Als Redaktionskollektiv „Kommunismus“ möchten wir uns für die unterschiedlichsten Rückmeldungen und zahlreichen Kritiken bedanken, die wir von Euch, den LeserInnen der Zeitschrift Kommunismus, und allen GenossInnen aus verschiedenen kommunistischen Parteien und revolutionären Organisationen erhalten haben. Als Marxisten-Leninisten wissen wir, dass Kritik und Selbstkritik eine der wichtigsten Waffen sind, mittels derer wir uns weiter entwickeln. Dies gilt sowohl im engeren Sinne für uns als ‚Kommunistischer Aufbau‘ wie im breiter Sinne der kommunistischen und revolutionären Bewegung. Wir sind GenossInnen und Menschen, die Fehler machen. Wir brauchen daher auch eure Hilfe, um diese zu überwinden. Daher möchten wir euch ausdrücklich auffordern und ermutigen, uns noch vermehrt eure Gedanken, Rückmeldungen und Kritiken zukommen zu lassen. Insbesondere die Arbeiter-GenossInnen, die proletarischen Frauen und die Jugendlichen aus den Massen möchten wir bestärken, ihre Gedanken zu äußern.
Im Nachfolgenden wollen wir auf einige Kritiken eingehen, die wir erhalten haben. Wir haben versucht, diese in sinnvolle Oberpunkte zu gliedern und zu beantworten.
Kritiken am ‚Kommunistischen Aufbau‘
Wir haben eine Reihe von Kritiken erhalten, die über die Zeitung ‚Kommunismus‘ hinausgehen und den ‚Kommunistischen Aufbau‘ und unsere Politik betreffen. Anmerkungen wie z.B. die Inhalte der Zeitung sind gut, aber wie sieht es mit eurer Praxis aus, sind offensichtlich nicht im Rahmen einer Zeitung zu beantworten. Der ‚Kommunismus‘ ist nur ein, wenn auch wichtiges Mittel und nicht identisch mit der ganzen Politik des ‚Kommunistischen Aufbaus‘. Für euer Urteil über uns als politische Organisation gilt weiterhin das, was wir in der Einleitung zu der Broschüre „Kommunistische Partei im 21. Jahrhundert“ geschrieben haben:
„Daher können wir nur ein offenes ‚Angebot‘ machen. Die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Nehmt uns beim Wort und bildet euch eine eigene Meinung, ob wir typisch linke Schwätzer sind oder einen ernsthaften Beitrag zur Revolution leisten wollen.“
Als Marxisten-Leninisten vertreten wir darüber hinaus die Position, dass es ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis geben kann – und umgekehrt. Daher ist es normal, dass man erst Aufgaben theoretisch durchdringt und über Dinge redet, bevor man sie tut, denn dass bedeutet es, sich von einer revolutionären Theorie leiten zu lassen. Wir denken, dass es grundsätzlich richtig ist, schon heute strategische Vorschläge für die Bewegung zu machen, auch wenn wir als Struktur erst beginnen erste Schritte in diese Richtung machen. Unser Ziel dabei ist eben nicht, unsere eigene Politik zu legitimieren, sondern eine Diskussion innerhalb der Gesamtbewegung anzustoßen; verbunden mit der Hoffnung, dass diese aufgenommen und weitergeführt wird.
Kritiken am Konzept – Zentralorgan, Theoriezeitung oder kommunistische Propaganda in die Massen tragen?
Eine Reihe von Kritiken bezieht sich auf das Konzept und die politische Funktion des ‚Kommunismus‘, dass entweder als widersprüchlich, unverständlich etc. angesehen oder als an den Bedürfnissen der Bewegung vorbeigehend kritisiert wird. Wir möchten daher aus unserer Sicht nochmal erläutern, was die Funktion des ‚Kommunismus‘ ist und was die Zeitung derzeit nicht leisten kann.
Eine theoretische Definition des Konzepts der Zeitung könnte vielleicht wie folgt lauten: Der ‚Kommunismus‘ erfüllt die Aufgabe eines Zentralorgans einer jungen, noch unreifen ML-Organisation in einer sehr frühen Phase des Parteiaufbaus. Die wichtigsten zwei Funktionen der Zeitung sind nach unseren internen kollektiven Diskussion:
1) Die Herausbildung einer politischen Linie des ‚Kommunistischen Aufbaus‘ und die Propagierung/Bekanntmachung dieses politischen Gesichts nach Außen, vor allem in die interessierte Öffentlichkeit der kommunistischen und revolutionären Bewegung sowie unter den fortgeschrittensten ArbeiterInnen in den Massen und spontanen Bewegungen.
2) Die vorhandene Diskussion in der kommunistischen und revolutionären Bewegung aufgreifen und einen Beitrag zur Weiterentwicklung der Debatte zu leisten, d.h. also die brennenden Fragen der Bewegung aufzugreifen (z.B. wie macht man eine Revolution in Deutschland?) und einen theoretischen Beitrag zu ihrer praktischen Lösung mit zu entwickeln.
Damit kann der ‚Kommunismus‘ offensichtlich nicht alle vorhandenen Bedürfnisse abdecken. Insbesondere der weit verbreite Wunsch nach guter kommunistischer Agitation, z.B. in Form einer professionell geschriebenen und leicht verständlichen Massenzeitung, wird durch die ‚Kommunismus‘ nicht erfüllt. Wir fänden es gut, wenn es eine solche Zeitung gäbe. Wir werden als Organisation zukünftig viele weitere Formen – hoffentlich – guter kommunistischer Agitation und Propaganda entwickeln. Aber aktuell gilt für uns, dass wir uns noch ideologisch aufbauen müssen, d.h. zu vielen Themen erst mal selbst Grundlagen zu erarbeiten haben. Erst auf dieser noch zu schaffenden Grundlage werden wir imstande sein, den ML auf tagespolitische Fragen anzuwenden. Denn das bleibt unser Ziel: den ML als Wissenschaft auf der Höhe der Zeit zu nutzen und nicht nur durch Wiederholung von vor 100 Jahren geschriebenen Texten zu popularisieren.
Kritiken am Stil und der Verständlichkeit
Es hat einige Kritiken an der schweren Verständlichkeit der Texte gegeben, die teils mit Beispielen erläutert wurden. Die GenossInnen haben dabei mehrheitlich betont, dass es ihnen mit ihrer Kritik nicht darum gehe, das Niveau der Diskussion runter zu schrauben.
Wir stimmen dem zu und üben Selbstkritik für handwerkliche Schwächen. Wir werden uns zukünftig verstärkt darum bemühen, komplexe Themen und vielfältige Zusammenhänge in einer möglichst allgemeinverständlichen Form darzustellen. Um das journalistische Niveau der Artikel zu heben, werden wir zukünftig neben der kollektiven inhaltlichen Diskussion und der technischen Erstellung (Rechtschreibung und Layout) eine inhaltliche Endredaktion als zusätzlichen Arbeitsschritt einführen, durch den die Verständlichkeit der Texte erhöht werden soll.
Inhaltliche Kritiken
Neben der Auseinandersetzung um die Form der Artikel und das Konzept der Zeitung haben wir eine Reihe von Kritiken an politischen Inhalten bekommen, die wir im Nachfolgenden benennen und zumindest kurz darauf eingehen wollen.
Kritik am Kaderverständnis
Dieser Punkt, den wir in unserem vorläufigem programmatischen Selbstverständnis als prinzipielle Frage festgehalten haben, hat wohl die meiste Kritik hervorgerufen. Auch wenn die Kritik naturgemäß keineswegs einheitlich ist, lässt sich vielleicht als Tendenz daraus verallgemeinern: KA „beantwortet“ viele Fragen mit der Betonung der Notwendigkeit der Kader, der leninistischen Partei neuen Typs, des revolutionären Klassenkriegs und der Führung durch eine Avantgarde. Dabei wird ein Kaderverständnis propagiert, dass der heutigen Situation nicht angemessen sei und Einseitigkeiten beinhalte.
Wir finden diese Kritik sehr wichtig, insbesondere auch weil sie von vielen GenossInnen gekommen ist, die sich selbst auf den leninistischen Parteistandpunkt stellen. Wir verstehen dies als eine Aufforderung unser Verständnis des Leninismus in der Partei- und Kaderfrage zu vertiefen. Nach einem entsprechenden kollektiven Diskussionsprozess werden wir zukünftig auch öffentlich darauf eingehen.
Wir freuen uns schon heute, wenn wir durch unsere Beiträge, und seien sich auch zu begrenzt oder gar einseitig, einen Beitrag dazu leisten, dass die Diskussion über die Organisation der Revolutionäre in der kommunistischen Bewegung wieder angestoßen wurde und vertieft fortgeführt wird.
Kritiken am 3. Weltkrieg
An mehreren Stellen hatten wir vom bevorstehenden großen Krieg, der Unvermeidbarkeit zwischen-imperialistischer Kriege und der Tendenz zum 3. Weltkrieg geschrieben, was ebenfalls öfters kritisiert wurde. Wir haben diese Kritik zum Anlass für eine interne Debatte genommen und unsere Position in dem neuen Text ‚Krieg dem Krieg – Imperialistische Raubkriege als Kampf um die Neuaufteilung der Welt und unsere antimilitaristischen Aufgaben‘ in dieser Ausgabe präzisiert. Dabei versuchen wir klarzustellen, dass zwischen-imperialistische Kriege auch in Form großer Kriege („3.Weltkrieg“) einerseits unvermeidbar sind, andererseits trotz der aktuellen Verschärfung der imperialistischen Widersprüche und zunehmender Stellvertreterkriege in den nächsten Jahren unserer Einschätzung nach noch nicht konkret auf der Tagesordnung stehen.
Kritik an Syriza-Artikeln
Unsere Artikel zu Griechenland haben ebenfalls relativ viel Echo hervorgerufen. Die Kritik geht bei vielen GenossInnen dahin, dass wir Syriza nur allgemein als fast schon beliebiges Beispiel für den Reformismus kritisiert haben, aber eine konkrete Widerlegung fehlt. Wir stimmen dem, wie auch schon im ersten Artikel angedeutet, ausdrücklich zu, sehen uns aber weiterhin nicht imstande, dies zu leisten. Trotzdem denken wir, dass es auch richtig und als Teil einer anstehenden ideologischen Auseinandersetzung mit dem Postmarxismus bzw. den post-modernen Theorien notwendig ist, allgemeine Entwicklungstendenzen des Reformismus darzustellen und zu kritisieren.
Detailkritiken
Wir haben zahlreiche konkrete Kritiken an einzelnen inhaltlichen Formulierungen erhalten. Als ein Beispiel möchten wir auf die von uns verwendete Formulierung „türkische Revolutionäre“ hinweisen. Die Kritik, dass in der Türkei KurdInnen, TürkInnen, AraberInnen und andere nationale Minderheiten leben und in den Reihen der Revolutionäre am Kampf gegen Faschismus und für Demokratie und Sozialismus teilnehmen, ist vollkommen berechtigt.
Zum Schluss …
Kritik (und Selbstkritik) werden leider auch in der revolutionären und kommunistischen Bewegung noch viel zu oft falsch verstanden. Für Marxisten-Leninisten handelt es sich einfach um eine wirksame Methode der revolutionären Selbstveränderung. Viele GenossInnen verstehen Kritik aber im bürgerlichen Sinn als etwas Negatives. Um den Rechnung zu tragen und da wir hier sehr oft den Begriff „Kritik“ verwendet haben (von uns aber im Sinne des ML gemeint!), wollen wir erwähnen, dass wir auch viele positive Rückmeldungen erhalten haben.
Mit so viel Zuspruch aus ganz verschiedenen Ecken hatten wir vorher nicht unbedingt gerechnet. Gerade weil in Deutschland der Antikommunismus so tief in den Köpfen verankert ist und weil es in der Politischen Widerstandsbewegung eine fest verwurzelte Tradition des Sektierertums, der gegenseitigen Abgrenzung und der Ausgrenzung des Marxismus-Leninismus gibt. Rückmeldungen wie z.B. „Ich gehöre zwar nicht zu eurer Strömung, aber ich finde eure Gedanken interessant“ und aufmunternde Worte wie „Macht weiter so“ verstehen wir vor diesem Hintergrund als ein weiteres Anzeichen für eine beginnende Gärung. Die Dinge geraten in Bewegung, wenn auch vorerst noch langsam und unter der Oberfläche. Auf dieses Neue wollen wir aufbauen und in einer genossenschaftlichen Diskussion auch über den Rahmen des ‚Kommunistischen Aufbaus‘ hinaus die brennenden Fragen der Bewegung zunächst theoretisch klären, um sie dann gezielter praktisch lösen zu können.
Bildquelle: Gordon Seipold (gordonseipold.com) - "Kritik? Nur her damit!"