– ihre Bedeutung für den revolutionären Kampf
Die Bedeutung der Moral ist in allen politischen und militärischen Kämpfen ein maßgeblicher Faktor, der in Einzelfällen sogar über Sieg oder Niederlage entscheiden kann. Genau darum müssen auch wir Kommunist:innen uns mit den Fragen der Moral auseinandersetzen und konkrete Antworten und Konzepte auf offene Fragen gerade in der alltäglichen politischen Praxis finden.
Vielleicht mag der Titel einige Leser:innen zum Stutzen bringen. Schreiben und reden wir Kommunist:innen nicht vor allem immer wieder über ökonomische Gesetze, Wissenschaftlichkeit und den Kampf gegen den Idealismus – und nun kommen wir hier mit der Frage nach der Bedeutung des Optimismus und der Moral um die Ecke? Ist dies nicht eine lupenreine idealistische Abweichung vom dialektischen Materialismus, mögen sich manche kritische Leser:innen vielleicht fragen.
Sicherlich kann man mit den Begriffen des Optimismus und der Moral eine wohl unzählige Reihe von idealistischen Konzepten verbinden, die nun wirklich so gar nichts mit unserer wissenschaftlichen Weltanschauung zu tun haben. Dies muss aber nicht so sein! Wir wollen in diesem Artikel den idealistischen Konzepten eine materialistische Bedeutung des revolutionären Optimismus und der kommunistischen Moral entgegensetzen und ihre besondere Bedeutung für den revolutionären Kampf darlegen.
Idealistischer oder materialistischer Optimismus?
So einfach wie die Frage hier gestellt ist, ist sie natürlich nicht. Trotzdem wollen wir noch kurz bei ihr verweilen und uns selbst fragen, was wir als Anhänger:innen der dialektisch-materialistischen Weltanschauung, dem wissenschaftlichen Sozialismus, denn nun mit dem Optimismus zu tun haben und die Bedeutung des Begriffs, der diesem Text zugrunde liegt, klären.
Der Duden beschreibt den Begriff des Optimismus mit der folgenden Erläuterung: „Eine Lebensauffassung, die alles von der besten Seite betrachtet; heitere, zuversichtliche, lebensbejahende Grundhaltung.“ 1 Ähnlich haben ihn zahlreiche idealistische Philosophen über die vergangenen Jahrhunderte benutzt und geprägt. Mit den idealistischen Betrachtungsweisen, die etwa ohne eine materialistische Untersuchung der Situation oder des Gegenstandes alles nur von seiner positiven Seite betrachten, können wir nichts anfangen. Es kann uns nicht darum gehen, Fehler und Niederlagen nicht beim Namen zu nennen oder in ihnen auf Teufel komm raus etwas Positives zu finden. Das wäre genau der verzweifelte idealistische Ansatz, den wir als Kommunist:innen bekämpfen müssen.
Vielmehr brauchen wir einen materialistischen Optimismus-Begriff, der sich auf die Erkenntnisse unserer wissenschaftlichen Weltanschauung und der konkreten Analyse der Wirklichkeit stützt. Unser Optimismus als Kommunist:innen stützt sich nicht auf einen metaphysischen und idealistischen Glauben, sondern auf das Wissen und das Verständnis der Gesetze des Klassenkampfes und der dialektischen Entwicklungsgesetze. Er ist daher materialistisch begründet. Das entwickelte Bewusstsein über die gesetzmäßige, das heißt objektive und materialistische, Entwicklung der Gesellschaft und der heutigen kapitalistischen Widersprüche hin zur sozialistischen Revolution, begründet unseren revolutionären Optimismus. Unser „Glaube“ an die Revolution hat jedoch rein gar nichts mit religiösen Gefühlen zu tun, sondern beruht auf dem wissenschaftlichen Verständnis der sich dialektisch entwickelnden und zuspitzenden Widersprüche im Kapitalismus.
Der historische Materialismus zeigt uns, dass die Entwicklung der Menschheitsgeschichte seit der Entstehung des Privateigentums und verschiedener Klassen sich in unerbitterlichen Kämpfen dieser Klassen gegeneinander weiter entwickelt. Immer dann, wenn die Produktivkräfte der Gesellschaft sich so weit entwickelt haben, dass die bisherigen Produktionsverhältnisse in Widerspruch zu ihnen geraten und ihre weitere Entwicklung hemmen, kommt die Frage der gewaltsamen Überwindung dieser Verhältnisse menschheitsgeschichtlich gesprochen auf die „Tagesordnung“. Seit weit über 100 Jahren hat der Kapitalismus bzw. seine aktuelle Entwicklungsstufe, der Imperialismus, dieses Stadium erreicht. Er hat damit die objektiven Grundlagen zu seiner Überwindung hin zum Sozialismus gelegt. Dies ist die wissenschaftliche Quelle, aus der wir unseren materialistischen Optimismus ziehen. Ohne dieses Wissen und die Verinnerlichung in unserem revolutionären Klassenbewusstsein, wird es keine erfolgreiche Revolution geben können, denn der Weg, den wir zum Sozialismus beschreiten müssen, ist ein materialistisch-wissenschaftlicher und keine unerreichbare, nebulöse Utopie! Es ist unsere Aufgabe, auf Basis dieses Wissens zum „Geburtshelfer“ der neuen Gesellschaft zu werden. Denn ebenso wie wir sehen können, dass es eine geschichtliche Entwicklungstendenz hin zum Sozialismus und Kommunismus gibt, so zeigen uns Vergangenheit und Gegenwart, dass dafür keineswegs ein „Automatismus“ besteht. Dass wir uns also nur zurücklehnen müssen und die Widersprüche mal „machen lassen“. Ohne bewusste Perspektive, ohne Strategie und Taktik, ohne Organisation, die diese verkörpert, werden Krisen und Kriege im Kapitalismus nicht einfach das Proletariat zum Sozialismus führen, sondern nur zur Fortführung oder Widererrichtung einer neuen Klassenherrschaft einer Minderheit über die ausgebeutete Mehrheit. Das Verständnis über die historisch-materialistischen Entwicklungsgesetze vom Untergang einer überkommenen Gesellschaft schließt also die Notwendigkeit der bewussten Tätigkeit der Menschen zur Überwindung dieser und der Errichtung einer neuen Gesellschaft mit ein. Dies gilt insbesondere für den Übergang von einer Klassengesellschaft hin zum Sozialismus und dann zum Kommunismus, die eine besonders bewusste und aktive Tätigkeit voraussetzt, wie schon Friedrich Engels feststellte: „Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die Produzenten. Die Anarchie innerhalb der gesellschaftlichen Produktion wird ersetzt durch planmäßige bewußte Organisation. Der Kampf ums Einzeldasein hört auf. Damit erst scheidet der Mensch, in gewissem Sinn, endgültig aus dem Tierreich, tritt aus tierischen Daseinsbedingungen in wirklich menschliche. Der Umkreis der die Menschen umgebenden Lebensbedingungen, der die Menschen bis jetzt beherrschte, tritt jetzt unter die Herrschaft und Kontrolle der Menschen, die zum ersten Male bewußte, wirkliche Herren der Natur, weil und indem sie Herren ihrer eignen Vergesellschaftung werden.“ 2
Auf der anderen Seite sind wir heute von unzähligen Dystopien und Weltuntergangserzählungen umgeben wie sie in Sekten, Fernsehen, Literatur und Co. hoch und runter gebetet werden. Dabei ist es richtig, dass es neben der Entwicklung hin zum Sozialismus auf der anderen Seite auch die Möglichkeit gibt, dass die um die Macht kämpfenden Klassen der Bourgeoisie und des Proletariats miteinander kämpfend untergehen. Doch daraus einen reaktionären Defätismus3 abzuleiten, welcher versucht den wissenschaftlichen Weg zum Sozialismus in eine idealistische Utopie zu verwandeln und das Proletariat ideologisch und in der Folge auch materiell zu entwaffnen, würde unweigerlich zur Kapitulation vor den herrschenden Verhältnissen führen. Weder die theoretische Möglichkeit eines alles Leben auf dem Planeten vernichtenden Atomkriegs, eines Asteroideneinschlags oder einer tödlichen Seuche, noch der aktuelle krisenhafte Zustand der kommunistischen Bewegung in Deutschland und auf der Welt, oder die zunehmende Repression der imperialistischen Staaten können und dürfen uns von unserem gerechten und notwendigen Kampf abbringen. Es kann uns hier nicht darum gehen, alle möglichen Schreckensszenarien immer wieder in unserem Kopf durchzuspielen, sondern eben eine konkrete Politik anhand der konkreten objektiven Lage zu entwickeln. Dabei müssen wir verinnerlichen, dass es in jeder Situation Möglichkeiten gibt, revolutionäre Politik zu entfalten und es eben unsere Aufgabe ist diese Möglichkeiten zu sehen und in die Realität umzusetzen. „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbsgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ 4
Dies gilt ebenso für den Umgang mit dem weit verbreiteten und von den Herrschenden immer wieder befeuerten Pessimismus in der Bewegung, bis hinein in unsere eigenen Reihen, der aktiv das Klassenbewusstsein angreift. Aussagen wie „Wir sind so wenige, der Kampf lohnt sich nicht!“ oder „Wir können denen da oben ja eh nichts entgegensetzen!“ sind die Folge davon. Dabei müssen wir uns klar machen, dass das allgemeine Entwicklungsgesetz des Umschlags von Quantität in Qualität natürlich auch für unseren revolutionären Kampf gilt. Nach jahrelangem zähen kleinteiligen Arbeiten wird auch unsere Arbeit und unser Einfluss in der Arbeiter:innenklasse durch die Ansammlung von Quantität in einen qualitativen Sprung umschlagen. Wir sehen gerade in Zeiten des revolutionären Aufschwungs, dass Entwicklungen, die zuvor Jahre oder Jahrzehnte gebraucht haben, sich auf einmal in wenigen Wochen vollziehen können und dass sich die Kräfte und Möglichkeiten zu agieren sprunghaft erhöhen. Genau das ist eine konkrete Form des qualitativen Sprungs in der kommunistischen Arbeit. Dieser kann aber nur geschehen, wenn zuvor die kleinschrittige Arbeit über Jahre die notwendigen Grundlagen dafür gelegt hat.
Wenn wir also von revolutionärem Optimismus sprechen, dann meinen wir damit das Bewusstsein über die historisch-materialistische Entwicklung der Menschheitsgeschichte, die durch ihre Entwicklung hin zum Sozialismus führen wird. Dieses Bewusstsein führt uns ebenfalls dazu, unseren Platz zu finden und aktiver Teil des Kampfes und der Entwicklung hin zum Sozialismus zu werden. Hier müssen die objektive Zuspitzung der Widersprüche des Kapitalismus und der subjektive Faktor, die organisierte Klasse der Arbeiter:innen in der Kommunistischen Partei zusammenkommen, um die historische Mission, die Errichtung des Sozialismus und das Fortschreiten zum Kommunismus materiell werden zu lassen. Aus diesem Bewusstsein heraus sind wir revolutionäre Optimist:innen!
Genauso wie unser materialistischer Optimismus bildet sich unsere kommunistische Moral aus dem revolutionären Klassenbewusstsein. Was wir konkret unter kommunistischer Moral verstehen und welche Rolle sie im revolutionären Kampf spielt, wollen wir im folgenden klären.
Was ist Kommunistische Moral?
Oftmals wird uns Kommunist: innen vorgeworfen wir hätten keinerlei Moral. Das ist natürlich Blödsinn! Als Kommunist:innen haben wir natürlich eine Moral. Diese widerspricht nur grundsätzlich der Moral der herrschenden Bourgeoisie. Dieser Widerspruch ist so elementar, dass die Kapitalist:innen die kommunistische Moral nicht einmal als eine Moral anerkennen können.
Doch bevor wir weiter darauf eingehen können, müssen wir zunächst klären, was Moral überhaupt ist, wie sie entsteht und sich verändert. Unter der Moral verstehen wir die Gesamtheit der Normen, Grundsätze und Werte, nach denen sich das Handeln des Einzelnen und das zwischenmenschliche Verhalten richten. Zunächst müssen wir hierzu festhalten, dass es nicht die eine Moral gibt, sondern Moral etwas historisch Gewachsenes ist, was sich dauerhaft mit der Gesellschaft verändert. Die Ausgestaltung der Moral hängt daher von der jeweiligen historischen Epoche und den vorherrschenden Gesellschafts- bzw. Produktionsverhältnissen ab. Mit der Entwicklung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse entwickelt sich auch die Moral weiter. Jede gesellschaftliche Epoche und die in ihr Herrschenden bringen eine mit dieser Epoche übereinstimmende Moral hervor. Dies sehen wir auch, wenn wir betrachten, wie sich die moralischen Ansichten der Menschen in den vergangenen Jahrtausenden immer wieder verändert haben. Weiterhin ist die Moral als Erscheinung des Überbaus von der Klassenstruktur geprägt. Es gibt daher neben der bürgerlichen Moral auch die proletarische Moral im Kapitalismus. Allerdings gilt für jede Epoche der Klassengesellschaften, dass die Moral der Herrschenden die jeweils herrschende Moral ist, d.h. konkret in der bürgerlichen Gesellschaft herrscht die kapitalistische Moral vor. Sie ist daher nicht nur in der Bourgeoisie zu finden, sondern heute ebenfalls hegemonial innerhalb der Arbeiter:innenklasse.
Die kapitalistische Moral predigt den Individualismus und Egoismus und das Streben nach dem persönlichen Glück in allen Lebensbereichen innerhalb des kapitalistischen Systems als höchstes Gut. Sie predigt daher das unersättliche Streben nach Wohlstand ohne Rücksicht auf Verluste, die persönliche Selbstverwirklichung und das Streben nach „Einzigartigkeit“ und Absonderung von der Masse. Sie steht für das Treten nach unten und das Buckeln nach oben. Gleichzeitig leitet sie ihre Moral in unseren Breitengraden aus christlichen Glaubenssätzen und dem als unumstößlich angepriesenen „Menschenrecht“ des Privateigentums ab. Doch hinter all diesen scheinmoralischen Ansichten steht letztlich allein die Motivation der Sicherung und moralischen Legitimierung des herrschenden kapitalistischen Gesellschaftssystems. Die kapitalistischen und patriarchalen Werte und Normen werden durch Religion, Esoterik und idealistische Philosophie zu einer wichtigen Stütze zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Ausbeutungssystems.
Die kommunistische Moral stützt sich hingegen auf das gemeinsame Ziel und objektive Interesse unserer Klasse, die Überwindung der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, die Befreiung der Arbeiter:innenklasse im Sozialismus. Der kommunistischen Moral entsprechen also alle Handlungen und Verhaltensweisen, die uns auf dem Weg zur Erreichung dieses Ziels einen Schritt nach vorne bringen. Die kommunistische Moral fegt alle bürgerlich-moralischen Ansichten hinweg und ersetzt diese restlos. Auch unsere Moral ist von der uns umgebenden Gesellschaft abhängig . Sie wird sich erst voll entwickeln und entfalten können, wenn die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse durch die sozialistische Revolution vom Kapitalismus zum Sozialismus und dann zum Kommunismus übergehen werden. Schon heute finden wir erste spontane Ansätze einer proletarischen Moral in der Arbeiter:innenklasse, bei der die Solidarität und Kollektivität zwischen den Klassengeschwistern im Mittelpunkt steht.
Der sowjetische Pädagoge Anton S. Makarenko beschreibt in einem seiner Texte die unbedingte Notwendigkeit und Dringlichkeit einer eigenständigen und in sich schlüssigen kommunistischen Moral nach der Oktoberrevolution: „Dringend notwendig für unsere Gesellschaft ist nicht eine einfache Nomenklatur der sittlichen Normen, sondern ein harmonisches und praktisch realisierbares in sich geschlossenes sittliches System, das einerseits in sehr ernsten philosophischen Abhandlungen und andererseits in einem System gesellschaftlicher ethischer Traditionen Ausdruck findet. Hinsichtlich seiner Geschlossenheit und Klarheit, seiner Überzeugungs- und Anziehungskraft für die breiten Massen, hinsichtlich seiner Übereinstimmung mit den realen Bedürfnissen unseres Lebens und unserer Entwicklung muss ein solches System der Ethik entschieden alle Moralkodexe, die jemals in der Geschichte existiert haben, weit übertreffen.“ 5
Lenin definierte die kommunistische Moral bzw. Sittlichkeit in seiner berühmten Rede auf dem III. Allrussischen Kongress des kommunistischen Jugendverbandes Russlands 1920 kurz und knapp: „Die Grundlage der kommunistischen Sittlichkeit ist der Kampf um die Festigung und Vollendung des Kommunismus.“ 6 Heute können und müssen wir diese Definition auf unsere Zeit und unsere Aufgaben übersetzen. Die Grundlage der kommunistischen Moral ist heute der Kampf um den Aufbau der Kommunistischen Partei neuen Typs und die Organisierung der Arbeiter:innenklasse für die sozialistische Revolution. Nach diesem Ziel und unserem Streben schon heute die Grundlagen zu legen, um die neue kommunistische Persönlichkeit als wichtiger Teil der Kader:innenentwicklung herauszubilden, richtet sich allein unser Verständnis von dem was richtig und falsch, was legitim ist und was nicht.
Unter der Herausbildung der kommunistischen Persönlichkeit verstehen wir die Aneignung und Anwendung des revolutionären Denkens, Fühlens und Handelns als dem notwendigen Handwerkszeug für Revolutionär:innen.7 Zu diesem Handwerkszeug gehört ein allseitiges Verständnis des Marxismus-Leninismus und des dialektischen Materialismus, ein ausgeprägtes revolutionäres Klassenbewusstsein, sowie die Kritik und Selbstkritik, die Veränderungsbereitschaft und Selbstrevolutionierung als Entwicklungskonzept der kommunistischen Persönlichkeit. Eigenschaften wie Organisiertheit, Planmäßigkeit, Disziplin, Militanz, Kollektivität und Solidarität gehören ebenso zu diesem Handwerkszeug, wie das Verständnis, nur als organisiertes kollektives Individuum eine wirkliche kommunistische Persönlichkeit herausbilden zu können.8
Der sowjetische Soziologe Viktor N. Kolbanowski beschreibt die kommunistische Persönlichkeit in seinem Aufsatz „Über kommunistische Moral“ wie folgt: „Ein echter Kommunist – gleich, ob Parteimitglied oder parteilos – ist ein bescheidener Mensch, der sich nicht mit seinen Erfolgen und Errungenschaften brüstet, der aber auch bei Misserfolgen und Niederlagen nicht verzagt, ist ein Mensch der hohe Anforderungen an andere und vor allen Dingen an sich selbst stellt, der sich seiner Verantwortung vor dem Volk bewusst ist und den allergrößten Wert auf das Vertrauen des Volkes legt. Um dieses hohe Vertrauen zu verdienen und die Massen geschickt zu führen, ist es unerlässlich, ihnen ebenso wie einzelnen Menschen mit Feingefühl und teilnahmsvollem Verständnis zu begegnen.“ 9
Das Ziel für uns Kommunist-:innen muss es sein, die oben beschriebene kommunistische Moral so zu verinnerlichen, dass sie voll umfassend zur Realität wird. Schaffen wir das, dann werden wir beim Zusammenkommen mit anderen Menschen, egal wann und wo, mit den Eigenschaften der kommunistischen Persönlichkeit die Stimmung und Atmosphäre beeinflussen und verändern können. Dementsprechend können wir auch den oben einzeln betrachteten revolutionären Optimismus als Teil der allgemeinen kommunistischen Moral begreifen, der eben ein wichtiger Teil unserer praktischen politischen Arbeit werden muss.
Welche Rolle spielt die Moral im revolutionären Kampf?
Die Moral und die Stimmung der Massen, die der eigenen und der gegnerischen Kräfte spielen eine enorm wichtige, unter Umständen sogar eine entscheidende Rolle im politischen wie im militärischen Kampf. Diese Erkenntnis wurde von feudalen und bürgerlichen Militärstrategen wie Sun Tzu und Carl von Clausewitz schon vor hunderten bzw. vor tausenden Jahren herausgearbeitet und für ihre Herren brauchbar gemacht.
In politischen und militärischen Auseinandersetzungen, in denen die eigenen Kräfte nicht durch Zwang oder Sold zusammengehalten werden, sondern durch die Überzeugung und das Bewusstsein für eine höhere Sache zu kämpfen, etwa der Befreiung der Arbeiter:innenklasse im Sozialismus oder der nationalen Befreiung vom Kolonialismus, unterliegen sie damit einer bewussten freiwilligen Disziplin. Dabei ist die Rolle der Moral und der Stimmung der Massen bzw. der Kämpfer:innen nochmals eine deutlich höhere.
Beispiele für die schier unglaubliche materielle Wirkung der revolutionären Moral und welche Kräfte sie mobilisieren und freisetzen kann, gibt es in historischen und aktuellen Klassenkämpfen und den Kämpfen der nationalen Befreiungsbewegungen unzählige. Im alltäglichen Klassenkampf, im Streik, wie im bewaffneten Aufstand, dem Guerilla- und Partisanenkampf ist die Frage der Moral unter anderem eine ausschlaggebende Komponente für den Ausgang des Kampfes.
Für uns ist die kommunistische Moral auf der einen Seite unser Kompass, nach dem sich unser revolutionäres Handeln, Fühlen und Denken richten muss. Auf der anderen Seite muss sie eine unerschöpfliche Quelle von Energie für den revolutionären Kampf sein. Der sowjetische Pädagoge Alexander F. Schischkin beschreibt in seinem Buch „Die Grundlagen der kommunistischen Moral“, dass im „Kampf für die Errichtung der kommunistischen Gesellschaft die Teilnahme an der kollektiven Arbeit zum Wohl der Gesellschaft, das Bewusstsein der Verantwortlichkeit für die Sache des Kollektivs, das Bestreben, den größtmöglichen Beitrag zu dieser Sache zu leisten, die Freude über Erfolge des Kollektivs, der Kummer über Misserfolge – nur in diesem beständigen Bewusstsein, ein Teilchen des für die Sache des Kommunismus kämpfenden Kollektivs zu sein, liegt die Quelle der größten Befriedigung, des persönlichen Glücks der für den Kommunismus kämpfenden Menschen.“ 10
Er konkretisiert dazu, dass das revolutionäre Kollektiv im Kampf für den Kommunismus zusammen geschweißt wird und nicht auf der persönlichen Anziehung oder Sympathie zwischen den Menschen beruhen kann. „Daher müssen in jedem sowjetischen Kollektiv richtige Beziehungen zwischen den Mitgliedern hergestellt werden, die gegenseitige Unterstützung und Hilfe, bewusste Disziplin, Kritik und Selbstkritik, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit in den Beziehungen zwischen den Menschen voraussetzen.“ 11
Aus diesem moralischen Kompass ergibt sich für uns Kommunist:innen gleichzeitig unsere angestrebte revolutionäre Lebensweise. Revolutionäre Lebensweise was heißt das konkret? Revolutionäre Lebensweise12 bedeutet für uns leben und arbeiten auf kommunistische Art und Weise. Es bedeutet für uns, unsere persönlichen Ziele und Bestrebungen, unser Denken, Fühlen und Handeln mit den vor dem Kollektiv stehenden Aufgaben in Übereinstimmung zu bringen. Dabei bewerten wir die Erfolge nicht nach den Worten unserer Genoss:innen, sondern nach ihren konkreten Taten und den Ergebnissen ihrer Handlungen. Dort wo die persönlichen Interessen und Handlungen dauerhaft nicht mit dem Kollektiv und der Organisation übereinstimmen, geht auch der moralische Kompass verloren. Dort verliert die kommunistische Moral ihre Wirkung und wird zu wirkungslosen Worten und moralischen Apellen. Dort kann es kein kommunistisches Kollektiv geben, denn dieses setzt sich aus einem einheitlichen Ziel, einer Einheit des Willens und Handelns und einer einheitlichen Disziplin bei gleichzeitiger aktiver und kreativer Tätigkeit des Individuums zusammen.
Nur in solch einem Kollektiv kann die kommunistische Moral ihre Kraft im revolutionären Kampf entfalten.
Einen besonderen Ausdruck der kommunistischen Moral können und müssen wir im alltäglichen persönlichen Verhalten der Kommunist:innen sehen. Der Spruch „Wo ein Kommunist ist, da ist die Kommunistische Partei!“ kann nur dann zur Realität werden, kann nur dann zu unserer praktischen Leitlinie werden, wenn wir ihn in unserem alltäglichen revolutionären Leben umsetzen. Dazu gehört insbesondere das Verhalten in allen Situationen, in denen wir nicht in unserem organisatorischen Kollektiv unterwegs sind, wenn wir uns im Betrieb, der Uni, der Schule, bei Freund:innen und Verwandten befinden. Insbesondere hier zeigt sich an unserem Verhalten, ob wir die kommunistische Moral und die revolutionäre Lebensweise wirklich verinnerlicht haben und sie Teil unseres Bewusstseins sind oder ob es sich eher um auswendig gelernte Floskeln handelt, die eben nicht die Richtschnur für unser Denken, Fühlen und Handeln bilden. Hier zeigt sich eine in der Praxis oftmals eben doch vorherrschende schädliche Trennung zwischen Privatem und Politischem, die auf Dauer zu einer massiven Belastung und Zerrissenheit für das Individuum werden müssen.13
Eine bedeutende Rolle für die Schaffung und Festigung der kommunistischen Moral spielt im revolutionären Kampf die Entwicklung einer kommunistischen Organisationskultur, welche alle Kollektive der Organisation umfasst. Die Organisationskultur ist dabei die Konkretisierung der allgemeinen kommunistischen Moral auf die Kollektive der Kommunistischen Partei oder Aufbauorganisation in ihrem jeweiligen Stadium. Zusammen mit den im Statut festgelegten Rechten und Pflichten bildet sie das Grundgerüst, in dem die einzelnen Individuen sich zu kommunistischen Kader:innen und Berufsrevolutionäre:innen entwickeln können und müssen.
Die Entwicklung einer kollektiven Organisationskultur kann nicht am Reisbrett oder in einem dunklen Kämmerchen erdacht oder erarbeitet werden, sondern sie muss sich lebendig in der alltäglichen politischen Arbeit und den Klassenkämpfen herausbilden. Wenn die Organisation eine einheitliche politische und ideologische Linie und ein funktionierendes organisatorisches Netzwerk hat, dann werden so aus individuellen, örtlichen und regionalen Erfahrungen, kollektive Erfahrungen mit denen sich eine gemeinsame Kultur, eine gemeinsame Sprache als Organisation entwickeln. Diese Entwicklung wird auf Dauer notwendig sein, nicht nur um die einheitliche und zentral gelenkte Entwicklung der Organisation zu sichern, sondern auch um mit Hilfe der Entwicklung der konkreten Ausformung der kommunistischen Moral entsprechend notwendige Schritte in der Kader:innenentwicklung und der revolutionären Persönlichkeitsentwicklung zu gehen.
Revolutionärer Optimismus in der alltäglichen Arbeit
Die kommunistische Moral und der aus ihr erwachsende revolutionäre Optimismus haben aber nicht nur grundsätzliche Bedeutung, sondern sind ein notwendiger und wichtiger Bestandteil in der alltäglichen politischen Praxis und der direkten Massenarbeit.
Es braucht wohl keine weit schweifenden Erläuterungen, dass unsere politische Arbeit nicht auf fruchtbaren Boden in möglichst breiten Teilen der Arbeiter:innen-klasse fallen wird, wenn man uns selber bereits anmerkt, dass wir nicht vom Erfolg oder der Legitimität unseres Kampfes überzeugt sind. Dabei ist es zunächst egal, um was für eine Art der politischen Arbeit es geht. Wenn wir niedergeschlagen, lustlos oder halbherzig an unsere Arbeit herangehen, dann überträgt sich diese Stimmung in der Arbeit automatisch auch auf unsere Genoss:innen im Kollektiv, auf unsere Kolleg:innen im Betrieb oder beim Stammtisch, auf die Arbeiter:innen oder Schüler:innen, die wir eigentlich mit unseren Flyern oder Aktionen für den Kampf gegen dieses System begeistern und organisieren wollen. Solche oder ähnliche Beispiele kennen wir wohl alle mehr als genug. Sollte solch eine Herangehensweise vorliegen, dann muss unsere Arbeit scheitern oder wird zumindest auf längere Zeit zählebig und ohne große Erfolge verlaufen. Dies gilt genauso, wenn wir nicht an die Veränderbarkeit und Entwicklung von uns selbst, unseren Genoss:innen und die Stimmung oder das Bewusstsein der Massen glauben. Doch wie können wir nun solche Situationen verhindern oder sie mithilfe des revolutionären Optimismus überwinden und damit die Grundlage für neue und größere Erfolge in der politischen Arbeit legen?
Schischkin beschreibt das unzweifelhafte Bewusstsein, dass die Arbeiter:innenklasse historisch siegen wird, als notwendige Grundbedingung für den Sieg des Sozialismus: „Die Kommunistische Partei war stets bestrebt, in der Arbeiterklasse und in den Massen der Werktätigen den Glauben an den Sieg zu festigen, wie schwer die Kampfbedingungen auch sein mochten und welche Schwierigkeiten sich auf dem Wege auch auftürmen mochten. In diesem Siegesbewusstsein sah die Kommunistische Partei stets eine sehr wichtige Vorbedingung für den Sieg. Sie hätte die Massen nicht für den Aufbau des Sozialismus organisieren können, wenn sie selber am Sieg gezweifelt hätte.“ 14
Legen wir diese Ausführungen von Schischkin zugrunde, dann sehen wir, dass fehlender revolutionärer Optimismus, der auf unserer wissenschaftlichen Analyse der Gesellschaft beruht, in der politischen Arbeit, im Kampf um die Mobilisierung und Organisierung der Massen der Arbeiter:innenklasse zu einem massivem Hemmschuh werden kann.
Dabei geht es natürlich nicht darum, durch einen „künstlichen Optimismus“ Schwierigkeiten, Probleme, Fehler und Unzulänglichkeiten zu verdecken oder zu überspielen. Es muss uns viel mehr darum gehen, aus der Legitimität und der Notwendigkeit unseres Kampfes die notwendige Kraft zu schöpfen, mit der wir die Bedingungen schaffen können, alle vor uns stehenden Aufgaben zu meistern, alle Stärken und Schwächen aufzudecken, aufkommende Probleme zu bennen und stets Möglichkeiten aufzudecken, diese Probleme zu lösen. Dadurch verhindern wir in einen scheinbar unausweichlichen Pragmatismus zu verfallen, der uns in eine passive und schematische Reaktion auf Ereignisse treiben lässt. Der revolutionäre Optimismus in der alltäglichen politischen Arbeit ist dabei nichts, was uns einfach zufällt und dann dauerhaft anhält, sondern eine Stimmung und eine grundsätzliche Herangehensweise an die revolutionäre Arbeit, die wir konkret immer wieder neu schaffen und organisieren müssen.
Unser revolutionärer Optimismus stammt dabei grundlegend aus der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Kampf um Selbstveränderung und um die Veränderung anderer möglich ist, wenn wir ihn als einen systematischen und bewussten Prozess angehen. Dabei müssen wir stets darauf achten, dass wir Menschen nicht auf bestimmte Einzelaspekte reduzieren oder aufgrund verschiedener Erscheinungen abstempeln, sondern ihre konkreten Potentiale und Schwächen herausstellen und anhand individueller Entwicklungspläne mit ihnen arbeiten. Dabei spielt insbesondere die Frage, wie wir an die revolutionäre Arbeit herangehen, eine große Rolle, die wir in der alltäglichen Arbeit konkret beachten und beeinflussen müssen.
Die Frage der Herangehensweise fängt bei kleinsten Aufgaben und Tätigkeiten der revolutionären Arbeit an. So etwa bei dem Verteilen von Flugblättern, dem Aufhängen von Plakaten, dem Verkauf einer Zeitung oder auch dem Tragen eines Transparentes. Wie treten wir nun als revolutionäres Individuum dieser Aufgabe entgegen? Sehen wir sie als lästige Aufgabe, die wir verabscheuen, etwas was ja nun leider auch noch gemacht werden muss? Versuchen wir sie möglichst jemand anderem aufs Auge zu drücken? Schieben wir sie lieber so lange vor uns her, bis jemand kommt und sie für uns erledigt?
Sicher würden die meisten Genoss:innen diese Fragen in einer theoretischen Diskussion entschieden mit Nein beantworten und genau dieselben Genoss:innen werden sich gleichzeitig ganz genau an zahlreiche Situationen erinnern, in denen sie so oder so ähnlich gedacht oder gehandelt haben. Wenn wir unsere alltägliche politische Arbeit aber nicht als ein Hobby neben anderen oder als eine Art „ehrenamtliche Arbeit“ verstehen, sondern sie machen, weil wir ihre Notwendigkeit in unserem Bewusstsein verinnerlicht haben und sie wirklich für legitim und erforderlich halten, dann müssen wir sie auch mit einer anderen Herangehensweise durchführen. Dann dürfen wir nicht immer wieder die Menge der Arbeit, die vor uns liegt und die doch scheinbar nicht zu schaffen ist, in den Mittelpunkt unseres Denkens, Fühlens und Handelns stellen, sondern müssen mit unserem Bewusstsein und unserer kommunistischen Moral an die Arbeit herangehen.
Für uns als Kommunist:innen, die es ernst meinen mit der Revolution und der kommunistischen Arbeit, muss es darum gehen, keine Arbeit, keine Herausforderung und kein Hindernis zu scheuen, sondern sie in Angriff zu nehmen und immer wieder Wege zu finden, uns selber und die Arbeit unseres Kollektivs zu steigern und zu übertreffen. Dann geht es nicht mehr darum zu versuchen, das eigene Arbeitspensum abzuarbeiten oder die selber für die politische Arbeit eingeräumte Zeit zu füllen, sondern darum, die vor uns stehenden Aufgaben anzugehen und gemeinsam im Kollektiv zu erfüllen.
Zur Frage des revolutionären Optimismus in der alltäglichen Arbeit gehört auch die Frage, woran wir Erfolge messen. Immer wieder sind Genoss:innen demotiviert, wenn sich die von ihnen erhofften Erfolge nicht oder nicht schnell genug einstellen. Sicher kennen wir solche Situationen auch von uns selber: Wir sind demotiviert, weil wenig Menschen zu unserem Infostand kommen, weil trotz hunderten Flyern wenige neue Menschen an unseren Veranstaltungen oder Kundgebungen teilnehmen oder Genoss:innen sich aus der revolutionären Arbeit in ihr bürgerliches Leben zurückziehen.
Sicher stellen sich auf der einen Seite hier Fragen wie: Welche Fehler haben wir gemacht? Wie können wir unsere politische Arbeit verbessern? Wie erreichen wir die Menschen besser und können sie für die politische Arbeit gewinnen? Wie können wir das Zurückfallen von Genoss:innen verhindern? Auf der anderen Seite müssen wir hier aber auch hinterfragen, woran wir Erfolge in der politischen Arbeit messen. Hier müssen wir gerade in der frühen Phase des Parteiaufbaus, in der wir uns gerade befinden, darauf achten, dass wir ein richtiges Maß für die Bewertung unserer Arbeit anlegen. Dabei müssen wir vor allem darauf achten, dass wir unsere Arbeit nicht allein oder überwiegend an quantitativen Erfolgen festmachen und unsere Stimmung und Moral durch ihr mögliches Ausbleiben erschüttern lassen. Gerade in den Jahren des Parteiaufbaus wird die Qualität unserer Arbeit und die qualitative Entwicklung ein besonderes Gewicht bei der Bewertung unserer Arbeit haben müssen. Zudem müssen wir Erfolge und Misserfolge immer in einem längeren Zeitraum und in der Wechselwirkung zu verschiedenen Faktoren, die auf uns und unsere Arbeit einwirken, sehen und kommen erst damit zu einer objektiven Einschätzung.
Und selbst bei Rückschlägen, Verlusten und Niederlagen in der revolutionären Arbeit gilt es für uns den revolutionären Optimismus nicht zu verlieren. Niemand wird wohl behaupten, dass der Kampf gegen den Kapitalismus und für die Befreiung der Arbeiter:innenklasse ein leichter sein wird oder ohne Probleme und existenzielle Rückschläge verläuft. Ganz im Gegenteil wissen wir, dass wir in einem revolutionären Klassenkrieg kämpfen, in dem es letztendlich um die Herrschaft unserer Klasse oder die der Bourgeoisie geht.
„Nicht derjenige ist Bolschewik, der sich der Partei im Augenblick der revolutionären Hochflut anschließt. Bolschewik ist der, der es versteht, Jahre hindurch, wenn nötig, selbst Jahrzehnte hindurch, die bolschewistische Partei auch in Zeiten des Fallens der revolutionären Welle, in Jahren langsamer Entwicklung der Revolution aufzubauen.“ 15 Dieses Zitat aus den „Thesen über die Bolschewisierung der Kommunistischen Parteien“ der Kommunistischen Internationale beschreibt die richtige und notwendige Herangehensweise an die revolutionäre Arbeit, die wir uns auch heute aneignen müssen.
Ernsthaftigkeit und Vertrauen
Die richtige Einschätzung von Erfolgen und Misserfolgen, von Qualität und Quantität, von den eigenen Stärken und Schwächen, sowie die Arbeit an der Revolutionierung der eigenen Persönlichkeit in Wechselwirkung mit dem genossenschaftlichen Kollektiv sind die Grundlagen für eine ernsthafte Entwicklung zu einer revolutionären Persönlichkeit.
Nur wenn wir uns selber, unsere Fähigkeiten und unseren legitimen Kampf ernst nehmen, kann der revolutionäre Optimismus seine volle Wirkung auf unsere Arbeit entfalten und zu einer nicht zu unterschätzenden Quelle an Kraft und Motivation werden. Denn siegen kann nur, wer überhaupt von der Möglichkeit des Sieges überzeugt ist.
Doch wir müssen nicht nur uns selber ernst nehmen, sondern auch unsere Genoss:innen und unsere Organisation. Denn der revolutionäre Optimismus wird von der richtigen Funktion der Organisation und funktionierenden, gesunden Beziehungen zwischen den Genoss:innen, sowie der dynamischen politischen Praxis mit den Massen genährt und am Leben gehalten. Fällt einer dieser Aspekte weg, so werden auch die anderen mit der Zeit in Mitleidenschaft gezogen.
Entwickelt oder besteht zum Beispiel Konkurrenz zwischen Genoss:innen, Organen oder Organisationen, so wird sich diese früher oder später massiv negativ auf die Entwicklung auswirken. Dasselbe gilt für die Herangehensweise, dauerhaft Fehler oder vermeintliche andere bzw. falsche politische Linien oder Positionen bei anderen zu suchen, sich mit anderen Genoss:innen und ihrer Arbeit zu vergleichen, sowie dem Verstecken der eigenen Fehler, dem Ausweichen vor der Übernahme von Verantwortung für die eigenen Haltungen und Handlungen und dem Vermeiden einer ernsthaften Selbstkritik.
Überall dort wo Misstrauen, Konkurrenz oder Karrierismus entstehen, wird die kommunistische Moral und der revolutionäre Optimismus früher oder später untergraben. Dies gilt ebenso wenn Genoss:innen dauerhaft in Widerspruch zur politischen, ideologischen oder organisatorischen Entwicklung der eigenen Organisation geraten und ihr Vertrauen in sie, in sich selbst und die eigenen Genoss:innen verlieren. Dann verlieren sie meist auch ihren revolutionären Optimismus in der täglichen Arbeit.
Gleichzeitig müssen wir betonen und hervorheben, dass sich der wirkliche Glaube an die Revolution, das wirkliche Bewusstsein über die Notwendigkeit des kompromisslosen Klassenkampfes nur im praktischen Verhalten jeder Genossin und jedes Genossen zeigt. Quelle der revolutionären Moral kann auf Dauer nicht einfach revolutionäres Gerede oder das Appellieren an das Gewissen und die Disziplin sein, sondern muss eine vorgelebte revolutionäre Praxis sein. Nur aus dieser Praxis, die andere Genoss:innen wahrnehmen und von der sie lernen können, können wir das für den revolutionären Kampf notwendige Vertrauen in die eigenen Genoss:innen, die eigene Organisation und in die Revolution schaffen.
Das begrenzte Revolutionärsein überwinden
Weiter oben sind wir bereits darauf eingegangen, dass es immer wieder zu einem Widerspruch zwischen dem objektiv notwendigen Einsatz aller Fähigkeiten, Möglichkeiten und Ressourcen sowie der Überwindung eigener Schwächen für den revolutionären Kampf und dem eigenen subjektiven Einsatz gibt. Dieser Widerspruch entspringt gerade im imperialistischen Zentrum aus der objektiven Möglichkeit einer gewissen Bequemlichkeit oder Begrenztheit in der politischen Arbeit und dem zugrundeliegenden begrenzten Bewusstsein. Diesen Widerspruch, den wir mit dem Begriff des „begrenzten Revolutionärsein“ zusammenfassen können, gilt es in der eigenen Praxis aufzudecken und aufzulösen.
Erst wenn die Einsicht in die Notwendigkeit des revolutionären Kampfes und der dauerhaften revolutionären Persönlichkeitsentwicklung keine leere Phrase oder auswendig gelernter Satz mehr ist, sondern wirklich zur Richtschnur des eigenen Denkens, Fühlens und Handelns geworden ist, können sich Ansätze einer wirklich allseitigen kommunistischen Moral entwickeln. Das tatsächliche Übereinstimmen von revolutionärem Denken, Fühlen und Handeln, ist die Voraussetzung für den revolutionären Optimismus, für den wissenschaftlichen Glauben an die Revolution.
Dazu gehört auch eine schonungslose Ehrlichkeit gegenüber sich selber und der produktive Umgang mit den eigenen Widersprüchen, wozu auch die Offenheit im Kollektiv und die Offenlegung der eigenen Widersprüche gehören. Wir müssen diese Widersprüche in uns aufdecken und zu positiven Veränderungen führen, anstatt daran zu Grunde zu gehen oder uns immer mehr nur um uns selber zu drehen. Ein offener Umgang mit den eigenen Problemen und Zweifeln ist eine zwingende Voraussetzung dafür. Für uns gilt es zu verstehen, dass der Klassenkampf auch dauerhaft in uns, unserer Persönlichkeit und unserem Bewusstsein stattfindet.
Doch die Entwicklung von uns und unseren Genoss:innen wird nicht individuell möglich sein, sondern muss stets im Kollektiv organisiert, angeleitet und kontrolliert werden. Nur so können alle Genoss:innen mit ihren besonderen individuellen Persönlichkeits- und Charakterzügen eine geplante Entwicklung angehen, in der wir und sie ihre Talente und Fähigkeiten voll entfalten können.
Auch wir müssen noch mehr verinnerlichen und zum Leitfaden unserer Praxis machen, das man lernen muss „die Menschen zu schätzen, die Kader zu schätzen, jede Arbeitskraft zu schätzen, die fähig ist, unserer gemeinsamen Sache Nutzen zu bringen. Man muss endlich begreifen, dass von allen wertvollen Kapitalien, die es in der Welt gibt, das wertvollste und entschiedenste Kapital die Menschen, die Kader sind.“ 16 Das heißt jedoch nicht unsere Genoss:innen in Watte einzupacken oder ihnen nach dem Mund zu reden, sondern ihnen alle notwendigen Hilfestellungen zu geben, damit sie sich zu revolutionären Kader:innen entwickeln können.
Für das Feld der kommunistischen Moral heißt das vor allem, dass wir lernen und verinnerlichen müssen, wie wir uns gegen Denkweisen und Stimmungen stemmen können, die Hoffnungslosigkeit, Unentschlossenheit und Misstrauen in der Organisation und den eigenen Genoss:innen verbreiten. Dasselbe gilt für mangelndes Selbstvertrauen und das Zweifeln an der eigenen Person und dem eigenen Lebensweg, denn aus diesem fehlenden Selbstvertrauen wird schnell grundsätzliches Misstrauen gegenüber dem revolutionären Kampf.
Die Quelle dafür, dem eigenen revolutionären Lebensweg den notwendigen Wert beizumessen, den er in der kapitalistischen Gesellschaft niemals bekommen wird, kann nur die kommunistische Moral, der Glaube an die Revolution und den Sieg des revolutionären Kampfes und seine Legitimität sein.
Wir müssen es real schaffen, die Sache der Arbeiter:innenklasse zu unserer eigenen zu machen, damit wir den langen und steinigen Weg von hieraus bis zur Revolution gemeinsam mit unseren Genoss:innen voll revolutionärem Optimismus erfolgreich gehen können!
1https://www.duden.de/rechtschreibung/optimismus
2Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, MEW Bd. 19, S. 226
3Der Begriff beschreibt die Überzeugung, dass es keine Aussicht auf einen Sieg oder Erfolg besteht. Wir können ihn auch mit grundsätzlicher Mutlosigkeit oder Schwarzmalerei übersetzen.
4Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, MEW Bd. 8, S. 115
5A. S. Makarenko, Werke Bd. 5, S. 422
6Die Aufgaben der Jugendverbände, Lenin Werke Bd. 31, S. 272 ff.
7Vgl. https://komaufbau.org/revolutionares-denken-fuhlen-handeln
8Vgl. https://komaufbau.org/individuum-und-kollektiv
9V. N. Kolbanowski in: Über kommunistische Moral, Gesammelte Aufsätze, Verlag Neues Leben, 1952, S. 133
10A. Schischkin, Die Grundlagen der kommunistischen Moral, Dietz Verlag 1958, S. 168
11Ebd., S. 159
12 Vgl. https://komaufbau.org/revolutionares-denken-fuhlen-handeln
13Vgl. Marxistische Psychologie, Kommunismus Nr. 22, https://komaufbau.org/marxismus-und-psychologie/
14A. Schischkin, Die Grundlagen der kommunistischen Moral, Dietz Verlag, 1958, S. 90
15Thesen über die Bolschewisierung der Kommunistischen Parteien, 5. Tagung des erweiterten EKKI 21.03.-06.04. 1925
16Stalin, Rede vor den Absolventen der Akademien der Roten Armee, 4. Mai 1935, in: Fragen des Leninismus, S. 595