeigt sich nämlich vielmehr: Es ist und bleibt eine Legende, dass es im Kapitalismus um Leistung ginge, dass es die Fleißigen wären, die es zu etwas bringen würden. Im Kapitalismus geht es nicht um Leistung, sondern um Kapitalverwertung, um gewinnbringende Anlagen. Hier ist die Arbeiterin im Nachteil. Ihre Lage wird sich unter kapitalistischen Bedingungen auch in 50 Jahren nicht grundlegend geändert haben, mögen auch noch so viele Frauen ein gutes Abitur machen und studieren.

Steuerpolitik und die Ideologie
der Versorgerehe

Auch das kapitalistische Steuersystem ist auf die Aufrechterhaltung des Patriarchats ausgerichtet: Nach dem Grundgesetz stehen Ehe und Familie unter besonderem Schutz der staatlichen Ordnung. Um diesen Schutz zu gewährleisten, behandelt das Finanzamt Eheleute anders als Paare, die nicht verheiratet zusammen leben, Alleinerziehende und ledige Menschen: Eheleute werden als wirtschaftliche Einheit betrachtet – es geht um die Versorgerehe, in der der Mann das Familieneinkommen verdient. Die zu zahlende Lohnsteuer ist nach dem Ehegattensplitting eingeteilt: Das heißt, es gibt Steuerklassen, nach der in einer Ehe der höher Verdienende die günstigste Steuerklasse hat. In der Regel ist das der Mann, denn die Löhne und Gehälter der männlichen Arbeiter sind nach wie vor höher als die der Frauen, denn meist sind es die Männer, die in Vollzeit arbeiten. 

Das Lohn- und Rentensystem verbunden mit der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik baut auf der ideologischen Ebene auf dem Familienlohn und der Versorgerehe auf. So begegnen uns in diesem Beitrag ständig die Bedingungen der kapitalistische Ökonomie in Verbindung mit der Ideologie, die das System stützt. Beide wirken zusammen dafür, dass die ökonomische Ausbeutung der Arbeiterin und die soziale Unterdrückung der Frau aufrechterhalten bleiben.

Arbeitsmarktpolitik und Stellung der Frauen in der DDR

Eine besondere Situation ergibt sich für die Frauen in Ostdeutschland infolge der jahrzehntelangen Teilung Deutschlands in die beiden Staaten BRD und DDR. Während die Lage der arbeitenden Frauen in Westdeutschland nach 1945 vor allem durch die Fortsetzung des kapitalistischen Patriarchats geprägt war, gab es in der sowjetisch besetzten Zone zumindest Ansätze für die Befreiung der arbeitenden Frauen. An dieser Stelle kann keine erschöpfende Analyse der DDR geleistet werden in dem Sinne, inwieweit und bis wann es dort demokratisch-fortschrittliche Entwicklungen gegeben hat, welche Ansätze zur sozialistischen Umwälzung dort realisiert werden konnten, inwieweit diese begrenzt waren und wie sie durch den Revisionismus wieder zurückgedrängt und am Ende beseitigt wurden.

ADN-ZB Hirndorf 7.4.89 Bez. Erfurt: Wahl – Den Kleinen schmeckts in der neuen Kinderkrippe von Kramsdorf. Die Einrichtung entstand in territorialer Gemeinschaftsarbeit zwischen der LPG (P) Tal des Friedens und dem Rat der Gemeinde auf der Grundlage eines Kommunalvertrages. 36 Kinder der Gemeinde im Kreis Weimar werden in der Krippe fürsorglich betreut.

Hinsichtlich der Frauenfrage können wir aber feststellen, dass bestimmte notwendige Bedingungen für die Zurückdrängung des Patriarchats in der DDR realisiert wurden, dieses damit aber noch lange nicht beseitigt war. Vielmehr war die Situation der Frauen in der DDR eine widersprüchliche. Dazu gehören folgende Punkte:

Es war in der DDR selbstverständlich, dass Frauen in Vollzeit berufstätig waren und ein (wenn auch niedriges) Auskommen hatten. Damit war die patriarchale Ehe als Institution und die Rollenverteilung von Mann und Frau in der Familie (insbesondere hinsichtlich der Hausarbeit) zwar nicht beseitigt, der Versorgerehe durch den Mann war aber die ökonomische Grundlage weitestgehend entzogen. Frauen waren nicht mehr ökonomisch von ihren Männern abhängig. Man muss feststellen, dass es für alleinerziehende Arbeiterinnen trotzdem schwierig blieb, alleine auszukommen. 

Familie und Berufstätigkeit war für jede Frau vereinbar durch ein flächendeckendes Netz von Kinderkrippen bis zum Schulhort mit Betreuungszeiten, die zu den Beschäftigungszeiten der Familien auch bei Schichtarbeit passten.

Dem entsprach auch das Denken, das von der Partei- und Staatsführung in der DDR über Frauen und Berufstätigkeit verbreitet wurde. Hier muss man jedoch feststellen, dass erstens das Verständnis über die Frauenbefreiung in der DDR begrenzt war – was sich z.B. in einer Überbetonung der Rolle der Frauen als Mütter niederschlug. Zweitens gehörten in der Gesellschaft der DDR insgesamt reaktionär-konservative Ansichten bis hin zum Sexismus und Rassismus immer noch zum Alltag. Eine „kulturrevolutionäre Bewegung“ von unten gegen überkommene, autoritär-patriarchale Traditionen in Familie und Gesellschaft, wie sie in den kapitalistischen Ländern unter Beteiligung der feministischen Bewegung nach 1968 stattgefunden hat, gab es in der DDR nicht. Die Frauenpolitik in der DDR blieb eine Politik „von oben“. Sie entsprach den Traditionen der kommunistischen Bewegung, wurde aber nicht von einer breiten Bewegung von unten für die Umwälzung der Gesellschaft getragen. Der Rückzug ins Private und die Kleinfamilie blieb an der Tagesordnung und wurde durch das revisionistische System (Massenbespitzelung, Geist des Nicht-Aufmuckens, usw.) befördert. Paradoxerweise wurde der Untertanengeist der deutschen Gesellschaft vor 1945 also in demselben Staat besonders stark konserviert, der hinsichtlich der materiellen Errungenschaften für die ArbeiterInnenklasse und die arbeitenden Frauen zweifellos der fortschrittlichste Staat der bisherigen deutschen Geschichte war.

Nach der Annektion der DDR durch die BRD wurden die fortschrittlichen Entwicklungen für die Frauen zurückgedrängt: Das kapitalistische Patriarchat wurde mit der Abschaffung der flächendeckenden Kinderbetreuung und der Verdrängung vieler in Vollzeit beschäftigter Frauen in die Arbeitslosigkeit Schritt für Schritt wiederhergestellt. Das deutsche Kapital wollte die Frauen wieder zu Zuarbeiterinnen und zur Reservearmee machen. Für viele Frauen bedeutete die imperialistische „Freiheit“, dass sie ihre gesicherten Vollzeitstellen verloren, Umschulungen machen und sich mit Teilzeitjobs durchschlagen mussten, viel niedrigere Löhne und am Ende dadurch kleine Renten erhielten. Für Frauen über 50 war es nach 1989/90 sehr schwierig, überhaupt neue Stellen zu finden. Welche besondere Lage der Arbeiterin in Ostdeutschland sich heute aus dieser historischen Entwicklung ergibt, ist eine Frage, die im Detail zu untersuchen bleibt.

Zahlen und Daten zur Lage der
Frauen in der DDR

Hier kann nur auf einige wenige Eckpunkte zur Sozialpolitik in der DDR eingegangen werden, da das ein Bereich ist, der bisher von uns wenig untersucht wurde. Die Sozialpolitik ist in der DDR im Vergleich zur BRD grundlegend anders gewesen, was den Frauen viele Vorteile gebracht hat. Zumindest ist damit ein Anfangsversuch umgesetzt worden, der die Möglichkeit hatte, das gesellschaftliche Bild der Frau aus ihrer einseitigen, traditionellen Mutter/Ehefrau-Rolle herauszuholen. Um zu sehen, ob und inwieweit das gelungen ist, dazu bedarf es tieferer Einschätzungen. Diese analytischen Einschätzungen können nicht nur aufgrund von Zahlen, Statistiken, Prozenten gemacht werden, denn das ist unvollständig. Allein nach diesen Kriterien wären wir schon nahe an dem dran, dass Frau und Mann in der DDR eine gleichberechtigte Stellung in der Gesellschaft eingenommen hätten, was die folgenden Eckpunkte zeigen werden. Doch wir merken täglich, dass das nicht der Fall gewesen ist. Zahlen, Statistiken sind das eine, entscheidend ist jedoch, welche Ideologie wie in den Köpfen aller Menschen angekommen ist und was die Gesellschaft und der Staat damit macht. Wichtig ist: Welches Bewusstsein ist in der DDR durch die Sozialpolitik entstanden oder nicht entstanden und warum ist das so und was ist nach der Vereinigung passiert? Das ist eine Untersuchungsarbeit, die noch zu leisten ist. Nachfolgend einige Fakten zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in der DDR und der Rolle der Arbeiterinnen in der Produktion und in der Gesellschaft.22:

Alle Jugendlichen im entsprechenden Alter erhielten eine Facharbeiter-, Fachschul- oder Hochschulausbildung; ihre Übernahme in eine perspektivisch sichere Arbeit war gewährleistet.

60 Prozent aller Kinder im Alter bis zu 3 Jahren wurden in Ganztagskrippen von Fachpersonal betreut; unter Berücksichtigung des 1-1,5 jährigen Babyjahres der berufstätigen Mütter war damit der Bedarf voll gedeckt.

Alle Kinder zwischen 3 und 6 Jahren konnten ganztägig in Kindergärten versorgt werden. Und Kinder zwischen dem ersten und vierten Schuljahr konnten einen betreuten Schulhort besuchen.

Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum in der DDR 92% aller Frauen im berufsfähigen Alter tatsächlich auch berufstätig waren. Diese extrem hohe Frauenerwerbsquote hängt mit den politischen Rahmenbedingungen der Entstehung und Entwicklung der DDR zusammen.

Viele Frauen blieben im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges allein und mussten für die Kinder sorgen. Das traf sich mit grundlegenden Positionen des Aufbaus einer alternativen Gesellschaft, die von Anfang an die volle Gleichberechtigung der Frauen im gesellschaftlichen Leben als grundlegendes Ziel verkündete. Verbunden damit war das Bestreben und auch die Notwendigkeit, die Frauen in den Arbeitsprozess einzubeziehen, was gleichzeitig als wichtige materielle Voraussetzung für ökonomische Selbstständigkeit und wirkliche Gleichberechtigung betrachtet wurde. Die Einbeziehung der Frauen in das berufliche Leben war auch deswegen nötig, weil die DDR im Gegensatz zur Bundesrepublik geringere Möglichkeiten hatte, der Wirtschaft Arbeitskräfte von außen zuzuführen.

Das prägte die Struktur der Gesellschaft in mehrerlei Hinsicht grundlegend. Die Frauen in der DDR besaßen aufgrund ihres eigenen Arbeitseinkommens eine selbständige wirtschaftliche und soziale Position sowohl in der Familie als auch im öffentlichen Leben. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass von 4,2 Millionen weiblichen Beschäftigten – fast die Hälfte aller Erwerbstätigen – 80% über eine abgeschlossene berufliche Ausbildung verfügten, darunter 23% – also fast jede vierte – über einen Hoch- oder Fachschulabschluss. Der Anteil der Frauen und Mädchen am Hochschulstudium betrug über 49%.23

Die Einbeziehung der Frauen in die Produktion bedeutete zugleich ihre soziale Einbindung über die Arbeitskollektive. Deren Bedeutung ging über die Erzeugung von Gütern hinaus; der Arbeitsplatz war in der DDR zugleich ein Ort der Sozialisation, wo gemeinsame kulturelle und gesellschaftliche Interessen unterstützt und auch materiell gefördert wurden. Das führte zu einer anderen strukturellen Verfassung der Gesellschaft bis hinein in die Familie: Das Familieneinkommen in der sogenannten Durchschnittsfamilie – eine international gebräuchliche statistische Größe – bestand in der DDR  im Unterschied zur Durchschnittsfamilie in den alten Bundesländern aus drei Säulen: Dem Arbeitseinkommen des Ehemanns, dem Arbeitseinkommen der berufstätigen Ehefrau sowie den Einsparungen aufgrund der Subventionierung der Waren des Grundbedarfs, der Verkehrsleistungen und Mieten. Das letztere entsprach für eine Familie etwa 75% des Durchschnittslohnes eines Beschäftigten. Das wiederum hatte grundlegende Auswirkungen auf die Gestaltung des Tarifsystems, des Rentenrechts u.a.. Es ist deshalb notwendig, bei solchen Analysen das Familieneinkommen stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Die Aufrechterhaltung der niedrigen Preise des Grundbedarfs, für Verkehrs- und Dienstleistungen und niedrige Mieten stellte eine der grundlegenden Säulen der Sozialpolitik in der DDR dar und war der größte Subventionsbereich. Dazu gehörte auch, dass die gesamte Bildung und Ausbildung für alle unentgeltlich war. Die hohe Erwerbstätigkeit von Frauen in der DDR hat zwar ihre ökonomische Lage grundlegend verbessert. In Folge hat sich ihre soziale Stellung insofern geändert, dass sie nicht mehr vom Ehemann abhängig gewesen sind und z.B. Scheidungen für die Frauen jederzeit möglich gewesen sind, auch wenn sie für die Kinder sorgen mussten. Aber das Patriarchat war durch die ökonomische Einbeziehung, die rechtliche Gleichstellung sowie die umfangreiche Sozialpolitik, die besonders den Frauen sozial zugute kam, noch lange nicht überwunden. So wurden zum Beispiel junge Ehen, die die Regel waren, materiell gefördert. Es gab zinslose Kredite, die bei Vergrößerung der Familie teilweise erlassen wurden. Das gesellschaftliche Denken über die Rolle der Frau blieb unverändert.

Wir können wir schon aufgrund dieser ersten Einschätzung festhalten, dass der Ausverkauf der DDR für die Frauen aus Ostdeutschland starke ökonomische und soziale Änderungen bedeutet hat. Zum einen sind viele Frauen durch die Abwicklung der Betriebe (Industrie und Dienstleistungen) in Gesamtdeutschland arbeitslos geworden und gerade die älteren Frauen sind beruflich nicht mehr stabil einbezogen worden. Viele haben zu schlechteren Bedingungen gearbeitet oder sind in Maßnahmen vom Arbeitsamt gesteckt worden. Umschulungen wurden angeboten, aber vor allem in Bereiche, in denen gerade Arbeitsmangel herrschte, und das war damals vor allem in der Altenpflege. Das war nicht nur für viele nicht gerade der Beruf, den Frau wirklich wollte, es ist auch harte Arbeit, die schlecht bezahlt wird, mit katastrophalen Arbeitsbedingungen.

Zum anderen war es vorbei mit der guten Sozialversorgung: Alles, was zur Grundversorgung gehört, ist nun teuer, alles muss bezahlt werden und das bei niedrigem Einkommen oder Arbeitslosengeld. Frauen mit Kindern mussten ganz neue Erfahrungen machen, denn eine Kinderunterbringung war mangels Plätzen schwer, zudem muss dafür bezahlt werden und die Arbeitszeiten sind nicht abgedeckt.

Zu den neuen Realitäten gehörte auch, dass es in der BRD keine Selbstverständlichkeit war, dass Frauen arbeiten, schon gar nicht, dass Frauen in Vollzeit arbeiten. Ebenso beziehen viele RentnerInnen im Osten heute eine Armutsrente, weil ihre DDR-Rentenansprüche nicht anerkannt wurden. Trotz all dieser Umstände regte sich damals kein Widerstand, weder bei den DDR-Frauen noch bei den BRD-Frauen. Wir können als weitere Fakten festhalten:24

Nach der Vereinigung 1989 sind ca. 4 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen.

Ostdeutsche Frauen sind häufiger als Männer arbeits- und langzeitarbeitslos geworden und sehen sich mit erheblichen Schwierigkeiten beim (Wieder-)Einstieg in die Berufstätigkeit konfrontiert.

Ostdeutsche Frauen sind nach wie vor stärker als westdeutsche Frauen in das Erwerbssystem integriert.

Mit der Abwicklung der DDR und damit der weitgehenden Zerschlagung der DDR-Industrie stieg die Arbeitslosigkeit nochmals sprunghaft an. Die offizielle Arbeitslosenzahl erreichte mit 4,5 Mio. im Jahr 2006 ihren Höhepunkt. 25 In der DDR war Arbeitslosigkeit unbekannt. Es gab eher Arbeitskräftemangel. Nach der Wiedervereinigung entstand die „Umbruchsarbeitslosigkeit“, die bis 2000 auf 18,7 Prozent anstieg. Betroffen waren vor allem Frauen, ältere Menschen und gering qualifizierte Arbeitskräfte, die zu Langzeitarbeitslosen wurden. Dem Verlauf wurde mit Kurzarbeit und Vorruhestandsregelungen begegnet. Zeitweise lag die Frauenarbeitslosigkeit um 9 Prozent höher als bei den Männern.

Dann kam Hartz IV als „Gegenmaßnahme“ und wurde begleitet vom Ausbau von Minijobs, Teilzeitarbeit, 1-Euro-Jobs, prekären Arbeitsverhältnissen, der Absenkung von Löhnen und Gehältern, z.B. infolge einer verstärkten Ausgliederung von Arbeitsbereichen und deren Privatisierung (wie z.B. der Krankenhäuser). Zu untersuchen ist noch, wie sich in der DDR letztlich neue Klassenunterschiede entwickelt haben, und warum sich dagegen und gegen die Abwicklung aller Errungenschaften nach der Annektion kein Frauenwiderstand gebildet hat – und das obwohl die Frauen in der BRD derart massenhaft aus der Berufstätigkeit herausgedrängt wurden. 

Die Arbeiterin und der Zusammenhang von Arbeit, Rente und Altersarmut
im Kapitalismus 

Hat die Arbeiterin ihre Pflicht im kapitalistischen System erfüllt – die Kinder zur Welt gebracht, die Hausarbeit erledigt und als Zuarbeiterin einen Teil des Familienlohns erwirtschaftet – erwartet sie im Alter häufig ein Leben in Armut: Innerhalb von zehn Jahren, zwischen 2006 und 2016 stieg in der BRD die Zahl der Frauen, die von Armut im Alter bedroht sind, von 13 Prozent (5,4 Millionen Frauen) auf 17,8 Prozent (7,3 Millionen Frauen).26

Grund dafür ist, dass das Rentensystem in Deutschland auf der besonderen sozialen Unterdrückung der Arbeiterin aufbaut und diese bis zum hohen Alter und Tod weiterführt. Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die Funktionsweise dieses Rentensystems.

Die Grundlagen des Rentensystems

Zunächst muss festgestellt werden, dass das Rentensystem in der BRD kompliziert und sehr schwer zu durchschauen ist. Das ist kein Zufall, sondern das Rentensystem ist gerade darauf angelegt, undurchschaubar zu sein und die RentnerInnen zu betrügen. Exemplarisch dafür ist die sogenannte „Standardrente“. Der Begriff täuscht vor, dass es sich um die durchschnittliche Rente handele, die man im Alter erwarten könne. In Wahrheit geht es dabei um die Rente eines fiktiven Beschäftigten, der es geschafft hat, 45 Jahre lang konstant zum Durchschnittslohn aller Sozialversicherten zu arbeiten – was sehr unrealistisch ist. Allein 45 Entgeltpunkte zu sammeln schafft kaum ein Arbeiter – von Arbeiterinnen ganz zu schweigen. Die „Standardrente“ ist also tatsächlich eine „Märchenrente“ und die Realität sieht deutlich bescheidener aus, vor allem für die Arbeiterin. 

Die Berechnung der Standardrente 

Die Grundlage für die Berechnung der Standardrente sind „EckrentnerInnen“. Hierbei handelt es sich nicht um reale, sondern um fiktive Personen, um eine reine Berechnungsgrundlage: Der Eckrentner hat 45 Jahre lang das Durchschnittseinkommen erhalten und dafür Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt. Ein Zahlenbeispiel hierzu: Der Eckrentner, der bis zum 1. Juli 2015 45 Jahre vollbeschäftigt ohne Unterbrechung zum Durchschnittslohn (35.000 Euro brutto im Jahr) gearbeitet hatte, konnte brutto 1.314 Euro Rente beziehen (dies gilt für die alten Bundesländer, in den neuen Bundesländern sind es 1.217 Euro)27. Wie wird diese Zahl berechnet: Für jedes Jahr Erwerbstätigkeit, in dem das durchschnittliche Einkommen erwirtschaftet wird, gibt es einen Entgeltpunkt auf das Rentenkonto. Der sogenannte Rentenwert betrug 2015 27,05 € im Osten 29,21 € im Westen. Dieser Rentenwert wird mit 45 Entgeltpunkten multipliziert und ergibt die Standardrente.

Wichtig ist: Jedes Jahr, in dem das Bruttoeinkommen unterhalb des Durchschnitts liegt, wird mit weniger Entgeltpunkten bewertet!

Abschlagsfreie Renten mit 63 Jahren erhalten in der Vergangenheit und heute in der Regel (wenn überhaupt) Männer, weil sie als kontinuierliche Vollzeitbeschäftigte lange Beitragszeiten haben.

Aktuell (Stand: 2018) liegt die Standardrente bei ca. 1440 Euro (brutto)28. Diese Rente gibt es aber aufgrund der kapitalistischen Lohnpolitik, der kapitalistischen Ökonomie nur für die wenigsten Menschen. Die echten RentnerInnen bekommen im Durchschnitt viel weniger: Männer beziehen heute real durchschnittlich ca. 1100 Euro, Frauen ca. 700 Euro Bruttorente. Frauen haben also nur etwas mehr als die Hälfte an Rente. Alle geschlechtlichen Unterschiede zusammen addieren sich zu einer Lohnlücke von 22 Prozent zwischen Frauen und Männern.

Aktuelle Renten im Durchschnitt

Ohne die Klassenzugehörigkeit und die Geschlechterfrage zu beachten, beziehen aktuell 3,7 Millionen RentnerInnen eine gesetzliche Rente von unter 300 Euro, sechs Millionen RentnerInnen von bis zu 500 Euro und 13 Millionen RentnerInnen, was 72 Prozent entspricht, von unter 1000 Euro Rente. 

Regelrente

Die „Regelrente“ ist wiederum die Rente, die am meisten beantragt wird – und nicht mit der durchschnittlichen Rente oder gar der Standardrente zu verwechseln. Regelrente bedeutet: 35 grunderfüllte Beitragsjahre, aber man hat Abschläge, da vor der vollen Altersrente mit 65 plus in Rente gegangen wird. Hier sehen die Zahlen schon anders aus als oben: Frauen bekommen als Regelrente im Durchschnitt 465 Euro und Männer 718 Euro.29

Weitere Fallen im Rentensystem

Auch der Begriff des „Rentenniveaus“ ist ein Beispiel dafür, wie das Rentensystem auf Verwirrung und Undurchschaubarkeit ausgelegt ist. Politik und Medien täuschen mit diesem Begriff vor, es handele sich um das Verhältnis der eigenen Rente zum Lohn/Gehalt in den Zeiten der Berufstätigkeit. Tatsächlich ist das Rentenniveau jedoch das Verhältnis zwischen der Standardrente (die kaum jemand erreicht) und dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten. Diese Zahl verschleiert geradezu, was RentnerInnen wirklich an Rente bekommen. Während der Zeit der Berufstätigkeit täuschen Lohn- und Gehaltszulagen wie Schichtzulagen, Wochenendzulagen oder sonstige Zulagen den Menschen vor, dass sie sich in der Rente bemerkbar machen würden. So ist es aber nicht, denn für die Rentenberechnung gilt nur das Grundeinkommen – alles andere wird nicht berücksichtigt. Auch darum ist der Durchschnittslohn als Basis für die Rentenberechnung für ArbeiterInnen und vor allem für die Arbeiterin nur in Ausnahmen zu erreichen. StandardrentnerIn ist eben nicht der Standardfall, er ist nicht DurchschnittsrentnerIn und auch nicht typische RentnerIn, sondern der Idealfall. Das wird durch die undurchsichtige Berechnungsgrundlage verdreht, verwischt und führt zu einem falschen gesellschaftlichen Denken. Abgesehen davon, dass junge Menschen sich über ihre Zukunft im Alter und Rente häufig noch keine Gedanken machen.

Bewusst irreführend sind die Debatten darüber, dass die Standardrente mit den Rentenerhöhungen ansteigt, was von der Politik als Argumentation gegen die Altersarmut genutzt wird. Dabei werden die genauen Grundlagen über die Rentenpolitik bewusst verschwiegen, denn es ist Fakt, dass immer weniger RentnerInnen 45 Entgeltpunkte erreichen. Berufstätigkeiten werden immer mehr durch Arbeitslosigkeit, auch lange Arbeitslosigkeit unterbrochen und der Niedriglohnsektor boomt. Damit sinken die gezahlten Beiträge und das Rentenniveau. Es sinkt immer dann, wenn die Standardrente langsamer ansteigt als die Durchschnittslöhne der Versicherten. Wenn das Rentenniveau sinkt, dann sinkt der Wert der Renten im Vergleich zu den Löhnen.

Was heißt das für die Arbeiterin?

Frauen, die 45 Jahre lang in Vollzeit ohne Unterbrechung und kontinuierlich zum Durchschnittslohn gearbeitet haben, sind in der Berufstätigkeit und beim Rentenbezug kaum vorhanden. Für Frauen ist und bleibt das Erreichen der Bedingungen des „Eckrentners“ in diesem Rentensystem die absolute Ausnahme. Die Realität ist vielmehr die Altersarmut, von der Frauen besonders betroffen sind. 

Zusatzrenten wie z.B. Betriebsrenten haben Frauen eher selten, da es diese vor allem in der Industrie gibt: Denn, wie wir oben gesehen haben, arbeiten Frauen in der Masse immer noch in den „weiblichen Berufen“. ArbeiterInnen, die über viele Jahre in Zusatzversicherungen einzahlen oder von einem hohen finanzielles Erbe profitieren oder eine gute Witwenrente beziehen, sind ebenfalls Ausnahmen.

Mütterrente / Anerkennung von
Erziehungszeiten für Kinder

Was ist aber mit der Mütterrente als Sonderleistung, die nur Frauen beziehen können? Dazu ist zunächst einmal folgendes zu sagen: Die sogenannte „Mütterrente“ ist keine eigenständige Rente, sondern es handelt sich um zusätzliche Entgeltpunkte, die Frauen für die Kindererziehung bei der Rentenberechnung geltend machen können. Kindererziehungszeiten werden seit 1986 in der Rente wie folgt berücksichtigt: Es gibt zwei Entgeltpunkte für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, und drei Entgeltpunkte für Kinder, die danach geboren wurden. Wer mehr als drei Jahre wegen der Kinder zu Hause bleibt, erwirbt keine nennenswerten Rentenansprüche mehr. Wir haben oben gesehen, dass es für die Arbeiterin aufgrund vieler Faktoren häufig schwer ist, nach Ausfallzeiten wieder in die Berufstätigkeit einzusteigen. Es folgen verschlechterte Bedingungen wie Lohneinbußen und Teilzeit oder fehlende Kinderbetreuung, die Frauen oft zwingt, länger als gewollt zu Hause zu bleiben. Von der Mütterrente profitieren nur diejenigen Frauen in nennenswerter Form, die in ganz anderen Verhältnissen leben, in gehobenen Jobs arbeiten und finanziell in der Lage sind, Leben und Beruf privat zu organisieren – die also ohnehin schon eine ausreichende Rente erreichen.

Für die Arbeiterin gilt das nicht: Bezieherinnen niedriger Renten bekommen mit der Mütterrente lediglich ein paar Euro mehr im Monat. Wer sogar weniger als die Grundsicherung bekommt, hat gar nichts davon. Hier gilt dasselbe wie für Hartz-IV-Bezieherinnen: Die Mütterrente oder Rentenbeiträge für Erziehungszeiten werden auf die Grundsicherung angerechnet und damit ist sie für die Arbeiterin gestrichen. 

Grundsicherung

Offiziell heißt es, der Staat garantiere mit der Grundsicherung eine Absicherung im Alter, wenn die Rente nicht reicht oder das offizielle Rentenalter noch nicht erreicht ist, man aber trotzdem nicht arbeiten kann, z.B. durch Krankheit, Dauerarbeitslosigkeit/Hartz IV oder Berufsunfähigkeit. Eine halbe Millionen RentnerInnen beziehen heute Grundsicherung. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist das ein Anstieg von 30 Prozent.30 Liegt die Rente unter 780 Euro, empfiehlt die Rentenversicherung den Gang zum Sozialamt, um „Grundsicherung im Alter“ zu beantragen. Das betrifft die Masse der Arbeiterinnen, die durch Teilzeit und Auszeiten nicht die Bedingungen des Eckrentners erreichen. Um die Grundsicherung aufzustocken, arbeiten viele RentnerInnen in einem Minijob, sie können 450 Euro dazu verdienen, mehr nicht. Seit 2000 hat sich die Zahl der MinijoberInnen in der Rente fast verdoppelt, im Jahr 2017 zählt der Deutsche Gewerkschaftsbund mehr als 942.000 RentnerInnen im Alter zweischen 65 und 74 Jahren im Minijob. Die Sicherung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, wie es aktuell die SPD fordert, wäre eine Stabilisierung vor allem für die besser verdienenden Menschen. Die Arbeiterin, die auf Grundsicherung angewiesen ist, wird in diesem System weiter in Armut leben. 

Altersarmut und
ideologische Stigmatisierung

Menschen, die sich wenig mit der Politik beschäftigen, verstehen häufig nicht den Zusammenhang zwischen ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen und der kapitalistischen Ökonomie. Die staatstragende Propaganda ist darauf aufgebaut, dass jede/jeder für seine Lebens- und Arbeitssituation persönlich verantwortlich gemacht wird. Die, die es schaffen, sind die leuchtenden Vorbilder und werden hochstilisiert in dem Maße, dass andere es nicht schaffen, weil sie sich z.B. nicht in die Ausbeutung prekärer Arbeitsverhältnisse integrieren. Systemische Bedingungen, Gründe, Ursachen sind kein Thema, werden klein geredet oder umgedeutet: Nämlich immer wieder zu dem Bild: Du bist selbst schuld, aber du wirst auf Staatskosten versorgt, also sei dankbar…

Gesellschaftlicher Druck, Verurteilung und Stigmatisierung der Menschen, die in Armut leben, wirken so zerstörend, dass Menschen gelähmt werden. Sie verstehen nicht das System. Sie merken und fühlen nur ständig und überall, dass sie überflüssig sind. Dafür schämen sie sich und nicht wenige versuchen, ihre Armut zu verbergen: Das heißt, sie ziehen sich zurück aus dem gesellschaftlichen Leben, sie werden einsam. Das ist die bittere Realität u.a. für Millionen alte Menschen, die heute in der BRD in Armut leben: Im Jahr 2016 haben fast sieben Millionen Rentnerinnen eine eigene Rente von maximal 750 Euro brutto bezogen. Das entspricht zwei Drittel der Rentenbezieherinnen in den alten Bundesländern und 40 Prozent der Rentnerinnen in den neuen Bundesländern.31 Und die Perspektive sieht nicht besser aus: Eine Studie des WDR von 2016 sagt für 2030 voraus, dass jede zweite Frau, die aus dem Berufsleben ausscheidet, eine Rente auf Sozialhilfeniveau erwartet.

Millionen Rentnerinnen leben heute also in Armut, die Rente reicht nur knapp zum Überleben. Betroffen sind Frauen, deren Einkommen nach gängiger Definition der Armut unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, was im Jahr 2016 1.063 Euro entsprach. 

Wir sehen: Auch eine gute Ausbildung und Berufstätigkeit bringt Frauen in dieser kapitalistischen Gesellschaft mit diesem Rentensystem keine Gleichberechtigung, sondern hält sie in Armut. Viele Frauen, die heute arbeiten, haben im Alter nichts anderes als Grundsicherung zu erwarten – genau wie die Frauen, die heute und in der Vergangenheit aufgrund ihres niedrigen Einkommens im Alter bereits in Armut gelebt haben.

Wer Rente hört, denkt häufig: Das ist eine finanzielle Absicherung im Alter, dafür zahlen die Menschen, bis sie nicht mehr arbeiten können in die Rentenkasse ein. Ähnlich war es auch mal gedacht. 1889 wurde das Gesetz erlassen, um ein Versicherungsmodell zu schaffen, das der Altersarmut vorbeugt. 1945 sollte die Rentenversicherung ein Lohnersatz im Alter sein, mit einer Zahlung von 70% des Durchschnittseinkommens.32 Dieses Prinzip des Lohnersatzes hat der Staat längst abgeschafft. Es folgte eine Rentenreform nach der anderen mit ständigen Gesetzesänderungen. Heute sind wir bei einem Rentenniveau von 48% angekommen und bis 2030 wird es voraussichtlich auf 45% rutschen. Angepeilt wird heute ein Renteneintrittsalter mit 67 Jahren.

Das Rentensystem wurde so immer mehr den ökonomischen Bedingungen des kapitalistischen Systems mit all seinen Unsicherheiten, seiner Krisenhaftigkeit, Unbeständigkeit und fehlenden Planwirtschaft angepasst. 

Rentnerinnen können
auch Klassenkampf

Alte Menschen aus der ArbeiterInnenklasse und darunter insbesondere Frauen werden damit aber zu Potenzialen für den Klassenkampf, die vielleicht häufig unterschätzt werden: Alte Menschen und RentnerInnen aus der Klasse sind erfahrene Menschen, sie haben vielfältige Erfahrungen als Arbeiterinnen im Berufsleben und mit den Sorgen, eine Familie durchzubringen. Gerade Rentnerinnen haben viele Dinge durchgestanden und durchgekämpft, z.B. Kita, Schule, Ehe, Familie, Arbeit u.v.m. Unzählige ältere und alte Frauen sind durch häusliche Gewalt und sexualisierte Gewalt geprägt. Frauen mussten und müssen ihr Leben lang gegen viele Vorurteile, Diskriminierungen, Gewalt und vieles mehr kämpfen.

Diese Umstände führen einerseits in Resignation, Depression, Tatenlosigkeit oder alles zusammen – aber oft gibt es auch einen innerlichen Kampfgeist, der sich aus all der Wut, dem Frust und der Enttäuschung nährt. Dann kommen die Erfahrungen von früheren Kampferfolgen hervor, die nicht einfach verschwunden sind. Und in einem gewissen Rahmen motivieren diese Erfahrungen auch. Gerade diese Situationen können Möglichkeiten ergeben, die Arbeiterin politisch in die richtige Richtung zu führen und sie in die kommunistische Basisarbeit einzubeziehen, um die „Power“ der Arbeiterinnen in eine organisierte Aktivität zu lenken.

Rentnerinnen sind heute Frauen, die aus den Nachkriegsgenerationen kommen, die nicht selten auf die Straße gegangen sind, die für sich und die nachkommenden Generationen Reformen und Gesetze erkämpft haben. Ihr Kampf ist Teil davon, dass sexualisierte und häusliche Gewalt nicht mehr als gesellschaftliche Norm oder Erziehungsmethoden legitim sind oder generell im Verborgenen bleiben können. Ihr Kampf war es, der dazu geführt hat, dass Frauen nicht mehr Eigentum des Mannes sind, dass es verbesserte Bildungsmöglichkeiten gibt, auch gegen alle Unzulänglichkeiten, die noch bestehen. Kurz gesagt: Rentnerinnen und alte Menschen sind auf diese Art erfahrene Kämpferinnen, auch wenn sie keine Revolutionärinnen oder Kommunistinnen sind. Sie sind es, die jetzt mit der Verschärfung der kapitalistischen Krise wieder die sind, die z.B. aus ihren Wohnungen fliegen und keine Alternativen haben. Die Masse hat ja nur Grundsicherung, was soll da noch gehen. Armut, Hunger, Krankheit, Obdachlosigkeit winken in der Rente, genug Gründe, um zu kämpfen statt einfach unter zu gehen!

Schlussfolgerungen

In diesem Text sind einige Grundlagen zusammengetragen, die auf ökonomischer Ebene dafür sorgen, dass die Masse der Arbeiterinnen im Kapitalismus keine ökonomische Gleichberechtigung durch Bildung oder Berufstätigkeit erlangen kann.

Die Arbeitsmarktpolitik, das Lohn-, Renten- und Steuersysteme sind in ihrer Zusammenwirkung Teil der kapitalistischen Ökonomie, die durch ihre Verflechtungen dafür sorgen, das Wesen der ökonomischen Mechanismen zu regulieren, mit dem Ziel, dass die Arbeiterinnen nicht aus ihrer Klassenzugehörigkeit ausbrechen können, dass die Arbeiterin ökonomisch ausgebeutet bleibt, dass die Klassengesellschaft im imperialistischen Stadium aufrecht erhalten bleibt. Die Geschichte hat gezeigt, dass gesellschaftlicher Aufstieg für Einzelpersonen zwar möglich sein kann, aber das gilt nicht für die Masse der Arbeiterinnen. Ausnahmen sind Ausnahmen und hängen mit vielen Bedingungen, Zufällen, Gegebenheiten zusammen, die für uns Nebenaspekte sind. Für uns sind in diesem Zusammenhang nicht einzelne Individuen und Möglichkeiten für sehr wenige Personen wichtig. Für uns ist die Masse der Arbeiterinnen wichtig, die Masse der Menschen soll anders leben und arbeiten können und das kann eben auch nur die Masse der Arbeiterinnen ändern. Das kapitalistische Gesamtsystem ist die Struktur, die durchbrochen, zerschlagen werden muss, um ein sozialistisches ökonomisches System aufzubauen und weiter zu entwickeln, um dadurch eine andere Gesellschaft aufzubauen – in der die Masse der Menschen es lernt, sich an sozialistischen Werten, Idealen zu orientieren, um ein kollektives, soziales Miteinander zu leben ohne kapitalistische und patriarchale Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen.

Fassen wir die Ergebnisse zusammen:

Eine gute Ausbildung, die Berufstätigkeit selbst und Qualifizierungen in der Berufstätigkeit ändern nichts an der Klassenlage der Arbeiterin.

Durch eine qualifizierte Bildung kann die Arbeiterin in einem gewissen Rahmen einen beruflichen Aufstieg erreichen, damit kann aber nicht die kapitalistische Klassenstruktur überwunden werden. Der Masse der Arbeiterinnen ist der soziale Aufstieg verwehrt.

Es ist die bürgerliche Ideologie, die vortäuscht, dass sich jede Arbeiterin, jeder Arbeiter wenn sie/er es nur will, durch Bildung und Berufstätigkeit aus ihrer Lage befreien kann.

Ökonomische Unabhängigkeit vom Mann kann die Arbeiterin auf einem gewissen Niveau in der Zeit erreichen, in der sie in einer Berufstätigkeit in Vollzeit tätig ist, der Lohn wesentlich über dem Mindestlohn liegt und wo die Berufstätigkeit nicht durch soziale Bedingungen unterbrochen wird, wie z.B. Familie, Kinder, Krankheit.

Die staatlichen Strukturen, welche die Klassengesellschaft aufrechterhalten, sorgen dafür, dass die Arbeiterin bei Unterbrechungen einer Vollzeit-Berufstätigkeit zwangsläufig einen wirtschaftlichen Abstieg durchläuft, oft verbunden mit einem sozialen Absturz, der dann in einem Leben in Armut endet.

Der kapitalistische Arbeitsmarkt, das Lohn- und Gehaltssystem, das Steuerwesen und das Rentensystem bauen politisch, ideologisch und ökonomisch auf einem männlichen Familienlohn auf, was die Voraussetzung dafür schafft, dass eine ökonomische Gleichberechtigung der Arbeiterin verhindert wird.

Leitbild zur Familienabsicherung im Kapitalismus ist die dauerhafte Vollzeit-Berufstätigkeit des Mannes, die dauerhafte Ehe und damit die Absicherung der Frau durch die Ehe, durch ihren berufstätigen Mann.

Dieses Leitbild widerspricht in der Geschichte und in der Gegengenwart der Wirklichkeit der Arbeiterin, die mit wenigen Ausnahmezeiten oft gezwungen ist, hinzu zu verdienen, weil der Lohn der Arbeiter nicht für einen Familienlohn ausreicht.

Der Lohn der Arbeiterin kann durch dieses politisch-ökonomische System in Verbindung mit einem alten, rückschrittlichen, traditionellem Bild über die Rolle der Frau dauerhaft niedrig gehalten werden.

Gesellschaftliche Veränderungen wie das Ausbrechen aus alten Familienbildern z.B. durch Ansteigen von Scheidungen, Leben als Alleinerziehende – bewirken nicht, dass der Kapitalismus die Grundlagen der ökonomischen Bedingungen ändert. Allein diese begrenzte Ausarbeitung weist darauf hin, dass in der kapitalistischen Gesellschaft Armut oftmals weiblich ist. Um diese Schlussfolgerung zu vertiefen, bedarf es jedoch einer weiteren, genaueren Untersuchung der sozialen Lage der Arbeiterin. Wir werden uns daher in Zukunft mit dem System, dass die besondere Unterdrückung der Arbeiterinnen organisiert, in Verbindung mit der sozialen Lage beschäftigen. Dabei gehen wir auf die doppelte Rolle der Sozialverwaltung ein, die einerseits eine materielle Unterstützung für das Leben bietet (z.B. Unterhaltsvorschuss, Wohngeld, Kindergeld) und andererseits als Kontroll- und Repressionsinstrument gegen die Arbeiterinnen eingesetzt wird und so die Voraussetzungen schafft, dass die Arbeiterinnen z.B. im Niedriglohnsektor durch das Kapital besonders profitabel ausgebeutet werden können. Dabei werden wir auch aufzeigen, dass die Sozialleistungen keine Subvention durch den Staat oder gar die Bourgeoisie darstellen, sondern vielmehr eine Umverteilung von den kargen Löhnen der ArbeiterInnen in die Taschen des Mittelstands und der Bourgeoisie bedeuten. In diesem Zusammenhang gehen wir auf die Rolle des Kleinbürgertums (dem sogenannten „Mittelstand“) und seine Funktion für den Staat bzw. für die bürgerliche Ideologie ein. Die Legende der sogenannten „kleinen Leute“ dient der Verschleierung der Klassengegensätze und bildet die Grundlage für die Aufstiegsideologie („Jeder ist seines Glückes Schmied“ und kann „vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen“), die für die proletarischen Frauen eine reaktionäre Utopie bleibt.

All dies steht außerdem in engem Zusammenhang mit dem kapitalistischen Patriarchat. Fragen wie die Geschlechterrollen, die Familienstruktur und Ideologie müssen weiter untersucht werden. Entsprechend der Bedeutung für die Lebensrealität der Arbeiterinnen gilt das ebenso für das Patriarchat in Familie und Beziehung und die sexualisierte Gewalt, die Alltagserfahrung für die Frauen sind.

1 1 „Die Struktur der ArbeiterInnenklasse in Deutschland“, Kommunismus 13, S. 38 ff.

2 „Frauen fehlen häufiger im Job als Männer“, Spiegel-Online, 15.03.2016

3 Die damit zusammenhängenden Fragen werden ausführlich in dem Artikel „Die Struktur des Kapitalismus in Deutschland“ behandelt: Kommunismus 13, S. 8 ff.

4 Siehe Statistisches Bundesamt destatis, Pressemitteilung Nr. 078 vom 07.03.2018

5 Siehe Statistisches Bundesamt destatis, Pressemitteilung Nr. 324 vom 30.08.2018

6 Siehe dazu: www.statistik-bew.de/VGRdL/tbls/tab.jsp

7 Siehe Spiegel vom 28.04.2017, „15 Millionen Beschäftigte arbeiten in Teilzeit“; www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/15-millionen-arbeitnehmer-arbeiten-in-teilzeit-a-1145212.html

8 ‘Die 30-Stunden-Woche hat Konjunktur’,; FAZ 16.03.2015; dort wird ein anschaulicher Überblick über die Entwicklungstendenzen gegeben; siehe www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/teilzeitarbeit-in-deutschland-wird-zunehmend-beliebter-1348489

9 ‘Neun Prozent der Männer arbeiten in Teilzeit’ meldet die Zeit am 01.11.2016 unter Berufung auf das statistische Bundesamt; siehe: www.zeit.de/karriere/2016-11/statistisches-bundesamt-maenner-teilzeitjob

10 Siehe: www.de.statista.com/statistik/daten/studie/151414/umfrage/geringfuegig-beschaeftigte-in-deutschland-nach-geschlecht

11 Angaben des Deutsches Institut für Wirtschaft auf Grundlage der Daten des Sozioökonomischen Panels (SOEP); siehe: www.welt.de/wirtschaft/karriere/article153326355/Wo-sich-die-Gehaelter-angleichen-und-wo.nicht.html

12 Siehe: www.bpd.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/187832/niedrigloehne

13 Zahlen aus: www.bildungsbericht.de/de/bildungsberichte-seit-2006/bildungsbericht-2018/pdf-bildungsbericht-2018/bildungsbericht-2018.pdf

14 “Hauptstadt der Einzeleltern”, www.tagesspiegel.de/berlin/polizei-justiz/alleinerziehende-in-berlin-hauptstadt-der-einzeleltern/22875602.html

15 Zahlenquelle und Zitate aus Tagesspiegel „10 Probleme, die jede Regierung anpacken muss“ (10.09.2017) und „Allein und arm“ (24.09.2018)

16 “Alleinerziehende in Deutschland 2017”, S.25 + S.33, https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2018/Alleinerziehende/Pressebroschuere_alleinerziehende.pdf -> Anmerkung hierzu: Die ersten beiden Zahlen sind zwar so fast wortgleich in der Studie beschrieben, beziehen sich aber offensichtlich auf die berufstätigen alleinerziehenden Mütter und Väter, nicht auf alle alleinerziehenden Mütter und Väter, was man daran sieht, dass sich der Anteil der Voll- und der Teilzeitbeschäftigten jeweils zu 100 % addiert. Erwerbslose sind hier also nicht eingerechnet!

17 Quelle Tagesspiegel „10 Probleme, die jede Regierung anpacken muss“ (10.09.2017)

18 Quelle Tagesspiegel „10 Probleme, die jede Regierung anpacken muss“ (10.09.2017)

19 Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Frauenstudium

20 Studie: Geschlechterdifferenzen im Bildungssystem 2009 (Aktionsrat Bildung)

21 Mädchen in Ausbildung – Girls Day Erhebungswelle 2015

22 Die Darstellung folgt dem Buch von Siegfried Wenzel; Was war die DDR wert?; Das Neue Berlin, 2000

23 Zahlen aus: „Die verratenen Mütter“

24 Siehe: Geschlecht, Arbeit, Zukunft; I. Lenz, H. Nickel, B. Riegraf; Westfälisches Dampfboot, 2000; ab S. 180

25 Zahlen nach www.de.wikipedia.org/wiki/Arbeitslosenstatistik; wobei zu berücksichtigen ist, dass die realen Zahlen noch viel höher gewesen sind, u.a. weil die offizielle Arbeitslosenstatistik mehrfach verändert wurde, um die Zahlen zu schönen

26 22 FN, Link: “Rund jede fünfte Frau ist von Armut bedroht”, www.t-online.de/finanzen/jobs/id_83363678/rund-jede-fuenfte-frau-ist-von-armut-bedroht.html]

27 Zahlen aus: „Die verratenen Mütter“

28 Dass die Standardrente höher als die fiktive Eckrente ist, liegt daran, dass, wer heute Rentner ist und 45 Jahre Vollzeit durchgearbeitet hat, im Laufe seines Lebens Karriere gemacht und im Durchschnitt ein höheres Einkommen erzielt hat.

29 Anmerkung: Hier geht es um den Durchschnitt der RegelrentnerInnen, nicht um den Durchschnitt aller RentnerInnen – diese Größe ist u.E. aussagekräftiger für die tatsächliche Lage der breiten Masse der ArbeiterInnenklasse, da die wenigen besonders hohen Renten herausgerechnet sind, welche die Statistik ansonsten verzerren und die Renten höher erscheinen lassen, als sie für den typischen Arbeiter / die typische Arbeiterin tatsächlich sind.

30 Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes August 2015

31 Deutsche Rentenversicherung – Rentenbestand 31.12.2014

32 Auf die politischen Hintergründe, vor denen diese Leistungen eingeführt worden sind (insbesondere Bismarcks Kampf gegen die erstarkende Sozialdemokratie Ende des 19. Jahrhunderts sowie der Kampf gegen das erstarkte sozialistische Lager nach dem Zweiten Weltkrieg) gehen wir hier aus Platzgründen nicht näher ein.