Die Jugend im Kapitalismus und ihre besonderen Eigenschaften

Die Kindheit und die Jugend sind im Kapitalismus die Phasen, in denen ein Mensch für seine Rolle in der Gesellschaft vorbereitet wird. Wie diese Vorbereitung aussieht hängt von der Rolle ab, die der Mensch später einnehmen soll, also von seiner Klasse.

Die Kinder der Bourgeoisie werden oft getrennt von den Jugendlichen aus anderen gesellschaftlichen Klassen aufgezogen: In Internaten, durch Privatlehrer oder auf Eliteschulen. Ihnen stehen später die besten Ausbildungsmöglichkeiten zur Verfügung, die der Kapitalismus zu bieten hat. Oft genug werden sie von ihren Eltern mehr oder weniger gezwungen, sich mit einem BWL-Studium auf die Übernahme des Familieneigentums vorzubereiten. Aber das ist kein Artikel, der Mitleid mit den Kindern der Bourgeoisie wecken soll. Ihre Jugend ist eben eine Jugend, in der sie zu Ausbeutern und Unterdrückern herangezogen werden.

Die Kinder aus den kleinbürgerlichen Zwischenschichten, zum Beispiel Kinder von Beamten, hohen Akademikern, Juristen, Ärzten aber auch von Bauern oder selbstständigen Handwerkern, werden oft ebenfalls ganz direkt darauf vorbereitet, das Berufsleben ihrer Eltern fortzuführen oder wenigstens darauf, ebenfalls eine berufliche Laufbahn als Teil der wohlhabenderen Zwischenschichten einzuschlagen. Sie sollen die Kanzlei der Eltern, ihre Praxis, ihren Hof oder ihren Handwerksbetrieb übernehmen. Ihre Jugend sieht dem entsprechend aus. Kinder von wohlhabenden Eltern genießen von früher Kindheit an Vorteile. Sie werden daran gewöhnt, zu diskutieren, eine eigene Meinung zu äußern, diese zu vertreten und andere durch den einen oder anderen rhetorischen Kniff davon zu überzeugen. Zwar steht ihnen vielleicht nicht aller Luxus des Kapitalismus offen, aber zumindest werden ihnen die Fähigkeiten vermittelt, die notwendig sind, um im Kapitalismus Karriere zu machen und selbst wieder einen gewissen Wohlstand zu erreichen. Wo es nicht ausreicht, in einem angeblich „kultivierten“ Elternhaus zu leben, helfen Nachhilfe, Musikunterricht und Vereinsmitgliedschaften.

Natürlich gilt das Gesagte so nicht einfach für alle Kinder dieser Schichten. Wir dürfen nicht vergessen, dass es zwar immer mehr Akademiker gibt, aber sich die unteren Teile der Akademiker in ihren Lebens- und Arbeitsbedingungen eben auch dem Proletariat angleichen oder selbstständige Bauern immer noch und immer heftiger ums Überleben kämpfen müssen.

Die Kinder der ArbeiterInnenklasse schließlich werden für die Lohnarbeit vorbereitet. Ihnen stehen viele der Annehmlichkeiten der anderen gesellschaftlichen Schichten nicht zur Verfügung. Was für andere selbstverständlich ist, bleibt für sie entweder eine seltene Ausnahme oder ein Traum. So werden sie von Anfang an an ein Leben gewöhnt, in dem sie trotz Arbeit arm sind. Die Tatsache, dass Schüler an Hauptschulen Hartz-IV-Anträge auszufüllen lernen, hat vor einiger Zeit für viel Aufregung und Empörung in der bürgerlichen Presse gesorgt.1 Aber es macht sehr deutlich, was mit Vorbereitung auf die Rolle im Kapitalismus gemeint ist.

So sieht der Lebensweg der Masse aus. Das widerspricht aber nicht dem, dass einzelne Jugendliche die gesellschaftliche Klasse, in die sie geboren wurden, hinter sich lassen und Teil einer anderen Klasse werden. Staatlich finanzierte Stipendienprogramme und Bafög haben dazu beigetragen, dass diese Möglichkeiten ausgeweitet wurden.

Egal zu welcher Klasse oder Schicht die Menschen gehören: In ihrer Jugend werden sie solange zurecht „erzogen“ und gebogen, bis sie in diese Gesellschaft passen, bis sie ihre verlogene Moral akzeptieren und natürlich die notwendigen Kenntnisse erworben haben, um später ausgebeutet zu werden. Seit Jahrhunderten ist es so, dass diese Phase im Leben eines Menschen oft dazu führt, dass sie sich auflehnen und Widerstand leisten. Widerstand gegen die Erwartungen ihrer Eltern, ihrer Lehrer oder der Gesellschaft ganz allgemein. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

Wahrscheinlich ist das der wichtigste Grund dafür dass Ernst Aust, Vorsitzender der KPD/ML, auf dem Jugendkongress der Roten Garde im August 1975 die Jugend wie folgt beschrieb:

Ganz allgemein zeichnet sich die Jugend durch eine ganz besondere, außergewöhnliche Empfänglichkeit aus. Für die Jugend aller Zeiten und Generationen ist kennzeichnend, daß sie sich Träumen und verschiedenen Phantasien hingibt. Das ist kein Nachteil, sondern etwas positiv Wertvolles. Kein einziger aktiver und gesund denkender Mensch kann ohne Phantasie auskommen. Aber bei der Jugend ist diese Neigung meist viel stärker entwickelt als bei älteren Leuten. Besonders bei jungen Menschen im Alter von 13 bis 18 Jahren eilen diese Träume stets der Wirklichkeit voraus.

Die Jugend hat stets den Wunsch, sich selbst aufzuopfern, große Taten zu vollbringen, ein sagenhafter Pionier, ein Held zu werden, die ganze Welt zu durchstreifen, Pilot zu werden oder, noch besser, mit einem Raumschiff ins Weltall zu fliegen.

Eine Besonderheit der Jugend besteht in einem gewaltigen inneren Streben nach idealen Erlebnissen.“2 Hier finden wir schon eine erste sehr schöne Zusammenfassung über die besonderen Eigenschaften der Jugend im revolutionären Kampf. Aber wenn wir uns die Realität, in der wir leben, ansehen, stellen wir sehr leicht fest, dass nicht alle Jugendlichen so sind. Wahrscheinlich denkt und fühlt noch nicht mal die Mehrheit der Jugendlichen in einem solchen revolutionären Sinne. Warum ist das so?

Die Kapitalisten als herrschende Klasse haben ihre Erfahrungen mit der Jugend gemacht. Sie wissen, dass die Jugend zwar nicht alleine ihre Herrschaft stürzen kann; aber auch, dass es in der Geschichte immer wieder die Jugend war, die den Klassenkampf entfacht hat.

Das natürliche Streben der Jugendlichen danach, sich abzugrenzen, von ihren Eltern und von den Generationen vor ihr, wird deshalb sehr geschickt vom System in solche Bahnen gelenkt, dass sie der Herrschaft der Kapitalisten nicht wirklich gefährlich werden.

Eine erste Variante ist das bekannte „Streng dich an und lern fleißig, dann wirst du später was!“. Das ist nicht nur etwas, was uns Jugendlichen in der Schule erzählt wird, sondern auch von unseren Eltern kriegen wir zu hören „Pass auf in der Schule, damit es dir mal besser geht als mir“. Es spricht nichts dagegen, in der Schule aufzupassen und zu lernen. Aber was hinter diesen Aussagen steckt, ist die Behauptung, jeder könnte es im Kapitalismus zu etwas bringen, wenn er oder sie sich nur genug anstrengt. Es ist wie eine ständige Erinnerung an die theoretische Möglichkeit, dem eigenen Elend zu entkommen und in eine höhere Klasse aufzusteigen. Dass diese theoretische Möglichkeit nur für eine verschwindend geringe Minderheit zur Wirklichkeit wird, kümmert ja nicht weiter.

Eine zweite Variante ist, was wir in vielen Raptexten zu hören bekommen. Die Künstler beschreiben ihre tatsächliche oder fiktive Kindheit. Sie erzählen, dass nie genug Geld da war und ihre Eltern ohne Ende geschuftet haben. Kurz gesagt: Sie beschreiben die kapitalistische Realität. Nur: Der Ausweg ist oft Kriminalität.3 Und auch, wenn sie verboten ist: Die organisierte Kriminalität vom Drogen- und Menschenhandel bis zur Korruption ist ein notwendiger Bestandteil des Kapitalismus. Sie bietet uns Jugendlichen die Perspektive auf ein Leben voller Abenteuer und Reichtum, aber kein bisschen eine Perspektive darauf, grundsätzlich etwas zu verändern.

Natürlich gibt es noch weitere Formen, wie der Kapitalismus versucht, die typischen Eigenschaften der Jugend zum Schlechtesten zu wenden oder wenigstens abzustumpfen. Dazu gehören Religion, die Illusion von Freiheit durch Drogen, Selbstverwirklichung durch ehrenamtliches Engagement in bürgerlichen Vereinen usw. usf.

Fast alle diese Methoden, um uns Jugendliche beherrschbar zu machen, haben gemeinsam, dass sie an unseren Egoismus appellieren und uns dazu bringen sollen, dass wir individuell nach Auswegen aus dem kapitalistischen Elend suchen.

Die Jugend als Teil der politischen Widerstandsbewegung in der BRD

Jede einzelne revolutionäre Bewegung und sogar die meisten großen Massenbewegungen in der deutschen Geschichte wurden maßgeblich von Jugendlichen getragen. Die Bourgeoisie weiß das. Sie kennt das Potential der Jugendmassen. Wir können uns deswegen sicher sein, dass sie sich über den momentanen Zustand der Jugendbewegung freut und alles, was sie kann, dafür tut, dass es so bleibt wie es ist.

Natürlich kommt es vor, dass die oben genannten Methoden der Bourgeoisie, um die Jugend zu integrieren nicht ausreichen. Es kann vorkommen, dass der Freiheitsdrang der Jugend zu groß ist und Jugendliche sich politisieren und anfangen, in irgendeiner Form gegen den Kapitalismus oder einzelne seiner Symptome Widerstand zu leisten. Das passiert sogar häufiger, als wir denken. Wenn Jugendliche diesen Schritt gehen und Teil der politischen Widerstandsbewegung (PWB) werden, ist oft eine kleine Aktivistengruppe die erste Organisationsform, die sie wählen. Eine Antifagruppe, eine Tierrechtsgruppe, eine Umweltschutzorganisation, eine Menschenrechtsorganisation, die Schülervertretung/Schülermitverwaltung oder eine Studierendenorganisation. Es sind gar nicht so wenige Jugendliche, die sich sogar als Revolutionäre oder Antikapitalisten verstehen und sich in irgendeiner Organisation mit sozialistischem oder anarchistischem Anspruch organisieren.

Neben den Jugendverbänden der beiden großen Parteien DKP und MLPD, die allerdings beide wohl kaum eine Revolution in Deutschland organisieren werden, sind Gruppen und Organisationen vorherrschend, die in einer oder höchstens zwei Städten existieren. Die PWB ist in Deutschland sehr zersplittert und die über hundert Jahre alte Charakterisierung von Lenin für das Zirkelwesen passt in vielerlei Hinsicht wie die Faust aufs Auge: „Und die neuen Streiter zogen mit erstaunlich primitiver Ausrüstung und Ausbildung ins Feld. In vielen Fällen hatten sie sogar fast gar keine Ausrüstung und nicht die geringste Ausbildung. Sie zogen in den Krieg wie richtige Bauern, nur mit einem Knüppel bewaffnet. Ein Studentenzirkel knüpft Beziehungen zu Arbeitern an und beginnt zu arbeiten, ohne jede Verbindung mit den alten Funktionären der Bewegung, ohne jede Verbindung mit Zirkeln an anderen Orten oder auch nur in anderen Stadtteilen (oder in anderen Lehranstalten), ohne jede Organisation der einzelnen Zweige der revolutionären Arbeit, ohne jeden systematischen Plan für eine Tätigkeit auf längere Zeit.“4 Umso schlimmer, dass viele Organisationen geradezu eine Theorie daraus machen, dass der Zeitpunkt sich in einer kommunistischen Organisation zusammenzuschließen einfach noch nicht gekommen sei, dass man zuerst auf lokaler Ebene Erfahrungen und Kräfte sammeln müsse.5 Die Geschichte der PWB in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren zeigt sehr deutlich, dass Zirkel auf einer lokalen Ebene aufzubauen weder die Bewegung noch den einzelnen Zirkel weiter bringt. Sehr viele dieser Gruppierungen folgen selbst dem Lebenszyklus der Jugendlichen, die sie aufgebaut haben. Das heißt: In unserer jugendlichen Sturm-und-Drang Phase vernachlässigen wir Schule, Ausbildung oder Studium und stürzen uns kopfüber in die politische Arbeit. Wir sammeln und sammeln AktivistInnen um uns herum, schulen uns politisch. Aber nur allzu oft, kommt der Punkt, an dem wir denken, dass wir jetzt zu alt seien für Demonstrationen und Antifa-Aktionen, wir stellen auch fest, dass wir uns vielleicht doch mal um einen Job kümmern sollten, besser gut als schlecht bezahlt, wir verlieben uns unsterblich und planen eine Familie oder zerstreiten uns mit unseren langjährigen PartnerInnen, die blöderweise zusammen mit uns den Führungskern unserer Gruppe gestellt haben. Jeder, der sich ein wenig mit der PWB in Deutschland auskennt, weiß, dass Gruppen, die aus diesen Gründen zerfallen, absolut kein Einzelfall sind. Der Grund ist, dass es keine Organisation gab, die ihnen Stabilität verliehen hätte, sondern es letztlich Einzelpersonen waren, die sie zusammen gehalten haben und ihre Führung ausgemacht haben.

Über das Zirkelwesen – das große Grundproblem unserer Lage – hinaus sehen wir aber auch, dass genau die gerade erwähnten bürgerlichen Einflüsse, die auf alle Jugendliche im Kapitalismus einwirken, in anderer Form auch unter uns politischen Jugendlichen wieder auftauchen. Kein Wunder, denn das Sein bestimmt bekanntlich das Bewusstsein und von der bürgerlichen Ideologie sind wir geradezu umzingelt.

Viele junge Menschen, die mit ehrlichen Absichten den Kampf gegen den Kapitalismus aufnehmen, entwickeln sich zu schillernden Führungspersönlichkeiten. Sie machen zwar nicht tatsächlich Karriere – außer sie nehmen eines der zahlreichen Integrationsangebote des bürgerlichen Systems an – aber sie haben zumindest das angeblich „erhebende“ Gefühl, es zu etwas gebracht zu haben, wenn auch nur „unter Linken“.

Natürlich gibt es daneben noch jugendliche Aktivisten, die tatsächlich Karriere machen, zum Beispiel über die Linksjugend (Jugendorganisation der Partei „Die Linke“) oder indem sie – so wie zahlreiche Mitglieder der SDAJ – direkt für freie Posten im gelben Gewerkschaftsapparat gewonnen werden.

Aber auch die in Teilen der Jugend verankerte Gangkultur lebt im Zirkelwesen wieder auf. 6 Dieses Feld ist sehr vielseitig. Als kommunistische Jugendliche müssen wir uns die Frage stellen, ob es ausreicht, uns zu vermummen und scheinbar radikale Aktionen durchzuziehen und zu filmen, die einen bestimmten Teil der Jugend anziehen, einen sehr großen anderen Teil der Jugend aber vermutlich nicht. Was verstehen wir unter kommunistischer Kultur? Eine Anpassung an das, was die Arbeiterjugend unserer Meinung nach gut und attraktiv findet? Ich denke, viel mehr spricht dafür, dass gerade in einem Land wie Deutschland kommunistische Kultur von uns als etwas neues entwickelt werden muss und zwar im Kampf gegen die verschiedenen vorherschenden Formen bürgerlicher Kultur.

Mit Kultur meine ich hier nicht in erster Linie Musik oder Kleidung. Es ist eine Illusion, wenn wir glauben, dass zum Beispiel Hip-Hop der einzige Musikstil ist, der in der ArbeiterInnenjugend gehört wird und ankommt.

Als Jugendliche haben wir einen natürlichen Drang, für unsere Ideale zu kämpfen, aber in welche Richtung lenken wir diesen Kampf? Was erreichen wir, wenn wir Hipstern Angst machen, „unser Viertel“ zu betreten?7 Wahrscheinlich noch nicht mal, dass es wirklich „unser Viertel“ wird, weil viel mehr dazu notwendig ist. Wir sind Teil der kommunistischen Bewegung und diese befindet sich in einer Situation der Schwäche, aber wo führt es uns hin, wenn wir aus der Übermacht des Gegners die Konsequenz ziehen, dass wir uns einen kleineren, schwächeren und für uns heute schon zu erreichenden Hauptfeind suchen, an dem wir uns abarbeiten können – wie zum Beispiel Trotzkisten oder Antideutsche. Ich selbst als Autor dieses Artikels schäme mich, wenn ich daran zurück denke, wie viel Zeit ich damit verbracht habe, nicht nur öffentliche Vorträge von Zionisten durch Pfeifen und Parolen zu unterbrechen, sondern auch noch danach stundenlang Intervention um Intervention der Antideutschen zu lesen und darauf zu reagieren. Während wir uns damit beschäftigt haben, haben die Faschisten ihre Hausaufgaben gemacht und durch ihre Massenarbeit, PEGIDA und „Nein-zum-Heim“-Initiativen vorbereitet.

Neben der Analyse der Organisationen, in denen sich Jugendliche zusammenschließen, macht es Sinn, dass wir uns auch mit den Eigenschaften der spontanen Jugendmassenbewegungen beschäftigen. Die bekannteste in Deutschland dürfte wohl die 68er Bewegung sein, aus der ja tatsächlich viele GenossInnen der Kommunistischen Organisationen der 70er-Jahre hervorgegangen sind. Aber auch wenn wir uns die PWB heute ansehen, finden wir wohl viele jüngere GenossInnen und AktivistInnen, die durch die Schul- und Bildungsstreikbewegung 2008 bis 2010 zur politischen Arbeit gefunden haben. Was zeigt uns das?

Es zeigt, dass sich die Potentiale der Jugend immer wieder in spontanen Massenbewegungen entfalten werden, aber auch, dass diese Massenbewegungen nicht von langer Dauer sind, sondern kommen und gehen. Oft sind Maßnahmen des bürgerlichen Staats der Auslöser, die Jugendliche tatsächlich betreffen (z.B. Einführung der Studiengebühren bei den Protesten 2008 bis 2010 oder die verstärkte Überwachung und Kommerzialisierung der Internetnutzung – Stop Watching Us! Proteste 2013). Als kommunistischen Jugendlichen, stellt sich uns die Aufgabe, in diesen Bewegungen mit dem Ziel zu arbeiten, den Menschen, deren politisches Bewusstsein dort erwacht, aufzuzeigen, dass die konsequenteste Form ihren Kampf fortzuführen, der Kampf für die sozialistische Revolution ist.

Die Rolle der Jugend
im Parteiaufbau

Aus dem weiter oben geschilderten vorherrschenden Umständen im Zirkelwesen ergibt sich, dass für die revolutionären Jugendlichen eine Kommunistische Partei, die ihren Kämpfen und Organisationsformen Stabilität verleiht, ebenso wichtig ist wie für alle anderen Revolutionäre.

Andersherum ist es auch notwendig, dass die kommunistischen Jugendlichen sich dieser Aufgabe stellen. Es wäre total falsch zu meinen, dass der Parteiaufbau eine Aufgabe für erfahrene, also ältere, GenossInnen ist. Die siegreiche Partei der Bolschewiki wurde von sehr jungen GenossInnen aufgebaut. Lenin nannte später GenossInnen wie Swerdlow8 den „ausgeprägtesten Typus eines Berufsrevolutionärs“9. Die Partei der Bolschewiki hatte sogar noch nicht mal eine eigene von der Partei getrennte Jugendorganisation bis zur Oktoberrevolution. Auch während des im letzten Jahr erfolgreich beendeten Einheitsprozess der tunesischen Marxisten-Leninisten spielte die Jugend eine vorwärtstreibende Rolle10. Uns wurde berichtet, dass an den kritischsten Punkten des Prozesses gerade die Jugend verhinderte, dass man sich über unprinzipielle Widersprüche in historischen Fragen wieder trennte. Dagegen sehen wir, dass es unseren heldenhaft kämpfenden und ihr Leben für den Kommunismus lassenden, marrokanischen GenossInnen bis heute nicht gelungen ist, eine Partei zu gründen. Aus unserer Sicht spricht viel dafür, dass das auch so ist, weil sich die in diesem Land traditionell sehr starke Studierendenbewegung den Grundsatz gegeben hat, dass sie sich einer Partei anschließen wird, sobald diese entstanden ist, aber bis dahin unabhängig bleibt.

Die Notwendigkeit einer Kommunistischen Jugendorganisation

In den Jahren seit unserer Gründung haben wir als Kommunistischer Aufbau die Notwendigkeit des Parteiaufbaus propagiert. So konnten wir auch viele GenossInnen überzeugen. Gerade bei vielen jüngeren GenossInnen haben wir aber immer wieder erlebt, dass sie davor zurückgeschreckt sind, sich der Aufgabe des Parteiaufbaus innerhalb unserer Organisation zu stellen. Sie erklärten, dass sie sich diesen Ansprüchen nicht gewachsen sehen und einen Rahmen brauchen, um sich dort hin zu entwickeln. Dieses Problem ist nicht neu für die kommunistische Bewegung. Ganz allgemein löst eine Kommunistische Organisation es, in dem sie sich Massenorganisationen schafft und neue GenossInnen zu gewinnen und zu entwickeln. Konkret auf der Ebene der Jugendlichen hat sich schon in der Kommunistischen Internationale die Position durchgesetzt, dass kommunistische Jugendverbände für eine Kommunistische Partei grundsätzlich notwendig sind.11 Diese Kommunistischen Jugendverbände sind ebenfalls Massenorganisationen der Kommunistischen Partei, aber eben solche Massenorganisationen, die sich ganz bewusst an die Partei anlehnen und weder eine andere Ideologie, noch eine andere politische Linie oder eine andere Strategie als die Partei verfolgen. In der Art und Weise, wie diese politische Linie mit Leben gefüllt wird, sind sie jedoch selbständig. Mit der Gründung der Kommunistischen Internationale und der Kommunistischen Jugendinternationale als Teil davon wurden die Erfahrungen im Aufbau kommunistischer Jugendverbände international verallgemeinert und vereinheitlicht. Schon damals wurde dieser Grundsatz (ideologische und politische Abhängigkeit bei gleichzeitiger organisatorischer Selbständigkeit) formuliert: „Dies geschah in der Form, dass die kommunistische Jugendorganisation das Programm der Kommunistischen Partei annahm und im Rahmen dieser politischen Positionen arbeitete. In diesen Fällen hatte die Jugend zur selben Zeit (1.) ihre eigene zentralisierte Organisation; (2.) entschied selbst wie sie ihre organisatorischen, agitatorischen, und propagandistischen Aktivitäten ausführten; (3.) entschied welchen Platz sie im politischen Kampf einnahm und die Formen ihrer Teilnahme; und (4.) diskutierte die wesentlichen politischen Fragen.“12

Wenn wir verstehen wollen, warum sich dieses Verhältnis etabliert hat, müssen wir nach den Aufgaben einer Kommunistischen Jugendorganisation fragen. Fassen wir das in Stichpunkten zusammen:

– Die Verbindung zwischen der Partei und der Jugend, insbesondere der ArbeiterInnenjugend herstellen

– Jugendliche für den Kommunismus gewinnen und zu KommunistInnen ausbilden, sodass sie später als Kader Teil der Kommunistischen Partei werden

– Die Partei auf allen Ebenen zu erneuern

– Die Kommunistische Partei in ihrer gesamten Arbeit unterstützen

Schon Lenin hat 1916 vor der Gründung der Kommunistischen Internationale die beiden wesentlichen Argumente genannt, warum diese Ziele nur durch organisatorische Selbstständigkeit zu erreichen sind. Nämlich erstens, weil die Kommunistische Jugendorganisation die Aufgabe hat, die Jugend für den Sozialismus zu gewinnen und sie viel besser als KommunistInnen vorheriger Generationen verstehen kann, welche Formen der Arbeit dafür die geeignetsten sind. Zweitens, weil selbstständig zu werden und Selbstständigkeit zu erlernen nicht nur für jeden Menschen in seiner Jugend notwendig ist, sondern auch für jugendliche KommunistInnen.13

Es ist wichtig, nochmal hervorzuheben, dass ideologische und politische Gebundenheit und organisatorische Selbstständigkeit eine Einheit bilden. Das eine kann nicht ohne das andere funktionieren. Ein Kern von jugendlichen Marxisten-Leninisten ist eine Voraussetzung dafür. Somit ist die Schaffung dieses Kerns die erste Herausforderung beim Aufbau einer solchen Jugendorganisation. Auch andere Parteien haben dieser Tatsache bei der Schaffung ihrer Jugendorganisationen Rechnung getragen, indem sie das erste zentrale Führungsgremium aus jugendlchen GenossInnen selbst zusammengesetzt haben.

In unserer heutigen Situation als kommunistische Bewegung ist eine Kommunistische Jugendorganisation eine Möglichkeit, sich am Parteiaufbau zu beteiligen, indem man eine unverzichtbare Aufgabe übernimmt: Nämlich die Jugendmassen, insbesondere die Arbeiterjugend für den Kommunismus zu gewinnen und in ihnen den Wunsch zu wecken, ihr ganzes Leben der Befreiung der Menschheit zu widmen. Zugleich bedeutet sie aber, dass nicht gleich die Verantwortung für alle Bereiche und Seiten des Parteiaufbaus auf einmal auf den GenossInnen lastet, wie es bei GenossInnen in einer Parteiaufbauorganisation nicht anders sein kann.

Die Erfahrungen der Kommunistischen Weltbewegung zeigen, dass es falsch wäre, schematisch anhand eines bestimmten Alters zwischen Parteiorganisation und Jugendorganisation zu trennen. Die Jugendorganisation darf auf keinen Fall so verstanden werden, dass sie GenossInnen fesseln und darauf beschränken soll, zunächst nur für einen Arbeitsbereich Verantwortung zu übernehmen. Es ist ihre wichtigste Funktion, KommunistInnen für die Partei bzw. den Parteiaufbau zu gewinnen. Deswegen darf sie in dieser Hinsicht keine Grenze darstellen. Ohnehin ist es notwendig, damit eine Parteiorganisation eine Jugendorganisation führen und aufbauen kann, dass GenossInnen der Jugend Parteimitglieder werden.14 In den Statuten einer Kommunistischen Jugendorganisation ist in der Regel festgehalten, dass sie sich der Führung einer bestimmten Organisation unterstellt. Es ist auf die Dauer jedoch unmöglich, irgendeine Organisation nur über Gehorsam und proletarische Disziplin zusammen zu halten. Beides wird auch früher oder später bröckeln, wenn die Partei nicht immer und immer wieder und erfolgreich in ihren Diskussionen dafür kämpft, die Organisation zu vereinheitlichen. Gerade das macht ihre Führungsstärke aus. An diesen Diskussionen muss die kommunistische Jugendorganisation beteiligt sein.

Wir dürfen eine Jugendorganisation nicht als Gegensatz zur Parteiorganisation verstehen, sondern als Möglichkeit für die Parteiorganisation, sich die revolutionären Eigenschaften der Jugend mehr zu eigen zu machen und sie mehr zur Geltung zu bringen und zugleich die Jugend für die Partei zu gewinnen.

Es gibt zwischen Jugendlichen und älteren GenossInnen nicht ein Verhältnis von Unterdrückern und Unterdrückten wie es im Patriarchat zwischen Mann und Frau besteht. Deswegen geht es nicht darum, jung und alt streng voneinander zu trennen, sondern junge und ältere GenossInnen in einer Gesamtorganisation so zu organisieren, dass sie sich nicht gegenseitig in ihrer Entwicklung oder Arbeit hemmen, sondern gegenseitig stärken und voneinander lernen.

1www.welt.de/politik/deutschland/article6347164/Wo-Kinder-fuer-ein-Leben-mit-wenig-Geld-lernen.html

2Die Jugend wird den Kampf entscheiden. Reden auf dem Jugendkongreß der ROTEN GARDE am 30. und 31. August 1975. Verlag Roter Morgen, 1. Auflage, März 1977

3Zum Beispiel: “Man ist nicht Gangster als Schulschwänzer//Denn es geht im Endeffekt darum, dass du gut Geld machst// Wir haben keine andere Wahl, also werden Hände schmutzig//Wir gehen nicht zur Wahl, die Politiker sind lustig (Nate 57 – Waffenfreie Zone)”

4“Was Tun?” LW 5, S. 456f.

5Als Beispiel zitiere ich hier aus dem Selbstverständnis des Roten Aufbau Hamburg: „Erst wenn unsere Gruppe eine relevante Arbeit in Hamburg entwickelt hat, kann man sich über eine bundesweite Vernetzung mit anderen revolutionären Gruppen zusammen setzen, welche zum Ziel hat, eine bundesweite Organisation zu gründen, die statt eines Papiertigers ein Totengräber dieser Gesellschaft sein kann“

6Die Maoisten der Klassenstandpunkt-Redaktion haben sich in einem lesenswerten Artikel bereits dazu geäußert. Klassenstandpukt #10: Bildet Banden?

7Zum Beispiel: https://jugendwiderstand.blogspot.de/2016/11/massenflugblatt-neukollner-wehrt-euch.html

8Jakow Michailowitsch Swerdlow trat im Jahr 1901 im Alter von nur 16 Jahren in die SDAP(R) und leitete das bolschewistische ZK als Sekretär in der Zeit der Oktoberrevolution. Im März 1919 starb er als Vorsitzender des Gesamtrussischen Zentralexekutivkomitees dem höchsten Staatsgremium der Sowjetunion.

9Gedenkrede für J. M. Swerdlow, LW 29 S. 74-79

10Kommunistische Einheit erkämpft! In Kommunismus Nr. 6, S. 41, www.komaufbau.org/tunesieneinheit/

11Thesen der Kommunistischen Jugendinternationale „Zur Heranbildung kommunistischer Kader der proletarischen Jugend“, 1920, angenommen vom EKKI im August 1920

12ebd.

13„Es kommt oft vor, dass Vertreter der Generation der Erwachsenen und Alten es nicht verstehen, in richtiger Weise an die Jugend heranzutreten, die sich zwangsläufig auf anderen Wegen dem Sozialismus nähert, nicht auf dem Wege, nicht in der Form, nicht in der Situation, wie ihre Väter. Das ist einer der Gründe, warum wir unbedingt, für die organisatorische Selbständigkeit des Jugendverbandes eintreten, nicht nur deshalb, weil die Opportunisten diese Selbständigkeit fürchten, sondern auch dem Wesen der Sache nach. Denn ohne vollständige Selbständigkeit wird die Jugend nicht imstande sein, sich zu guten Sozialisten zu entwickeln und sich darauf vorzubereiten, den Sozialismus vorwärts zuführen.“, aus „Jugend-Internationale (Notiz)“ LW 23, S. 164

14„Obwohl der KJV organisatorisch selbständig ist, besteht zwischen ihm und der KP die engste organisatorische Verbindung. Diese wird hergestellt durch die gegenseitige Vertretung auf allen Stufen der Organisation. Um die Führung des KJV durch die Partei zu sichern, ist das Bestehen eines genügenden Parteikerns im KJV notwendig.“ Auszüge aus dem Programm der Kommunistischen Jugendinternationale, 1928