Auch nach Afghanistan bleibt der deutsche Imperialismus Kriegspartei
Der Schein, dass der Afghanistan-Krieg mit mehr als einer krachenden Niederlage für den deutschen Imperialismus und seine Verbündeten enden würde, konnte nicht lange aufrecht erhalten werden. Fest stand dieser Ausgang jedoch nicht erst mit der überhasteten Flucht der Besatzer oder dem Triumphzug der Taliban.
Die Besatzer mussten das Land letztlich verlassen, weil sie keine Perspektive mehr hatten, es unter Kontrolle zu bringen. Mit dem Afghanistan-Einsatz endet nicht nur der längste, sondern auch der meistdiskutierte Krieg des deutschen Imperialismus seit dem 2. Weltkrieg. Heißt das etwa, dass Deutschland nun keine Kriege mehr führt? Immerhin gelten praktisch alle anderen Einsätze der Bundeswehr als Unterstützungs- oder Ausbildungsmissionen, zum Teil sind sie „sogar“ von UN-Mandaten gedeckt.
Nein! Deutschland ist und bleibt Kriegspartei und für einen so großen und mächtigen Imperialismus wie den deutschen wird und kann das auch nie anders sein, bis er durch eine Revolution endgültig beseitigt wird. Zwar werden deutsche Politiker:innen nicht müde zu beklagen, die Bundeswehr sei zu schlecht ausgestattet und müsse aufgerüstet werden – hier besteht übrigens parteiübergreifender Konsens zwischen allen Kanzlerkandidat:innen; das heißt aber nicht, dass der deutsche Imperialismus ein zahnloser Papiertiger wäre.
Imperialistische Kriegsführung
Ganz im Gegenteil: Es war seit der Herausbildung des Imperialismus als höchstem Stadium des Kapitalismus noch nie so, dass die Imperialisten nur die Söhne und Töchter ihrer eigenen Nation als Kanonenfutter genutzt hätten, um ihren Konkurrenten den eigenen Willen aufzuzwingen.
Vielmehr wurden in den meisten Kolonialkriegen Teile der Bevölkerung vor Ort in proimperialistische Armeen integriert. Oft machte man sich dabei Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen zunutze und versprach einzelnen von ihnen eine Berücksichtigung ihrer Interessen zum Beispiel in Form von eigenen Territorien. Fast ebenso oft wurden diese Versprechen gebrochen und hinterließen bis heute von ethnischen Konflikten tief gespaltene Staatengebilde wie in Asien oder Afrika.
Sowohl die Geschichte als auch die Gegenwart zeigt, dass dies für die Imperialisten viele Vorteile bietet. Lediglich an die Stelle der klassischen Kolonien sind Neokolonien getreten, die jedoch nur formell unabhängig sind und oft genug sowohl ökonomisch als auch politisch nicht weniger abhängig von einer der imperialistischen Nationen sind.
In der Einbindung von lokalen Soldat:innen besteht für den Imperialismus der größte Vorteil darin, dass es so leichter ist, die Bevölkerung zu spalten und gegeneinander aufzuhetzen, statt sie durch eine dauerhaft anwesende Besatzungsarmee, die aus der Besatzernation stammt zu einen. Aber auch innenpolitisch ist ein solcher Krieg für den Imperialismus viel besser zu verkaufen. Gerade in Zeiten, in denen das Klassenbewusstsein niedrig ist und eine revolutionäre Arbeiter:innenbewegung fehlt, ist nämlich die Haltung der Bevölkerung im imperialistischen Zentrum zu diesem oder jenem Krieg im hohen Maße davon abhängig, wie viele Soldat:innen der eigenen Nation in Leichensäcken zurückkommen.
Die Bedeutung von Stellvertreterkriegen
Dass dies auch heute noch gilt, wird deutlich, wenn man die Aufmerksamkeit, die dem Afghanistankrieg gewidmet wurde mit der Aufmerksamkeit vergleicht, die allen andere Einsätzen der Bundeswehr oder gar den deutschen Waffenexporten zu Teil wird.
Dabei muss deutlich gemacht werden, dass auch in Afghanistan, ganz im Gegensatz zur deutschen medialen Berichterstattung, nicht hauptsächlich deutsche Soldat:innen oder ihre Verbündeten ihr Blut vergossen haben. Die überwältigende Mehrheit der Toten in diesem Krieg waren Afghan:innen: Zivilist:innen, Soldaten der Regierungsarmee, Taliban-Kämpfer und örtliche Milizionäre. Diese Art der Kriegsführung ist also keine so neue Erscheinung. Die entsprechenden Kriege finden lediglich häufiger als zuvor auf formell unabhängigem Territorium statt.
Es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die derartige Konflikte in den letzten Jahrzehnten haben in den Vordergrund treten lassen. Neben den oben genannten Vorteilen für die Imperialisten sind das die noch vorhandene Scheu der verfeindeten Imperialisten sich in direkten Konfrontationen gegenüber zu treten und die zunehmende Technologisierung der Kriegsführung.
Ob zehntausende Dollar teure moderne Kampfausrüstungen, bewaffnete Drohnen oder gepanzerte Fahrzeuge: Es ist offensichtlich, dass die Rolle der Ausrüstung und Bewaffnung gegenüber der bloßen Soldat:innenanzahl mit der Entwicklung des Kapitalismus zunimmt. Relativ nimmt dabei auch die Bedeutung von Waffenlieferungen an dauerhafte oder temporäre Verbündete gegenüber dem „Export“ der eigenen Armee für den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zu. Natürlich ist dies lediglich eine Tendenz, die ihre Grenzen hat, wie der Zusammenbruch der afghanischen Armee trotz modernstem Kriegsgerät nach der Flucht der NATO eindrücklich gezeigt hat.
Ebenso wird man in allen imperialistischen Ländern spätestens, wenn die imperialistischen Widersprüche in einem Weltkrieg eskalieren, wieder die eigenen Soldat:innen zur Völkerschlachtbank führen, viel zu groß wäre das Risiko, dass reine Söldnerarmeen aus abhängigen Ländern im entscheidenden Moment die Gewehre umdrehen oder auch nur die Moral im Kampf für die eigene Versklavung zusammenbricht.
Die Imperialisten morden weiter – direkt und indirekt
Aus diesen Gründen ist die nach wie vor vergleichsweise hohe Kriegsmüdigkeit in Deutschland ein ernstes strategisches Problem für die herrschende Klasse in diesem Land, der man mit immer hochwertiger produzierten Propagandavideos und ergreifenden Appellen an die Bevölkerung, sich hinter die „Truppe“ zu stellen, beizukommen versucht.
Neben diesem heute sehr leicht sichtbaren Ausdruck der Militarisierung sind militärische Manöver an den Grenzen des russischen und chinesischen Einflussbereichs ebenso wie öffentliche Diskussionen der Imperialisten darüber, dass man sich wieder auf große Kriege vorbereiten muss, ein Ausdruck dieser Tatsachen. Auch die Kapitulation in Afghanistan ist nicht zuletzt ein Ausdruck dessen, denn sie stellt vor allen Dingen eine Verlagerung des Fokus auf andere Kriege und andere potentielle Weltkriegsfronten (Pazifik, Osteuropa) dar.
Antimilitaristische Politik entwickeln
In der Bevölkerung und Teilen der Friedensbewegung gilt es die Erkenntnis durchzusetzen, dass es nicht weniger verbrecherisch ist, wenn afrikanische Aufständische von Soldat:innen erschossen werden, die von der Bundeswehr ausgebildet wurden, statt von der Bundeswehr selbst; und dass nichts für die Menschen in Westasien besser daran ist, wenn ein Angehöriger ihres eigenen Volks oder ihrer Nachbarvölker den Abzug der deutschen Waffe drückt, mit der sie erschossen werden, statt ein deutscher Soldat.
Auch wenn sicher wahr ist, dass die Kapitalisten in der Waffenindustrie gewissenlose Feinde der Menschheit sind, heißt das nicht, dass sie tatsächlich wahllos ihre Waffen an beliebige Käufer abgeben. Der Waffenhandel ist politisch nicht umsonst stark reguliert, entscheidendes Motiv bei seiner Steuerung ist jedoch die Geopolitik und nicht etwa die Wahrung von „Menschenrechten“.
Am 1. September dem Internationalen Antikriegstag gilt es deutlich auszusprechen: Nicht nur der Afghanistankrieg, sondern dutzende andere Kriege, dutzende andere niedergeschlagene Aufstände wären undenkbar ohne die direkte und indirekte Unterstützung Deutschlands. Der deutsche Imperialismus ist eine Kriegspartei und ein eingeschworener Feind der Völker dieser Welt.
Es bleibt somit unsere Verpflichtung als Arbeiter:innen in Deutschland, die verschiedensten Formen, in denen Deutschland Tod und Zerstörung in die Welt trägt zu entlarven und zu bekämpfen. In diesem Kampf stehen wir nicht allein, sondern Seite an Seite mit allen Menschen, die mit Protestmärschen, Streiks oder der Waffe in der Hand gegen die Versklavung ihrer Länder durch den Imperialismus kämpfen.