Schmeißt sie weg, die alten traditionellen Rollenbilder
Kämpfende Frauen sind seit Jahrhunderten weltweit Teil in Revolutionen, in Streikkämpfen, in antifaschistischen Kämpfen, in Frauenrechtskämpfen und vielen mehr. Frauen stehen oft ganz vorne im Kampf. Sie übernehmen die Führung. Frauen sind im Kampf sehr konsequent und mutig. Sie gehen motiviert in den Kampf, weil sie siegen wollen. Kämpfe entstehen vor allem dann, wenn soziale Ungerechtigkeiten und Unterdrückung besonders stark werden, wenn Frau es nicht mehr aushalten kann.
Frauen wurden und werden noch immer dazu erzogen, dass sie erdulden, sich anpassen, unterordnen und sich in der Rolle der dienenden Kümmerin oder Pflegenden einrichten. Aber längst haben Frauenkämpferinnen bewiesen, dass das nicht alles in ihrem Leben ist. Frauen wollen mehr und das müssen sie sich holen. Es gibt Frauenkämpfe, die einige nützliche Dinge erreicht haben wie z.B. demokratische Rechte wie das in der gescheiterten Revolution 1918 erkämpfte Frauenwahlrecht, Selbstbestimmung über Berufstätigkeit undErfolge durch Arbeitskämpfe wie die formelle Verankerung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in Tarifverträgen.
Für KommunistInnen sind die Kämpfe besonders wichtig, die mehr erreichen wollen als Verbesserungen im täglichen Leben und in der Arbeit. Lebens- und Arbeitsverbesserungen können vieles einfacher machen, aber weil Verbesserungen nicht die grundlegenden Probleme von Unterdrückung und Ausbeutung für die Frauen und die gesamte ArbeiterInnenklasse lösen, entstehen ständig neue Probleme oder tauchen alte wieder auf. Frauen müssen sich entscheiden: Wollen sie ein bisschen von allem oder wollen sie Alles?
Heute sehen wir, dass in Deutschland eher wenige Frauen kämpfen, egal ob gegen ihre soziale oder berufliche Unterdrückung und Ausbeutung. Unzufriedenheit und Proteste sind eine Menge da, es fehlt aber an Entschlossenheit sich politisch zu organisieren und aus dem Protest einen kämpferischen Widerstand zu entwickeln. Es fehlt die konsequente Entscheidung dafür, sich nicht nur mit einem ein bisschen besseren Leben zufrieden zu geben, sich dort einzurichten, zu resignieren und Frust zu schieben, sondern für ein ganz anderes, besseres Leben, organisiert für die Befreiung der Frau zu kämpfen.
Revolutionärer Klassenkampf macht den Bonzen Dampf
Es ist unübersehbar, dass sich unsere Gesellschaft in zwei große Klassen teilt. Das merken wir alle täglich. Es gibt die wenigen wirklich reichen Menschen, die durch ihren Reichtum die Macht über die Politik im Staat und unser Leben ausüben, indem sie z.B. Gesetze erlassen wie Hartz IV, zur vollständigen Überwachung der Menschen, zur Einschränkungen unserer Gesundheitsversorgung, Preiserhöhungen ohne Lohnerhöhungen oder Mietwucher und vieles mehr. Diese Macht wird richtigerweise als die Macht des Kapitals oder der Bourgeoisie bezeichnet. Also wenige Kapitalisten zwingen die Masse der Menschen so zu leben und zu arbeiten, wie sie es bestimmen, wie es ihnen ermöglicht, immer reicher zu werden.
Es gibt viele verschiedene Typen von Kapitalisten. Die Spannbreite geht vom Kleinbetrieb und Mittelstand, das sind kleinere Betriebe in denen auch ArbeiterInnen arbeiten und ausgebeutet werden, bis hin zu Monopolen, also mächtigen Industriezusammenschlüsse wie z.B. in der Autoindustrie, die den Markt und deswegen auch den Staat beherrschen.
Durch ihre Gesetze nehmen sie den Menschen das weg, was ihnen das Leben angenehmer macht und zwingen sie, sich täglich Sorgen zu machen, woher sie z.B. Geld nehmen sollen um ihren Kindern Schulmaterial oder Kleidung zu kaufen. Oft genug reicht es noch nicht mal für vernünftiges Essen und schnell rutschen Menschen mit wenig Geld in die Schuldenfalle. Das Kapital ist es, das weltweit Massen von Menschen in Armut, Unglück, schlechtes Leben, Flucht, Tod, Hunger und Verzweiflung zwingt.
Damit haben wir schon die andere Klasse angesprochen. Das ist die Masse der Menschen, die davon abhängig ist, ob und zu welchen Bedingungen die Kapitalisten ihnen Arbeit und Leben gewähren. Diese Masse ist die ArbeiterInnenklasse. ArbeiterInnen haben kein Kapital was sie ständig vermehren können. ArbeiterInnen haben nur ihre Arbeitskraft mit der sie dem Kapital ermöglichen Profit zu machen. Profit, weil die ArbeiterInnen vom Kapitalisten als Lohn nicht den Wert erhalten, den sie bei der Arbeit geschaffen haben, sondern nur soviel, wie sie brauchen um ihre Arbeitskraft zu wieder herzustellen z.B. für Nahrung, Wohnung, Kleidung.
Natürlich sehen wir täglich und überall, dass es große Unterschiede im Leben der Menschen gibt, z.B. gibt es auch die, die nicht das ganz große Kapital besitzen, aber doch genügend Reichtum um ein Leben zu führen, das weit über das Leben der ArbeiterInnen hinaus geht. Dazu gehören auch die, die vieles in der Gesellschaft lenken wie z.B. Beamte, die führend in staatlichen Ämter arbeiten wie in Gerichten, bei der Polizei, in der Wissenschaft und Bildung oder PolitikerInnen in den Regierungsparteien. Wir sprechen dann von den kleinbürgerlichen Zwischenschichten. Weil sie mit ihrer Arbeit das Kapital stützen, gehören sie nicht zu den ArbeiterInnen, sondern stehen zwischen den gesellschaftlichen Hauptklassen, aber auf Seiten des Kapitals. Andererseits gibt es auch Kleinbürger, die zwar nicht direkt für das Kapital arbeiten müssen, aber doch von der Bourgeoisie in Form der Banken abhängig sind, wie zum Beispiel viele kleine selbstständige Handwerker, Kiosk- oder Imbissbesitzer.
Kommunistinnen sprengen ihre Ketten
Kommunistin zu sein heißt, zu erkennen, dass sich die Klasse der KapitalistInnen und die Klasse der ArbeiterInnen unvereinbar gegenüber stehen, dass die einen die anderen ausbeuten und dass die Ausbeutung nur mit dem Mittel des Zwanges beendet werden kann. Kommunistin zu sein heißt, bereit zu sein, den Klassenkrieg zu führen. Klassenkrieg heißt, die Revolution zu organisieren. Eine Revolution, die die Klassenverhältnisse verändert, indem die Unterdrückten und Ausgebeuteten die politische Macht erkämpfen und verteidigen. Kommunistin zu sein heißt, sich in einer Partei zu organisieren, die diesen Klassenkrieg organisieren und führen kann. Kommunistin zu sein heißt, für die Menschheit zu kämpfen, dafür zu kämpfen, dass es keine Kriege mehr gibt die Elend und Tod bringen.
KommunistInnen wollen zusammen mit allen Frauen, die sich nicht der Unterdrückung und Ausbeutung beugen, aus dieser Lage ausbrechen. Sie wollen mit ihnen gemeinsam diesen Weg planen und organisieren und wollen zusammen verstehen, warum dieser Weg nur der Weg des revolutionären Klassenkampfes sein kann.
KommunistInnen haben Vorbilder und können auf Erfahrungen in der kommunistischen Bewegung zurückgreifen. In Deutschland ist Clara Zetkin eine führende kommunistische Kämpferin in der Frauenbewegung im 19. und 20. Jahrhundert gewesen. In ihren Texten können wir gleiche und ähnliche Probleme finden wie die, mit denen wir es heute zu tun haben. Mit diesen Problemen mussten sich die Frauen schon vor uns herumschlagen. Wir werden hier eine kurze Stelle aus ihrer Rede „Für die volle soziale Befreiung der Frau“ vom 23.Mai 1924 zitieren, weil darin sehr einfach und schön ein Grundproblem von damals und heute beschrieben wird, was Frauen darin hindert, aktiv als Kommunistin zu arbeiten.
Karl Marx erklärte im „Achtzehnten Brumaire“: „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden“.1
Bezogen auf dieses Zitat erklärt Clara Zetkin:
„Im höchsten Grade trifft das zu auf das Fühlen, Denken und Wollen bei allem, was sich auf die Stellung und Betätigung der Frauen in der Gesellschaft bezieht. Mächtiger als in irgendeiner anderen Beziehung leben darin die Traditionen von Jahrhunderten, Jahrtausenden weiter. Immer wieder bricht es in Auffassung, Gewohnheiten, Lebensgestaltung durch, dass die Frau durch die Bindungen der Mutterschaft zum ersten und ältesten Eigentum des Mannes wurde. So müssen wir nicht nur die sozialen Verhältnisse umwälzen, auf denen die Versklavung der Frau beruht, sondern müssen auch das Hirn der Menschen – der Männer wie der Frauen – von dem Alp der Traditionen befreien.
In bürgerlichen Staaten, wo die Macht des toten Eigentums über die lebendigen Menschen noch nicht gebrochen ist, geht der bittere Kampf der Geschlechter unter frauenrechtlerischer Führung um die Probleme der Frauenfrage. Auf dem Boden der Sowjetrepubliken, wo die proletarische Revolution die Macht der Besitzenden und Ausbeutenden im Staat bereits gebrochen hat, ringen Frauen und Männer gemeinsam unter Führung der Kommunistischen Partei darum, mit Ausnutzung der Macht im Staate neue soziale Verhältnisse zu schaffen, die niemanden versklaven und neue Menschen erziehen, die aus dem Banne der Traditionen befreit sind. Solche Verhältnisse und solche Menschen verbürgen volle Freiheit, volles Recht für die Frau.“ 2
Aus diesen Gründen wurden in der deutschen kommunistischen Bewegung in den 70er Jahren Versuche gestartet, um Frauen aus den Bindungen von Familie und Kindern ein Stück weit raus zu holen, damit sie aktiver Teil in der kommunistischen Arbeit sein können. Das hat nicht so reibungslos geklappt, aber es gibt praktische Erfahrungen, die zumindest einen Beginn aufzeigen, was es für Möglichkeiten geben kann, solange wir noch den Bedingungen des Kapitalismus unterworfen sind. In diesem Artikel wollen wir einige Erfahrungen aufzeigen und dazu auffordern, weiter zu gehen, in dem Sinne, dass es Frauen uneingeschränkt ermöglicht wird, heute aktiv als Kommunistin zu arbeiten.
Dazu müssen wir kurz zurück gehen in die 60er Jahre, die eine Zeit des politischen Aufbruchs der Jugend waren, in der sich eine breite Kampfbewegung entwickelte und der Kommunismus eine große Rolle einnahm.
Radikale Bewegungen zerbrechen die Ruhe im Land
Politisch war die Gesellschaft in Deutschland auch dem nach Ende des 2. Weltkrieges von einem starken faschistischen Einfluss geprägt. Die Verbrechen aus dem Nationalsozialismus wurden in der Gesellschaft nicht grundlegend aufgearbeitet, vieles wurde vertuscht, verharmlost oder verschwiegen. Faschistische Verbrecher saßen wieder in führenden Positionen von Politik, Regierung, Gerichten, Polizei, Ämtern usw. Sie waren es, die die Politik in Westdeutschland mitbestimmten.
Der militärisch geführte Krieg war zu Ende, aber der Kampf um die Neuaufteilung der Welt ging weiter. Insbesondere war die sozialistische Sowjetunion, die entscheidend zur Zerschlagung des deutschen Faschismus beigetragen hat, der alte und neue Feind. Das „Kommunistische Gespenst“ war nicht unter Kontrolle gebracht, sondern stellte Ansprüche. Diese Zeit war der Beginn des „Kalten Krieges“, das heißt es lag in den 50er und 60er Jahren Kriegsgeflüster in der Luft.
Zum Anderen war die Zeit eine Zeit, in der eine sehr autoritäre Erziehung das Leben der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bestimmte. Gewalt, Misshandlungen und sexueller Missbrauch fanden überall statt; in der Familie, in allen Erziehungseinrichtungen, in so manchen Ausbildungsbetrieben, in den Kirchen. Die 60er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, Jugendliche und Studenten hatten die Nase voll von Verlogenheit und Gewalt, die sich gegen sie und gegen die Menschheit richtete. Die Wut der Jugend gegen die bestialischen Kriege und Ungerechtigkeiten – nicht nur in Deutschland sondern weltweit – durchbrach die verlogene Ruhe und autoritäre Ordnung. Die Jugend protestierte und bekam heftige Staatsgewalt zu spüren. Sie ließen sich jedoch nicht unterkriegen und leisteten Widerstand, sie organisierten sich zum Kampf in Parteien. Im Anbetracht des Siegs der Revolution in der Sowjetunion 1917, den revolutionären Kämpfen in China und Albanien, den starken Ausstrahlungen der anti-kolonialen Befreiungskämpfen und dem sich entwickelnden Befreiungskrieg des vietnamesischen Volkes war alles besser zu ertragen als Unterdrückung, Ausbeutung und bestialische Kriege.
Innerhalb der Kämpfe der Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland wurde vor allem jungen Frauen bewusst, wie hinderlich sich die traditionelle Rollenverteilung von Frau und Mann auswirkt. Ihre Männer hatten alle Möglichkeiten zu kämpfen und wurden in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen. Diese kämpfenden Männer waren zum großen Teil nicht diejenigen, die die Frauen darin unterstützten, dass sie mit auf der Straße kämpfen oder aktiv politisch tätig werden konnten. Diese Lage musste geändert werden, wenn Frauen zu Hause nicht mehr am Herd stehen oder allein die Kinder versorgen wollen, dann müssen sie sich zusammenschließen. Das wurde nicht nur gedacht, sondern getan und so entstand eine neue feministische Bewegung, die für die Emanzipation der Frau kämpfte.
Viele der kämpfenden Menschen aus dieser Bewegungszeit organisierten sich zum Ende der 60er Jahre in kommunistischen Parteien. Das hatte den Vorteil, dass der heftigen staatlichen Repression nun Kräfte gegenüber standen, die durch ihre Organisiertheit nicht mehr so leicht unter Kontrolle gebracht werden konnten. Für die politischen Ziele, wie der Kampf für die Revolution und den Kommunismus, konnten nun durch eine breite und beständige Propagierung mehr Klarheit unter die Menschen gebracht werden.
Soviel in aller Kürze zu dem geschichtlichen Hintergrund. Er wird jetzt eine Rolle spielen, wenn wir uns angucken wie es möglich sein kann, dass eine Arbeiterin, die Familie hat und berufstätig ist, auch aktive Kommunistin sein kann. Dazu stellen wir einige Erfahrungen vor, wie es in den 70er Jahren gelungen ist, dass Frauen, die auch Mütter geworden sind, durch eine gemeinsame Organisation der Kinderbetreuung, trotzdem politisch aktiv sein konnten. Wir wollen damit auch eine Debatte anregen, um die gemachten Erfahrungen nicht nur gut zu finden, sondern um praktische Lösungen für heute zu finden.
Zeitlich gesehen gehen wir dazu zurück zum Ende der 60er Jahre. Wie oben beschrieben haben sich gerade kommunistische Parteien gegründet. Auch Trude, mit der wir das Gespräch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen als Kommunistin geführt haben, ist als Auszubildende in die KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschland/Marxisten-Leninisten) gegangen. Dort hatten sich ab 1968/69AltkommunistInnen aus der verbotenen KPD, Studenten und Lehrlinge aus der 68er Bewegung organisiert.
Ausschnitte aus dem Gespräch mit Trude:
Wie alles begann
Sehr früh habe ich mich dafür entschieden, Krankenschwester zu werden. So fing ich mit 16 Jahren mit der Ausbildung an. Schule fand ich schrecklich und zum lernen hatte ich gar keine Lust. Ich wollte arbeiten; das konnte ich, denn zu hause sind wir schon früh in alles eingewiesen worden, was im Haushalt zu tun war. Das ging auch gar nicht anders. Wir waren fünf Kinder und es gab zum Beispiel keine Waschmaschine. Also wurde die Wäsche von sieben Personen samt Bettwäsche in großen Waschbottichen gekocht. Lange Zeit wurden viele Kleidungsstücke selber genäht, denn um Kleidung zu kaufen reichte das Geld nicht. Außerdem musste ständig geputzt werden. Wir hatten einen großen Garten, in dem Gemüse und Obst angepflanzt wurde. Der musste auch gepflegt werden, was noch mehr Arbeit bedeutete. Aber immerhin hatten wir so auch frisches, gutes Essen. Also Arbeit gab es viel und immer mussten wir Kinder mithelfen. Widerspruch wurde nicht geduldet.
Glücklicherweise haben meine älteren Geschwister mir den Weg gebahnt, dass ich früh ausziehen konnte. Mit kaum 17 Jahren konnte ich gegen den Willen meiner Eltern in meine „Freiheit“ entwischen. Über die Schule hatte ich Kontakt zu GenossInnen aus der KPD/ML bekommen. Mit deren Unterstützung fand ich eine Wohnung. Mit meinem Ausbildungsgeld kam ich nicht weit, denn es reichte gerade mal um Miete, Gas, Strom und Fahrgeld zu bezahlen. Gegessen habe ich dann oft in den großen Wohngemeinschaften, den Kommunen oder bei meinen Eltern. Das alles war aber nicht so wichtig für mich, mich hat der Sturm der Revolution mitgerissen. Ich war begeistert von den Massen junger Menschen, die wie ich ständig auf den Straßen waren. Endlich konnten wir unsere Empörung und unsere Wut über die Ungerechtigkeiten, über Gewalt und die barbarischen Kriege raus lassen.
Die meisten GenossInnen waren älter als ich. Es war das erste mal das ich erlebte, dass mit mir richtig geredet wurde und dass sich Menschen dafür interessierten, was ich dachte und zu sagen habe. In der Familie wurde nicht mit uns Kindern geredet, dort wurde gemacht, was die Eltern sagten. Die hatten immer recht und haben wir nicht pariert, dann gab es Dresche. So haben wir es auch gar nicht gelernt miteinander zu reden.
Durch das Reden und die Kämpfe auf der Straße lernte ich viel Neues und Unbekanntes kennen über Kommunismus und Revolution, über Kapitalismus und Ausbeutung. Meine Entscheidung fiel sehr schnell, ich wollte Kommunistin sein und für eine andere Welt kämpfen, darum bin ich in die KPD/ML gegangen.
Kommunistische Arbeit das muss sein
Um das mal vorab zu sagen, ich habe es nie bereut, dass ich lange Zeit in einer kommunistischen Partei gearbeitet habe, sondern ich war froh, dass ich dort vieles gelernt habe, was es mir leichter machte, Zeiten zu überstehen, wo es keine Partei mehr gab, aber ich trotzdem weiter politisch aktiv war. Von dem was wir vertreten und gemacht haben, distanziere ich mich nicht in der Form, wie es die Mehrheit meiner Ex-GenossInnen tun. Sondern mir geht es darum zu analysieren, was wir für Fehler gemacht haben, die dazu geführt haben, dass wir bis heute keine kommunistische Partei haben, wie wir sie für die Revolution in diesem Land nun mal brauchen. Ich finde wir brauchen uns heute auch nicht damit auf zu halten, dass es so manches mal kein genossenschaftliches Verhalten unter den GenossInnen oder zwischen den verschiedenen Parteien gab. Wir würden besser und schneller weiter kommen, wenn wir lernen es heute anders zu machen.
Zurück in die Zeit der 70er Jahre. Mein Leben war die Politik. Alles was ich gemacht habe war im Zusammenhang mit der Parteiarbeit. Was mir schwer viel war das Lesen der Texte von Marx, Engels und Lenin. Die Texte von Stalin und Mao fand ich einfacher, die konnte ich besser verstehen. Für uns Jugendliche war die marxistische Literatur schwer zu verstehen, weil wir es nie gelernt hatten wissenschaftliche Texte zu lesen. Viele, die aus der Lehrlingsbewegung kamen, hatten einen einfachen Schulabschluss. Da lernt man nicht mit Texten zu arbeiten, deswegen war das für uns schwer und es dauerte Jahre bis ich wirklich mit den Texten arbeiten konnte.
Das Einfache war für uns, dass wir ständig auf der Straße waren. Es gab fast täglich Demonstrationen, Kundgebungen oder wir haben Flugblätter verteilt. Um mehr mit den Menschen in Kontakt zu kommen, sind wir viel in die Häuser gegangen. Wir haben geklingelt und mit den BewohnerInnen über unsere Politik geredet. Oder wir haben vor Betrieben Flugblätter an die KollegInnen verteilt. Die 70er Jahre waren eine Zeit, wo sich viele Menschen für den Kommunismus interessiert haben und wo die kommunistischen Parteien lange Zeit einen großen Zulauf oder Unterstützung hatten.
Berufstätig und alleinerziehend zu sein ist immer schwierig
Kurz nach dem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, bekam ich meine erste Tochter. Bald darauf war ich alleinerziehend. Die Trennung von dem Vater meiner Tochter wollte ich. Ich wollte nicht in einer Kleinfamilie eingesperrt sein, sondern selbstbestimmt und unabhängig von Familie und Mann leben. Das war allerdings nicht so einfach. Mit zwanzig Jahren war ich damals noch nicht volljährig. Darum stand öfters das Jugendamt vor der Tür, um zu kontrollieren ob meine Tochter in „guten“ Verhältnissen lebt. Zudem gab es zu der Zeit nur sehr wenige GenossInnen die schon Kinder hatten. In meinem Umfeld gab es in den ersten Jahren nur noch eine Familie mit Kindern. Wir waren meistens auf uns selbst gestellt, alles hin zu bekommen. Mein Beruf war mit Schicht- und Wochenenddienst. Aber es gab keine Kindergärten, die entsprechend Kinder betreut haben. Ja und dann wollte ich auch noch Politik machen.
Zuerst überbrückte ich die Zeit, indem ich als ungelernte Kraft in die Fabrik gegangen bin. Dort waren die Arbeitszeiten so, dass ich meine Tochter morgens um 6.00 Uhr in die Kita bringen und nachmittags um 17.00 Uhr wieder abholen konnte. Ich arbeitete in einer Halle, wo nur Frauen waren. Die Akkordarbeit war ausgesprochen stumpfsinnig, darum dachte ich mir mit einigen jungen Kolleginnen öfters irgendeinen Blödsinn zur Ablenkung aus. Das fiel den Vorarbeiterinnen natürlich auf. Sobald es zum Auftragsmangel kam stand vor allem ich auf der Abschussliste. Dagegen protestierten wir. Aber wir hatten keine Ideen, wie diese Arbeit wirklich erträglicher gemacht werden konnte und gewannen deswegen keine Kolleginnen für Proteste. Die Partei hatte damals in anderen Betrieben Kämpfe geführt und so machten wir dort, wo ich arbeitete, keine betriebliche Arbeit. Ich selbst hatte kaum eine Ahnung was es eigentlich heißen soll im Betrieb kommunistische Arbeit zu machen und ganz ehrlich, ich habe mich auch nicht darum bemüht.
Nachdem ich entlassen war entschied ich mich, wieder im Krankenhaus zu arbeiten. Als erstes musste ich meine Tochter entsprechend unterbringen. Darum ging ich aufs Amt und forderte eine Tagesmutter und einen Kitaplatz. Dort habe ich meine Tochter auf den Tresen gesetzt und gesagt, „Entweder bin ich gezwungen arbeitslos zu sein oder ich bringe meine Tochter jeden Tag ins Amt zur Betreuung.“ Damals gab es noch nicht so viele Alleinerziehende, die waren eher eine Ausnahme. Ich denke, dass die Angestellten im Amt irgendwie Verständnis für mich hatten, denn ich bekam beides. Eine Stelle hatte ich schnell gefunden. Es war die Zeit wo es Personalmangel in den Krankenhäusern gab, da haben sie alle genommen, die sie bekommen konnten.
In meinem Beruf habe ich sehr gerne gearbeitet, aber wie üblich sind die Arbeitsbedingungen oft das Problem gewesen. Durch meine politische Arbeit war mir bewusst, dass es wichtig ist mich mit meinen KollegInnen zusammen zu tun und dieser ständigen Konkurrenz unter uns KollegInnen etwas entgegen zu setzen. Es ist mir oft gelungen, KollegInnen zu finden, mit denen ich mich außerhalb der Arbeit getroffen habe, um unsere Arbeitsprobleme zu besprechen. Das hat uns geholfen besser miteinander klar zu kommen.
Die Gewerkschaft war uns dabei keine Hilfe. Wir haben das besser allein hin bekommen. Außerdem konnte ich jetzt mit meinen GenossInnen über die Arbeitssituation sprechen, da hatte sich inzwischen viel geändert. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie ich mich am besten verhalten kann oder ob und was es für Möglichkeiten von Protesten und Unterstützung gibt. In unserer Partei waren jetzt viele, die auf Arbeit in Konflikte geraten sind. Auch wenn es unterschiedliche Arbeitsbereiche waren, wir haben festgestellt, dass es immer wieder um ähnliche Konflikte geht. Probleme waren z.B. Überstunden und ob die bezahlt werden oder nicht oder zu kurzfristige Schichtwechsel; natürlich auch Kämpfe um Lohnerhöhungen oder gegen Personalabbau. Das sind Dinge die hören nie auf und begleiten einen in der gesamten Berufstätigkeit.
Für mich brachte die Zeit mit sich, dass ich allmählich in eine betriebliche Arbeit rein gekommen bin, in der ich viel besser die Zusammenhänge der kapitalistischen Ökonomie verstanden habe. Und das bewirkte wieder, dass ich ein richtiges Interesse entwickelte mich mit dem Marxismus-Leninismus zu beschäftigen. Das heißt nicht, dass ich jetzt alles verstanden habe – das nicht – aber es begann für mich die Zeit, in der ich anfing mit der kommunistischen Theorie zu arbeiten ohne das es eine Belastung war, sondern weil ich Interesse hatte und mehr wissen wollte.
Alles ändert sich mit Kindern – unsere Lösung der gemeinsamen Kinderbetreuung
Inzwischen hatte sich in dem Leben von vielen GenossInnen einiges geändert. Das Studium war vorbei. Es fing die Berufstätigkeit an. Es wurde geheiratet und Kinder stellten jetzt nicht nur mich sondern viele vor das Problem, Arbeit, Kinder und Politik unter einen Hut zu bekommen. Es ist ja nichts neues, dass Kinder das Leben der Erwachsenen völlig verändern. Aber trotzdem waren die meisten GenossInnen nicht auf die krassen Einschränkungen eingestellt, die eine Familie mit sich bringt.
Ist Frau erst mal in dem Leben einer Ehe, Kinder und Berufstätigkeit drin, kommt sie nicht so einfach raus, das galt auch für uns Kommunistinnen. Wir wollten alles anders machen und verteidigten ja sehr engagiert die Befreiung der Frau und nun war es damit vorbei. Die Männer gingen arbeiten und machten Politik. Wir Frauen machten den Haushalt und die Kinder, manche gingen noch Arbeiten, aber wie üblich in Teilzeit. So sind wir dann in der Realität angekommen. Es dauerte eine Weile bis wir in der Partei diese neuen Bedingungen wirklich wahrgenommen haben. Proteste der Frauen und die Dauerkonflikte zwischen Frauen und Männern führten dazu, dass wir uns und unsere Arbeit gemeinsam und anders organisierten.
Wir organisierten es so, dass ein oder zwei GenossInnen auf mehrere Kinder aufgepasst haben. Oft waren unsere Termine ja am Abend, da ging es besonders gut, weil die Kinder dann in einer Wohnung geschlafen haben. Wenige GenossInnen haben auf mehrere Kinder aufgepasst und wenn sie geschlafen haben konnten auch sie noch arbeiten. Es gab ja immer was zu tun wie Flugblätter, Artikel für Zeitungen oder ähnliches zu schreiben. Alle anderen konnten dann Termine wahrnehmen oder z.B. zu Aktionen und Veranstaltungen gehen. Tagsüber mussten wir uns mit den Kindern beschäftigen, da war nichts drin mit Arbeit für die, die die Kinderbetreuung übernommen haben. Weil das insgesamt gut lief und wir merkten wie viel Zeit wir über die gemeinsame Kinderbetreuung frei schaufeln konnten, fingen wir auch an, an einigen Tagen das zur Kita bringen oder Abholen zu organisieren.
Damit haben wir zumindest innerhalb der Partei Regelungen gefunden, die dafür sorgten, das alle aktiv politisch tätig sein konnten. Wir machten das Jahre lang so und es war eine sehr gute Möglichkeit für alle, um Arbeit, Kinder und Politik zusammen so zu organisieren, dass nicht die Frauen es waren, die aus der politischen Arbeit ausfielen.
Wir müssen verstehen, dass es dabei nicht nur um die Organisation von Hausarbeit und Kinderbetreuung geht, sondern auch darum, dass mehrere Erwachsene eigenständig sehen wo und wann etwas zu tun ist. Es geht darum, dass nicht jede/jeder nur seinen kleinen Bereich sieht, sondern auch sieht was bei den anderen zu tun ist, wo Unterstützung nötig ist und dass wir bereit dafür sind, uns gegenseitig zu helfen. Und es geht darum dem Denken – das sind Angelegenheiten der Mutter, der Eltern oder nur der Familie – etwas entgegen zu setzen. Es geht dabei vor allem darum, kollektiv alle Arbeiten, die anfallen, zu sehen und zu organisieren damit das gesamte, nämlich die Parteiarbeit, gut und ständig funktionierten kann. Dadurch dass es eine gute und allseitige Organisation unter uns gab wurden die Köpfe der GenossInnen frei. Sie konnten sich auf ihre Arbeit konzentrieren und mussten diese nicht ständig unterbrechen. Das gibt Sicherheit und Energie, was dann in erfolgreichen Ergebnissen sichtbar wurde und motivierend auf uns gewirkt hat.
Ein neues Denken über Kindererziehung entsteht
Natürlich kam es auch zu Konflikten zwischen den Erwachsenen und zwischen den Kindern und den Erwachsenen. Kinder sind nicht so wie Erwachsene es wollen. Sie haben einen eigenen Willen und den wollten wir ja nicht nur unterdrücken. Uns war es wichtig, die eigene Persönlichkeit der Kinder zu akzeptieren und sie in sämtlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Das ist aber leicht gedacht und schwer zu machen. Es war oft eine Herausforderung Geduld und Verständnis auf zu bringen und so fingen wir Erwachsen an über Erziehung, Pädagogik und Psychologie zu diskutieren. Da mussten wir sehr auf passen, dass uns das nicht vollständig vereinnahmt oder dass wir persönliche Probleme wichtiger nahmen als die Politik. Es war wichtig, darüber zu diskutieren, weil wir vieles an falschem Verhalten in uns hatten. Auch hier hat uns die gemeinsame Diskussion dabei geholfen Dinge zu erkennen, die wir alleine nicht sehen konnten. Vieles was wir diskutiert und vertreten haben ist ja erst mal aus der Theorie entstanden – genau wie unsere politische Überzeugung. Erst nachdem wir direkt damit konfrontiert wurden Politik, Arbeit, Kinder, Ehe oder Beziehung so hin zu bekommen, wie wir es uns vorstellten, merkten wir wo wir selbst Probleme mit unseren Ansprüchen hatten.
Damit begann aber auch, dass GenossInnen immer wieder in kleinere oder größere Schwierigkeiten kamen. Solange wie wir auf der Straße oder im Betrieb kämpften machten sich unsere persönlichen Schwierigkeiten nicht so bemerkbar. Darüber zu diskutieren und was zu verändern war nicht so schwer für uns. Was uns Schwierigkeiten machte war eher, dass wir lernen mussten, dass viele Verhaltensweisen oder Angewohnheiten von uns nicht mit dem zusammenpassten, was wir wollten. So einfach kommt man eben nicht raus aus dem, was sich tief eingeprägt hat. Uns half es auch nicht nach „Schuldigen“ für unsere Probleme zu suchen wie z.B. Eltern, Erziehung, der Mann, die Frau oder der Staat. Mit der Konfrontation mit den Problemen wurde uns klar, dass wir lernen mussten, an uns selbst zu arbeiten, um dort hin zu kommen, wo wir hin wollten.
Eine wichtige Erfahrung von mir ist es, dass wir Frauen uns aus dem Denken lösen mussten, dass für Kinder die wichtigste Bezugsperson die Mutter sei, so wie wir es überall in der Gesellschaft vermittelt bekommen. Für die Kinder mit denen ich gelebt habe und das waren viele – nicht nur meine eigenen – kam es schneller zur Konfliktentspannung, wenn die Kinder das Vertrauen zu mehreren Erwachsenen hatten. Oft sind Situationen eskaliert, weil wir im Streit an Kleinkram, der eher unwichtig war, hängen geblieben sind. Eine Sicht von außen, die nicht im Konflikt drin steckte, war oft sehr hilfreich.
Dazu gehören aber auch Männer bzw. Väter, die nicht nur ihr eigenes Ding abziehen oder mit Ignoranz glänzen, sondern sich ernsthaft in ein gemeinsames Konzept zu Kinderbetreuung, Erziehung und dem Umgang mit Frauen rein begeben. Die Fähigkeiten in der politischen Arbeit genossenschaftlich miteinander um zu gehen ist an den Punkten oftmals völlig entgleist, wo es um persönliche Dinge wie z.B. das Miteinander zwischen Frau und Mann oder Erwachsenen und Kinder ging. Es war schon krass, wenn wir Frauen gehört haben, wie Männer auf den Podesten standen und kämpferische Reden zum Kampf von Frauen und Genossinnen hielten. Aber zu Hause wurde aus den Kämpfern für die Befreiung der Frau schnell der typisch bürgerlich-patriarchale Mann. Daran hat sich ja bis heute nicht viel geändert. Deswegen ist der Frauenkampf ständig, immer und überall notwendig.
Allerdings kam es im Kampf, um die Befreiung der Frau durch männliche Genossen nicht selten zu einer merkwürdigen Auslegung. Da hieß es, weil die Frauen sich nur alleine aus ihrer Lage befreien können, müssen sie auch den Kampf führen, was ja so auch nicht falsch ist. Falsch war aber, dass männliche Genossen daraus geschlossen haben, dass sie in diesem Kampf nichts zu tun haben oder dass die Frauen ihnen sagen sollen was sie tun müssen. Bei so viel Passivität sind Konflikte vorhersehbar.
Den Kampf um die Veränderung des patriarchalen Mannes diesen Kampf müssen alle täglich, immer und überall alle führen. Um in diesem Kampf nicht in einen reinen Geschlechterkrieg zu geraten, ist es wichtig, dass wir immer wieder zu der Klassenfrage zurückkehren. Stellen wir die Klassenfrage, dann ist es die ArbeiterInnenklasse, die für ihre Befreiung kämpfen muss und darin sind alle vereinigt, egal welches Geschlecht oder welcher nationale Herkunft.
Tragisch war es wenn durch solche Konflikte die politische Arbeit in Frage gestellt wurde, was leider auch vorgekommen ist. Für mich hat das auch ein bisschen damit zu tun, dass GenossInnen durch überzogene Ansprüche an sich selbst und andere dann in Konflikte geraten wenn nichts mehr klappt, dann kommt Frust und Enttäuschung auf. Das Einfache ist dann, alles hin zu schmeißen und sauer zu sein auf alle und alles mit dem die GenossInnen in Konflikt geraten sind. Das schwierige ist die Konflikte in dem Sinne zu entspannen, dass es für jede/jeden einen Weg gibt, bestimmte Dinge erst mal an die Seite zu packen, um das weiter zu machen, was einem wirklich wichtig ist, was einem interessiert und Spaß macht. Konflikte gehören zum Leben und zur politischen Arbeit. Aber sie sind niemals der Grund dafür, dass der Kommunismus falsch ist.
Welche Schlüsse wir daraus gezogen haben
Ich denke, dass neue Erkenntnisse aus Psychologie und Pädagogik helfen können, um mit Problemen und Krisen klar zu kommen. Aber dass das nur unterstützend sein kann, diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Falsch wurde es dann, wenn sich der Wunsch einschlich, dass sich dadurch unsere Lage grundsätzlich ändern soll. Wenn wir es gewollt hätten, hätten wir merken können, dass Wissen alleine nicht ausreicht, um die Welt zu verändern und es auch nicht reicht, dass einige „wenige“ alternativ ihr Leben einrichten können.
Aber viele GenossInnen hatten große Schwierigkeiten wirklich zu verstehen, warum das Wissen alleine uns nicht zur Revolution führen wird. Wir haben viel gelesen, geschrieben, eine Menge Kämpfe in den Betrieben und auf der Straße geführt. Wir haben versucht unser Leben mit Familie und Kindern mit der Politik zu vereinbaren. All das hat uns geholfen besser zu verstehen, dass es erst durch das Zusammenbringen von Theorie und Praxis möglich wird Ursachen und Entwicklungen zu erkennen. Wir haben angefangen Analysen zu erstellen. Egal wie unfertig oder fehlerhaft sie sein mögen, ich denke, dass das ein Teil davon geworden ist, um unser Bewusstsein zu vertiefen. Damit ist aber auch sehr viel klarer geworden, was es heißt als Kommunistische Partei die Revolution zu organisieren.
Es ist schade, dass viele KommunistInnen daraus immer wieder den Schluss gezogen haben, lieber doch so zu leben wie sie es eigentlich nie wollten. Die Grenzen für ihr Engagement wurden dann gezogen und ihre Energie eher in Aufgaben eingebracht wie z.B. humanistische, religiöse, ehrenamtliche Arbeit oder alternative, parlamentarische Politik und auch ein Leben als Hausfrau und Mutter. Die meisten der damaligen KommunistInnen haben nach meiner Sicht den falschen Schluss gezogen. Nur wenige sind dabei geblieben den Kapitalismus grundsätzlich in Frage stellen. In dieser Entwicklung ist auch ein Stück der Niedergang der kommunistischen Parteien aus den 70er Jahren zu sehen.
Und wie ist es heute
Wenn ich mir heute meine Töchter, ihre FreundInnen, ArbeitskollegInnen und junge GenossInnen angucke, muss ich sagen, dass es nur selten eine gemeinsame Erziehung gibt. Alle sind irgendwie auf sich selbst gestellt. Viele Arbeiten und Probleme bleiben im kleinen Kreis der Familie, Freunde oder GenossInnen. Es sind immer noch die Frauen, die am Herd stehen und für die Kinder zuständig sind. Ständig sind alle im Stress, fühlen sich überfordert und finden keinen Platz, wo sie nicht nur reden sondern auch praktisch an ihrer Lage was verändern können.
Das Leben und Arbeiten ist nicht einfacher geworden. Das geht auch nicht, denn die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich nicht geändert, es hat ja keine Revolution statt gefunden. Aber eine Eigeninitiative, die ist immer möglich. Es ist immer möglich die Lage zu verändern, die Unzufriedenheit, Frust und Stress bringt. Das müssen wir aber wollen. Meine Erfahrung ist, dass wir viel erreichen können; aber auch, dass wir das Erreichte verteidigen müssen ansonsten ist es schnell wieder weg. Gerade um das zu durchbrechen, müssen wir mehr tun als nur unser jetzt und heute zu sehen. Fragen wir uns doch mal, wie wir mit den Erfahrungen arbeiten, was spielen sie heute für eine Rolle? Oft genug höre ich, dass vor allem die negativen Dinge ran gezogen werden, die es innerhalb der kommunistischen Bewegung auch geben hat, um zu verteidigen, dass z.B. nur Teilziele gestellt werden können. Das macht uns schwach. Aber solange wir schwach sind können uns die, die mächtig sind, alles weg nehmen und uns das Leben schwer machen.
Für mich hat die Zeit in der es eine Partei gab bewiesen, dass wir nicht schwach sondern stark sind und stärker werden. Auch wenn wir viele Fehler gemacht haben und es darum irgendwann vorbei war mit der Partei, heißt das nicht, dass der Fehler in der Bildung einer Partei liegt. Die Fehler liegen bei denen, die es nicht verstehen eine kommunistische Partei zu entwickeln und zu führen, also bei uns selbst. Daraus müssen wir Schlüsse ziehen, um nicht alle Fehler ständig zu wiederholen. Auch das ist wieder leicht gesagt und wir merken seit Jahren, dass dieser Weg nicht einfach ist. Andererseits sehen wir wie eine neue kommunistische Bewegung entsteht und auch bereits die ersten Schritte geht. Dass der Parteigedanke wieder Fuß fasst, ist z.B. eine wichtige Entwicklung. Vielleicht sollten wir nicht ständig auf die Schwierigkeiten gucken, sondern viel mehr auf das was uns motivieren kann, auf Erfolge im Klassenkampf, die es gab und heute weltweit gibt. Wir müssen unseren Blick weit über Deutschland hinaus richten, die Wirkung von internationalen Kämpfen und deren Erfolge für unsere Motivation nutzen, wie z.B. Entwicklungen im kurdischen Befreiungskampf. Das dort Frauen auf allen Ebenen an führender Stelle stehen, dass ist eine konsequente Umsetzung von Frauenförderung. Das geht auch bei uns, wir müssen es nur tun.
1Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Bd I, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 228
2Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd III, S. 5-6, Dietz Verlag 1960