Was steht hinter diesem faschistischen Konzept?

Das strategische Konzept der „National befreiten Zonen“ wurde erstmals im Juni 1991 von der Studentenorganisation der NPD veröffentlicht. Der Aufruf zur Schaffung „national befreiter Zonen“ erschien zunächst in der Zeitung „Vorderste Front. Zeitschrift für politische Theorie und Strategie“ des ‚Nationaldemokratischen Hochschulbundes‘ (NHB).  Weit über den inzwischen verschwundenen NHB hinaus wurde das Konzept breit in faschistischen Kreisen aufgegriffen. Die Faschisten haben es Schritt für Schritt in den nachfolgenden Jahren konsequent umgesetzt, insbesondere in ihren regionalen Hochburgen.

Die Strategie der „National befreiten Zonen“ beruht auf einer intensiven Beschäftigung von führenden faschistischen Kadern mit kommunistischen und anderen linksradikalen Revolutionsstrategien der 1970er und 80er Jahre, um diese für ihre Zwecke der „nationalen Revolution“ anzupassen. Letztlich geht es den Faschisten um den Aufbau einer Gegenmacht bzw. unsichtbaren Doppelmacht zu den staatlichen Machtstrukturen. Dafür greifen sie u.a. auf den italienischen Kommunisten Antonio Gramsci und dessen Konzept einer „kulturellen Hegemonie“ zurück, das die Erlangung einer soziokulturellen Vormachtstellung propagiert. 

Strategische Elemente

Die faschistische Strategie der „National befreiten Zonen“ verbindet Gramscis Idee der „Kulturellen Hegemonie“ mit dem „Kampf um die Straße“, der mittels Gewaltandrohung und –anwendung bis hin zu massivem Terror militärisch gewonnen werden soll: „National befreite Zonen“ werden geschaffen, indem Faschisten eine soziale, wirtschaftliche und politische Vormachtstellung in einem bestimmten Gebiet gewinnen. Sie versuchen dabei, nicht nur aktiv eine Hegemonialstellung einzunehmen, sondern gleichzeitig konkurrierende oder störende Akteure aus ihrem Einflussbereich zu verdrängen. 

In dem veröffentlichten Aufruf von 1991 wird u.a. gefordert:

Wir müssen Freiräume schaffen, in denen WIR faktisch die Macht ausüben, in denen wir sanktionsfähig sind, d.h. WIR bestrafen Abweichler und Feinde.“ Des weiteren sollen durch den Aufbau „nationaler“ Betriebe eigene Wirtschaftskreisläufe etabliert werden, um u.a. die führenden Aktivisten der Partei materiell abzusichern. Damit solle die faschistische Bewegung im Fall von staatlicher Repression oder gesellschaftlichen Drucks über eine unabhängige materielle Basis verfügen. Zudem soll die Akzeptanz breiterer Bevölkerungsschichten erreicht werden. Man müsse „so handeln, dass man in einem Meer an Sympathie schwimmt, dass die ‚normalen Bewohner‘ für uns die Hand ins Feuer legen.“ 

Neben Gramsci werden vor allem der Maoismus und die von Mao entwickelte Guerillakriegsführung als Vorlage herangezogen. Eine Tatsache, die sogar das Landesamt für Verfassungsschutz in Brandenburg in einer Analyse einräumt:1

Eine ‚befreite Zone‘ zu schaffen, bedeutet:

– eine ‚Gegenmacht‘ zum staatlichen Gewaltmonopol zu etablieren

– ‚Freiräume, in den WIR sanktionsfähig sind‘, zu schaffen (‚Wir sind drinnen, das System bleibt draußen‘)

– ‚Aufmarsch- und Rückzugsgebiete‘ zu sichern, die der Regeneration der Kämpfer dienen, sowie Identität, Geborgenheit und Gemeinschaftsgefühl vermitteln sollen

– eine ‚Klärung unter allen revolutionären Gruppen‘ herbeizuführen (gemeint ist eine ‚innere Säuberung‘ von Abweichlern).“

Praktische Umsetzung

Wie weit die Faschisten in 25 Jahren bei der Verwirklichung ihrer strategischen Vorstellungen gekommen sind, zeigt z.B. der lesenswerte Artikel „National befreite Zone? Neonazismus in Vorpommern“ vom Februar 2016.2 Die Faschisten haben es demzufolge tatsächlich geschafft, zumindest in Teilen von Sachsen und Vorpommern so etwas wie „stabile Stützpunktgebiete der neuen faschistischen Macht“ zu errichten.  

Demokratische wie linksradikale AntifaschistInnen stellen dabei immer wieder auf die erheblichen Erfolge der faschistischen Massenarbeit ab. Diese sind tatsächlich gravierend: Wahlergebnisse der NPD von zwanzig Prozent in Dörfern entlang der polnischen Grenze in Vorpommern oder zweiJahre andauernde wöchentliche Massenaufmärsche von Pegida in Dresden bilden dabei nur die sichtbare Spitze des Eisbergs. In Bautzen, Freytal oder Anklam ist es völlig normal, Faschist zu sein. Und dies nicht etwa in der vordergründig bürgerlich „weichgespülten“ Variante AfD, sondern als AnhängerIn der militanten Kameradschaften, die dort den Ton angeben.

Der imperialistische Staatsapparat schirmt dabei über die Geheimdienste und die Strukturen des „tiefen Staats“ (Staat im Staat) die faschistischen Kampfgruppen ab. Er deckt ihren bewaffneten Kampf durch zahlreiche Nebelbomben. Das sagen nicht nur wir, sondern z.B. auch ein Eraduo Rautenberg, seines Zeichens Generalstaatsanwalt und damit der ranghöchste Ankläger in Brandenburg: 

Er habe das Gefühl, dass der Landesverfassungsschutz die Aufklärung behindert habe, (…) dass der Landesverfassungsschutz in die Anschlagsserie der ‚Nationalen Bewegung‘ verwickelt sein könnte. Konkrete Beweise hat Rautenberg nicht. Aber er (…) nennt drei Indizien: Der Verfassungsschutz habe sich dagegen gewehrt, dass der Fall an den Generalbundesanwalt geht. Außerdem sei ein Durchsuchungstermin verraten worden – und: die radikale Gruppe sei nach dem Anschlag verschwunden.“3 Ein anderes Beispiel für die Abschirmung des bewaffneten Arms der faschistischen Bewegung durch die Geheimdienste bildet die regelmäßige Umdeutung ihres ‚Kampfes um die Straße‘ zu „unpolitisch, sub-kulturell motivierter Jugendgewalt“.4

Schlussfolgerungen

Als politisch-militärische Ausgangslage ergibt sich somit für uns, dass der Feind uns den Zutritt in die „National befreiten Zonen“ verwehrt, bzw. verhindert, dass wir dort politisch sichtbar in der Öffentlichkeit arbeiten können, da er das Territorium und die sozialen Strukturen kontrolliert. Gegebenenfalls werden verbliebene AntifaschistInnen und Revolutionäre in „Geiselhaft“ genommen und sanktioniert, wenn sie dort politisch aktiv werden.

Unsere Gegenstrategie zum Eindringen in die „National befreiten Zonen“ muss an diesen Tatsachen ansetzen und das bedeutet zuallererst, dass wir den Kampf unter den Bedingungen einer „De-facto-Illegalität“ aufnehmen müssen.

1 National_befreite_Zonen.pdf download unter www.verfassungsschutz-brandenburg.de in der Rubrik Extremismus – Rechtsextremismus

2 Obgleich hier auch antideutsche Positionen verbreitet werden, lesenswert: www.hagalil.com/2016/02/neonazismus-in-vorpommern/

3 ,Verfassungsschutz in Anschlag verwickelt?‘, www.rbb-online.de/politik/beitrag/2017/04/nsu-untersuchungsausschuss.html

4 So z.B. auch die gesamte Argumentationslinie in der Analyse des Brandenburger Verfassungsschutzes, die in Fußnote 1 zitiert wurde