Die Kurden, Araber, Assyrer, Christen und andere Völker, die im Norden Syriens/Westkurdistan (Rojava) leben, haben im syrischen Krieg ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und beschlossen, sich durch eine Revolution zu befreien. Seit nunmehr vier Jahren wird dort eine demokratische Selbstverwaltung inmitten der Brutalität des syrischen Stellvertreterkriegs aufgebaut. Die revolutionären Kantone in Afrin, Kobane und Cizire sind vor allem den Angriffen des IS ausgesetzt. Selbst die Regierungen der Großmächte wie USA, Deutschland und Frankreich mussten anerkennen, dass die Revolutionäre von Westkurdistan die einzige verlässliche militärische Kraft der Region im Kampf gegen den IS sind.

Die Rojava-Revolution hat verkündet: Wir kämpfen nicht nur für die Kurden, wir kämpfen für alle Völker. Wir kämpfen nicht nur für uns, wir kämpfen für die Menschlichkeit.

Sie hat die Menschen aus aller Welt aufgerufen, sich der Verteidigung der Revolution in den Reihen der YPG/YPJ (Volksverteidigungs- und Frauenverteidigungseinheiten) anzuschließen. Hunderte sind diesem Ruf gefolgt. Unter ihnen im Jahr 2015 auch zwei junge spanische Kommunisten der Organisation PML (RC)1.

Obwohl der spanische Staat von sich behauptet, ebenfalls gegen den faschistischen Fundamentalismus zu kämpfen, hat er sich entschieden, die beiden Internationalisten bei ihrer Rückkehr im Juni 2015 festzunehmen. Sie wurden nach kurzer Zeit – mit Ausreiseverboten belegt – freigelassen. Aber nun hat sich gezeigt, dass das offenbar nur dazu gedient hat um einen noch stärkeren Angriff auf ihre Organisation und ihre Überzeugung vorzubereiten.

Am 27. Januar 2016 wurden im Rahmen der Organisation Valley zahlreiche Wohnorte spanischer KommunistInnen der PML (RC) durchsucht. Mehrere GenossInnen wurden festgenommen und ins Gefängnis gebracht.

Der PML (RC) wird vorgeworfen, sie sei eine kriminelle Organisation, ihren Mitgliedern wird vorgeworfen, dass sie sich ohne Erlaubnis des spanischen Staates an einem bewaffneten Konflikt beteiligt hätten und die Staatsanwaltschaft stellt die Organisation als spanischen Arm der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) dar.

Die PML (RC) wurde vorläufig befristet auf ein Jahr verboten – genauso wie jegliche Tätigkeiten in ihrem Namen. Den insgesamt vierzehn Beschuldigten drohen Gefängnisstrafen von bis zu vierzehn Jahren.

Für Januar 2017 hat die spanische Justiz eine Entscheidung darüber angekündigt, ob das Verbot aufgehoben wird oder nicht.

Erstens ist es wichtig, diesem massiven Angriff auf die spanischen GenossInnen, der sich zugleich auf den Internationalismus als Tradition der ArbeiterInnenbewegung und die Rojava-Revolution richtet, auch international entgegen zu treten.

Zweitens enthält unserer Einschätzung nach das Vorgehen der spanischen Behörden einige interessante Schachzüge, die es zu analysieren lohnt, weil sie einmal mehr beweisen, dass Repression heute oft viel vielschichtiger als durch Polizeiknüppel und Gefängnismauern läuft.

Deswegen haben wir uns entschieden, dem Thema einen kleinen Artikel zu widmen.

Wie die GenossInnen berichten, gibt es für ihre Solidaritätskampagne „Detenidos27E“ (27. Januar Gefangene) viel Unterstützung aus den Massen und auch die spanische Presse hat sich offenbar in vielen Fällen auf die Seite der GenossInnen geschlagen. Diese Situation stellt eine Chance für die Kommunisten dar, sich sprunghaft breiteren Teilen der verarmten ArbeiterInnenklasse bekannt zu machen und neue Kräfte anzuziehen. Wir gehen davon aus, dass diese Reaktion auch der Grund ist, aus dem vorläufig alle Mitglieder der PML (RC) wieder frei gekommen sind, da die spanische Konterrevolution Wege finden musste, das Thema etwas herunterzukochen. Zuletzt ist auch Roberto Vaquero, Generalsekretär der PML (RC), freigekommen. Er wurde aufgrund der zusätzlichen fingierten Beschuldigung, er habe illegalen Sprengstoff besessen, mehr als zwei Monate festgehalten.

Isolationsähnliche Haftbedingungen und „zufällige“ unbeobachtete Begegnungen mit islamischen Fundamentalisten im Gefängnis zeugen davon, dass es sich offenbar, um einen (erfolglosen) Versuch handelt, den Genossen zu brechen.

Aufgrund der offensichtlichen Widersprüche im spanischen Staatsapparat schätzen es die GenossInnen momentan als am wahrscheinlichsten ein, dass ihre Organisation im Januar 2017 wieder legalisiert wird. Andererseits ist das Vorgehen, eine Organisation „befristet“ für kriminell beziehungsweise zum spanischen Arm der PKK zu erklären an sich reichlich absurd. Entweder der Staat sieht eine Organisation als kriminell an oder …? Er sagt: “Es wird sich zeigen, ob ihr Kriminelle bleiben wollt.“ Ein Schuh wird also daraus, wenn wir diesen Schritt als Warnschuss des spanischen Staats verstehen. Der Staat hat aufgezeigt, dass er, wenn er will, Zugriff auf führende GenossInnen der PML(RC) hat und zugleich sofort den Weg aufgezeigt, um doch nicht dauerhaft die Legalität einzubüßen. Es geht darum zu vermitteln: „Stellt eure Solidarität mit Rojava und eine allzu radikale revolutionäre Politik ein und wir drücken nochmal ein Auge zu.“

Hier wird geschickt auf Widersprüche abgezielt, in der jede neue sich rasch entwickelnde Organisation objektiv steckt, um diese zu zersetzen bzw. zum Rückzug zu zwingen.

Nach vierzig Jahren Faschismus hat sich die Bourgeoisie in Spanien entschieden, wieder eine bürgerliche Demokratie zu installieren. Diese hat nicht erst einmal bewiesen, dass Kommunisten und Revolutionäre sich auf sie ebenso wenig verlassen können wie auf irgendeine andere bürgerliche Demokratie. Somit gilt es, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten – einschließlich dem Fall, dass im Januar 2017 „neue Beweise“ auftauchen und aus der „Illegalisierung auf Zeit“ eine dauerhafte Illegalisierung wird.

Die Verfahren werden sich über etwa zwei Jahre ziehen und die Kosten sind enorm. Zeigt eure Solidarität gegen ihre Repression und spendet. Übt praktische Solidarität und fordert in euren Aktionen die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen die InternationalistInnen!

Spendenkonto

IBAN: ES57 3035 0393 09 3930010253

detenidos27e.wordpress.com (Spanisch)

1Marxistisch-Leninistische Partei (Kommunistischer Wiederaufbau)

Erschienen in Kommunismus #6 08/2016 spain2