Imperialismus, Proletariat und Flüchtlingsbewegung

Imperialismus heißt Krieg und Flucht,
Imperialismus trägt immer die Option des Faschismus in sich,
Imperialismus heißt Ausbeutung und Unterdrückung,
Imperialismus heißt Kampf – Klasse gegen Klasse,
Befreiung vom Imperialismus heißt:
eine Strategie für die sozialistische Revolution zu entwickeln,
eine Kampforganisation aufbauen,
den Krieg gegen Imperialismus,
Kapitalismus und Faschismus
organisieren!

Keine politische Bewegung in der BRD hat in den letzten Jahren einen so radikalen und wirksamen Kampf geführt wie die Flüchtlinge. Bourgeoisie und Staat haben sich gezwungen gesehen, darauf zu reagieren und neben der Repression nun vermehrt auf Spaltung und Integration von Teilen der Flüchtlinge zu setzen. Warum erzeugt der Kapitalismus überhaupt eine weltweite Migrations- und Fluchtbewegung? Wie geht die Bourgeoisie strategisch mit Migration und Flucht um? Welche Rolle spielt die faschistische Bewegung bzw. Ideologie in diesem Zusammenhang? Und was bedeuten Migration und Flucht für die Arbeiterklasse und die KommunistInnen in Deutschland?

 

Kapitalismus und Arbeitermigration
“Der Kapitalismus hat eine besondere Art der Völkerwanderung entwickelt. Die sich industriell rasch entwickelnden Länder, die mehr Maschinen anwenden und die zurückgebliebenen Länder vom Weltmarkt verdrängen, erhöhen die Arbeitslöhne über den Durchschnitt und locken die Lohnarbeiter aus den zurückgebliebenen Ländern an.
Hunderttausende von Arbeitern werden auf diese Weise Hunderte und Tausende Werst weit verschlagen. Der fortgeschrittene Kapitalismus zieht sie gewaltsam in seinen Kreislauf hinein, reißt sie aus ihrem Krähwinkel heraus, macht sie zu Teilnehmern an einer weltgeschichtlichen Bewegung, stellt sie der mächtigen, vereinigten, internationalen Klasse der Industriellen von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Es besteht kein Zweifel, dass nur äußerstes Elend die Menschen veranlasst, die Heimat zu verlassen, und dass die Kapitalisten die eingewanderten Arbeiter in gewissenlosester Weise ausbeuten. Doch nur Reaktionäre können vor der fortschrittlichen Bedeutung dieser modernen Völkerwanderung die Augen verschließen. Eine Erlösung vom Joch des Kapitals ohne weitere Entwicklung des Kapitalismus, ohne den auf dieser Basis geführten Klassenkampf gibt es nicht und kann es nicht geben. Und gerade in diesen Kampf zieht der Kapitalismus die werktätigen Massen der ganzen Welt hinein, indem er die Muffigkeit und Zurückgebliebenheit des lokalen Lebens durchbricht, die nationalen Schranken und Vorurteile zerstört und Arbeiter aller Länder in den großen Fabriken und Gruben Amerikas, Deutschlands usw. miteinander vereinigt.”(i)

Der Kapitalismus erzeugt weltweite Migrations- und Flüchtlingsströme. Mehr als hundert Jahre, nachdem Lenin im Jahr 1913 die obigen Zeilen über “Kapitalismus und Arbeiterimmigration” niederschrieb, befinden sich nach den Statistiken der “Vereinten Nationen” ca. 1,2 Milliarden Menschen und damit etwa ein Sechstel der Weltbevölkerung in Migration(ii). Davon sind zwischen 50 und 90 Millionen Menschen Flüchtlinge.

MigrantInnen und Flüchtlinge sind in ihren Herkunfstländern zum überwiegenden Teil ArbeiterInnen, landlose, proletarisierte Bauern oder Intellektuelle und zählen dort zu den ausgebeuteten Massen. In den imperialistischen Zentren füllen sie die Reihen der Arbeiterklasse.

Die begriffliche Unterscheidung zwischen “Migration” und “Flüchtlingen” ergibt sich daraus, ob die betreffenden ArbeiterInnen oder KleinbürgerInnen, die in ein anderes Land auswandern, dieses legal – z.B. mit “Green Card” – tun können oder ob sie gezwungen sind, heimlich, meist unter Lebensgefahr und als Ausbeutungsobjekte internationaler Schleusermafien die Grenzen der “Festung Europa” oder der USA zu überwinden; ob sie dort legal in schlecht bezahlten Jobs arbeiten dürfen oder ob sie die entwürdigende und menschenverachtende Unterbringung in Lager- oder Asylhaft, Deportation oder ein Leben im Untergrund erwartet.

Die begriffliche Unterscheidung zwischen MigrantInnen im allgemeinen und Flüchtlingen im besonderen ist Ausdruck qualitativer Unterschiede in den Lebensbedingungen der ausgewanderten ArbeiterInnen im Zielland und das Ergebnis der imperialistischen ökonomischen und politischen Strategie gegenüber der weltweiten Migrationsbewegung, die auf ihre Anpassung an die Bedürfnisse der Kapitalverwertung und die Spaltung der Arbeiterklasse abzielt.

 

Imperialismus, Migration und Flucht
Die weltweiten Arbeitsmigrations- und Fluchtbewegungen sind die Folge der sich verschärfenden Widersprüche des imperialistischen Systems. Die kapitalistischen Monopole führen einen immer härteren Konkurrenzkampf um Maximalprofite und dringen zu diesem Zweck bis in die letzten Winkel des Planeten vor, um sich dort Land und Bodenschätze unter den Nagel zu reißen, billige Arbeitskräfte auszubeuten und die Märkte mit ihren Waren zu überschwemmen. Die koloniale und neokoloniale Unterwerfung durch die imperialistischen Mächte führt für die meisten Länder dieser Erde zu wirtschaftlicher, politischer, kultureller und ökologischer Zerstörung. Das Leben der unterdrückten Völker in diesen Ländern ist von Armut, Elend und Perspektivlosigkeit gekennzeichnet.

Die Imperialisten aus den USA, Deutschland, China, Russland, Frankreich, England und weiteren Ländern führen einen erbitterten Kampf um die Neuaufteilung der Welt: Die zunehmenden Stellvertreterkriege wie in Syrien und der Ukraine sind der politische Ausdruck dafür, dass sich die Widersprüche unter den imperialistischen Großmächten, den alten und neuen kapitalistischen Ländern in einem solchen Maße verschärfen, dass ihre „Diplomatie“ zunehmend durch den militärischen Kampf ersetzt wird. Dieser Prozess führt notwendig zum direkten Krieg zwischen den imperialistischen Mächten, z.B. in Form eines Dritten Weltkriegs.

Der Imperialismus raubt den Menschen weltweit ihre Lebensgrundlage. In vielen unterdrückten Ländern kommt es zu Unruhen und Aufständen. Die Antwort der neokolonialen Regimes wie im Mittleren Osten, Afrika oder auf dem Balkan ist politische Verfolgung, Folter, Knast und Mord.

Millionen Menschen aus den ausgebeuteten und unterdrückten Massen wandern angesichts dieser Lebensumstände jedes Jahr aus ihren Ländern aus, sofern sie die Möglichkeit dazu haben. Andere werden, sofern sie über ausreichende berufliche Qualifikation verfügen, aus den Neokolonien in die imperialistischen Staaten abgeworben und verstärken den Mangel an Fachkräften und damit die ökonomische Zurückgebliebenheit ihrer Länder (“Brain Drain”).

Dort, wo Unterdrückung, Ausbeutung und rassistische Verfolgung – wie z.B. der Roma auf dem Balkan – am brutalsten sind, wo den Menschen durch Kriege ihre Lebensgrundlage und Arbeitsmöglichkeiten genommen werden oder wo ihnen durch die Zerstörung der ökologischen Struktur der Hungertod droht, ergreifen viele die Flucht aus ihren Ländern. Sie suchen Arbeit, Sicherheit und menschenwürdige Lebensmöglichkeiten in den imperialistischen Zentren.

 

Internationalisierung der Arbeiterklasse
Die großen globalen Flüchtlingsströme führen heute aus den Neokolonien und Kriegsgebieten in Afrika und dem Mittleren Osten, Asien und Lateinamerika vor allem in drei Hauptzentren: die USA, Westeuropa und Australien. Allein nach Westeuropa flohen in der ersten Jahreshälfte 2014 über 250.000 Menschen, vor allem aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Eritrea, Serbien und Kosova, Pakistan, Somalia, Nigeria, Albanien und Russland(iii).

Nicht in diese Betrachtung mit einbezogen sind die Migrationsströme, die sich innerhalb eines Staates vollziehen, wie z.B. die WanderarbeiterInnen in den USA und China oder die Landflucht in Brasilien.

Objektiv treibt der Kapitalismus durch die erzwungene Völkerwanderung, durch Migration und Flucht die Internationalisierung der Arbeiterklasse und ihre Konzentration in den imperialistischen Zentren voran.

Auch wenn die Wirkung von Flucht und Migration in den unterdrückten Ländern zunächst die ist, dass Aufstände hinausgezögert werden, weil Teile der ausgebeuteten Massen ihre Energie in die Ausreise statt in den Befreiungskampf stecken; auch wenn Teile dieser Massen zunächst noch durch rückständige, z.B. feudal-patriarchale Ideologien geprägt sein können, bedeutet die Internationalisierung der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern in der Gesamtdynamik und auf lange Sicht die Internationalisierung von Klassenkampf- und Aufstandserfahrungen und einen Motor für die Entwicklung des gewerkschaftlichen und Klassenbewusstseins: Als die Bourgeoisie in den 1960er Jahren Gastarbeiter aus der Türkei, Italien, Jugoslawien, Spanien und Griechenland in die BRD holte, um sie für die ödesten, dreckigsten und schwersten Fließbandarbeiten auszunutzen, entpuppten sich viele von ihnen als radikale Kämpfer in vielen betrieblichen Kämpfen wie dem Ford-Streik 1973 in Köln. Heute leben allein rund drei Millionen Menschen türkischer und kurdischer Herkunft und Abstammung in der BRD. Dies führt dazu, dass die entwickelteren Klassenkämpfe aus der Türkei und Kurdistan auch nach Deutschland ausstrahlen: Beispiele hierfür sind die jährlich stattfindenden Demonstrationen gegen das PKK-Verbot, die Solidaritätsdemos mit der Gezi-Bewegung 2013, die Großdemonstration gegen den AKP-Führer Erdogan mit ca. 100.000 Teilnehmern in Köln im Jahr 2014 und die Solidarität mit dem bewaffneten Kampf in Kobane. Vor allem aber gehört dazu die Verbreitung der Erfahrungen der kommunistischen Bewegung aus der Türkei und Kurdistan, die für den Aufbau der KP und den revolutionären Kampf in Deutschland und damit für das Klassenbewusstsein des Proletariats in der BRD genutzt werden können.

Die Internationalisierung der Arbeiterklasse bedeutet potentiell ihre Revolutionierung und Formierung zur kämpfenden Klasse. Die internationale Arbeiterklasse ist in den imperialistischen Zentren konzentriert. Indem er die Lebensumstände für immer mehr Menschen in den Kolonien und Neokolonien unerträglich macht und sie zu Auswanderung und Flucht zwingt, sorgt der Imperialismus dafür, dass die von ihm dort geschaffenen Widersprüche als Bumerang in seine Zentren zurückkehren.

Mit der Internationalisierung der Arbeiterklasse schafft sich der Imperialismus seinen eigenen Totengräber.

 

Strategie der Imperialisten gegenüber der Migrationsbewegung: Ökonomische Spaltung
Die Grundlage für die Strategie der Imperialisten gegenüber der “weltweiten Völkerwanderung” sind die objektiven Widersprüche des Kapitals in dieser Frage:

Das Kapital produziert Migration, indem es die LohnarbeiterInnen aus anderen Ländern in die imperialistischen Zentren lockt. Es hat ein ökonomisches Interesse an Migration in die kapitalistischen Länder, insofern diese die industrielle Reservearmee dort vergrößert und es damit dem Kapital ermöglicht, die Arbeitslöhne aller Teile der Arbeiterklasse unter den Wert der Ware Arbeitskraft zu senken. Der Unterschied der Arbeitslöhne zwischen den imperialistischen Stammländern und den Kolonien und Neokolonien ist ein zusätzlicher Motor hierfür.

Die migrantischen Teile der Arbeiterklasse werden vorzugsweise in die miesesten und am schlechtesten bezahlten Jobs gedrängt – z.B. in Leiharbeit. Gleichzeitig verwendet das Kapital seine Extraprofite aus der Ausplünderung der Kolonien und Neokolonien, um einen Teil der Arbeiterklasse in den strategisch wichtigsten Sektoren des eigenen Landes – in der BRD ist das vor allem die Auto- und Rüstungsindustrie – durch Arbeitsverträge mit besserer Bezahlung und einigen Privilegien an die eigenen Ausbeuter zu binden: Die klassische, früher vorwiegend deutsche und heute “multikulturell” zusammengesetzte und männliche Stammbelegschaft in der Industrie.

Die Migration ist jedoch ein politisches Risiko für die Bourgeoisie, da sie die Widersprüche aus den unterdrückten Ländern in die imperialistischen Zentren zurückträgt. Die Bourgeoisie zielt darauf ab, so viel Migration zuzulassen, wie es ihren ökonomischen Interessen entspricht, und dabei die politische Kontrolle zu behalten. Zu diesem Zweck zieht sie rund um Europa und die USA Mauern hoch, setzt Patrouillen auf dem Meer und spezielle Abteilungen wie “Frontex” ein, um “illegale Einwanderung” mit Gewalt zu unterbinden.

Die Überwindung der Außengrenzen der imperialistischen Zentren hat sich dabei wiederum zu einem Geschäftsfeld für das organisierte Verbrechen entwickelt, an dem die Bourgeoisie mit zweistelligen Renditen(iv) kräftig verdient. Dabei verbindet sie die Geschäftsfelder des Drogen- und Menschenhandels und schafft auch auf illegalem Wege Arbeitssklaven für die eigene Industrie heran:

“Rund 3600 kriminelle Organisationen, darunter einst verfeindete Global Player wie die russische Mafia, die italienische ‚Ndrangheta, die japanischen Yakuza, die chinesischen Triaden, südamerikanische Kartelle, aber auch dreiköpfige Familienunternehmen, die in Lieferwagen Menschen über die Grenzen schmuggeln, sind nach Erkenntnissen von Europol in Europa aktiv. Die Vereinigungen werden geleitet von Paten, die sich im bürgerlichen Mainstream bewegen. Polizeibehörden suchen nicht nur die einfachen Verbrecher, also die Helfer auf den Schleuserwegen; es geht um Hintermänner und Auftraggeber. (…)

Dank der Globalisierung, die auch für einst verfeindete Verbrecher gilt, werden Waffenhandel, Rauschgifthandel, Menschenschmuggel und -handel nicht mehr wie den guten alten schlechten Zeiten von unterschiedlichen kriminellen Vereinigungen betrieben. Alle bieten alles an: Flüchtlingen aus Eritrea oder Somalia werden die Kosten für den Transport nach Europa erlassen, wenn sie bereit sind, Drogen im Gepäck mitzunehmen. Die Ware wird dann beispielsweise von der ‚Ndrangheta oder den Hells Angels bei Kollegen von der russischen oder albanischen Mafia getauscht gegen junge Frauen für Bordelle in Italien und Deutschland oder Personal für die Fleisch verarbeitende Industrie und die Landwirtschaft in Nord- und Mitteleuropa. Die International Labour Organisation (ILO) schätzt die Zahl der in Europa geknechteten Arbeitssklaven auf etwa 600.000.” (v)

Die kapitalistischen Staaten greifen illegale Einwanderer auf, die ihr Land erreicht haben, isolieren sie vom Rest der Arbeiterklasse und setzten sie massiver Verelendung und Repression aus: Sie werden deportiert oder in Lagern, in der BRD teils in ehemaligen KZs(vi), untergebracht, mit Arbeitsverbot belegt und dürfen ihren Landkreis nicht einmal verlassen, um zum Arzt zu gehen. Sie werden gezwungen, als Papierlose und Schwarzarbeiter ihr Dasein zu fristen und in Kriminalität, Drogenhandel, Prostitution und Sklaverei gedrängt.

 

Politische Spaltung der Arbeiterklasse
Auf diesem Weg schafft das Kapital die ökonomische Grundlage für die politische Spaltung der Arbeiterklasse:

Die Strategie der Bourgeoisie zielt im Zeitalter des Imperialismus darauf ab, die von ihr unterdrückten Massen gegeneinander aufzuwiegeln und politisch an sich zu binden: Die objektiv international zusammengesetzte Arbeiterklasse darf sich ihrer Klassenlage nicht bewusst werden. Die Bourgeoisie benötigt ein gewisses Maß an Unterstützung und Zustimmung aus den unterdrückten Massen, um zu verhindern, dass die ArbeiterInnenklasse sich als Klasse begreift, sich organisiert und den Kampf gegen das imperialistische System aufnimmt. Sie benötigt den Rückhalt in den Massen insbesondere für den imperialistischen Kampf um die Neuaufteilung der Welt und die Kriege, die dafür zu führen sind. Zu diesem Zweck setzt die Bourgeoisie in allen westlichen imperialistischen Ländern über ihre Geheimdienste neben der reformististischen vor allem die faschistische Bewegung ein und entfaltet eine rassistische und chauvinistische ideologische Arbeit in den Massen, um diese für ihre Ziele zu vereinnahmen(vii).

Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Beschwörung eines “Kampfs der Kulturen”, welche die Bourgeoisie seit den 90er Jahren in verstärktem Maße in den Massen der imperialistischen Zentren organisiert. Faschistische Kräfte wie die Republikaner (seit den 80er Jahren), Pro Köln (seit den 90er Jahren), ultrarechte Weblogs im Internet und neuerdings PEGIDA und HoGeSa stellen einerseits die “Islamisierung” als Gefahr für das “demokratische Abendland”, andererseits die “Asylbetrüger” ins Zentrum ihrer rassistischen Hetze.

Die Debatten, die durch die Faschisten angestoßen und von den Mainstream-Medien, den Vertretern des Kapitals (Industriellenverbände u.ä.) und der bürgerlichen Politik aufgegriffen werden, erzeugen in den Massen diffuse Stimmungen und Tendenzen, die aufgestaute Wut gegen das herrschende System nicht gegen das Kapital und den Staat, sondern gegen die am meisten unterdrückten Teile der eigenen Klasse zu richten:

Entweder werden die migrantischen Teile der Arbeiterklasse aufgeteilt in “gute” und “böse” Ausländer: „fehlende Arbeitskräfte und qualifizierte ausländische Arbeitskräfte“ einerseits und andererseits unerwünschte Eindringlinge, die “Kriminelle”, “Sozialschmarotzer” oder “Terroristen” sind.

Oder aber Flüchtlinge und „Ausländer“ bilden dieser Ideologie zufolge insgesamt die Konkurrenz zur deutschen ArbeiterInnenklasse: „Die Ausländer“ nehmen „den Deutschen“ Arbeit und Wohnung weg, sind für die Senkung der Löhne und die Kürzungen in den Sozialbereichen verantwortlich und letztlich die Ursache für die Massenarbeitslosigkeit. Sie sind kriminell und damit eine Gefahr für die “Deutschen”.

Diese Propaganda schürt Ängste und Konkurrenz unter den Massen und drängt deren negativste Eigenschaften in den Vordergrund: Die Perspektivlosigkeit, das Gefühl der Benachteiligung und Vernachlässigung durch den Staat und die Wut darüber werden dahingehend kanalisiert, dass die ärmsten Deutschen auf den ärmsten „Ausländern“ herumtreten und sie zu ihren Feind stilisieren. Dies ist der Zweck der faschistischen Propaganda in der Strategie der Herrschenden: Insofern diese Stimmungsmache Wirkung zeigt, werden die Klassenverhältnisse verwischt, der notwendige solidarische Zusammenschluss der Arbeiterklasse mit dem Ziel des Kampfes gegen die Bourgeoisie verhindert. Insofern diese Stimmungsmache Wirkung zeigt, ist das ein Ausdruck der Schwäche der organisierten Kräfte, die innerhalb der Massen klarstellen, wer der Feind der Arbeiterklasse ist und warum sich die Lage nur ändern kann, wenn die Ursache, der Imperialismus, im revolutionären Klassenkrieg vernichtet wird.

 

Entwicklung von Migration, Flucht und Asylgesetzgebung in der BRD(viii)
Die Herangehensweise der Bourgeoisie in der BRD an die Frage der Migration entspricht den oben ausgeführten, allgemeinen Tendenzen des Imperialismus.

Nach 1945 ermöglichten die Fluchterfahrungen der sogenannten “Vertriebenen” aus dem Zweiten Weltkrieg und die Schwäche der deutschen Bourgeoisie, dass ein Grundrecht auf Asyl in den Gesetzen der BRD verankert wurde.

In seiner Macht erheblich geschwächt, aber immer noch ein imperialistisches Land, konnte sich Deutschland nach Überwindung der ersten Kriegsnachwehen mit der Unterstützung des US-Imperialismus durch militärischen Wiederaufbau, Kredite u.v.m. zum Zwecke der Schaffung eines antikommunistischen Bollwerks in Mitteleuropa wieder zu einer politischen und ökonomischen Großmacht entwickeln. Das hatte massive Auswirkungen auf die Migration in die BRD:

Aufgrund von Arbeitskräftemangel in der Phase des allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwungs des deutschen Kapitals holte die Bourgeoisie in den 1960er Jahren Gastarbeiter ins Land, um die Größe der Arbeiterklasse an die Entwicklung der eigenen Kapitalakkumulation anzupassen. Die Gastarbeiter dienten als unterste Arbeiterschicht in der deutschen “Wirtschaftswunder”-Industrie und wurden in überwachten, abgeschlossenen und isolierten Wohncontainern auf den Fabrikgeländen untergebracht. Die betrieblichen Kämpfe der 60er und 70er Jahre, in denen die Gastarbeiter eine wichtige, radikalisierende Rolle spielten, führten unter anderem auch dazu, dass diese ihre Container verließen, in richtige Wohnungen zogen und ihre Familien nachholten.

Die Bourgeoisie der BRD begann schon in dieser Zeit verschärfter betrieblicher Kämpfe eine gezielte und gesteuerte Politik, die in der Gesellschaft eine Debatte über „Ausländer“ und Asylanten entfachte, die auch unter Nutzung einer tief in den “deutschen” Massen verankerten faschistischen Volksgemeinschaftsideologie(ix) Alltagsrassismus und Ausländerfeindlichkeit neu etablierte und die der geplanten Gesetzesänderung zum Asylrecht, die schließlich Anfang der 90er Jahre erfolgte, den Weg bahnte. In diesem Kontext forcierten die bürgerlichen Propagandaorgane Debatten darüber, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, ob eine multikulturelle Gesellschaft eine Bereicherung oder Gefahr ist und dass man nun mit Ausländerkriminalität zu kämpfen habe.

Kräftige Unterstützung für dieses Vorgehen erhielt der Staat von organisierten Altfaschisten und der schon in den Startlöchern stehenden Neuen Rechten. 1989 zogen die Republikaner durch Wahlen in die Parlamente von Berlin und EU mit dem Thema Asylmissbrauch ein. Es folgten – getragen von einer Welle aus Nationalismus und Chauvinismus nach der erfolgreichen Annektion der DDR – Pogrome und Mordanschläge auf Asylunterkünfte und Häuser, in denen MigrantInnen leben, wie Rostock, Mölln, Hoyerswerda und viele andere. In dieser Zeit bildete sich der NSU quasi als Nachfolgeorganisation von faschistischen, militärischen Untergrundorganisationen (Wehrsportgruppen und “Stay-Behind-Armeen” der NATO), die über die Geheimdienste gesteuert und finanziert werden. Durch die Terrorserie des NSU wurden MigrantInnen und Asylsuchende umgebracht oder schwer verletzt und in den Medien stigmatisiert. Angriffe, Morde oder Mordversuche haben nie aufgehört, sondern dauern bis heute an (z.B. Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und der Mord an Burak Bektas als migrantisches Zufallsopfer in Berlin Rudow am 5. April 2012(x)).

Mit PEGIDA und HoGeSa hat die organisierte Massenarbeit der Faschisten Ende 2014 eine neue Qualität angenommen: Aufbauend auf ihre langjährige Basisarbeit in Stadtvierteln und Landkreisen haben es die Faschisten geschafft, zumindest in Dresden über einen mehrwöchigen Zeitraum mehrere zehntausend Menschen – vor allem aus dem Kleinbürgertum – unter dem Slogan des “Kampfes des Abendlandes gegen die Islamisierung” auf die Straße zu mobilisieren. Die Schimäre des “Kulturkampfs” ist heute in den bürgerlichen Medien allgegenwärtig.

Bis 1985 betrug die Zahl der Asylsuchenden ca. 160.000 im Jahr. Durch die von der BRD mit initiierten Kriege zur Zerschlagung Jugoslawiens in den 90er Jahren stieg die Zahl der Asylsuchenden innerhalb weniger Jahre auf 700.000. Die übliche Praxis war und ist es, dass nur einem geringen Teil von Anträgen statt gegeben wird. Heute sind hiervon vor allem die MigrantInnen aus der deutsch-europäischen Kolonie Kosova und aus Serbien betroffen. Zur Unterbindung ihrer Flucht setzt die BRD die Bundespolizei sogar an der serbisch-ungarischen Grenze ein.

Mit der von Kohl und dem heutigen Linkspartei-Politiker Lafontaine ausgehandelten Verfassungsänderung 1993 wurde das Grundrecht auf Asyl de facto abgeschafft: Asyl bekommen nur Menschen, die nicht über sogenannte sichere Drittstaaten nach Deutschland fliehen, was für die Mehrheit unmöglich ist. Vorbereitend für diese grundlegende Gesetzesänderung wurden bereits im Vorfeld Asylverfahrensregelungen umgesetzt wie z.B. die Unterbringung in Sammellagern, Residenzpflicht (die es nur in Deutschland gibt), Arbeitsverbot, Abschiebung, direkte Zurückweisung durch die Konstruktion „offensichtlich unbegründete Antragssteller“ oder der „Beschleunigung des Asylverfahrens“ mit der Konsequenz der schnelleren Abschiebung (Asylverfahrensgesetz 1982).

 

Aktuelle Diskussion in der Bourgeoisie
Der Widerspruch zwischen dem Hunger des Kapitals nach ausbeutbarer Arbeitskraft auf der einen und der politischen Notwendigkeit der Abschottung der Grenzen und der Spaltung der Arbeiterklasse auf der anderen Seite äußert sich in der aktuellen Diskussion über Flucht und Migration in der herrschenden Klasse der BRD.

Die deutsche Bourgeoisie ist als Gewinnerin aus der letzten Krise hervorgegangen, hat reichlich Kapital akkumuliert und ist die unbestrittene Führungsmacht der Europäischen Union. Gemessen an den Bedürfnissen der weiteren Akkumulation und Expansion droht die ausbeutbare Arbeiterklasse im eigenen Land tendenziell zu klein zu werden, was sich u.a. in einem seit einigen Jahren bemerkbaren Arbeitskräftemangel in verschiedenen Sektoren der Wirtschaft bemerkbar macht. Dieser Umstand kommt in der seit mehreren Jahren geführten öffentlichen Diskussion über den “demographischen Wandel” und die “Überalterung” zum Ausdruck.

Im “Handelsblatt Morning Briefing” konnte man am 05.12. dazu lesen: “Deutschland ist nach den USA das beliebteste Einwanderungsland. 2014 zogen 465.000 Menschen hierher: doppelt so viele wie 2007. Wenn der Zustrom anhielte, wären unsere demographischen Probleme […] gelöst.”

Eine verstärkte Migration in bestimmte Bereiche der Arbeiterklasse liegt heute also im Interesse des deutschen Kapitals. In einem aktuellen Positionspapier des CDU-Wirtschaftsrates heißt es dazu, die Bundesrepublik müsse “ein Punktesystem einführen”, das die Zuwanderung je nach Bedarfslage in der Wirtschaft steuere. Es wird auch darüber gesprochen, Flüchtlinge für die Behebung des Arbeitskräftemangels zu nutzen(xi).

Die Ursache für die Debatte über die Einbeziehung von Flüchtlingen liegt nicht allein in den wirtschaftlichen Erwägungen, sondern gerade auch im wachsenden Widerstandskampf der Flüchtlinge, der von Staat und Mainstream-Medien nun nicht mehr totgeschwiegen, sondern offensiv aufgegriffen wird, um ihn unter Kontrolle zu bringen. Neben die Repression gegen die Flüchlinge tritt nun der Versuch, Teile von ihnen zu integrieren. Das kommt in der öffentlichen Debatte darüber zum Ausdruck, dass man zwischen “politischen” bzw. “Kriegsflüchtlingen” auf der einen und “Wirtschaftsflüchtlingen” auf der anderen Seite unterscheiden müsse. Die einen sind, wie im Falle syrischer Ärzte, für das deutsche Kapital ausbeutbar und damit willkommen. Die anderen, wie die Roma, Kosovaren und Bulgaren, werden in der Propaganda der Herrschenden weiterhin als die unerwünschten “Schmarotzer” hingestellt.

Welche Bewegung hat nun zu dieser Anpassung der Strategie der Bourgeoisie geführt?

 

Politischer Widerstand der Flüchtlinge in Deutschland
Jahrzehntelange Isolation in Lagerhaft und sklavenähnlicher Umgang, mit dem die Flüchtlinge gefangen gehalten werden; Gesetze, die eine ständige Kontrolle über ihr Leben ausüben, die Menschen demütigen, misshandeln, entmündigen, kriminalisieren, wehrlos machen, in den Selbstmord treiben und schwerste Traumatisierung hervorrufen, haben unter Flüchtlingen einen Willen zum Widerstand hervorgebracht, der deutlich macht, dass sie in der BRD nichts zu verlieren haben, dass ihre Alternative vielfach zwischen dem Kampf um ein menschenwürdiges Leben und dem Tod besteht.

Der Widerstandskampf der Flüchtlinge hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt:
Mit den Forderungen nach „Abschaffung der Residenzpflicht und Lagerpflicht”, sowie “Stopp aller Deportationen“ machte sich der “Marsch der Freiheit” 2012 auf den Weg von Würzburg nach Berlin. Es folgten Hungerstreiks und Besetzungen mit der Ansage: „Es ist egal, ob wir hier sterben oder dort, wo wir hin deportiert werden“.

Der Widerstand hat sich auf ganz Deutschland und in Europa ausgebreitet. Erreicht wurde damit das Durchbrechen der Isolation der Flüchtlinge vom Rest der Gesellschaft, das Durchbrechen der Residenzpflicht, eine Wahrnehmung der Problematik in der bürgerlichen Gesellschaft, die Mobilisierung von humanistischen Organisationen und Kirchen bis hin zu Debatten in den parlamentarischen Parteien über eine Veränderung in der Asylpolitik.

Es leben heute viele Flüchtlinge auf der Straße statt in Lagern. Oder sie versuchen, sich Orte zu erobern, wo sie ein kollektives Leben ohne Staat, ohne Gesetze und ohne Chefs einrichten können. Konkrete Unterstützung in ihrem Widerstand erfahren die Flüchtlinge durch AktivistInnen aus den unterschiedlichsten Gruppen in der politischen Widerstandsbewegung, von einigen Kirchen, Flüchtlingsorganisation und einer losen Bewegung der Unorganisierten.

 

Die Bewegung der UnterstützerInnen
Die Bewegung der UnterstützerInnen für den Widerstand der Flüchtlinge trägt dabei alle Merkmale einer spontanen Bewegung in sich. Sie setzt auf AktivistInnen, die kollektiv, basisdemokratisch, ohne Führung eher spontan auf den Kampf im aktuellen Augenblick oder Moment setzt. Das Handeln sind Protest- oder Widerstandsaktionen gegen die herrschenden Verhältnisse und es werden Interventionen entwickelt, die die Flüchtlingsbewegung unterstützen.

Leitlinie ist die internationale Solidarität und Forderungen wie “Bleiberecht für alle”, “Keine Mauer um Europa” oder “Schluss mit den Deportationen” und die Unterstützung der Forderungen der Flüchtlinge. Dahinter steht der Wunsch und Versuch, für grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen Reformen zu erreichen und mit dem Druck der Masse in Politik und Gesellschaft zu wirken. Es ist auffallend, dass die Unterstützerbewegung noch stark von einem Denken in den Kategorien “Ihr seid die Flüchtlinge – wir die Unterstützer” geprägt ist, das verkennt, dass Flüchtlinge und “Deutsche” trotz qualitativer Unterschiede in den Lebensbedingungen Teil derselben Klasse sind. Vielfach ist auch ein “Fürsorge”-Herangehen gegenüber den Flüchtlingen anzutreffen, statt sich als Teile derselben Bewegung auf Augenhöhe zu betrachten und so zu arbeiten.

Unter den Bewegungsaktivisten besteht bei vielen AkteurInnen die Hoffnung, durch die soziale und politische Bewegung die staatlichen Strukturen zu verändern oder zu erneuern oder dass eine grundsätzliche Demokratisierung im Kapitalismus durchsetzbar sei.

Offiziell entsprechen die Verbindungen untereinander einer offenen, losen und informellen Organisationsstruktur, einem führungslosen Netzwerk auf legaler Basis. Tatsächlich nehmen aber bestimmte Akteure die Arbeit und Organisation von Aktionen in die Hand, wodurch eine informelle Führung entsteht, was zu Konflikten bis hin zu Zersetzungstendenzen führt. Die subjektive Lebensweise, Erlebnisse, Wahrnehmung, Erfahrungen und individuelle Deutungsweise bestimmen vielfach die Politik und Theorie sowie die Legitimation der eigenen Praxis.

In den Protest- und Widerstandsaktionen der Flüchtlingsbewegung etablieren sich neue Formen des Protestes wie z.B. die sehr wirkungsvollen Flashmobs. Die AktivistInnen werden mutiger in ihrem Handeln. Z.B. werden Blockaden trotz heftigster Repression immer wieder als Mittel des Widerstandes genutzt. Trotz der Repression werden immer wieder neue Aktionen durchgeführt. Man widersetzt sich der Staatsmacht und rennt nicht bei den ersten Gegenschlägen weg.

Die Wirkung der Radikalität in der Flüchtlingsbewegung, ihr Durchhaltevermögen und die Widerstandskämpfe in anderen Ländern, die teilweise gegen militärisches-faschistisches Vorgehen geführt werden, wirken sich auf die Bewegungen in Deutschland radikalisierend aus und bergen ein Potential für die Weiterentwicklung des politischen Widerstandskampfes. Aber die heutige Flüchtlingsbewegung hat nicht den Punkt erreicht, durch einen qualitativen Sprung eine organisierte Kraft zu entwickeln, die die Klassenfrage auf ihre Tagesordnung setzt.

 

Repression und Widerstand am Beispiel Berlin
Mit den sich zuspitzenden Konflikten und militärischen Auseinandersetzungen in der Welt wird es aus Sicht des Staates notwendig, innerhalb des Landes für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Da kommen eine radikale Flüchtlingsbewegung, eine Radikalisierung von palästinensischen Kräften, organisierte Angriffe auf Polizei und staatstragende Institutionen aus der autonomen Szene, eine Solibewegung, die sich nicht einfach einschüchtern lässt und sich auch nicht immer an das bürgerliche Recht und die Ordnung hält, völlig ungelegen.

Die Offensichtlichkeit von ungerechten Kriegen, in denen den Völkern alle Lebens- und Arbeitsgrundlagen zerstört werden, die Hunger, Armut, Flucht und Tod erzeugen und gleichzeitig die Zunahme von militanten Widerstandskämpfen wie der Gezi-Bewegung 2013 in der Türkei oder dem Widerstandskampf um Kobane tragen den Widerstandsgeist auch nach Deutschland bzw. bestärken ihn dort.

Vor diesem Hintergrund werden aus den verschiedensten Parteien die Stimmen lauter und nachdrücklicher, dass eine Änderung in der Asylpolitik nicht mehr zu umgehen ist.

Umgesetzt wird schon, dass in verschiedenen Städten oder Bundesländern Flüchtlingsfamilien in normale Wohnungen untergebracht werden. Teilweise wird die Residenzpflicht gelockert und das Arbeitsverbot steht angesichts des Arbeitskräftemangels in dem Niedriglohnsektor vor der teilweisen Aufhebung.

Gleichzeitig setzt die Staatsmacht repressive Methoden ein, mit denen sie auch austestet, wie weit sie gegen die Bevölkerung vorgehen kann. Zu nennen sind hier die Aussperrung und Ausgrenzung ganzer Wohnbezirke, wie sie in Hamburg 2013 und Berlin 2014 für Wochen mit einem riesigen Aufgebot von hoch ausgerüsteter Polizei samt ihrer gepanzerten Räumfahrzeuge, Wasserwerfer, Hubschrauber, Drohnen und Kolonnen von Einsatz-Fahrzeugen durchgeführt wurde.

Seit der gewaltsamen Räumung des von den Flüchtlingen besetzten Oranienplatzes in Berlin-Kreuzberg folgten großräumige Polizeibesetzungen und Absperrungen in den Bezirken Kreuzberg-Friedrichshain. Im Juni und August 2014 wurden jeweils für 10 bis 14 Tage die von Flüchtlingen besetzen Gebäude abgesperrt, was zur Folge hatte, dass AnwohnerInnen große Umwege in Kauf zu nehmen hatten und ständiger Polizeikontrolle ausgesetzt waren. In Kreuzberg bewirkte die breite Solidarisierung von den AnwohnerInnen, ständige Blockaden und Soliaktionen durch UnterstützerInnen, dass die Flüchtlinge vorerst nicht geräumt wurden. In Friedrichshain konnte mit der Taktik des Aushungerns der BesetzerInnen und gleichzeitig der Isolierung aller Verbindungen zu den UnterstützerInnen, die Blockaden von der Polizei erst verdrängt und dann ganz abgeräumt werden. Neben der Schwächung der Bewegung der UnterstützerInnen war die fehlende Solidarisierung der AnwohnerInnen hier ausschlaggebend.

Aus diesen Erfahrungen hat der Repressionsapparat seine Schlüsse gezogen. Heute gehören ständige starke Polizeipräsenz und Polizeieinsätze in den Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain zum täglichen Leben der AnwohnerInnen, was politisch als Besatzung einzuordnen ist. Flüchtlinge; Personen die der autonomen Szene zugerechnet werden und Menschen die sich „verdächtig“ verhalten, werden beobachtet, kontrolliert, eingeschüchtert, bedroht und in Gewahrsam genommen. In den Medien heißt es, dass diese Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausländerkriminalität und gewaltbereiten Linken dient. Tatsächlich dient dieses Vorgehen dem Konzept der Antiterrorbekämpfung, um Einschätzungen der Lage, Stärke, Stimmung und Bereitschaft zu Protest- und Widerstandshandlungen von Flüchtlingen, linken Menschen und AnwohnerInnen zu erstellen.

Jeglicher Aufruhr muss schon im Ansatz erstickt werden, damit dieser sich nicht auf weitere Bezirke ausbreitet, tiefer in die Bevölkerung rein wirkt und sich gar ganze Stadtteile in internationaler Solidarität gegen die deutsche Kriegs-, Unterdrückungs- und Ausbeutungspolitik zur Wehr setzen.

Die Verbindung des Kampfes der Flüchtlinge mit dem Kampf im Stadtteil wird so bereits vom Staat auf die Tagesordnung gesetzt.
Die Kämpfe zusammenführen und das Klassenbewusstsein entwickeln
Die Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland sind Teil der Arbeiterklasse. Die Flüchtlingsfrage, die Strategie der Bourgeoisie gegenüber den Flüchtlingen und der politische Widerstandskampf der Flüchtlinge und ihrer UnterstützerInnen sind daher besondere Erscheinungsformen des Klassenkriegs des Proletariats gegen die Bourgeoisie.

Die Strategie der imperialistischen Bourgeoisie gegenüber MigrantInnen und Flüchtlingen ist es, diese als ökonomische Konkurrenz der “deutschen” ArbeiterInnen zur Senkung der Löhne zu benutzen und sie vom Rest der Arbeiterklasse zu isolieren. Das Klassenbewusstsein des Proletariats soll im Sinne der Herrschenden durch die faschistische Ideologie ersetzt werden – Ziel ist es, das nationale Zusammengehörigkeitsgefühl zu festigen und die Stimmung in den Massen zu verankern, dass die “Nation” von den “fremden Feinden” angegriffen (Ausländerkriminalität) oder zersetzt (Arbeits- und Wohnungsklau) wird; dass diese sich in der Gesellschaft breit machen und es darum bald keine deutschen Kinder mehr gibt. Die Deutschen müssen „ihr Land“, „ihre Arbeit“ „ihren Wohlstand“ verteidigen. Ziel ist es, die Massen zu einer willigen Gefolgschaft für die kriegerischen Ziele des eigenen Imperialismus zu manipulieren, die die Konterrevolution verinnerlicht haben.

Die Bourgeoisie bereitet sich mit dem geschilderten, kombinierten Vorgehen aus Repression und Integration auf die Verschärfung der gesellschaftlichen Widersprüche und politischen Kämpfe auch in der BRD vor und greift dabei neben der faschistischen, ideologischen Massenarbeit schon heute zum Mittel der Besetzung ganzer Stadtviertel in der Hauptstadt durch die Repressionsorgane.

Der Kampf gegen die faschistische Ideologie in den Massen ist der Kampf gegen die Spaltung der Arbeiterklasse. Für den Befreiungskampf der Arbeiterklasse – angefangen beim ökonomischen Kampf “ums Teewasser” im Betrieb – ist es notwendig, die faschistische Ideologie in den Massen zu bekämpfen und den Zusammenschluss der Klasse zu erwirken.

Ebenso ist es notwendig, die sozialdemokratische “Fürsorge”-Ideologie gegenüber den Flüchtlingen und den Reformismus im gemeinsamen Kampf zu überwinden und durch ein proletarisches, revolutionäres Klassenbewusstsein zu ersetzen.

Der politische Widerstandskampf der Flüchtlinge um menschenwürdige Lebensbedingungen und um die Durchbrechung der eigenen Isolation, um das Recht auf Arbeit und Wohnung muss daher mit den Kämpfen der anderen Teile der Arbeiterklasse – in Betrieb und Stadtteil – und mit dem antifaschistischen Kampf bewusst verbunden werden. KommunistInnen und AntifaschistInnen müssen in der Arbeiterklasse das Bewusstsein entwickeln, dass die Strategien, die die Bourgeoisie heute gegen die Flüchtlinge einsetzt, morgen auf weitere Teile der Klasse ausgedehnt werden.

In dem Maße, wie es gelingt, die Kämpfe zu verbinden, wird die Arbeiterklasse in der BRD, die objektiv international zusammengesetzt ist, sich auch subjektiv die Kampferfahrungen ihrer verschiedenen Teile zu eigen machen und ihr Bewusstsein für den Klassenkrieg entwickeln.

Um dies zu erreichen, ist es nicht ausreichend, in autonomen Zirkeln politische Teilbereichsarbeit in diesem oder jenem Kampffeld auszuführen. Um die Arbeiterklasse zu einer einzigen politischen Kraft zusammenzuführen, die den revolutionären Krieg gegen die Bourgeoisie führt, bedarf es der Kommunistischen Partei als Vorhut. Um diese aufzubauen, müssen die KommunistInnen sich auf prinzipieller Grundlage vereinigen und schon heute eine einheitliche, verbundene Arbeit in den wichtigsten Sektoren der Massen entwickeln.

Die Arbeit unter den migrantischen und Flüchtlingsteilen der Arbeiterklasse spielt dabei heute eine besonders wichtige Rolle, da hier die Verbindungen zwischen verschiedenen Kampffeldern (Kampf um politische Rechte, Stadtteilarbeit, Antira, Antifa) besonders leicht herzustellen sind.

April 2015
Kommunistischer Aufbau

 

(i) Lenin, “Kapitalismus und Arbeiterimmigration”, Lenin Werke, Band 19, S. 447 ff.

(ii) Vgl. “Statistical Yearbook”, United Nations, 2009

(iii) Handelsblatt vom 11. Februar 2015

(iv) Ebd.

(v) Ebd.

(vi) “Erneut Flüchtlinge in KZ-Außenlager”, Junge Welt vom 02.02.15

(vii) Siehe hierzu den Artikel “Die Bewegungen PEGIDA und HoGeSa und die Perspektiven des proletarischen Antifaschismus”, www.komaufbau.org

(viii) Aus Platzgründen beschränken wir uns auf die Phase nach der Befreiung vom Faschismus ab 1945. Der deutsche Imperialismus nutzt aber seit seinem Aufkommen die Migration als strategische Waffe im Klassenkrieg und hat in der BRD dabei auf vielfältige Erfahrungen aufgebaut, die im Kaiserreich, der Weimarer Republik und dem Faschismus gesammelt wurden, z.B. mit der Integration der “Ruhrpolen”, der migrantischen Saisonarbeit in der Landwirtschaft und dem Lagersystem und der ausgedehnten Zwangsarbeit im Faschismus.

(ix) “Ich traue meinen Augen nicht. Ein Meister, der ausländische Mitarbeiter mit Fäusten traktiert. Doch er ist ja nicht allein. Auch andere Meister, viele von ihnen haben die gelben Kutten nicht an, ebenso wie Müller, schlagen auf die ausländischen Kollegen ein. Meister Wilhelm aus der Kernmacherei, wegen seiner Vergangenheit ‚SS Wilhelm‘ genannt, steht breitbeinig in der Menge, deutet mit dem Finger: ‚Den da und den und den!‘ Die Betroffenen wollen fliehen, nur wenigen gelingt es. Viele werden von aufgebrachten deutschen Kollegen und Angestellten verprügelt.”
Zitiert nach dem Augenzeugenbericht zur gewaltsamen Zerschlagung des migrantischen, “wilden” Streiks bei John Derre im Mai 1973 in Jahrbuch zum Klassenkampf, Rotbuch 103, Materialien zur Entwicklung der Klassenkämpfe im Rhein Neckar Raum und der Streik bie John Derre; S. 66

(x) Siehe burak.blogsport.de

(xi) German Foreign Policy, 18.02.2015

Diesen Beitrag teilen: