Viele Menschen, die wir KommunistInnen von unseren Ideen überzeugen wollen, stellen uns die Frage, warum der Sozialismus bei den ersten Anläufen gescheitert ist. Das ist vollkommen verständlich und sehr berechtigt. Warum sollten sie in Zeiten wie diesen Energie in eine Sache stecken, die ohnehin zum Scheitern verurteilt ist?

Teil der Broschüre: Unsere Alternative Sozialismus!

Zunächst wäre es falsch, den ersten Anlauf beim sozialistischen Aufbau als vollständigen Fehlschlag zu bezeichnen. Die Errungenschaften des Sozialismus sind gewaltig: Zu ihnen gehören Bildung und Alphabetisierung für hunderte Millionen, die Entwicklung von zurückgebliebenen Agrarländern zu führenden Industrienationen, die zumindest vorübergehende Ausrottung von Ausbeutung, die Niederschlagung des Faschismus und die Befreiung zahlreicher kolonial unterdrückter Völker von ihren Peinigern.

Zugleich ist es eine Tatsache, dass in jedem ehemals sozialistischen Land früher oder später ein Prozess der Rückentwicklung zum Kapitalismus begonnen hat. Diesen Prozess zu erforschen und besonders die Frage zu klären, wie es dazu kommen konnte, ist eine der wesentlichen theoretischen Aufgaben der KommunistInnen heute (Unseren bisherigen Erkenntnisstand findet ihr auf unserer Homepage1).

In äußerst gedrängter Form zusammengefasst gehen wir bisher davon aus, dass sich in den sozialistischen Ländern, früher oder später, aus den Reihen der staatlichen Bürokratie und der Betriebsleiter eine neue Ausbeuterklasse entwickelt hat. Diese haben ihre Machtpositionen in der Gesellschaft Stück für Stück ausgebaut und dazu missbraucht, sich immer stärker selbst am gesellschaftlichen Eigentum zu bereichern. Zum Beispiel in dem sie Prämien und Entlohnung für leitende Posten ausgebaut haben.

Mit dieser Entwicklung einher ging auch in fast der ganzen sozialistischen Welt ab den 1950er Jahren – und insbesondere seit dem Tod Stalins – eine Aufweichung planwirtschaftlicher Prinzipien. Das zuvor aus dem Wirtschaftsleben verbannte Gewinnstreben wurde nach und nach wieder eingeführt, die Betriebe sollten „rentabel“ sein, die Prämien der Betriebsdirektoren wurden zu Gewinnbeteiligungen.

In einem nächsten Schritt wurden auch strikte Planvorgaben, etwa was in welcher Menge produziert werden sollte, aufgehoben. Die Betriebe sollten selbst entsprechend der Anfragen anderer Betriebe entscheiden. Das so entstandene System ist das System des Revisionismus.

Auf wirtschaftlicher Ebene bedeutet das eine nicht überlebensfähige Mischung aus Plan- und Marktwirtschaft. In diesem System konnte weder der Plan die Wirtschaft regulieren, noch die zerstörerischen Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage. So wurden Festpreise für einige Güter festgesetzt, während sich die Preise für andere frei auf dem Markt bilden sollten. Das unumgängliche Resultat waren die später zeitweise tatsächlich vorhandenen leeren Regale bei bestimmten Gütern.

Auf ökonomischer Ebene ist also nicht der Sozialismus, sondern das System des Revisionismus gescheitert.

Für uns KommunistInnen, die sich heute die Aufgabe stellen, einen erneuten Anlauf zu wagen, ist insbesondere die Frage interessant durch welche Bedingungen und durch welche Fehler es überhaupt zu einem derartigen Prozess kommen konnte.

Zunächst ist anzumerken, dass die Gründung der Sowjetunion ein nie dagewesenes, gewaltiges historisches Experiment war, für das es keinerlei vorgezeichnete Entwicklungswege gab; vielmehr musste jedes auftauchende Problem gestützt auf die eigenen Kräfte ohne entsprechende Erfahrungen, gelöst werden.

Als erstes und über lange Zeit einziges – aber zugleich ökonomisch unterentwickeltes – sozialistisches Land, befand sich die Sowjetunion in einer schwierigen ökonomischen Lage und drohte fast ununterbrochen vom Kapitalismus angegriffen und vernichtet zu werden.

Auch die in unserer Broschüre vorgestellten Elemente der Rätedemokratie sind nicht dauerhaft zur Anwendung gekommen. Es ist nicht gelungen, die Räte in dauerhaft – also über Jahrzehnte – arbeitende Gremien, die den Willen der ArbeiterInnen vertreten, zu verwandeln. Die sowjetischen Erfahrungen zeigen, dass die Aktivität der in den Räten aktiven Menschen Stück für Stück abgenommen hat; bis ihnen Anfang der 30er Jahre dann auch tatsächlich eine Reihe gesetzlich vorgeschriebener Aufgaben und Pflichten entzogen wurden. Dennoch ist das gewaltige Potential, das durch diese Organisationsform unter den ArbeiterInnen freigesetzt werden kann, offensichtlich geworden.

Obwohl große Fortschritte im Abbau des Gegensatzes von geistiger und körperlicher Arbeit erreicht werden konnten und Millionen von Menschen, denen im Kapitalismus fast jede Bildung verwehrt geblieben wäre, dank des Sozialismus zu allseitig interessierten Menschen wurden, lässt sich im Nachhinein feststellen, dass es auch hier noch Mängel gab.

Die Trennung in leitende und ausführende Funktionen konnte ebenso nicht grundlegend beseitigt werden, dass die leitenden Funktionäre in Staat und Wirtschaft keine herausgehobene gesellschaftliche Stellung mehr eingenommen hätten. Am Ende blieb für sie so ein Ausgangspunkt bestehen, sich Privilegien anzueignen.

Die ökonomische und politische Gleichstellung sowie Unabhängigkeit der Frauen in der Sowjetunion waren damals auf der Welt einmalig. Doch auch hier gab es ab einem bestimmten Punkt Rückschritte im Bereich der Frauenbefreiung.

Es spricht vieles dafür, dass heute, ausgerüstet mit den historischen Erfahrungen und der Ideologie der Frauenrevolution, die Erfolge in diesem Bereich noch um einiges größer sein könnten und vor allem im Kampf gegen das Patriarchat nach der Revolution kein Stück nachgelassen wird, sondern dieser Kampf im Gegenteil noch verstärkt wird.

In der Sowjetunion wurden zudem viele Arbeiterrechte erstmals umgesetzt, welche uns heute selbstverständlich erscheinen. Das sozialistische Land ist somit seinem Anspruch gerecht geworden, bei der Befreiung der Menschheit an der Spitze zu marschieren.

Am Ende zeigt diese Erfahrung vor allem wie gewaltig die Aufgabe ist, die politische Macht zu erobern und dauerhaft zu behaupten, alle kapitalistischen Eigenschaften und Gedanken zurückzudrängen und so die Gesellschaft dauerhaft nach kommunistischen Prinzipien zu gestalten.

Diese Aufgabe mag zwar gewaltig sein, ist aber notwendig. Denn der Kapitalismus mit all seinen Folgen von Hunger über Armut, Krieg und Umweltzerstörung stellt auch heute wieder die Frage ganz konkret: Sozialismus oder Barbarei?

Nicht der Sozialismus ist daher gescheitert, sondern ein erster Anlauf ihn zu verwirklichen. Hingegen zeigt uns das kapitalistische System jeden Tag, dass es für die ArbeiterInnenklasse keine lebenswerte Alternative ist. Die Befreiung der ArbeiterInnenklasse und schlussendlich der gesamten Gesellschaft kann erst im Kommunismus verwirklicht werden. Deshalb muss es für uns heute darum gehen einen neuen und dieses Mal dauerhaft erfolgreichen Anlauf zum Aufbau einer freien sozialistischen Gesellschaft zu wagen. Kämpfen wir für die Befreiung der Menschheit im Kommunismus!

1 http://www.komaufbau.org/restaurationdeskapitalismus/