Kapitalistische Logik: Sehenden Auges in die Katastrophe!
Das Versagen der bürgerlichen Politik, ebenso wie die grundsätzliche Unvereinbarkeit des kapitalistischen Systems mit einem guten, allgemein zugänglichen Gesundheitssystem werden in der aktuellen Entwicklungsphase der Pandemie in diesem Land gerade so deutlich wie wohl zu kaum einem Zeitpunkt zuvor.
Die Infektionszahlen schnellen mit einer zuvor in Deutschland unbekannten Dynamik nach oben; die Zahl der Coronapatient:innen auf Intensivstationen und die der täglichen Corona-Todesfälle hingegen liegt bisher noch weit unter den Höchstwerten der 2. und 3. Welle. Es ist jedoch absehbar, dass auch diese Schwellen mit einem gewissen zeitlichen Verzug erreicht werden, wenn die Infektionsdynamik nicht durchbrochen wird – und dafür gibt es wenig Anzeichen. Die Reaktion der bürgerlichen Politiker:innen hierauf wirkt auf den ersten Blick hilflos bis panisch.
Tatsächlich aber kann man der politischen Elite der Bourgeoisie in diesem Land viel unterstellen, aber blanke Dummheit gehört sicherlich nicht dazu. Es ist kein Zufall, dass die Warnungen führender Virolog:innen und Epidemiolog:innen, die in dieser Pandemie oft und gerne als wissenschaftliche Autoritäten zur Untermauerung der eigenen Maßnahmen herangezogen wurden, in der heißen Phase des Wahlkampfs vor der Bundestagswahl 2021 konsequent ignoriert wurden.
Vielmehr folgt das Handeln der bürgerlichen Politik grundsätzlich den Prioritäten und der inneren Logik des Kapitalismus. In diesem System haben Politiker:innen eben nicht die Aufgabe, so gut wie möglich die wichtigsten Lebensinteressen der breiten Masse zu vertreten, sondern sie haben die Aufgabe die Stabilität des herrschenden Systems zu gewährleisten. Persönlich verfolgen diese Politiker:innen das Ziel, ihre eigene Machtposition zu erhalten.
Ein neuer Lockdown, stärkere Einschränkungen des öffentlichen Lebens oder auch nur das offene und ehrliche Eingeständnis, dass Impfungen zwar schwere Verläufe der Erkrankung meist verhindern, aber die Wirkung eben auch nach wenigen Monaten massiv nachlässt, hätte sicherlich weder bei Impfskeptiker:innen noch bei Geimpften für gute Stimmung im Wahllokal gesorgt. Aus eben diesem Grund haben sich auch die drei Kanzlerkandidat:innen wiederholt vor der Wahl öffentlichkeitswirksam von weiteren Lockdown-Plänen distanziert.
Da unter dem Druck der „urplötzlich“ über uns hereingebrochenen 4. Welle erneut auch vermehrt Kräfte aus der linken und kommunistischen Bewegung in das Rufen nach härteren Maßnahmen eingestimmt haben, möchten wir diese Gelegenheit nutzen, um darzulegen, warum wir auch in der 4. Welle die Aufgabe der Kommunist:innen darin sehen, die Regierung für ihre arbeiter:innenfeindlichen Maßnahmen grundsätzlich anzugreifen, anstatt in die imperialistische Propaganda der Grundrechtseinschränkungen in allen Lebensbereichen einzustimmen.
Kapitalismus und bürgerliche Politik sind zu effektiver Pandemiebekämpfung nicht in der Lage
Es wiederholt sich nun, was schon vielfach in der Pandemie geschehen ist: Um ein bestimmtes Verhalten in der Bevölkerung zu erreichen werden Maßnahmen eingeführt, abgeschafft und erneut eingeführt. Die bürgerliche Politik und das kapitalistische Wirtschaftssystem beeinflussen sich hierbei gegenseitig und heraus kommt alles mögliche, nur kein schlüssiges und konsequentes Konzept zur Bekämpfung der Pandemie. Und schon garkeins welches die Interessen unserer Klasse widerspiegelt oder auch nur beachtet.
So verbreitete man bei Beginn der Pandemie gezielt die Lüge, dass die Schutzwirkung von Masken für die Träger:in nach wenigen Minuten praktisch gleich Null sei, um danach schrittweise eben doch Behelfsmasken und dann medizinische Masken zur Pflicht zu erklären. In den ersten Tagen der Pandemie wollte die Regierung offenbar Hamsterkäufen von Masken Einhalt gebieten, um selber die entsprechenden Materialien für die staatlichen Institutionen und für den medizinischen Sektor zu sichern, in dem Maße, in dem jedoch die kapitalistische Wirtschaft den Bedarf decken konnte, konnten die Masken auch zur Pflicht erklärt werden.
Ein anderes Beispiel: Als in diesem Sommer die Impfkampagne zum ersten Mal ernstlich ins Stocken kam, wurde massiv für Impfungen geworben und als der „einzige Weg zur Freiheit“ immer wieder massenhaften Tests gegenübergestellt. Dass viele Menschen sich nicht nur aus Treue zur Regierung oder aus berechtigten Ängsten um die eigene Gesundheit haben impfen lassen, sondern auch um die versprochene Freiheit wieder genießen zu können, fällt der Regierung jetzt auf die Füße. Denn viele geimpfte Menschen wiegen sich in der Sicherheit, die ihnen mit den Impfungen versprochen wurde. Impfdurchbrüche und Übertragungen durch geimpfte Personen sind mittlerweile so häufig, dass offensichtlich sein sollte, dass dieses Virus nicht aus dem Land „geimpft“ werden kann.
Genauso steht es darum, wie der Kapitalismus den Zugang zu medizinischem Material „regelt“. Die Stoffmasken wurden zu Spottpreisen verramscht, sobald die Politik sich von diesen als probates Mittel für die Einschränkungen der Infektionswege verabschiedet hatte und an ihre Stelle trat der Verkauf von OP- und FFP2-Masken zu deutlich gesteigerten Preisen. Ebenso schnellen die Preise der Selbsttests jetzt, wo sie am dringendsten benötigt werden, um teilweise wenigstens selbstorganisiert Infektionsketten unterbrechen zu können, um ein vielfaches in die Höhe.
Ganz ähnlich versucht man nun mit konzentrierter Propaganda ungeimpfte Menschen zu den alleinigen Schuldigen dafür zu erklären, dass die bürgerlichen Regierungen die Daumenschrauben wieder anzuziehen. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Regierung in der Pandemie ist aber die Unterstellung wohl mehr als legitim, dass es zu weiteren Grundrechtseingriffen und Einschnitten in das öffentliche Leben kommt, ganz unabhängig davon wie sich die Impfquote entwickelt. Auch die immer neu aus dem Ärmel geschüttelten willkürlichen Grenzwerte für die Aushebelung der Grundrechte zeigen ein fehlendes wissenschaftliches Konzept zur Pandemiebekämpfung.
Die bittere Wahrheit ist, dass momentan niemand seriös sagen kann, wann das Virus keine sehr reale Gefahr für Millionen Menschen in diesem Land mehr darstellt. Dies gilt insbesondere seit dem die Herrschenden eingestehen mussten dass die Impfstoffe bei langem nicht das halten was sie versprechen. Statt nach 12 Monaten, scheint dieser bereits nach 4-6 Monaten einen Großteil seiner Wirkung zu verlieren. Auch das mittlerweile bis zu 50 Prozent der hospitalisierten Covid-Patient:innen bereits geimpft waren ist eine zu beachtende Entwicklung. Zwar schützt die Impfung in den meisten Fällen vor dem Tod, eine alleinige Bekämpfung der Pandemie durch Impfungen ist jedoch offensichtlich zum Scheitern verurteilt.
Welche und ob die Maßnahmen, wie das Erfassen der Kontaktdaten im gesamten öffentlichen und zum Teil privaten Leben und das vermutlich folgende zwangsweise Vorzeigen von Impfausweis und Personalausweis in Arbeit, Cafes, Bus und Bahn dann, der Datensammelwut der Repressionsbehörden zum Trotz, wieder aus dem öffentlichen Leben verschwinden, steht natürlich ohnehin auf einem anderen Blatt.
Was ist im Angesicht dieser Lage unsere Aufgabe als Kommunist:innen?
Wer die Pandemie und die dagegen gerichteten Maßnahmen als reine Frage des Gesundheitsschutzes behandelt, ignoriert die Dimension des Klassenkampfes und die Existenz gegensätzlicher Klasseninteressen. Es kann uns als Kommunist:innen nicht darum gehen, uns zu Berater:innen der kapitalistischen Staaten aufzuschwingen und die für uns letztlich unlösbare Aufgabe zu stellen, ein Pandemiebekämpfungsprogramm zu entwerfen, das im Rahmen des Kapitalismus umsetzbar wäre und dabei zugleich nicht auch den grundsätzlichen Interessen unserer Klasse in der ein oder anderen Art und Weise widerspricht. Wer dies versucht landet unweigerlich bei pro-imperialistischen Projekten à la „Zero Covid“ oder feiert gleich den tausendfachen Einsatz der Bundeswehr im Innern und damit die Militarisierung des kapitalistischen Krisenmanagements ab.
Statt die sprunghaften angestiegenen psychischen Probleme unserer Klassengeschwister gegen die Tausenden Coronatoten aufzuwiegen, statt das faktische Einsperren von Millionen Menschen auf viel zu engem Wohnraum durch das zweifellos vorhandene Leid von Longcovid-Patient:innen zu rechtfertigen, gilt es für uns aufzuzeigen: Derartige Gesundheitskrisen werden sich wiederholen und sie werden solange wir unter kapitalistischen Bedingungen leben, immer derart verheerende Auswirkungen haben!
Es gilt, aus der Defensive zu kommen und statt eine Einheitsfront unter Führung der bürgerlichen Regierung zu bilden, in der wir ein härteres Durchgreifen des Staates fordern und damit doch nur zu Mitverwalter:innen des kapitalistischen Elends in Zeiten einer globalen Pandemie werden, offensiv den Kapitalismus dort anzugreifen, wo seine Menschenfeindlichkeit gerade besonders deutlich wird und eine möglichst große Kampffront unserer Klasse aufzubauen.
In dieser Krise zeigt sich die unstillbare Profitgier der Pharmakonzerne, die sich mit Händen und Füßen gegen eine effektive globale Bekämpfung des Virus wehren, wenn es ihren Profitinteressen zuwider läuft. Ebenso müssen wir aufzuzeigen, dass die Pandemie die Situation für viele aufgrund jahrzehntelanger Sparmaßnahmen ohnehin am Rande des Zusammenbruchs arbeitende Pfleger:innen erst Recht unerträglich gemacht hat; dass viele Tausende von ihnen den Beruf gerade in der Pandemie an den Nagel gehangen haben und Milliarden Euro, die zur Erhöhung ihrer Gehälter sowie zur Umschulung neuer Kräfte hätten eingesetzt werden könnten, stattdessen als Rettungspaket-Subventionen in den Rachen großer Konzerne geworfen wurden, beziehungsweise in Form von Schmiergeld Abgeordnetendiäten aufgebessert haben.
Welche Alternative haben wir anzubieten?
Vielleicht bringt uns diese Haltung von der ein oder einen Seite, den Vorwurf ein, uns zynischerweise nicht für die Situation der Arbeiter:innen im Kapitalismus zu interessieren, das Gegenteil ist jedoch der Fall. Jedoch stellen wir als Kommunist:innen auch den Kampf für die revolutionäre Überwindung des Imperialismus über den Kampf kurzzeitiger Verbesserungen, sowie den Kampf für die Abschaffung aller Klassen und Ausbeutung über den Kampf für eine etwas höhere Lohnsteigerung. Warum sollten wir in der Pandemie plötzlich andere Prioritäten setzen? Viel mehr gilt es gerade in solch einer Situation noch stärker für die Überwindung des kapitalistischen Systems zu arbeiten und zu kämpfen! Es gilt in der Diskussion nicht zuletzt aus der Deckung zu kommen, indem wir den Sozialismus als eine reale Alternative zum kapitalistischen Pandemiemanagement auf die Straßen tragen.
Ein rätedemokratischer sozialistischer Staat wäre seinem ganzen Wesen nach nicht wie der bürgerliche Staat ein Fremdkörper mit einer arbeiterfeindlichen Politiker:innenkaste an der Spitze, der weil er nicht auf das natürliche Vertrauen der Bevölkerung zählen kann, diese mit Zwang und Halbwahrheiten in das von ihm gewünschte Verhalten zwingen muss. Ebenso ist offensichtlich, dass eine in Räten organisierte Gesellschaft ganz andere Möglichkeiten hätte, wissenschaftsfeindlichen Mythen Informationskampagnen entgegen zustellen.
Auch eine mit dem Ziel einer möglichst effektiven und umfassenden Erfüllung aller menschlichen Bedürfnisse organisierte Wirtschaft, wie sie erst im Sozialismus möglich wird, bietet offenkundig ganz andere Voraussetzungen für eine effiziente Bekämpfung von Seuchen und Pandemien. Angefangen von der Entwicklung und Produktion von Impfstoffen in sozialistischen Betrieben über die kostenlose Bereitstellung von notwendigem medizinischen Material und ein nicht mehr auf maximale Arbeitsintensität getrimmtes Gesundheitssystem bis hin zur Möglichkeit, bewusst die Wirtschaft des ganzen Landes für einen begrenzten Zeitraum auf ein absolutes Minimum herunterzufahren, um die Verbreitung der Seuche im Keim zu ersticken.
In diesem Sinne gilt es für uns, auch die besonderen Widersprüche des Kapitalismus, die die Pandemie und das bürgerliche Pandemiemanagement auf die Spitze treibt oder überhaupt erst zum Vorschein bringt aufzugreifen, und die heraus entstehenden gesellschaftlichen Dynamiken mit dem Kampf gegen dieses System zu verbinden. Es gilt dabei vor allem einen eigenen Standpunkt, den Standpunkt der objektiven Interessen unserer Klasse, einzunehmen. Diesen müssen wir den verschiedenen bürgerlichen Alternativen, die heute das Bewusstsein der Arbeiter:innenklasse wie der ganzen Gesellschaft dominieren entgegenstellen. Das ist keine leichte Aufgabe, weder über die wissenschaftsfeindliche Querdenkerbewegung, noch über den Ruf nach einem starken kapitalistischen Staat, führt eine Abkürzung zur Herausbildung von Klassenbewusstsein und einer starken kommunistischen Bewegung.
Gleichzeitig müssen wir auch in der Pandemie den Klassenkampf nicht nur um die Köpfe, sondern auch auf der Straße mit voller Energie weiter führen. Sei es durch die Intervention in den aktuellen Tarifauseinandersetzungen, gegen den Abbau und die Einschränkung unserer Grundrechte oder die Abwälzung der Krisenlasten auf unserem Rücken und die weitere Enteignung unserer Klasse durch seit Jahrzehnten nicht dagewesene Teuerung.