Einschätzungen der G7-Gipfelproteste in der politischen Widerstandsbewegung

Perspektive Kommunismus

Perspektive Kommunismus hat eine sehr ausführliche Einschätzung veröffentlicht, in der neben der umfassenden Darstellung der Situation und ihrer politischen Einordnung, der Erläuterung der Notwendigkeit der offensiven Elemente auch mit kommunistischer Selbstkritik an gemachten Fehlern ein wichtiges Zeichen gesetzt wird, das leider bei anderen Auswertungen weitgehend fehlt.

„Trotz Panikmache und Spaltungsversuchen im Vorfeld, der absehbaren staatlichen Repression und einer schwierigen bundesweiten Mobilisierung kamen am Ende mehrere Tausend Menschen direkt nach Garmisch-Partenkirchen, um gegen das Gipfeltreffen auf die Straße zu gehen. Es wurde ein sichtbares Zeichen des Widerstands gesetzt und mit einigen – kleineren – Aktionen der Rahmen des staatlich gebilligten Protests verlassen. Auch wenn die Mobilisierung damit weit hinter denen zu vergleichbaren Gipfeln in der Vergangenheit zurückblieb, kann dies unter den gegebenen Umständen durchaus als Erfolg verbucht werden (…)

Dass an diesem Tag (meint den ersten Tag am Freitag; Anm. Kommunismus) dennoch bei kraftvoller Stimmung und einer kleinen ungehorsamen Aktion erste und motivierende Akzente für die nächsten Tage gesetzt werden konnten, war daher umso erfreulicher. Es zeigte sich, wie durch gute Vorbereitung und ein entschlossenes Auftreten der AktivistInnen, der eingeschränkte Handlungsraum zurückgewonnen werden konnte. (…)

Während der Zwischenkundgebung auf der B2 wurde ein fiktives Theaterstück über eine G7-Pressekonferenz aufgeführt. Einige AktivistInnen schlugen vor Ort ihre Zelte auf, um die Straße zu blockieren. Mit Styropor-Schildern und Feuerlöscher ausgestattet versuchte ein Block an der Spitze der Demo die Polizeiketten zurückzudrängen und so einen Blockadepunkt auf der angrenzenden zentralen Kreuzung zu errichten. Der angemeldete Wendepunkt der Demo war per Auflagenbescheid verboten worden, so dass die Stelle an der effektive Blockaden möglich gewesen wären, erst hinter der Polizeikette lag. Die Polizei ging noch vor dem ersten Körperkontakt massiv mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die AktivistInnen vor. Es folgte ein massiver Angriff auf die gesamte Demospitze. Der vordere Block hielt diesem Angriff erstaunlich konsequent stand und konnte ein unmittelbares Eindringen der Polizei in die Demo verhindern. Durch die sehr beengten Verhältnisse und dadurch dass der Polizeiangriff von drei Seiten gleichzeitig und zur selben Zeit auch weiter hinten im Block stattfand, kam es teilweise zu einer panikartigen Situation. (…)

Insgesamt lässt sich sagen, dass die Großdemonstration leider hinter vielen Erwartungen zurück blieb. Es waren weniger Menschen als gedacht, die radikale Linke schien mehr oder weniger unter sich. Auch die Hoffnung einiger TeilnehmerInnen, die Demo in eine effektive Blockade zu überführen, scheiterte. Dass es dennoch probiert wurde, war für einen antagonistischen Ausdruck der antikapitalistischen Linken an dem Tag durchaus wichtig, die sich von dem martialischen Polizeiaufgebot und durchgängiger Überwachung nicht einschränken lassen wollte. Bei entsprechender Vorbereitung und Entschlossenheit, sind selbstbestimmte Aktionsformen eben auch unter widrigen Bedingungen möglich. (…)

Fazit

Es ist erfreulich, dass trotz der systematischen Versuche vom bayrischen Innenministerium, Polizei und lokalen Behörden, die Proteste klein zu halten und zu kriminalisieren, mehrere Tausend Menschen ihren Weg nach Garmisch-Partenkirchen gefunden haben. Wir müssen aber auch sagen, dass viele linke Akteure die sonst wichtige Träger von Protesten und Aktionen des zivilen Ungehorsams sind, bei diesem G7-Gipfel fehlten (…)

Dass das Blockadekonzept rund um Elmau nicht ohne weiteres zu realisieren sein würde, stand von Anfang an fest. Das hat verschiedene Gründe gehabt. Zum einen war aufgrund des überzogenen Polizeieinsatzes klar, dass für effektive Blockaden wenig Platz sein wird. Im Unterschied zu Heiligendamm hatte man es zusätzlich mit einem schwer passierbaren Gelände zu tun und nicht zuletzt mit viel weniger Menschen, die bereit waren zu blockieren. Mit Massenblockaden war also nicht zu rechnen. Dass es nur wenige Blockadeversuche gab, lag aber auch daran, dass die Blockaden von deutlich zu wenigen Strukturen getragen und daher nur ungenügend vorbereitet waren. Das müssen wir uns rückblickend auch selbstkritisch eingestehen.

Auch dass eine zweite Blockadewelle für Sonntagmorgen kurzfristig auf Grund des Unwetters am Samstagabend abgesagt wurde, war letztlich ein Fehler. Denn die Sternmärsche und anderen Aktionen bewiesen, dass durchaus noch genügend motivierte AktivistInnen da waren…

(…) Wir denken aber dennoch, dass Großevents wie G7-Gipfel die Chance bieten radikale Kapitalismuskritik zu verbreitern, politische Akteure zusammenzuführen, kollektiv zu agieren und praktische Erfahrungen in der Konfrontation mit der Staatsmacht zu sammeln. Erfahrungen, auf die wir im langfristigen Aufbau von Gegenmacht, bei der Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse und der Erprobung revolutionärer Praxis im Alltag nicht verzichten können. (…)

Dennoch bleibt von Elmau ein gemischter Eindruck zurück. Es konnten zwar revolutionäre Inhalte punktuell wahrnehmbar gemacht und offensive Akzente gesetzt werden, bei der staatlichen Übermacht reichte das aber nicht aus. Es bleibt aber auf der anderen Seite auch die Erkenntnis, dass immer noch und trotz eines Polizeiaufgebots in Armeestärke, trotz Einschüchterung und Spaltungsversuchen, mehrere tausend Menschen bereit sind eine imperialistische Macht-Inszenierung wie den G7 nicht unwidersprochen über die Bühne gehen zu lassen und mit ihrem direkten Widerstand zu konfrontieren! (…)“

http://www.perspektive-kommunismus.org/artikel/das-war-der-gipfel-bericht-auswertung

Revolutionärer Aufbau Schweiz

Der Revolutionäre Aufbau Schweiz zeichnet die politische Spaltung der Gipfelproteste durch die ReformistInnen nach und weist auf die massive Repression hin, die zu insgesamt schwierigen Bedingungen für die Gipfelproteste geführt haben. Daraus leiten sie die besondere Wichtigkeit und Notwendigkeit einer offensiven Haltung ab.

„ (…) So wurden die Demos, wie in Deutschland üblich, stets von mindestens einer Reihe eng laufender PolizistInnen umgeben. Ebenso machte die Polizei mit ständiger mobiler Filmüberwachung der Demonstrationen auf sich aufmerksam.

Von der auf 25‘000 Personen aufgestockten Polizei war nichts anderes zu erwarten. Es stellte sich vor Ort jedoch die Frage, bis zu welchem Punkt man sich dies gefallen lassen will und wo und in welcher Form man nicht mehr in die Offensive gehen könnte. Dass etwa die beschilderten Kommunikations-Einheiten der Polizei auch immer wieder beim Camp-Eingang anzutreffen waren oder einzelne Einheiten Eingangs- und Ausgangsstatistiken in der Nähe des Camps durchführten und willkürliche Kontrollen vollzogen, hätte wohl auch verhindert oder zumindest zwischenzeitlich unterbunden werden können.

So war es dann auch richtig, dass die Hauptdemo am Samstag den Versuch unternahm, offensive Akzente zu setzen und sich zwischenzeitlich vom Repressionsapparat nicht mehr abschrecken liess. Mit Schildern, Feuerlöschern und offensivem Auftreten versuchten die ersten Reihen der rund 5000 Menschen starken Demo die zweitweise aus fünf Reihen bestehende Polizeiabsperrung zu durchbrechen. Dies mit dem Ziel an geeigneter Stelle eine Blockade auf der Haupttransportachse für das Gipfeltreffen zu errichten. Leider wurden diese Versuche schnell unterbunden und die Demo bewegte sich schliesslich kollektiv zurück zum Camp.“

Nach der Schilderungen der weiteren Aktion ziehen die Genossinnen eine gemischte Bilanz und kündigen an wieder zu kommen.

„Was von den Protesten bleibt, ist eine durchmischte Bilanz. Einerseits hat sich gezeigt, dass es möglich ist, kräftige Demonstrationen gegen die Treffen der Mächtigen vor Ort durchzuführen, revolutionäre Inhalte auf die Strasse zu tragen und zwischenzeitlich militante und offensive Akzente zu setzen. Andererseits bleibt das laue Gefühl, dass der offensichtlichen Übermacht der Polizei zu wenig entgegengesetzt werden konnte. Es ist dies keine Kritik an den Ansätzen der revolutionären und militanten Gegenmacht vor Ort, als vielmehr die offene Frage des schwierigen Umgangs mit der repressiven Toleranz des deutschen Repressionsapparates und dessen Bürokratie. Was uns jedoch nicht davon abhalten wird wieder zu kommen, um auch kommende Grossanlässe und Protestaktionen solidarisch mit unseren Kräften und Möglichkeiten zu unterstützen. Denn der aktive Protest gegen solche Gipfeltreffen ist letztlich – ob erfolgreich oder nicht – auch immer eine Form der gelebten internationalen Solidarität.“

www.aufbau.org/index.php/online-zeitung-topmenu-128/1911-bericht-von-den-protesten-gegen-den-g7-gipfel

Organisierte Autonomie

Die Organisierte Autonomie beschäftigt sich mit dem Wegbleiben der reformistischen Kräfte und sieht darin auch Chancen für eine revolutionäre Linke, sich auf die eigene Stärke zu besinnen. Wichtig ist den GenossInnen dabei eine starke lokale Verankerung.

„(…) Da selbst Zusammenhänge wie das Um’s Ganze Bündnis oder weite Teile der Interventionistischen Linken es unterließen sich zur Politik der G7 vor Ort zu verhalten, fiel die TeilnehmerInnenzahl der Demonstration geringer aus als die erhofften zehntausend.

Festzuhalten ist, dass derartige Proteste nicht nur dann notwendig und möglich sind, wenn man in einer unüberschaubaren Menschenmenge zusammengesetzt aus reformistischen und liberalen Kräften zahlen- und ausdrucksmäßig verschwindet.

(…)

Festzustellen ist aber auch, dass sich Konzepte wie das in Nürnberg, auf eine starke lokale Mobilisierung zu setzen auszahlen. Zum einen werden Ereignisse wie der G7 Gipfel so auch lokal zum Thema, zum anderen dürfte das behandelte Thema so viel stärker eine Rolle im Alltag der Menschen spielen, also greifbarer werden.

Die beteiligten Gruppen und Organisationen müssen sich überlegen wie die revolutionäre Linke mehr gesellschaftliche Relevanz aufbauen kann. (…) Da die bürgerlichen Kräfte sich dem Staat anbiedern und gewillt sind, Gehorsam zu zeigen, wird eine starke radikale Linke umso notwendiger, damit klar wird, dass der einzige Schritt vorwärts in der revolutionären Perspektive besteht und in der Umwälzung der Verhältnisse.“

barricada – zeitung für autonome politik und kultur; Juli+August 2015

Zusammen Kämpfen

Zusammen Kämpfen hat verschiedene Stellungnahmen und Berichte zu den Gipfelprotesten verlinkt und betont im Vorwort dazu ebenfalls die offensiven Elemente.

„Die Proteste gegen den G7 Gipfel sind vorbei. Trotz eines martialischen Polizeiaufgebots konnte der Protest (auch mit einigen offensiven Aspekten) auf die Straße getragen werden.“

www.zkstgt.blogsport.eu/die-proteste-gegen-den-g7-gipfel-2/

Theorie, Kritik, Analyse Berlin (TKA)

TKA Berlin zieht ein eher negatives Fazit und setzt sich in ihrer Einschätzung neben der massiven Repression und einer deutlich kritischere Sicht auf die AnwohnerInnen in Garmisch auch mit der ihrer Ansicht nach zu kritisierenden falschen Politik anderer Strömungen auseinander. Auch wenn es uns nicht überrascht, dass antideutsche Autonome uns nicht mögen, weist ihre Unterstellung des Reformismus an die Adresse der kommunistischen und revolutionären Organisationen doch auch auf Schwächen in unserer Vermittlung hin.

„Es gab sie, die guten Momente der Gipfelproteste. Eine gelungene Camporganisation, nachdem die Camps genehmigt wurden, zum Beispiel. Oder eine recht kraftvolle Sponti am Freitagabend. Unter den gegebenen Umständen kann es vielleicht sogar von großen Optimist\_innen als Erfolg verkauft werden, dass sich überhaupt Menschen nach Garmisch-Partenkirchen bewegt haben. Soll die aufgekommene Urlaubsstimmung in den bayrischen Bergen jedoch nicht auch zur politischen Meisterleistung verklärt werden, scheint die Liste der Erfolge spätestens an diesem Punkt erschöpft. Und auch über den genannten Ereignissen ruht ein Schleier der unangenehmen Erlebnisse. (…)

Die positive Resonanz innerhalb der Anwohner\_innenschaft, die in den Medien und auch unter Teilen der anwesenden Gruppen so hochgelobt wird, wurde von uns so nicht wahrgenommen. (…)

Begründungen dafür, dass das gesamte Aktionswochenende kaum Anlaufpunkte für einen emanzipatorischen Protest bot, sollten jedoch nicht fälschlich externalisiert werden. Diese liefern die Strukturen auch selbst. (…) Aktivist\_innen die am laufenden Band ihre Radikalität betonen und scheinbar glauben die revolutionäre Triebfeder schlechthin zu sein (was zumindest das rote Fahnenmeer und die 30er-Jahre-Rhetorik vermuten lässt), den Staat aber bei jeder Möglichkeit anbetteln das Demonstrationsrecht zu wahren, müssen sich zwangsläufig den Vorwurf des Reformismus gefallen lassen. Selbiges gilt für die Infragestellung der Legitimität des G7-Treffens aufgrund von Demokratiedefiziten. Da verwundert auch die „Analyse“ vieler Demonstrant\_innen nicht: die G7 als Krake, die die Weltgeschicke lenkt. Im Anschluss kann sich dann auch gleich über die Bilderberger-Konferenz ausgetauscht werden. Alles wunderbar passend zu klaren Feindbildern wie Siemens, Daimler und der Deutschen Bank. Wem das noch nicht offen genug war, die\_der durfte auch noch, ganz in antisemitische Schale geworfen, Intifada-Sprechchöre anstimmen. (…)“

www.linksunten.indymedia.org/de/node/146712

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