Eine Erklärung des Kommunistsichen Aufbaus.
Die Proteste gegen den G20-Gipfel waren die größten Massenproteste in der BRD seit Jahren. Als Organisation beteiligten wir uns auf der Straße und im Kampf um die öffentliche Meinung. Was sind die wichtigsten 10 Schlussfolgerungen aus dem G20-Gipfel und den Protesten dagegen?
1. Die Widersprüche sind zu groß für solche Gipfel.
Beim Gipfel kamen die Großmächte des imperialistischen Weltsystems zusammen um ihren Machtkampf untereinander in organisierter Weise zu führen. Doch die Widersprüche sind bereits so groß geworden, dass es so gerade noch für eine Abschlusserklärung gereicht hat, die dann kurze Zeit später schon in Frage gestellt wurde. Zumindest nach außen hat dieser Gipfel nichts gebracht. Selbst die Inszenierung Deutschlands als „Vorkämpfer der Demokratie“ wurde durch die Massenaktionen gründlich verhindert.
2. Widerstand im Herzen der Bestie ist möglich…
Die Proteste von Hamburg waren für die politische Widerstandsbewegung ein großer Erfolg und haben gezeigt, dass im imperialistischen Deutschland erfolgreicher Widerstand möglich ist.
Über weite Teile hatte die Polizei die Situation nicht unter Kontrolle:
Die Camp-Verbote wurden faktisch umgangen, die Polizei holte sich das Problem in die eigene Blaue Zone. Nach der zerschlagenen „Welcome to Hell“-Demonstration nahmen sich Zehntausende spontan die Straße. Dieser Moment war ein Wendepunkt, an dem sich die Stimmung massenhaft gegen den Staat, seinen Gipfel und ganz konkret die Polizei wendete. Am Freitagmorgen wurde der Gipfelablauf empfindlich gestört. Am frühen Morgen unterhielten sich die Staatschefs, darüber ob sie Umwege fahren mussten oder wie vielen DemonstrantInnen sie begegnet waren – die Anfahrten waren durch massenhafte Blockaden behindert worden. Trump und Tusk kamen zu spät, die Reifen eines kanadischen Diplomatenautos zerstochen, das gesamte Ehepartnerprogramm für Melania Trump und Co. wurde gestrichen. So ging es nachmittags weiter. Tausende machten sich auf den Weg zu Elbphilharmonie, viele kamen auf hundert Meter nah ran. Das Konzert musste verspätet anfangen. Während im hunderte Millionen teuren Bonzenbau die Staatschefs der G20 dann Beethovens Neunter Symphonie lauschten, begannen draußen die Riots, bei denen es gelang, einen Straßenzug über mehrere Stunden frei von Polizeikräften zu halten. Am Samstag kamen über 80.000 Menschen trotz Einschüchterungs- und Kriminalisierungsversuchen nach Hamburg, um ihre aus den verschiedensten Gründen ablehnende Haltung gegenüber dem Gipfel der G20 deutlich zu machen. All das zeigt: der deutsche Staat ist nicht allmächtig.
3…wenn wir auf die Massen vertrauen
Dutzende Male forderte der Twitter Account der Polizei auf, dass sich „Unbeteiligte“ entfernen sollten. Sich entfernen von dem „Schwarzen Block“ von den „Campenden“ von den „Gewalttätern“. Doch die HamburgerInnen waren alles andere als Unbeteiligt: Sie waren Teil der massenhaften Ablehnung dieses Gipfels der selbsternannten Weltherrscher, sie stellten Schlafplätze zur Verfügung, als die Polizeirepression, alle die sich entschieden hatten in der Stadt zu zelten, am härtesten traf. Sie unterstützten die DemonstrantInnen mit Essen und Getränken und einige nahmen nicht zuletzt selbst an den Kämpfen gegen die Polizei teil. Gerade die Nacht von Freitag auf Samstag hat das deutlich gezeigt. Wir können daran sehen, dass es in den Massen mindestens einen diffusen Hass auf Polizei, G20 und Kapitalismus gibt. Durch ihr Handeln in diesen Tagen werden sie nicht gleich zu Revolutionären und wir sollten uns keine Illusionen machen, dass dies an jeder Stelle Deutschlands so hätte stattfinden können. Ebenso können wir sehen, dass in Anbetracht der massiven bürgerlichen Hetze reaktionärsten Forderungen offen gegenübergestanden wird. Doch es zeigt uns ganz deutlich auf, dass es eben noch ganz andere Stimmungen in unserer Klasse gibt als Passivität und Rassismus.
4. Straßenschlachten sind kein Teekränzchen, sondern erfordern Organisierung
Bereits während der Aktionen gegen die Elbphilharmonie begannen die ersten Straßenschlachten an den Landungsbrücken, die Polizei musste stellenweise unter dem Applaus von hunderten zurückweichen. Freitagabend kam es dann zu Kämpfen mit der Polizei an denen eine Mischung aus europäischen und deutschen Anarchisten, Kommunisten, St. Pauli-Fans, „einfachen Hamburgern“, präkarisierter Proletarierjugend und Hooligans beteiligt war.
Tausende Menschen am Pferdemarkt standen dem Widerstand gegen die Polizei neutral bis positiv gegenüber. Die Bullen setzten massenhaft Wasserwerfer und Tränengas ein, räumten jedoch den Pferdemarkt bis spät in die Nacht nicht. Derweil entwickelt sich im Schanzenviertel eine polizeifreie Zone. Wie in jeder Auseinandersetzung, die einen gewissen Massencharakter und eine gewisse Dynamik annimmt, gibt es negative Begleiterscheinungen.
Die Frage, die der Riot aufwirft ist für uns jedoch nicht, ob wir uns von Gewalt distanzieren. Die revolutionäre Gewalt ist ein notwendiges Mittel auf dem Weg diesen Staatsapparat zu zerstören, der die Menschen auf der ganzen Welt und auch in Deutschland ins Elend stürzt und unterdrückt. Er wirft jedoch die Frage der Organisierung auf. Wir benötigen Strukturen, die in der Lage sind, den Hass der ArbeiterInnen und anderer Unterdrückten auf die tatsächlichen Verantwortlichen für ihre Lage zu lenken.
5. Dieser Staat ist zu allem bereit
In Hamburg hat die deutsche Polizei nahezu alle Gesetze gebrochen, mit denen dieser „Rechtsstaat“ sonst so prahlt. Von Anfang an setzte die Polizei auf Eskalation. Sie unterband den Aufbau der gerichtlich genehmigten Zelte und zerschlug die anschließende Spontandemonstrationenu.a. mit Wasserwerfern. Für die „Welcome to Hell“-Demo erließ die Polizei keine Auflagen – sie hatte gar nicht vor sie laufen zulassen. Bereits kurz nach Beginn stoppten Polizisten die Demo an einer Stelle, die sie vorher ausgewählt hatten. Sie stellten sich auf und spalteten die Demo in drei Teile entlang von Bündnisgrenzen und trieben die Blöcke zusammen. Viele wurden an der Dammmauer hochgezogen, um sich vor der Polizei zu retten. Nur durch die Disziplin der GenossInnen, die Ketten bildeten und sich zur Wehr setzten wurde verhindert, dass jemand erdrückt oder zertrampelt wurde. Von hinten räumte die Polizeiunterdessen die „bunten“ Demonstranten ab. Der Polizeieinsatz an diesem Donnerstagabend war ein Statement: Wir nehmen auch Tote in Kauf.
Freitagvormittag griffen sie den Block von „Fight G20“ brutal an und hinterließen Schwerverletzte. Freitagabend brachen sie gezielt und ohne Not das Tabu, in Deutschland militärische Einheiten (die GSG9 sind Militärs mit Polizeistempel) gegen DemonstrantInnen einzusetzen.
In der GeSa erniedrigten Beamte die Gefangenen, in dem sie sie nackt Kniebeugen machen ließen, folterten sie psychisch und unterbanden den Kontakt zu Anwälten. JournalistInnen wurden gezielt angegriffen, 32 von ihnen wurde sogar durch den deutschen Geheimdienst die Akkreditierung entzogen. Sanitäter wurden mit vorgehaltener Waffe abgeführt. Menschen wurden widerrechtlich zum Entsperren ihrer Handys gezwungen.
Für jeden der vor Ort war, wurde das Märchen von der deutschen „Demokratie“ entzaubert. Der Staat zeigte bereits bei der momentanen Schwäche der deutschen Widerstandsbewegung seine Bereitschaft jedes Mittel anzuwenden. Damit zeigt er uns aber auch auf, in wessen Händen alltäglich die Gewalt in diesem Land liegt und dass sich für jeden, der ernsthaft vor hat daran etwas zu ändern, noch ganz andere Aufgaben stellen, als dass zu tun, worüber sich die bürgerliche Presse nun entsetzt.
6. Der Staat greift die Revolutionäre bewusst an
Die Polizei griff gezielt die Aktionen und Infrastruktur der beiden Bündnisse des revolutionären Pols an.
Wir hatten uns für die Mitarbeit im „Antiimperialistischen Bündnis“ mit verschiedenen revolutionären und kommunistischen Gruppen entschieden. Am Samstag früh durchsuchte die Polizei wegen „Gefahr im Verzug“ das internationale Zentrum B5 welches von verschiedenen Hamburger antiimperialistischen Strukturen genutzt wird. Auch anwesend war dabei der Geheimdienst. Sie fanden dort nichts, zerstörten aber soviel sie konnten. Auf der Demo griffen sie dann den Antiimperialistischen Block an – der 400 Personen mit einer organisierten vermummten Spitze von ca. 50 Personen umfasste. Auch wenn wir dem Angriff nur kurz standhalten konnten, wurde durch den Einsatz von Fahnenstöcken Widerstand geleistet und keine 10 Minuten später war der Block wieder strukturiert und die Demo wurde bis zum Ende durchgezogen.
Auch das „Fight G20“-Bündnis wurde durch die Polizei gezielt angegriffen. Sei es durch Schikanen gegen die Zug-Anreise, den gezielten brutalen Angriff auf ihren Finger am Freitagmorgen, oder die Schikanen und vollständige Kontrolle des Camps in Altona am Samstagmorgen und bei der Abreise.
Wir Revolutionäre sprechen davon, dass es einen antagonistischen Widerspruch gibt zwischen ArbeiterInnen einerseits und Kapital sowie Staat, der es beschützt andererseits. Das sieht unser Feind offensichtlich auch so. Das müssen wir ernst nehmen.
7. Der Staat bekommt die Bilder die er will – doch wir können dem etwas entgegensetzen
Als entschieden wurde, den G20-Gipfel in den Hamburger Messehallen in unmittelbarer Nähe zu St. Pauli und dem Schanzenviertel stattfinden zu lassen, war ihnen klar was geschehen würde. Durch ihre Eskalationsstrategie tat die Polizei dann vor Ort das übrige, um die Bilder zu kreieren die sie wollten: Ein brennendes Hamburg, um anschließend eine Kampagne gegen die „linksextreme Szene“ zu starten – inklusive Angriffe auf linke Infrastruktur (Rote Flora, Rigaer Straße), Einschränkung bürgerlicher Rechte für Linke (Fußfesseln für „Krawallmacher“) und eine Repressionswelle im Nachhinein. War es deshalb falsch ihnen diese Bilder zu liefern? Nein, denn Hamburg war eine gewaltige Provokation; ein Fehdehandschuh, der den Revolutionären und der politischen Widerstandsbewegung in Deutschland hingeworfen wurde. Am Ende lautete die Frage „Unterwerfung oder Widerstand?“ und es ist gut, dass sich die Menschen für den Widerstand entschieden haben.
Doch auch im medialen Kampf um die Bilder konnten wir feststellen, dass die 300 Pressebeauftragten und 35 Social-Media-Polizisten in die Enge getrieben wurden. Bis zum Donnerstagabend war ihnen die Deutungshoheit durch die Eskalationsstrategie entglitten. Dutzende Livestreams und Ticker der bürgerlichen und revolutionären Presse vor Ort verhinderten, dass sie ihre Erzählung der Geschehnisse einseitig verbreiten konnten. Auch im Verlauf des Gipfels konnte über soziale Medien der Mythos der „demokratischen Polizei“ entzaubert werden, indem massenhaft Fotos und Videos von brutaler Polizeigewalt verbreitet wurden. Gerade das „Kippen“ der bürgerlichen Debatte im Nachhinein zu ungunsten des Protests zeigt uns jedoch, dass die revolutionäre Presse noch einige Entwicklungen hinter sich legen muss um in Zukunft unsere Sicht der Dinge massenhaft in die Öffentlichkeit tragen zu können.
8. Die politische Widerstandsbewegung ist in der Lage nach außen geeint aufzutreten.
Nachdem man sich im Vorfeld von den offen bürgerlichen Organisation wie dem BUND und Campact getrennt hatte, stand die politische Widerstandsbewegung danach so geeint nach außen wie selten zuvor. Nach Freitagnacht distanzierten sich weder Sprecher von Attac noch iL ausdrücklich. Erst im Nachhinein knickt z.B. Jan van Aken (Die LINKE) ein, der jedoch noch immer das Hauptproblem bei der Polizei sieht. Die jetzige Gewaltdebatte hat zum Ziel, der politischen Widerstandsbewegung die Distanzierung aufzuzwingen, zu der sie nicht bereit war.
Diskussionen unter uns sind richtig und notwendig, aber wir dürfen weder Diskussionsthemen noch Richtung von Staat und Kapital bestimmen lassen.
9. Jetzt heißt es: „Keiner ist vergessen“
Einen wichtigen politischen Abschluss bildete die laute und kämpferische Demonstration zur GeSa mit über 1000 Personen, die organisiert und koordiniert durchgeführt wurde. Sie zeigte wie es in den kommenden Monaten weitergehen muss. Es ist unsere Aufgabe unter den Massen zu verbreiten was wirklich geschehen ist. Kampagnen gegen die Repression und Polizeigewalt werden zu wichtigen Aufgaben für uns werden.
10. Die Organisierung vorrantreiben, in den Massen verankern
Im Vorfeld des Gipfels haben wir von der Möglichkeit gesprochen, dass der deutsche Staat der Politischen Widerstandsbewegung ein „Genua“ bescheren möchte, also einen Angriff, der die Bewegung um Jahre wenn nicht Jahrzehnte zurückwirft. Dies ist so nicht für das Gros der Bewegung eingetreten. Im Gegenteil konnte unsere Seite viele Erfahrungen machen, die ihr auch in zukünftigen Auseinandersetzungen helfen werden. In Zukunft wird es darauf ankommen gestützt auf den Erfahrungen nun nicht auf das nächste „Event“ zu warten, sondern den Aufbau der Organisation der Revolutionäre, der revolutionären Presse und die Verankerungsarbeit in der Klasse voranzutreiben.
Wir verweisen außerdem auf Bericht und Video von „demvolkedienen.org“