Was veränderte die Oktoberrevolution?

Die Oktoberrevolution – diese bedeutenden Tage, die die Welt veränderten – befreite das russische Proletariat von den Fesseln des Kapitalismus und verbesserte so grundlegend seine Lebensbedingungen. Arbeiterinnen, die im Kapitalismus doppelt unterdrückt sind, waren im feudalistischen Zarenreich politisch unmündig und wurden großenteils als Eigentum des Mannes gesehen. Wie veränderte sich nun die Situation für Frauen durch die Revolution 1917? Welche Rolle spielten sie dabei? Und welche Lehren können wir daraus für heute ziehen?

Die Rolle von Frauen
im Revolutionsjahr 1917

Eine sozialistische Revolution, die Ergreifung der Macht durch das Proletariat und die Errichtung der Diktatur desselben, wäre undenkbar und undurchführbar ohne die Beteiligung der werktätigen Frauen. Und so spielten auch 1917 im russischen Revolutionsjahr Frauen eine besondere und wichtige Rolle. 

Durch den seit 1914 andauernden Weltkrieg herrschte in Russland Hunger und Elend. Die ArbeiterInnen, Bäuerinnen und Bauern hatten den Krieg satt und wehrten sich gegen die immer weiter zunehmende Verelendung. Besonders die Frauen litten unter dieser Situation. Sie waren diejenigen, die zu Hause geblieben waren, während die Männer in den Krieg ziehen mussten. Sie hatten allein um das tägliche Brot zu kämpfen, um sich und ihre Kinder zu versorgen. 

Beginnend mit dem Streik der ArbeiterInnen der Putilow-Werke, einem großen Petrograder Rüstungskonzern, am 18. Februar (3. März), weiteten sich Streikaktionen im ganzen Land aus. Am 8. März folgten zehntausende Frauen dem Aufruf der Bolschewiki. Zahlreiche Aktionen und Kundgebungen der Arbeiterinnen verbreiteten eine Kampfstimmung in der ganzen Stadt. Sie marschierten zur Staatsduma und forderten Brot. Zahlreiche Arbeiter legten ihre Arbeit nieder und schlossen sich den Frauen an. 

Die Streikaktionen und Demonstrationen in den einzelnen Städten breiteten sich schnell aus und die Revolution erfasste das ganze Land. Ganze Teile der Armee liefen zu den Kämpfenden über und beteiligten sich am Widerstand. Überall wurden Sowjets, ArbeiterInnen- und Soldatenräte, gebildet. Schließlich dankte der Zar ab und die Februarrevolution siegte. Es waren also die Frauen, die den Beginn der Revolution einleiteten und einen großen Beitrag zu deren Sieg leisteten. Allerdings blieb es vorerst bei einer bürgerlich-demokratischen Revolution, da die Bolschewiki zu diesem Zeitpunkt nicht den nötigen Rückhalt hatten, um das Proletariat an die Macht zu bringen.

Die Frauen unter den Bolschewiki begannen nun umso mehr die Frauen aus den werktätigen Massen zu organisiere n. Sie hielten Frauenversammlungen ab, organisierten Tagungen für Arbeiterinnen und Konferenzen der Frauen der Partei. Sie gründeten eine eigene Abteilung für die Arbeit unter den Frauenmassen innerhalb der Partei (Zhenotdel). Immer mehr Frauen begannen sich zu organisieren. Und so beteiligten sich etliche Frauen, einige sogar als bewaffnete Frauenmilizen, an den Aufständen der Oktoberrevolution. Ohne ihre Teilnahme wäre das russische Proletariat im Oktober 1917 sicher nicht an die Macht gekommen.

Was veränderte sich für die Frauen durch die Revolution?

Lebens- und Arbeitsbedingungen

Ebenso wie für die Arbeiter verbesserten sich auch für die Arbeiterinnen ihre Arbeitsbedingungen erheblich. Überall wurde der 8-Stunden-Tag eingeführt, bei gesundheitsgefährdender Arbeit betrug die tägliche Arbeitszeit sogar nur 6 bis 7 Stunden bei vollem Lohn. Die Löhne wurden allgemein angehoben, während die Preise für Wohnung und Lebensmittel sanken. Jährlich konnten die ArbeiterInnen 28 Tage Urlaub erhalten, bei voller Lohnfortzahlung. Sie erhielten kostenlose Bildung und Kultur in den betriebseigenen Bibliotheken und Klubs.

Die zunehmende Beteiligung an der gesellschaftlichen Produktion holte die Frau raus aus der beengenden und hemmenden Arbeit im Haus. Der Eintritt der Frau in die Produktion war der erste Schritt, der sie aus der ökonomischen Abhängigkeit vom Mann befreite. Vor der Oktoberrevolution war die Frau in Russland kaum an der Produktion beteiligt. Die meisten Frauen leisteten unbezahlte Arbeit auf den Ländereien der Großgrundbesitzer. Nur 6% aller Frauen waren Arbeiterinnen und Angestellte in der Industrie. 1937 waren es bereits 24%. Im zaristischen Russland arbeiteten die meisten Lohnarbeiterinnen in „typisch weiblichen“ Berufen, besonders als Angestellte in privaten Haushalten (1897: 55%), oder aber als Landarbeiterinnen (25%). In den 50er Jahren waren etwa Dreiviertel aller Frauen in der Sowjetunion an der gesellschaftlichen Produktion beteiligt.

Nach der Revolution wurden Quoten für Ausbildungsberufe eingeführt. 30% der Plätze mussten von Frauen belegt werden. Gleichzeitig musste das Denken der Menschen durch Agitation verändert und Vorurteile, dass Frauen bestimmte Berufe nicht ausüben könnten, abgebaut werden. Dies zeigte durchaus Erfolge, so war der Anteil der Frauen im Industrie- und Bausektor 1937 auf 39% angestiegen. Dagegen gab es kaum noch Angestellte in privaten Haushalten. Dies waren zu dieser Zeit sehr große Fortschritte. Im Vergleich arbeiteten in diesen Bereichen in den kapitalistischen Ländern kaum Frauen. Während etwa in der Metallindustrie der Frauenanteil in der Sowjetunion bei 24,6% lag, arbeiteten in England nur 5,4% und in den USA sogar nur 3% der Frauen in der Metallindustrie. 

Eine der ersten Losungen, die in der Sowjetunion aufgestellt wurden, war „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Die Angleichung der Löhne benötigte aber doch eine lange Zeit. Besonders der Unterschied zwischen den verschiedenen Industriezweigen blieb vorerst bestehen. Jedoch stellten sich auch dort schnell Verbesserungen ein. So erhielten Textilarbeiterinnen 1926 fast 70% des Lohnes eines Metallarbeiters. Zuvor machte dieser nur knapp über 30% aus.

Für schwangere Frauen wurde ein besonderer Arbeitsschutz eingeführt. Sie durften nicht länger Nachtarbeit und Überstunden leisten und waren 8 Wochen vor und 8 Wochen nach der Geburt von der Arbeit freigestellt, bei vollem Lohn. Zur Anschaffung der Ausstattung für ihr Kind erhielten sie eine finanzielle Unterstützung, das galt auch für Frauen, die selbst nicht erwerbstätig waren. Wenn sie nach den 4 Monaten wieder zurück in den Betrieb kehrten, konnten sie zweimal am Tag eine 30-minütige Pause zum Stillen ihres Kindes einlegen. Dafür gab es meist eigene Räumlichkeiten in den Kinderkrippen der Betriebe.

Um die Frau von ihrer doppelten Unterdrückung durch die Lohnarbeit einerseits und die Hausarbeit und Kindererziehung andererseits zu befreien, wurden nach und nach große Teile der Hausarbeit vergesellschaftet. Es wurden Großwäschereien, öffentliche Speisehäuser und Kinderheime geschaffen, sowie Putzkolonnen eingeführt. Jedoch ging diese Vergesellschaftung nur langsam vonstatten. Anfangs war weder die materielle Grundlage dafür geschaffen, die Hausarbeit in ihrer Gesamtheit zu vergesellschaften, noch war das Denken der Menschen so weit. Immerhin wurde 1936 1/3 der Bevölkerung durch die öffentlichen Speisehäuser versorgt. 

In vielen Betrieben waren Kinderkrippen und -heime eingerichtet. Dort wurden die Kinder der ArbeiterInnen kostenlos verpflegt und betreut. Geleitet wurden diese Einrichtungen von Ausschüssen von Müttern und pädagogisch ausgebildete Kräfte übernahmen die Betreuung und Erziehung der Kinder. 

Die rechtliche Stellung der Frau

Alle Gesetze des Zarenreichs, die die Frau unterdrückten, wurden nach der Revolution abgeschafft. In Bezug auf das Vermögen wurde die Frau dem Mann gleichgestellt und auch die Bäuerin erhielt gleichberechtigt mit dem Bauer Anteil am Boden. Die Frau konnte frei über ihren Wohnort entscheiden. In Deutschland dagegen entschied damals noch der Mann den Wohnort der Frau. Besonders wurde aber auch das Eherecht verändert. Es galt nur noch die Zivilehe, die mehr einer Bescheinigung des Zusammenlebens glich. Gleichzeitig wurde das Scheidungsrecht gelockert, sodass eine Scheidung auch möglich war, wenn nur einer der Ehepartner die Scheidung beantragte. Dies nutzten etliche Frauen, die zuvor unter Zwang verheiratet waren. Allerdings kam diese Lockerung in Summe fast nur den Männern zugute. Viele Frauen wurden verlassen und waren mit ihren Kindern allein auf sich gestellt. Besonders, da die Kindererziehung noch nicht vollkommen vergesellschaftet war, führte dies dazu, dass die Anzahl der Straßenkinder in den 20er und Anfang der 30er Jahre zunahm. Das Scheidungsrecht wurde danach auch wieder eingeschränkt. Nach der Scheidung musste der Mann die Frau und seine Kinder weiter finanziell unterstützen und auch für uneheliche Kinder musste der Vater (oder die Väter, wenn mehrere in Frage kamen) Alimente zahlen.

Bereits 1918 wurden Abtreibungen legalisiert. Dadurch verringerten sich die Sterberate sowie Unterleibserkrankungen durch illegal ausgeführte Eingriffe erheblich. Ab 1924 wurde eine vorausgehende intensive Beratung durch eine/n Arzt/Ärztin und dafür geschulte Frauen eingeführt. Doch schon 18 Jahre nach der Legalisierung wurde 1936 das Verbot von Abtreibungen wieder eingeführt. Die offizielle Begründung lautete, dass die materiellen Voraussetzungen es jeder Frau ermöglichen würden, ein Kind zu gebären und aufzuziehen. Jedoch waren die realen sozialen Verhältnisse keinesfalls soweit. Weder war die Vergesellschaftung der Kindererziehung so weit fortgeschritten, noch waren die Wohnungsprobleme gelöst, noch waren Verhütungsmittel ausreichend genug entwickelt. Vielmehr ging es bei dieser Entscheidung um bevölkerungspolitische Überlegungen. Ab 1936 nahmen dann illegale Abtreibungen wieder zu und damit auch die Todes- und Erkrankungsfälle.

Ähnlich verhielt es sich auch mit dem Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Zuerst wurde 1924/26 die Verfolgung von Homosexuellen eingestellt und die Straffreiheit gewährt. Jedoch wurde 1934 das Verbot von Homosexualität wieder eingeführt, mit der Begründung solche Verbindungen seien „unnatürlich“. Wie es zu diesen massiven Rückschritten in der Entwicklung kam, muss von den KommunistInnen heute weiter untersucht werden. Scheinbare politische oder ökonomische Begründungen können dabei diese Eingriffe in die grundsätzlichen Rechte der Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die Sexualität nicht rechtfertigen.

Frauen in der politischen Arbeit

Nachdem die Kommunistische Internationale 1918 festlegte, dass es in den kommunistischen Parteien der verschiedenen Länder besondere Organe für die Arbeit unter den Frauenmassen geben muss, wurden in der Sowjetunion die Zhenotdel gegründet. Alexandra Kollontai und Inessa Armand waren Vorkämpferinnen dieser Frauenabteilung innerhalb der Partei und auch ihre ersten Vorsitzenden. 

Die Zhenotdel waren keine völlig unabhängigen Organisationen, sondern von der kommunistischen Partei geleitete Massenorganisationen. Sie setzten landesweit die Frauenbefreiung in die Tat um, mit weitgehender Entscheidungsfreiheit. Ihre besondere Aufgabe war es, Frauen zu aktivieren und an die politische Arbeit heranzuziehen. Es wurden Frauenabteilungen in Gewerkschaften, Sowjets und Betrieben geschaffen, um Frauen in allen Bereichen zu fördern. 1930 wurden die Zhenotdel allerdings wieder aufgelöst.

Außerdem wurden Delegiertinnenversammlungen geschaffen, die die besonderen Interessen der Frauen vertraten. In Betrieben, Wohnbezirken und Dörfern wurden Frauenversammlungen einberufen. In diesen Versammlungen wurden Vorträge und Diskussionen organisiert und die Ansichten und Forderungen als Anträge den gewählten Delegiertinnen mitgegeben. Die Delegiertinnenversammlungen wiederum trugen ihre Standpunkte in die Sowjets usw. weiter. So wurden die Interessen der Frauen in alle Bereiche getragen. Außerdem schickten die Delegiertinnenversammlungen hunderttausende Frauen in die praktische Arbeit. Für eine bestimmte Zeit beteiligten diese Frauen sich dann an der Arbeit in den Betrieben, Gewerkschaften und Sowjets. Ihren Wählerinnen mussten sie regelmäßig Berichte erstatten und diese diskutieren. Die Delegiertinnenversammlungen waren Massenschulen des Kommunismus und befähigten die Frauen zum Verwalten und Regieren. Ganz nach Lenin: „Jede Köchin muss lernen, den Staat zu regieren“.

Dieses DelegiertInnensystem führte zu einem raschen Anstieg des Frauenanteils in den Sowjets. 1936 wurden 32% Frauen in die Stadt- und 26,4% in die Dorfsowjets gewählt.

Nachdem die Zhenotdel aufgelöst wurden, war die Arbeit unter den Frauen aber nicht beendet. Es gab auch danach Arbeiterinnenkonferenzen, Delegiertinnenversammlungen, Frauenkomitees in den Gewerkschaften usw. Auch die eigene Frauenpresse wurde weiter betrieben. Wie beispielsweise die 1914 gegründete Zeitung „Rabotnitsa“ (Arbeiterin).

Der Anteil der Frauen an den Massenorganisationen stieg stetig, jedoch spiegelte sich dies nicht innerhalb der Partei wider. Der Anteil der Frauen an den Parteimitglieder stieg von 1917 bis 1952 nur von 7,8% auf 22% an. Dieses Problem wurde zwar auf vielen Parteitagen diskutiert, eine wirkliche Veränderung konnte aber nicht erreicht werden.

Was können wir aus den Erfahrungen der Oktoberrevolution lernen?

Die Sowjetunion wurde von Frauen genauso aufgebaut wie von Männern. Ohne die Beteiligung von Frauen hätte die Revolution nicht zum Erfolg geführt werden können. Das zeigt uns, dass auch wir heute die Arbeit unter den werktätigen Frauen nicht vernachlässigen dürfen. Denn auch heute werden wir keine erfolgreiche Revolution durchführen, wenn wir nicht die Frauenmassen, die eben die Hälfte der ArbeiterInnenklasse ausmachen, an unserer Seite haben. 

Indem die Wurzel der Unterdrückung der Frau, das Privateigentum, beseitigt wurde, wurde die Grundlage für die Befreiung der Frau geschaffen. Indem die Frau dem Mann rechtlich gleichgestellt wurde, begonnen wurde, die Hausarbeit zu kollektivieren und Vorurteile gegen Frauen zu bekämpfen, wurden erste Schritte gegangen, um die Frau von ihrer Unterdrückung zu befreien. Allerdings können wir nun sehen, dass durch die sozialistische Revolution die Frau nicht automatisch befreit wird. Es benötigt einen lang anhaltenden Kampf gegen das Patriarchat, der die materielle Grundlage und gleichzeitig das Denken über die Frau nachhaltig verändert. Besonders das patriarchale Denken wurde in der Sowjetunion noch viel zu wenig bekämpft. 

Die männliche Vorherrschaft wurde nicht gebrochen.1 Auch innerhalb der Partei wurde diese aufrecht erhalten. Der geringe Anteil an Frauen ist ein Ausdruck davon. Für uns kann das nur heißen, dass wir Frauenunterdrückung überall dort bekämpfen müssen, wo wir sie vorfinden. Und wenn wir patriarchales Denken und Handeln in unseren eigenen Reihen feststellen, müssen wir es dort umso härter zurückdrängen.

Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Oktoberrevolution die Situation der Frauen in vielen Bereichen stark verändert hat und ihre Stellung zu dieser Zeit im Vergleich zu den kapitalistischen Ländern eine deutlich bessere war. Vor der Revolution konnten die meisten Frauen nicht schreiben und lesen, waren auf den Haushalt beschränkt und wurden als Eigentum des Mannes gesehen. Durch die Revolution wurden sie zu politisch denkenden und arbeitenden Menschen, die einen großen Beitrag zur Revolution und zum Aufbau der Sowjetunion geleistet haben.

1 Einige Veränderungen konnten hier dargestellt werden. Das sind aber lange nicht alle und manche Themen, wie beispielsweise patriarchale Gewalt, wurde nicht behandelt. Hierzu und zu anderen Themen muss noch ausführlicher gearbeitet werden. Auch muss genauer untersucht werden, wieso in den 30er Jahren Errungenschaften für die Frau wieder zurück genommen wurden (wie bspw. durch das Abtreibungsverbot).