Am 15. Mai jährt sich zum 75. Mal die Gründung des Staats Israel und die mit der Staatsgründung begonnene systematische Vertreibung palästinensischer Menschen aus ihren Dörfern und Städten durch diesen Staat. Die politischen Aktionen der palästinensischen Bevölkerung, Befreiungsbewegung und fortschrittlicher politischer Kräfte, die das andauernde israelische Apartheidsregime nicht unwidersprochen lassen wollen und an die Vertreibungen erinnern, haben jedoch nicht nur wegen dem „historischen Jahrestag“ eine große Bedeutung.
Die Nakba jährt sich vor dem Hintergrund massiver Angriffe Israels auf die palästinensische Bevölkerung. Die Zahl der vom israelischen Militär oder zionistischen Siedlern getöteten Widerstandskämpfer:innen und Zivilist:innen ist seit Beginn des Jahres so hoch wie seit der zweiten Intifada (Anfang der 2000er Jahre) nicht mehr. Regelmäßig hören wir von Luftangriffen auf Gaza oder Spezialkräften, die in Flüchtlingslager eindringen und dabei oftmals wahllos zahlreiche Palästinenser:innen ermorden. Fakt ist jedoch auch, dass diese harten Angriffe im Zusammenhang mit einem gewissen neuen Aufschwung von Widerstandsaktionen zu sehen sind, die vor allem von der palästinensischen Jugend getragen werden.
Flankiert und verschärft wird diese Entwicklung durch das Agieren der faschistischen Regierungskoalition in Israel, die nicht nur die Errungenschaften einer bürgerlichen Demokratie einschränken will, die es in diesem Land ohnehin nur für Israelis gab, sondern ein sehr aggressives Vorgehen gegen die palästinensischen Bestrebungen nach einem eigenen Staat und einem Ende der Unterdrückung an den Tag legt. Mehrere der Minister dieser Regierung kokettieren öffentlich mit der Annexion der West Bank. Und der Rassist Ben-Gvir, Minister für Nationale Sicherheit in Israel, hat die Bildung einer neuen „Nationalgarde“ durchgesetzt, die er persönlich kommandiert und noch härter als die israelische Polizei gegen Palästinenser:innen vorgehen soll.
Auch in Deutschland: Solidarität mit Palästina zeigen! Versammlungsverbote nicht hinnehmen!
Es ist nur logisch, dass diese Entwicklung auch in Deutschland ihr Echo gefunden hat. Palästinenser:innen, Jüd:innen verschiedener Nationen und Andere, die sich mit dem Kampf gegen das Apartheidsregime und für einen palästinensischen Staat solidarisieren, sind in den vergangenen Monaten immer wieder auch hier auf die Straße gegangen.
Besonders im Fokus stand hierbei Berlin, wo schon im April zahlreiche Demonstrationen von der Polizei verboten wurden. Auffällig ist hierbei, dass immer mehr nicht nur in zionistischen Presseartikeln, sondern auch in der juristischen Bewertung, zum Beispiel wenn es um Strafverfahren oder Demonstrationsverbote geht, antiisraelische Inhalte als Antisemitismus verfolgt werden. Besonders im Fokus der Repression stehen dabei aktuell in Deutschland mit der Gefangenensolidaritätsorganisation Samidoun und der PFLP zwei Organisationen, die zum fortschrittlichsten Teil der palästinensischen Befreiungsbewegung gehören. Sie richten sich traditionell gegen die Gleichsetzung aller jüdischen Einwohner:innen Israels mit der staatlichen Politik und verfolgen eben keine islamisch-fundamentalistische Agenda.
Egal, ob Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ (Vom Fluss bis zum Meer: Palästina wird frei sein) als absurder Vorwand für strafrechtliche Verfolgung genutzt werden oder Demonstrationen schlicht verboten werden, weil angeblich die Stimmung so aufgeheizt ist, dass die Polizei „Straftaten vermutet“: Es ist nicht schwer zu erkennen, dass dieses Vorgehen einen gezielten Angriff auf die palästinensische Befreiungsbewegung darstellt.
Aber nicht nur das. Wenn solche Angriffe auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit widerstandslos hingenommen und durchgesetzt werden, wird es nicht lange dauern, bis die Verbote auch auf andere Aktionen, insbesondere auch von revolutionärer und klassenkämpferischer Seite ausgeweitet werden, weil „eine Störung der öffentlichen Ordnung“prognostiziert oder eine „aufgeheizte Stimmung“ befürchtet wird.
Egal ob in Palästina oder in Deutschland gilt schließlich, dass wir gerade wenn uns die Herrschenden angreifen, schnell und entschlossen auf die Straße gehen müssen, um ihre „Ordnung“ zu stören statt sie widerstandslos hinzunehmen. Was ist ein Versammlungsrecht noch wert, wenn es nur legal ist, zu demonstrieren, wenn keine aufgeheizte Stimmung herrscht, kein Anlass zur Wut zu sehen ist und vor allem niemand Anstalten macht, „die herrschende Ordnung“ in Frage zu stellen?
Internationale Solidarität als Kommunist:innen üben
Wer sich hierzulande mit Palästina solidarisiert oder auch nur den „Mut“ hat, darauf zu verweisen, dass selbst bürgerliche Institutionen wie Amnesty International Israel als Apartheidsregime einschätzen, wird schnell mit dem Vorwurf des Antisemitismus überzogen.
Erstens gilt es, sich von solchen Angriffen nicht einschüchtern zu lassen und die Solidarität mit dem palästinensischen Volk deswegen nicht einzuschränken. Zweitens aber auch, diese zu widerlegen. Als Kommunist:innen ist es unsere Aufgabe, uns solidarisch mit unterdrückten Nationen zu zeigen, aber nicht dabei stehen zu bleiben, sondern auch die rückschrittlichen Seiten des Nationalismus der Unterdrückten zu kritisieren und eine Kampfeinheit der Arbeiter:innen aller Nationen zu fördern.
Nicht nur die vor aller Welt zur Schau gestellte Verachtung des israelischen Staates und vieler seiner Bürger:innen für die grundlegendsten Rechte und die Würde der Palästinenser:innen gilt es zu bekämpfen. Ebenso müssen wir entschieden auftreten, gegen alle Versuche reaktionärer politischer Kräfte aus Palästina oder anderen Ländern, den berechtigten Hass auf den israelischen Staat in seiner heutigen Form in religiösen Hass oder Rassismus und Antisemitismus zu verwandeln.
Eine Lösung kann nur die palästinensische und israelische Arbeiter:innenklasse schaffen
Während Reaktionär:innen auf beiden Seiten in Vernichtungs- und Vertreibungsfantasien des jeweils anderen Volkes schwelgen und sich über die Frage eines staatlichen Existenzrechtes dir Köpfe einschlagen, stellen wir Kommunist:innen grundsätzlich nicht die Frage nach einem historischen oder natürlichem Existenzrecht von irgendeinem bürgerlichen Staat. Denn alle bürgerliche Staaten basieren nicht auf „Recht“, sondern auf der Macht der herrschenden Klasse und der Unterdrückung der Ausgebeuteten.
Wir Kommunist:innen stellen die Frage nach dem nationalen Selbstbestimmungsrecht der Völker. In dieser Hinsicht müssen wir feststellen, dass heute auf dem Gebiet Israel und Palästina neben zahlreichen ethnischen Minderheiten eine palästinensische und eine israelische Nation existiert. In Israel ist in über 75 Jahren der Existenz des zionistischen Staates eine eigene jüdisch-israelische Nation entstanden, wenn auch unter größtenteils extrem reaktionären Vorzeichen. Eine revolutionäre Antwort auf die Situation in Israel und Palästina kann daher nicht einfach bei der Situation vor der Staatsgründung Israels ansetzen, ein solches Vorgehen ist idealistisch und undialektisch.
Das zionistische Regime Israels missbraucht und verunstaltet das Selbstbestimmungsrecht der israelischen Nation jedoch. Momentan wird in Palästina und Israel nicht das „Existenzrecht“ Israels in Frage gestellt, sondern vielmehr Tag für Tag die Existenz des palästinensischen Volkes, welches wesentliche Teile der israelischen Regierung gerne ganz aus dem Land vertrieben sehen würden.
Solange das Regime in Israel das nationale Selbstbestimmungsrecht einer anderen Nation täglich mit Füßen tritt, solange Rassismus und Apartheid zu den Grundfesten des israelischen Staates gehören, müssen wir gegen diesen Staat kämpfen. Die größte Chance aber, diesen Staat zu Fall zu bringen, hat eine vereinigte revolutionäre Bewegung unter der Führung der palästinensischen und israelischen Arbeiter:innen. Nur sie werden es schaffen die gegeneinander aufgehetzten Nationen in eine geschwisterliche Zukunft zu führen.