Groß war er angekündigt worden. Wahlweise als „Fest der Demokratie“ oder gleich als Gipfel der Repression. Der G20-Gipfel in Hamburg war in vielerlei Hinsicht ein Novum. Grenzen wurden eingerissen, kaum denkbares (wieder) in die Tat umgesetzt. Doch was bleibt davon? Und was wird folgen?

Viel wurde während und nach dem Gipfel über Gewalt geredet und geschrieben. Hunderte Videos kursieren, Situationen werden aus einem dutzend Perspektiven online dokumentiert und diskutiert. Doch die wesentlichen Punkte, grundlegende Kritiken und strategische Debatten sind darunter wenig zu finden. Ist es nicht äußerst mühsam, über diese oder jene kaputte Schaufensterscheibe zu diskutieren? Über zehn oder hundert schwarze Schals vor dem Gesicht? Ja wie teuer muss denn nun ein Auto sein, damit man es abwracken darf? Niemandem nützen solche Diskussionen. Niemandem? Doch, dem imperialistischen deutschen Staat und seiner Taktik der Hetze, Spaltung und Vereinzelung. Deshalb lasst uns zu Wichtigerem kommen!

Ein Feuer lodert im Herzen der Bestie

Der G20 Gipfel 2017 ist der erste Gipfel, welcher nach den Kämpfen von Genua 2001 wieder mitten in einer Großstadt stattfand. Er sollte Bilder der Allmacht des deutschen Staates und der Marginalisierung der linken und revolutionären Bewegung in die gesamte Welt schicken. Mit zügelloser Gewalt sollte jeder Protest im Keim erstickt und die Bewegung in eine Schockstarre versetzt werden. Schwarz gekleidete Menschen und brennende Autos, über die auch Monate vor dem Gipfel schon täglich berichtet wurde, dienten bereits vor ihrer Existenz als Rechtfertigung für die Ausschaltung jeglicher bürgerlich-demokratischer Rechte und den Einsatz sämtlicher polizeilicher und geheimdienstlicher Ressourcen. Hamburg hat dabei vor allem eins gezeigt: Ein großer urbaner Raum lässt sich nicht sichern und das Hamburger Polizeikonzept ist grundsätzlich gescheitert. Ob 10, 20 oder 30.000 Bullen: Wenn die revolutionäre und kommunistische Bewegung sich der Gewalt des Staates stellt und auch mit den unorganisierten Massen auf den Straßen zusammenkommt, dann lodert auch im Herzen der Bestie des deutschen Imperialismus ein Feuer des Widerstands und der Rebellion.

Repression zerschlagen – Der Widerstand ist legitim!

Niemand rechnete mit einem „friedlichen“ Gipfel und kaum einer wollte einen Gipfel ohne Auseinandersetzungen und brennende Autos, sonst hätte er niemals in Hamburg stattgefunden. Darum sind die Bilder von Auseinandersetzungen, fliegenden Steinen, brennenden Autos und Barrikaden auch keine Überraschung. Vielmehr wurden sie erwartet, ja herbeigesehnt! Auch mit massiver Repression und Hetze war bereits im Vorhinein zu rechnen. Um so wichtiger ist die offensive Verteidigung der Legitimität unseres Protestes. Wir müssen weg von Distanzierungsdiskussionen und rein in die politische Offensive! Die G20 sind die organisierte Gewalt. Sie und ihr imperialistisches System sind die Verantwortlichen für millionenfachen Tod, Terror, Flucht, Hunger und Elend überall auf der Welt. Die Feuer von Hamburg sind nur ein zaghafter Ausdruck der Wut auf dieses System. Der Widerstand gegen dieses massenmordende System ist legitim und gerechtfertigt. Schlagen wir die aktuellen Gesetzesverschärfungen zurück und erkämpfen wir uns Stück für Stück mehr Bewegungsfreiheit!

Das Gewaltmonopol des Staates überwinden – Selbstverteidigung aufbauen!

Im Gegensatz zu den Feuern war die Heftigkeit, die scheinbar grenzenlose Gewalt und der offene Bruch jeglicher Rechte und Gesetze durch die Polizei für viele eine Überraschung. Die Öffentlichkeit, die Presse und ebenso die antikapitalistische und revolutionäre Linke waren von der Heftigkeit der Polizeigewalt zunächst geschockt. Doch die Staatsgewalt verfehlte ihre Wirkung! Statt Angst und Einschüchterung machte sich Wut und Hass auf den Gipfel, seine Repräsentanten und die Ausführenden der Staatsgewalt breit. Plötzlich sah sich die Polizei nicht mehr nur gesellschaftlich isolierten Linksradikalen gegenüber, sondern auch Teilen der Hamburger Bevölkerung.

Die bürgerliche Presse (von der Frankfurter Rundschau über taz und Süddeutsche Zeitung) sah darin eine qualitative Veränderung im Verhältnis von BürgerInnen zum Staat. Das scheinbar für alle Zeiten in Stein gemeißelte alleinige Gewaltmonopol des Staates hat in Hamburg sichtbare Risse bekommen. Die Polizei hat ihre „Macht“ offen missbraucht und sich so auch bis weit in bürgerliche Kreise angreifbar gemacht. Das Vertrauen in den „deutschen Rechtsstaat“ ist massiv und nachhaltig erschüttert. So diskutieren selbst die oben genannten bürgerlichen Presseorgane die Neuorganisierung der „öffentlichen Sicherheit“. Und ja genau, auch aus kommunistischer und revolutionärer Sicht ist das der richtige Schritt! Dieser Staat, seine Strukturen, seine Gewalt in Form von Polizei, Militär, Geheimdiensten und Faschisten müssen zerschlagen, sein Gewaltmonopol überwunden werden. Unsere Macht kommt aus den Vierteln, Betrieben, Schulen und Universitäten! Die Organisierung der Bevölkerung an den zentralen Orten ihres Lebens und Arbeitens ist der Weg aus der Marginalisierung der revolutionären Bewegung. Es ist der konkrete Weg dahin, wieder eine gesellschaftliche Kraft zu werden und neue Aktionsspielräume zu öffnen. Organisierung, Selbstverwaltung und Selbstverteidigung dürfen nicht länger leere Worte sein, sondern müssen durch konkrete Konzepte gefüllt und umgesetzt werden.

Organisierung als Weg zur befreiten Gesellschaft!

Für konkrete Beispiele der kollektiven Organisierung müssen wir nicht lange in der Vergangenheit suchen, sie entstehen auch heute überall dort, wo Menschen im aktiven politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Kampf stehen. Seien es die Selbstschutzkonzepte der „black lives matter“ Bewegung in den USA, die Organisierung der Selbstverwaltung und -verteidigung der Räte und Kommunen in Rojava oder militante Streik- und Umweltschutzbewegungen überall auf der Welt. Gegenmacht lässt sich nur konkret aufbauen und nicht in abstrakten Debatten erschaffen.

Stärken wir die Organisierung und offensive Selbstverteidigung der revolutionären Linken in Deutschland, damit wir einen wirklichen „Hamburger Aufstand“ siegreich organisieren können!

Ernst K. Schneller