Propaganda, Agitation, Organisation

Der Zustand und die Situation der revolutionären und kommunistischen Bewegung in Deutschland liegt offen vor uns. Sie ist zersplittert, lokal bzw. regional begrenzt, in Subkulturen gefangen und von den Massen der ArbeiterInnen und Unterdrückten, ihren Problemen, Forderungen und Kämpfen isoliert. Sie verfängt sich in scheinbaren oder wirklichen ideologischen Streitpunkten und jeder Zirkel grenzt sich als der revolutionärste von anderen ab.

Ebenso wie die Situation sind die dringendsten Aufgaben der Kommunisten in Deutschland vollkommen offensichtlich: Die Schaffung einer bundesweiten revolutionären, kommunistischen Organisation, die Überwindung der Isoliertheit durch konkrete Massenarbeit in den Vierteln und den Orten, welche die Lebensmittelpunkte der ArbeiterInnen, der unterdrückten Jugendlichen und Frauen bilden. Die Organisierung der fortschrittlichsten und aufgeschlossensten Teile der unterdrückten Massen und die Bildung von Massenorganisationen, welche praktische Antworten auf ihre Probleme und Forderungen geben können. Es stellt sich nicht in in erster Linie die Frage, was zu tun ist, sondern womit man bei den vor uns stehenden Aufgaben zu beginnen hat. Doch auch diese Fragen, vor denen wir heute stehen, sind nicht neu. Es gibt historische Erfahrungen, die uns helfen können, unsere heutigen Aufgaben zu meistern und kämpfend voran zu schreiten.

Womit beginnen?

Vor mehr als 115 Jahren beschrieb der russische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin eine sehr ähnliche subjektive Situation, wie wir sie heute in Deutschland vorfinden. Sicherlich war die objektive Situation, also die Arbeits- und Lebensrealität der Menschen, eine ganz andere, als die der Menschen heute in Deutschland. Doch Lenin beschreibt ganz ähnliche Probleme der revolutionären Bewegung 1901 in Russland, wie wir sie heute in Deutschland vorfinden: „Unsere Bewegung leidet sowohl in ideologischer als auch in praktischer, organisatorischer Hinsicht vor allem unter ihrer Zersplitterung, darunter, dass die übergroße Mehrheit der Sozialdemokraten (Sozialisten) fast völlig in der rein örtlichen Arbeit aufgeht, die sowohl ihren Gesichtskreis als auch den Elan ihrer Tätigkeit, ihre konspirative Gewandtheit sowie ihre Schulung einengt.“1 Klingt das nicht wie eine passende Beschreibung für die heutigen Situation der revolutionären Bewegung in Deutschland? An die bereits oben benannten Schwächen und Probleme, die es durch die revolutionäre Praxis zu überwinden gilt? Dann wollen wir uns auch anschauen, welche Antworten und Lösungsvorschläge Lenin auf diese Probleme gegeben hat: „Und der erste Schritt auf dem Wege zur Beseitigung dieses Mangels, auf dem Wege zur Verwandlung der einzelnen örtlichen Bewegungen in eine einheitliche gesamt-russische Bewegung, muss die Schaffung einer gesamt-russischen Zeitung sein. Schließlich brauchen wir unbedingt eine politische Zeitung. Ohne ein politisches Organ ist im heutigen Europa eine Bewegung, die die Bezeichnung politisch verdient, undenkbar. Ohne ein solches Organ ist unsere Aufgabe alle Elemente der politischen Unzufriedenheit und des Protestes zu konzentrieren und mit ihnen die revolutionäre Bewegung des Proletariats zu befruchten absolut undurchführbar.“ 2

Um Lenin hier richtig zu verstehen: Es handelt sich bei der von ihm beschriebenen Zeitung nicht um irgendein Theorie-Magazin oder eine marxistische Diskussionsplattform, nicht um eine Zeitung wie „Kommunismus“ oder eine thematische Broschüre, sondern um eine wirkliche Massenzeitung. Es geht um das zentrale Instrument für die revolutionäre Massenarbeit, für die revolutionäre Agitation und Propaganda. 

Die Krise der bürgerlichen Presse

Bevor wir ein, den heutigen Bedingungen in Deutschland entsprechendes Konzept, entwickeln können, müssen wir uns zunächst der aktuellen Situation der bürgerlichen Presse und der veränderten Bedingungen durch die technische Entwicklung und Digitalisierung im Jahr 2017 stellen. 

Die bürgerliche Presse befindet sich in Deutschland seit langem in einer tiefen Krise. Die Entwicklung des Internets, moderner Kommunikationsmittel wie Smartphones und sogenannten Social-Media Netzwerken lässt eine Gegenbewegung zu der massiv zugespitzten Monopolisierung in der Medien- und Presseindustrie zu. Während alle großen Zeitungen, Magazine, Internetportale, Fernseh- und Radiosender in den Händen einiger weniger Verlags- und Medienmonopole konzentriert sind, vervielfachen sich die technischen Möglichkeiten, auch ohne akkumuliertes Kapital Nachrichten und Inhalte zu verbreiten. 

Denken wir nur daran, welchen gigantischen organisatorischen und finanziellen Aufwand die Genossinnen und Genossen der historischen KPD auf sich nehmen mussten, um einige Tausend Flugblätter und Plakate drucken lassen zu können. Und das bereits vor dem umfassenden Terror und dem Verbot durch die Faschisten. Die Herausgabe einer eigenen Zeitung und die Verbreitung von Stellungnahmen und Informationen über das Parteileben kosteten Unmengen an Ressourcen. Heute ist das nicht mehr unser vordergründiges Problem. Heute geht es in erster Linie darum, genug Menschen zu finden, die unsere Flyer, Zeitungen und Plakate verteilen und in den Vierteln verbreiten. Zwar muss es in der Zukunft auch unser Ziel sein, eigene Verlage und Druckereien zu errichten. Zur Zeit können wir jedoch ohne Probleme den Großteil unserer Materialien in den – losgelöst von den Medienmonopolen existierenden und im harten Konkurrenzkampf untereinander stehenden Druckfabriken – drucken lassen. Gleichzeitig stehen uns mit Internet und „Sozialen Medien“ zahlreiche Möglichkeiten der kostenlosen und weitreichenden Verbreitung zur Verfügung. 

Die Entwicklung der „Sozialen Medien“ und der Zugang von Milliarden Menschen zum Internet stürzte die bürgerlichen Medien in eine tiefe Krise, die weiter anhält. Parallel zur Ausbreitung des Internets in Deutschland sank z.B. die Auflagenzahl der größten deutschen Zeitung „BILD“ (Das Zugpferd des monopolistischen Axel-Springer-Verlags): In den vergangenen 20 Jahren hat sich die täglich verkaufte Anzahl der BILD-Zeitung von 4 Millionen auf unter 1,8 Millionen mehr als halbiert. Jedes Jahr sinkt diese Zahl um weitere 10 bis 12 Prozent. Bei anderen monopolistischen Zeitungen und Verlagen sieht es nicht viel anders aus. Auch die größten Internetangebote der Nachrichtenportale von BILD, Focus und Spiegel können mit rund 600.000 täglichen Besuchern diesen Trend nicht aufhalten. 

In den vergangenen Jahren sind hunderte, ja sicher tausende alternativer Nachrichtenseiten und Informationsportale im Internet gegründet worden. Sie kosten der monopolisierten Presse Marktanteile, auch wenn ohne dahinter stehendes Kapital die Möglichkeit von Werbung und einem bezahltem Team von Redakteuren, sowie der Zugang zu den immer weiter wachsenden Angeboten monopolistischer Nachrichten- und Bildagenturen natürlich begrenzt bleibt. 

Die Krise der bürgrlichen Presse drückt sich auch in zahlreichen Umfragen aus. Laut „infratest dimap“ aus dem Oktober 2015 gaben 37 Prozent der Befragten an, dass ihr Vertrauen in die deutschen Medien in den vergangenen Jahren gesunken sei. 42 Prozent halten die Informationen in den deutschen Medien für nicht glaubwürdig, 39 Prozent gehen sogar davon aus, dass in den deutschen Medien häufig absichtlich nicht die Wahrheit berichtet wird. Dieser Negativtrend dürfte sich seitdem weiter fortgesetzt haben.

Profitieren von der Krise der bürgerlichen Medien können sowohl linke als auch rechte Presseerzeugnisse. Auch wenn ihre Auflagen verglichen mit den großen Monopolzeitungen sehr gering sind, können sie in den vergangenen Jahren ein stetiges Wachstum an Verkaufszahlen verbuchen. Doch sind ed die Zeitungen wie „Junge Welt“ oder „Neues Deutschland“ Zeitungen, die wir für die Entwicklung der revolutionären und kommunistischen Bewegung brauchen? Können sie ein Instrument zur Schaffung einer bundesweiten revolutionären Organisation, ein Instrument zum Wiederaufbau der Kommunistischen Partei Deutschlands sein? 

Sie können das nicht sein, denn letztendlich sind auch diese linken Zeitungen auf die Einnahmen aus Ausgabenverkäufen angewiesen und funktionieren von ihrem organisatorischen Aufbau her wie andere kapitalistische Firmen auch. 

Die Presse neuen Typs

Was wir heute für die Entwicklung hin zu einer schlagkräftigen bundesweiten Kommunistischen Partei brauchen, in der sich die KommunistInnen Deutschlands vereinen und die fortschrittlichsten Teile der Unterdrückten sich organisieren, ist eine ganz andere Art von Presse. Wir brauchen eine Presse, die eine wirkliche Alternative zur bürgerlichen Presse bietet. Wir brauchen eine Presse, die den ArbeiterInnen, den Frauen und Jugendlichen, den MigrantInnen und armen RentnerInnen die objektive Wahrheit über die Geschehnisse in Deutschland und auf der Welt aufzeigt und ihnen eine handfeste, konkrete Perspektive für ein gerechtes Gesellschaftssystem, den Sozialismus bietet. Was wir brauchen, ist eine kommunistische Massenpresse, die durch ihre klare Ausrichtung, durch ihre konkrete Theorie und Praxis, diesen Namen auch wirklich verdient.

Die Grundprinzipien der „Presse neuen Typs“, dieLenin bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter anderem in seinen Werken „Womit beginnen?“ und „Was tun?“ ausgearbeitet hat, können uns auch heute als Orientierung und historischer Leitfaden für eine kommunistische Massenpresse dienen. Ungewöhnlicherweise bekommen wir gerade an diesem Punkt der Argumentation die Unterstützung einer Vertreterin der bürgerlichen Presse. Die bürgerliche Presse versucht, ihre eigene Krise, die durch die technologischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts, den veränderten Blick der Menschen auf die Presse und den stetigen Rückgang der Zeitungsauflagen gekennzeichnet ist, mit einer Abwandlung eines sehr alten Konzeptes zu überwinden. So schrieb ausgerechnet die Berliner Zeitung bereits im Juli 2006 sehr richtig, dass der „moderne Journalismus“, der die Leser selber als Schreiber sieht und in die Gestaltung der Zeitung mit einbezieht, gar kein neues Konzept sei, sondern der Konzeption von Lenins „Presse neuen Typs“ entnommen sei. Entsprechend titelte die Zeitung sehr richtig: „Die Wurzeln von Webblogs und Bürgerjournalismus liegen in der kommunistischen „Presse neuen Typs“: Lenin hat‘s erfunden“.

Die Presse neuen Typs nach Lenin zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie immer die objektiven Interessen der ArbeiterInnen und Unterdrückten auf dem Weg zum Kommunismus vertreten muss. Tut sie das nicht, so hat sie ihr Ziel verfehlt, so hat sie keine Existenzberechtigung mehr und degeneriert zu einer bürgerlichen Presse mit sozialistischem Anstrich. Die revolutionäre Presse vereint in sich drei zentrale Wirkungsfelder: Sie muss Organisator, Propagandist und Agitator zur gleichen Zeit sein.

Wichtig ist zu verstehen, dass sich diese Funktionen der Presse unmittelbar bedingen: Verliert sie in der Praxis eine dieser Funktionen, so verliert sie ihren zentralen Stellenwert in der revolutionären Massenarbeit und kann ihre Rolle für den Aufbau bzw. die Stärkung der Kommunistischen Partei nicht einhalten. Lenin bezeichnete die revolutionäre Zeitung sogar als Gradmesser für die gesamte Arbeit der Kommunistischen Partei: „Man darf wohl ohne Übertreibung sagen, dass Häufigkeit und Regelmäßigkeit des Erscheinens (und der Verbreitung) einer Zeitung als genauester Gradmesser dafür dienen kann, wie solide bei uns dieser elementarste und dringendste Abschnitt unserer Kampftätigkeit aufgebaut ist.“ Lenin konkretisierte und spitzte seine Einschätzung zur Wichtigkeit der Zeitung sogar noch weiter zu: „Wenn wir es nicht verstehen, und solange wir es nicht verstehen, unsere Einwirkung auf das Volk und auf die Regierung mit Hilfe des gedruckten Wortes zusammenzufassen, wird der Gedanke an die Zusammenfassung anderer, komplizierterer, schwierigerer, dafür aber auch entschiedenerer Methoden des Einwirkens eine Utopie sein.“ 3Lenin grenzt die Aufgaben und Funktionen der revolutionären Presse eindeutig von denen der kapitalistischen Presse ab. Er zeigt ihren Charakter als allseitiges revolutionäres Instrument auf: „Die Rolle der Zeitung beschränkt sich jedoch nicht allein auf die Verbreitung von Ideen, nicht allein auf die politische Erziehung und die Gewinnung politischer Bundesgenossen. Die Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator, sondern auch ein kollektiver Organisator.“ 

Die Presse als Agitator…

Die revolutionäre Presse muss in ihrer Funktion die Rolle eines Agitators einnehmen. Dass heißt konkret, dass sie den proletarischen und unterdrückten Massen als Enthüllungsorgan dienen muss. Sie muss die „Schweinereien“ und katastrophalen Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf das Leben der Massen und ihre Umwelt aufdecken. Sie muss am konkreten Beispiel die fatalen Auswirkungen auf jeden einzelnen Menschen, auf jeden Bereich des Lebens konkret darlegen. Sie muss tagespolitische, lokale, regionale und internationale Ereignisse in die Funktionsweise und Abläufe des kapitalistischen Systems einordnen und den Massen die Systematik dieser Ereignisse klar vor Augen führen. Sie muss die einzelnen Elemente der marxistisch-leninistischen Ideologie, der Weltanschauung der ArbeiterInnenklasse, praktisch erfahrbar machen. Sie muss die ArbeiterInnen, die Jugendlichen und Frauen, über ihre eigene Situation zum Nachdenken bringen, helfen, ihr Bewusstsein zu schärfen und sie zum Kampf gegen die sie unterdrückenden Mechanismen des kapitalistischen Systems ermutigen und mobilisieren. Sie muss immer verständlich und konkret geschrieben sein. Sie darf nicht an der Lebensrealität der Massen vorbei gehen.

…als Propagandist…

Die revolutionäre Presse muss in ihrer Funktion die Rolle eines Propagandisten einnehmen. Das heißt konkret, dass sie die Ideologie des Marxismus-Leninismus den Massen bekannt machen und nahe bringen muss. Sie muss die Standpunkte und Ziele der Kommunisten den Massen erläutern. Sie muss über die Aktivitäten der kommunistischen Organisation berichten, über ihre konkrete Strategie und Taktik aufklären und die Übereinstimmung dieser mit den objektiven Interessen der Unterdrückten in Theorie und Praxis beweisen. Sie muss die konkreten Erfolge der historischen Versuche, den Sozialismus aufzubauen ebenso wie die dabei gemachten Fehler analysieren und vermitteln. Sie muss die historischen und aktuellen Beispiele der demokratischen und sozialistischen Revolutionen bekannt machen und sie als Beispiel der Kampfkraft und der Notwendigkeit des Sieges über den Kapitalismus propagieren. Sie muss die Erfahrungen der internationalen ArbeiterInnenbewegung und die internationalen Kampferfahrungen und die Entwicklung der kommunistischen Weltbewegung veröffentlichen und kritisch beleuchten.

Durch diese Funktion als Propagandist schult die kommunistische Presse die ArbeiterInnenklasse und die unterdrückten Massen, schafft Ansätze, ihr Bewusstsein zu erhöhen und bewaffnet sie nach und nach mit den theoretischen und ideologischen Werkzeugen, um sie in die Lage zu setzen, sich selber zu befreien. 

…als Organisator!

Die revolutionäre Presse muss in ihrer Funktion die Rolle eines Organisators einnehmen. Das heißt konkret: Sie muss ein Sammelpunkt für die verstreuten KommunistInnen und fortschrittlichen aktivistischen Massen sein. Sie muss die fortschrittlichsten AktivistInnen in ihren Stamm der MitarbeiterInnen aufnehmen und sie durch ihre kontinuierliche Arbeit in und mit der Presse zu den zukünftigen Kadern der Kommunistischen Partei erziehen. Die Presse muss so als Kader- und Talentschule für die heranreifenden Berufsrevolutionäre dienen. Sie ist der Ort, an dem sich die elementaren Fähigkeiten für die allseitigen Anforderungen der kämpfenden Kommunisten herausbilden lassen. Die revolutionäre Presse kann mit einem Baugerüst verglichen werden. Es zeigt bereits im frühen Stadium die Umrisse des zu bauenden Hauses (der zu schaffenden Kommunistischen Partei) an und erleichtert die Arbeiten beim Hochziehen der Wände und der Errichtung des Rohbaus des Hauses. Es hilft, die Arbeit zu verteilen und zu organisieren, gleichzeitig lässt es einen Überblick über die geschaffte und die noch ausstehende Arbeit zu. 

Die revolutionäre Presse zieht AktivistInnen aus dem ganzen Land zu einer gemeinsamen Arbeit heran. Sie schafft die Verbindung zwischen der Organisation und noch vereinzelten, vielleicht sogar noch unorganisierten Revolutionären, die der allgemeinen oder kontinuierlichen revolutionären Arbeit noch fern stehen. Sie schafft den ersten Berührungspunkt zwischen den aktivistischen unterdrückten Massen und der sich entwickelnden revolutionären Organisation. Sie bildet Möglichkeiten der niedrigschwelligsten Organisation bis hin zur Kaderschule. 

Mit Hilfe der Zeitung und in Verbindung mit ihr wird sich (…) eine beständige Organisation herausbilden, die sich nicht nur mit örtlicher, sondern auch mit regelmäßiger allgemeiner Arbeit befasst, die ihre Mitglieder daran gewöhnt, die politischen Ereignisse aufmerksam zu verfolgen, deren Bedeutung und Einfluss auf die verschiedenen Bevölkerungsschichten richtig zu bewerten und zweckmäßige Methoden herauszuarbeiten, durch die die revolutionäre Partei auf diese Ereignisse einwirken kann.“ 4 Eine bundesweite einheitliche revolutionäre Presse könnte viele Schwächen der heutigen kommunistischen Bewegung mit der Zeit ausmerzen und lösen. Die zum Teil sehr lokale oder regionale Sicht und das begrenzte Bewusstsein der lokalen KommunistInnen würde durch die Mitarbeit an der bundesweiten Presse aufgebrochen und ihr Horizont erweitert werden. Die Notwendigkeit, die Presse regelmäßig mit aktuellen Informationen aus den verschiedenen Regionen, Städten und Vierteln, den verschiedenen Arbeits- und Kampffeldern zu versorgen, macht ein ganzes Netzwerk an AktivistInnen und KorrespondentInnen notwendig. Dieses wird durch die sich entwickelnde Arbeit der revolutionären Presse ganz von alleine entstehen, wenn man nur mit der Arbeit systematisch beginnt. Auch die Verteilung einer gedruckten Presse wird solch ein Netzwerk ausdehnen und lebhafte und reale Beziehungen zwischen den Organisationskadern, AktivistInnen und SympathisantInnen schaffen. 

Lenins taktisches Ziel war es, mit der Schaffung einer landesweiten Presse, „aus dem Funken eine Flamme schlagen“ zu lassen. Also aus einer kleinen Organisation von überzeugten RevolutionärInnen eine massenhafte Bewegung zum Sturz der kapitalistischen Ausbeuterherrschaft werden zu lassen. Die Geschichte zeigt uns, dass Lenin dieses Ziel mit seinen KampfgefährtInnen in zahlreichen Schlachten nicht aus den Augen verlor und schließlich vor genau einhundert Jahren mit der sozialistischen Oktoberrevolution 1917 das Gewicht der Kräfte zwischen Revolution und Konterrevolution zugunsten der Ausgebeuteten wenden konnte. 

Wenn wir Lenins Überlegungen und Konzeptionen zur Presse neuen Typs richtig verstehen, davon lernen und heute seine Ideen in unsere Konzepte einfließen lassen wollen, dann müssen unsere Aufmerksamkeit insbesondere auf die Wechselwirkung zwischen Agitation, Propaganda und Organisation richten. Diese drei grundlegenden Aspekte revolutionärer Arbeit fügen sich in der kommunistischen Presse zu einer dialektischen Einheit zusammen. Die benannten Funktionen der Presse bedingen sich gegenseitig und können nur in einem richtigen Verhältnis zueinander ihre volle Kraft entfalten. 

Doch Lenin warnt uns auch davor, sein Konzept als Dogma zu nehmen, es nicht mit unseren eigenen Ideen zu füllen, sondern zu versuchen, es als leere Hülle über unsere Organisation und die bisher wenig entwickelte Massenarbeit zu stülpen. Er warnt davor, die revolutionäre Presse nicht als Instrument, als Hilfsmittel, sondern als Lösung der Organisationsfrage zu verstehen: „Wenn nicht starke politische Organisationen an den einzelnen Orten herangebildet werden, dann wird auch die beste gesamt-russische Zeitung ohne Belang sein“, so Lenin konkret zu den Folgen eines dogmatischen und undialektischen Verständnisses zur Funktion der Presse. Die revolutionäre Presse ist also ein Hilfsmittel, ja vielleicht sogar historisch gesehen das wichtigste Mittel zur Hilfe beim Aufbau einer revolutionären, einer kommunistischen Kampforganisation, aber sie ersetzt diesen Aufbau nicht. Sie ersetzt nicht die Organisierung und Zusammenfassung der lokalen fortschrittlichen Massen und vereinzelten RevolutionärInnen zu einer Partei. 

Das konkrete Konzept der
revolutionären Massenpresse heute

Nachdem wir uns die grundsätzlichen Überlegungen, die Organisation und die Funktionen der kommunistischen Massenpresse angeschaut haben, wollen wir diese nun in kurzen Umrissen auf die heutigen Bedingungen in Deutschland übertragen und anwenden.

Die kommunistische Presse muss in der heutigen Situation der revolutionären Bewegung in Deutschland in erster Linie als Mittel zum Erreichen der beiden folgenden Ziele gesehen werden: 1. Überwindung der Zersplitterung und Vereinzelung der RevolutionärInnen und 2. Überwindung der Isolierung der RevolutionärInnen von den Massen und ihren dadurch begrenzten gesellschaftlichen Einfluss. 

Will man mit also einer revolutionären Presse die Massen erreichen, sie ansprechen, dann muss man sich mit ihren Problemen beschäftigen, über ihre Sorgen berichten und Lösungen anbieten. Das hat Lenin schon 1901 so aufgezeigt. Was sich sehr einfach schreiben lässt, muss in der Praxis aber konkret organisiert werden. Insbesondere ein breites Netz aus lokalen KorrespondentInnen muss für die Berichterstattung und die Wahl der richtigen Themen gebildet werden. Damit wird nicht nur erreicht, dass die revolutionäre Presse mit ausreichend Informationen aus allen Teilen Deutschlands versorgt und vor Ort gelesen wird, sondern es ist auch ein erster Schritt zum Aufbau bundesweiter Organisationsstrukturen. Eine revolutionäre Massenpresse ohne ein breites Netz von lokalen „ArbeiterkorrespondentInnen“ ist nicht möglich und wird auf Dauer keinen Erfolg haben. Die KorrespondentInnen haben dabei insbesondere die Aufgabe, die Machenschaften der Kapitalisten in den Fabriken und Arbeitsstellen der örtlichen Betriebe, der Politiker ode VerwaltungsBeamten etc. aufzudecken und die Informationen an die Redaktion der revolutionären Presse zur nationalen Verbreitung und Veröffentlichung weiterzuleiten und die revolutionäre Presse, ihre Inhalte und Ziele selbst bekannt zu machen.

Die Möglichkeiten der Verbreitung revolutionärer Inhalte sind heute um ein Vielfaches besser und einfacher als noch vor hundert Jahren. Diese Möglichkeiten gilt es auf allen Ebenen auszunutzen.

Die Funktion der kommunistischen Zeitung muss heute viel breiter verstanden werden. Deshalb sprechen wir in erster Linie von kommunistischer Presse. Die kommunistische Presse muss sich die sogenannten „Sozialen Netzwerke“ wie Twitter, Facebook, Youtube, Instagramm etc. zunutze machen und als mediale Kampffront betrachten. Die KommunistInnen dürfen diese Felder nicht der bürgerlichen Presse und der faschistischen Hetze überlassen. Gleichzeitig ist klar, dass man sich niemals von den, hinter den Netzwerken stehenden, kapitalistischen Monopolen abhängig machen darf. Doch wir müssen die Möglichkeit nutzen, unsere Informationen, unsere Argumente und unsere Propaganda und Weltanschauung direkt auf die Computer und Smartphones der Arbeiterinnen und Arbeiter, der Frauen und Jugendlichen schicken zu können. Tun wir das nicht, machen wir uns die eigene Arbeit nur unnötig schwer. Natürlich ersetzt diese Arbeit jedoch nicht den direkten Kontakt mit den Menschen in den Arbeitervierteln, an den Arbeitsplätzen, Schulen und Universitäten. Doch wir können damit eben zusätzlich hunderte, ja tausende Menschen erreichen, die wir sonst nicht erreichen würden. 

Auch die Möglichkeiten eigener, regelmäßiger Radio- und Fernsehsendungen sind heute verhältnismäßig einfach und mit relativ geringem finanziellen Aufwand realisierbar, so lange man sich zunächst auf die Ausstrahlung und Verbreitung im Internet beschränkt. Die Verbreitungsmöglichkeiten sind dabei fast unbeschränkt.

Der Aufbau einer eigenen revolutionären bundesweiten Massenpresse wird die kommunistische und revolutionäre Bewegung in Deutschland politisch, ideologisch, wie organisatorisch einen Meilenschritt nach vorne bringen. Sie kann als starker Motor für die Entwicklung einer bundesweiten und in den Massen verankerten kommunistischen Organisation wirken, welche die Organisierung der Arbeiterinnen, Arbeiter und Unterdrückten als ihre Tagesaufgabe sieht und diese in der Praxis zu lösen versucht. 

Die Schaffung einer revolutionären Presse der ArbeiterInnen und Unterdrückten ist heute eine der dringendsten Fragen bei der Entwicklung der revolutionären Bewegung in Deutschland. Schaffen wir es, die Massen mit den unverfälschten objektiven Skandalen des kapitalistischen Systems zu aktivieren, ihnen mit revolutionären Kommentaren und Analysen einen Ausweg aus der Ausbeutung und Unterdrückung aufzuzeigen, dann können wir es auch schaffen, sie für die Revolution zu organisieren.

Noch eine Zeitung?

In den obigen Abschnitten haben wir versucht, darzulegen, warum wir heute eine an die Masse der ArbeiterInnen und Unterdrückten gerichtete revolutionäre Presse brauchen. Ebenso haben wir ihre Notwendigkeit für die Entwicklung der revolutionären und kommunistischen Bewegung dargelegt. Manch eine/r mag sich vielleicht wundern, in der Zeitung „Kommunismus“ solch einen Beitrag zu lesen? Der scheinbare Widerspruch lässt sich ganz schnell auflösen: 

Wir sind der Meinung, dass revolutionäre Zeitungen heute auf die verschiedenen Teile der Bewegungen und unterschiedliche Teile der Klasse zugeschnitten sein sollten, um ihre größtmögliche Wirkung zu entfalten. 

Während unsere Zeitung „Kommunismus“ versucht, mit Hilfe der wissenschaftlich-dialektischen Methode die brennenden Fragen der revolutionären und kommunistischen Bewegung zu erörtern und anhand der eigenen Praxis und neuen Entwicklungen die theoretische, ideologische und politische Linie der Organisation zu entwickeln und zu propagieren, ja bestenfalls in einen lebendigen Austausch mit anderen KommunistInnen und RevolutionärInnen zu treten, haben wir in diesem Artikel eine andere Art der revolutionären Presse, mit einer anderen Funktion beschrieben. 

Es geht uns hier darum, die Notwendigkeit einer Presse darzulegen, die sich an die offenen und fortgeschrittenen Teile der ArbeiterInnen, der Frauen, Jugendlichen und MigrantInnen richtet. Ihr Schwerpunkt kann nicht die Entwicklung einer ideologischen Linie sein, sondern muss auf dem Gebiet der Propaganda liegen. Sie muss die Gräuel des kapitalistischen Systems entlarven und ihren Schwerpunkt in der Agitation und Aktivierung der unterdrückten Massen haben.   

Es geht also um die Konkretisierung der MIttel, die den KommunistInnen zur Verfügung stehen um die konkreten Bedürfnisse der alltäglichen revolutionären Massenarbeit erfüllen zu können. Die Mittel dieser Arbeit müssen sich ebenso wie die Arbeit selbst weiter entwickeln. Sie müssen den konkreten Bedingungen der konkreten Situation entsprechen und sobald sie in Widerspruch mit dieser geraten, entsprechend angepasst werden. Schafft man dies in die Realität umzusetzen, dann wird man auch in der Praxis und auf dem Weg des Aufbaus einer in den Massen verankerten kommunistischen Organisation Erfolg haben.

1 Womit beginnen?, Lenin Werke Band 5, S. 9

2 Womit beginnen, a.a.O., S. 10

3 Womit beginnen, a.a.O., S. 9

4 Womit beginnen, a.a.O., S. 11