Strategische Ausrichtung, Situation heute und erste Schritte

Die Betriebsarbeit war, ist und wird im Kapitalismus immer ein strategisches Kampffeld der Kommunist-Innen sein. Im folgenden wollen wir die besondere Bedeutung der kommunistischen Betriebsarbeit und ihre Ziele genauer beleuchten. Darauf aufbauend werden wir die geschichtlichen und aktuellen Bedingungen analysieren, unter denen wir das strategische Kampffeld der kommunistischen Betriebsarbeit bearbeiten müssen.  

Im zweiten Teil dieses grundlegenden Textes werden wir uns anschauen, welche Mittel uns für die kommunistische Betriebsarbeit zur Verfügung stehen und wie wir sie nutzen können. Gleichzeitig wollen wir erste Schritte für den Beginn einer kommunistischen Betriebsarbeit aufzeigen, welche als Anleitung für die Praxis dienen können.

Bedeutung der kommunistischen Betriebsarbeit

Im Kapitalismus sind Betriebe die Organisationsformen des Kapitals im Produktionsprozess. Ob das Kapital sich auf einen, zwei oder zahlreiche Betriebe aufteilt, ob es die Form einer Fabrik, eines Krankenhauses („weiße Fabriken“), eines Geschäfts annimmt oder die ArbeiterInnen gar nicht an einem gemeinsamen geographischen Ort zusammenfasst, tut dabei nichts zur Sache. Der Betrieb ist es, in dem die vom Kapitalisten gekaufte menschliche Arbeitskraft und die Produktionsmittel zusammenkommen. Dort leisten die ArbeiterInnen den ihnen zugeteilten Beitrag zum gesellschaftlichen Produktionsprozess: Sei es in der Produktion, beim Transport oder dem Verkauf der Waren. Hieraus folgt: Die Betriebe sind der Ort, an dem die ArbeiterInnen ausgebeutet werden. Gleichzeitig finden sie als unverzichtbarer Teil der Produktion in den Betrieben die einzige Machtposition im kapitalistischen System, die ihnen unter keinen Umständen als Klasse entzogen werden kann.  

Allen Veränderungen, die der Produktionsprozess und somit auch die Betriebe in der Entwicklung des Kapitalismus erlebt haben zum Trotz: Die Betriebe sind der elementare Ort der ökonomischen Ausbeutung und des direkten Klassenkampfes. Die tägliche Arbeit mit ihren physischen und psychischen Folgen brennt sich regelrecht in die Muskeln, Nerven und das Bewusstsein der ArbeiterInnen ein. Für (fast) alle ernsthaften RevolutionärInnen hat sich daher die Bedeutung der Betriebe und ihrer politischen Eroberung wie von selbst verstanden. In vielen Ländern haben sie ohnehin die Rolle der Geburtsstätte der ArbeiterInnenbewegung gespielt.

Auch die Bolschewiki unter Lenins Führung billigten den Betrieben aus revolutionsstrategischer Sicht eine zentrale Rolle zu. So gab Lenin die bekannte Parole aus: „Jeder Betrieb muss unsere Festung sein!“ 1 Die Bolschewiki bauten die Partei neuen Typs unter den Bedingungen strikter Illegalität im zaristischen Russland auf Betriebszellen auf. So entgingen sie nicht nur der Vernichtung durch den Feind, sondern konnten sich im Gegenteil untrennbar mit der ArbeiterInnenklasse verbinden und diese schließlich zur ersten erfolgreichen Machtübernahme unserer Klasse führen.2

Ohne Zweifel haben das auch die Strategen der herrschenden Klasse verstanden und ihre Schlüsse daraus gezogen. Zum einen, um mehr Mehrwert aus den ArbeiterInnen zu pressen, aber auch um den Zusammenschluss der ArbeiterInnen zu erschweren, wurden im letzten Jahrhundert die verschiedensten Veränderungen in der Betriebsorganisation vorgenommen. Dazu gehören die Fließbandarbeit, die Korrumpierung eines Teils der ArbeiterInnenklasse und der vollständige Übergang der Sozialdemokratie auf die Seite der Konterrevolution. 

Schon in der Kommunistischen Internationale (KI) wurde dieses Problem in den 1920er-Jahren diskutiert. Ossip Pjatnizki verwies damals darauf, dass die größeren Schwierigkeiten in der Betriebsarbeit, die durch die Einführung des Fließbandes hervorgerufen wurden, keinesfalls als Ausrede für eine Verringerung der Anstrengungen genutzt werden dürften, ganz im Gegenteil: „Die Kommunisten müssen alle Schwierigkeiten überwinden. Je mehr Schwierigkeiten, desto emsiger und hartnäckiger muss die kommunistische Arbeit innerhalb des Betriebs, vor dem Betrieb und überall da sein, wo sich die Arbeiter, die noch im Betrieb stehen, und die Arbeitslosen befinden.“ 3

Der Arbeitsprozess und damit der Betrieb gibt der ArbeiterInnenklasse weiterhin etwas sehr Wichtiges: Ökonomische Macht und damit ein Druckmittel im Klassenkampf. Diese potenzielle Macht der ArbeiterInnen hat entgegen verbreiteter Ohnmachtsgefühle in Zeiten, in denen die Wirtschaft in Form von Weltmonopolen und internationalen Produktionsketten organisiert ist, nicht etwa ab-, sondern im Gegenteil stark zugenommen. Das zeigt sich u.a. bei den Streiks in der globalen Logistik, wenn FluglotsInnen, TruckerInnen oder LokführerInnen nur kurz die Arbeit niederlegen und es Tage oder Wochen dauert, bis der aus dem Takt geratene Plan wieder normal läuft. 

Ebenso wenig hat sich etwas daran geändert, dass die ArbeiterInnen im Arbeitsprozess kooperieren und dafür zusammenkommen müssen. Ob diese Kooperation das körperliche Zusammentreffen in einer staubigen Betriebshalle bedeutet oder nur das virtuelle „Treffen“ mittels moderner Kommunikationsmittel beinhaltet, ändert grundlegend nichts an dieser Tatsache. Vor allem wird es – egal wie die Arbeit organisiert ist und sich technisch verändert –  immer dabei bleiben, dass im Arbeitsprozess die beteiligten ArbeiterInnen die gleichen Interessen haben (Verringerung der Arbeitsintensität, Verbesserung der Arbeitsbedingungen, höhere Löhne usw.). Bei aller technischen Entwicklung wird es zudem nicht dazu kommen, dass der Betrieb als geographischer Ort ganz oder überwiegend verschwinden wird. Die ArbeiterInnen können sich der Ausbeutung nicht entziehen. Ebenso wenig können Kapital und Staat der Produktion dauerhaft die ArbeiterInnen entziehen. Sollte auch der offene faschistische Terror herrschen, so können Versammlungen und Demonstrationen stark eingeschränkt werden, das Zusammenkommen im Betrieb aber wird kein kapitalistischer Staat je verbieten.  

Aus all diesen Gründen hat die KI Ende der 1920er Jahre im Zuge der Bolschewisierung immer wieder die Vorteile der Betriebszellen gegenüber der sozialdemokratischen Tradition der Organisierung nach Wohngebieten herausgearbeitet.4 Die Betriebe sollten zur Basis der Parteiorganisation werden und nur ergänzend sollte es Straßenzellen z.B. für Arbeitslose und Hausfrauen geben. Die Notwendigkeit und der prinzipielle Vorrang der Betriebszellen leitet sich direkt aus der Funktion der Partei neuen Typs ab. Diese baut sich als illegale Kampforganisation auf BerufsrevolutionärInnen und KaderInnen auf, die in Zellen organisiert sind und mit der ArbeiterInnenklasse verschmelzen, indem sie die Organisierung der Klasse in breitesten Massenorganisationen vorantreiben.5

Leider sieht die Realität der kommunistischen Bewegung heute sehr anders aus. Gerade was die Betriebe und die Kontrolle des politischen Lebens in diesen angeht, ist der Reformismus und die Sozialdemokratie sehr dominant. Der gerade deshalb sehr schweren Aufgabe, die Betriebe zurück zu erobern, stellen sich heute nur wenige RevolutionärInnen ernsthaft.

Strategische Ziele der kommunistischen Betriebsarbeit

Wenn wir über kommunistische Betriebsarbeit nachdenken, müssen wir zunächst die Ziele in diesem Arbeitsgebiet sowie die strategische Ausrichtung unseres Vorgehens bestimmen. Zunächst können wir festhalten, dass die Betriebsarbeit dabei ihrem Inhalt nach keinen Gegensatz zu anderen Feldern der kommunistischen Massenarbeit darstellt. Sie ist nur eine Form der Massenarbeit mit besonderer Bedeutung, welche aufgrund ihrer speziellen Bedingungen auch besondere Methoden erfordert.

Kommunistische Massenarbeit ist kein Selbstzweck. Sie ist vielmehr ein Mittel zum Zweck, nämlich der Erreichung unseres strategischen Ziels – der sozialistischen Revolution. Kämpfe für die ökonomischen und politischen Interessen der ArbeiterInnen und entsprechende Organisationsformen wie betriebliche Massenorganisationen sind ein zentraler Bestandteil der kommunistischen Massenarbeit. Kommunistische Betriebsarbeit findet im Arbeitsprozess, im Betrieb als sozialer Ort  statt. Die Grenzen eines Betriebes werden hier nicht räumlich oder juristisch definiert, sondern durch den Produktionsprozess, der eine bestimmte Zahl von ArbeiterInnen immer wieder zwangsläufig zusammen führt und “zwingt“, miteinander (wenigstens digital) zu kommunizieren und zu kooperieren.

Kommunistische Betriebsarbeit verfolgt das strategische Ziel, die ArbeiterInnenklasse in ihren eigenen revolutionären Massenorganisationen zu erfassen, die unter Führung der Kommunistischen Partei im revolutionären Klassenkampf die Diktatur des Proletariats erkämpfen. Dafür gilt es, die Betriebe in unsere Festungen zu verwandeln und so die revolutionären Kräfte im „Herz“ des Kapitalismus aufzubauen.

Wir dürfen diese Definition nicht zu einer rein theoretischen Erkenntnis („Dass die Revolution nur von den Massen selbst gemacht werden kann, erkennen wir prinzipiell an.“) oder einer wünschenswerten Utopie im Sinne einer falschen Etappentheorie abschwächen („Das ist ja ein richtiges Fernziel, spielt heute aber keine Rolle und steht jetzt nicht an.“). An dem strategischen Ziel müssen wir vielmehr in der gesamten Phase bis zur Vollendung der sozialistischen Revolution unsere betriebliche, gewerkschaftliche wie politische Arbeit in der Klasse am sozialen Ort der Betriebe ausrichten.

Wenn unsere Massenarbeit im allgemeinen darauf abzielt, dass „wir unsere Klassengeschwister aktivieren, politisieren und organisieren“6, dann leiten sich daraus bei der kommunistischen Betriebsarbeit auf dem Weg zum strategischen Ziel die folgenden drei Zwischenziele ab:

1. Die ArbeiterInnenklasse von sozialdemokratischen und faschistischen Einflüssen lösen und für den selbstständigen Kampf aktivieren

2. Die ArbeiterInnenklasse muss durch die kommunistische Betriebsarbeit Klassenbewusstsein erlangen 

3. Die ArbeiterInnenklasse muss durch die kommunistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit ihre eigenen revolutionären Massenorganisationsformen schaffen, die sich an die Partei anlehnen.

1. Die ArbeiterInnen-klasse muss sich von sozialdemokratischen und faschistischen Einflüssen lösen und selbstständig für ihre Interessen kämpfen 

Das erste Ziel muss sein, die ArbeiterInnen, unsere KollegInnen, zu aktivieren, so dass sie ihre eigenen Interessen erkennen und anfangen, für sie zu kämpfen. Das beinhaltet zunächst mal festzustellen, dass unsere Interessen nicht etwa, wie die Ideologie der Sozialpartnerschaft uns weismachen will, identisch mit denen der Kapitalisten sind. Unser Ziel muss dann sein, dass der Kampf für diese nicht unter Führung der Sozialdemokratie erfolgt, wie es in den meisten Großbetrieben heute der Fall ist, sondern die ArbeiterInnen selbstständig aktiv werden.

Der dafür notwendige Prozess von Selbstorganisation und Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind ist der Weg zur Schaffung von für die Revolution notwendigen Klassenkampferfahrungen. Dies stellt gleichzeitig den Aufbau erster Keimformen von selbstorganisierten Rätestrukturen auf die Tagesordnung, was vor allem erfordert, sich nicht sklavisch an den einengenden Rahmen zu halten, der von Betriebsverfassungsgesetz, dem Strafgesetzbuch oder gelben Gewerkschaften7 vorgegeben wird.

Andererseits gilt es einen solidarischen, nicht mehr indivudualistischen Umgang mit den Problemen zu finden, vor die der Kapitalismus uns stellt.

Für die sozialistische Revolution im imperialistischen Zentrum im 21. Jahrhundert wird es nicht genügen, dass allein die Kommunistische Partei als Führungsstab der Revolution ein bestimmtes politisches Bewusstsein durch Theorie und Praxis entwickelt. Auch zumindest die fortschrittlichsten Teile der Massen müssen aufgrund eigener Kampferfahrungen ein relativ hohes politisches Bewusstsein erlangen, um, gegebenenfalls eigenständig die notwendige Initiative zu entfalten (z.B. wenn die Verbindung zur Partei zeitweise unterbrochen ist) und in dynamischen, hochkomplexen Klassenkampfsituationen die politische Richtung zu halten. Kurz gesagt: Die ArbeiterInnen müssen lernen, selbstständig in ihrem eigenen Interesse zu denken und zu handeln.

2. Die ArbeiterInnenklasse muss durch die kommunistische Betriebsarbeit Klassenbewusstsein erlangen 

Unter Klassenbewusstsein verstehen wir im marxistisch-leninistischen Sinne, das Bewusstsein über die Notwendigkeit der Überwindung des kapitalistischen Systems durch die sozialistische Revolution und nicht allein das Bewusstsein über die eigene Ausbeutung oder den Klassengegensatz in der Gesellschaft. 

Zur Erreichung dieses Ziels gilt es dabei insbesondere den Ökonomismus8 in der kommunistischen und ArbeiterInnenbewegung ideologisch vollständig zu überwinden.

Plakativ gesagt müssen wir die falsche Tradition überwinden, als bessere, d.h. kämpferischere GewerkschafterInnen im Betrieb zu enden und als „rote“ StellvertreterInnen für die KollegInnen die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Solange die KollegInnen uns z.B. zum Betriebsrat wählen oder auch in (Streik)aktionen folgen, obwohl wir KommunistInnen sind, haben wir noch kein Klassenbewusstsein geschaffen. Bestenfalls haben wir dann eine erste Bresche in die ideologische  Einkreisung durch den Antikommunismus geschlagen. Die Schaffung von Klassenbewusstsein im marxistisch-leninistischen Sinn fängt da an, wo KollegInnen uns folgen, weil wir KommunistInnen sind, d.h. wo sie anfangen, sich positiv mit unserer Weltanschauung auseinander zu setzen.   

Im Sinne unserer strategischen Ziels muss das Klassenbewusstsein dabei quantitativ in so großen Teilen der ArbeiterInnenklasse und der unterdrückten Massen verankert sein und qualitativ so tief gehen, dass 

1. eine ausreichend große Anzahl von AktivistInnen in den Massen vorhanden ist, die den stabilen Kern der Rätestrukturen und der revolutionären Massenkämpfe und -initiative bilden können und bereit sind, für den Sieg der sozialistischen Revolution auch die größten Opfer auf sich zu nehmen. 

2. eine noch viel größere Zahl bereit ist, die erste Gruppe zu unterstützen (finanziell, logistisch, durch Informationen etc.) und im entscheidenden Moment auch selbst aktiv zu werden. 

3. Die ArbeiterInnenklasse muss durch die kommunistische Betriebsarbeit ihre eigenen revolutionären Massenorganisationsformen schaffen, die sich an die Partei anlehnen

Die Revolution wird nicht von der Kommunistischen Partei, sondern von der ArbeiterInnenklasse gemacht. Diese einfache Tatsache bedeutet aber auch, dass die ArbeiterInnenklasse im Moment der Revolution organisiert sein muss. Dafür muss sie vorher gelernt haben, sich selbst zu organisieren. 

Es wäre unrealistisch zu glauben, dass dafür relativ kurzfristig gegründete Rätestrukturen ausreichen würden. Die Revolution wird nur gelingen, wenn die über Jahre und Jahrzehnte im Klassenkampf entstandenen Organisationsformen der ArbeiterInnen diese in einer revolutionären Situation aktiv organisieren.

Es bedarf eigener revolutionärer Massenorganisationen auch, weil die Betriebe nicht unsere Festungen sein können, solange dort gegebenenfalls noch Reformisten oder Fasschisten größeren Einfluss haben. Ohne einheitliche und feste revolutionäre Massenorganisationen ist die Produktionsmacht, d.h. die faktische Kontrolle über die Produktion gegen die Kapitalisten und ihren betrieblichen wie staatlichen Machtapparat undenkbar. Sowohl die wirkungsvolle Unterbrechung der Produktion (im Streik), wie auch die eigenständige Fortführung (bei Übernahme der Fabriken), erfordert den dauerhaften organisatorischen Zusammenschluss des überwiegenden und entscheidenden Teils der Belegschaft.

Strategisch zielen wir also nicht nur auf eigenständige Klassenorganisationen im Betrieb ab, weil sie der einzige Weg sind, die unmittelbaren ökonomischen Interessen gegen den Widerstand von Kapital und Reformismus durchzusetzen. Für uns als KommunistInnen sind eigenständige betriebliche Klassenorganisationen vor allem deshalb notwendig, um den Kapitalismus zu überwinden.

Einen politisch und ideologisch neutralen Raum gibt es im Imperialismus nicht. Bezogen auf die eigenständige Organisierung der ArbeiterInnenklasse im Betrieb bedeutet das, dass diese jenseits von Reformismus und Sozialdemokratie aufgebaut werden muss. Sie muss beharrlich die Interessen der ArbeiterInnenklasse erkämpfen und zum Kampf für die sozialistische Revolution daher in letzter Konsequenz unter Führung der Kommunistischen Partei stehen.

Bedingungen der Betriebsarbeit in Deutschland

Kommunistische Betriebsarbeit in Deutschland ist seit Jahrzehnten mit zwei zentralen Fragen konfrontiert – wie halten wir es mit der Gewerkschaft und wie mit dem Betriebsrat? 

Diese Fragen hängen eng mit der besonderen Entwicklung des deutschen Imperialismus zusammen, der den sogenannten „rheinischen Kapitalismus“ hervorgebracht und im weiteren Verlauf zu einem institutionellen System perfektioniert hat. Um die Sozialpartnerschaft9 als Herrschaftsform des Imperialismus zu verstehen, ist es notwendig, zumindest einen groben geschichtlichen Überblick über die gelben Gewerkschaften in Deutschland und damit die Sozialdemokratie und ihre Integration in das imperialistische System zu geben.10

Entstehung der Gewerkschaften und Verrat durch die Sozialdemokratie

Die Gewerkschaften spielten bei ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert eine enorm wichtige Rolle für die ArbeiterInnenbewegung in Deutschland, aber auch immer eine zwiespältige. In Deutschland wie in vielen anderen Ländern hatte sich eine klar abgegrenzte Aufgabenteilung zwischen politischen Parteien der ArbeiterInnenklasse und ihren Gewerkschaften herausgebildet: Für die Frage des Sozialismus und der politischen Forderungen war die Partei zuständig, für die unmittelbaren ökonomischen Interessen die Gewerkschaft. 

Auch vor dem geschichtlichen Verrat der Sozialdemokratie 1914 trugen die Gewerkschaften somit bereits dazu bei, dass sich kein einheitliches und umfassendes Klassenbewusstsein unter den ArbeiterInnen herausbildete. Wenige Tage nach dem Beginn der Novemberrevolution, am 15. November 1918, wurde zwischen den Spitzen des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) und den Arbeitgeberverbänden eine Vereinbarung über die Errichtung einer zentralen Arbeitsgemeinschaft geschlossen. Sie sollte die Umstellung von Kriegs- auf Friedenswirtschaft durchführen, die Produktion aufrecht erhalten und Löhne und Arbeitsbedingungen regeln. 1920 wurde dann das Betriebsrätegesetz verabschiedet, dass erstmals eine betriebliche Mitbestimmung der ArbeiterInnen durch gewählte VertreterInnen gesetzlich verankert hat.

Die Sozialdemokratie ist durch diese Schritte offen auf die Seite des Kapitals übergangen. Ihre ideologische und faktische Vorherrschaft in den meisten großen deutschen Gewerkschaften ist aber bis heute bestehen geblieben.

Ende der 1920er Jahre, im Angesicht der bis dato größten Wirtschaftskrise des Kapitalismus und der entsprechend verschärften Klassenkampfsituation, folgt dann die erste Welle von Gewerkschaftsausschlüssen gegen KommunistInnen. 

Mit der Übernahme der politischen Macht durch die Faschisten wurden die Gewerkschaften zu einem direkten Teil des faschistischen Staatsapparats umgestaltet und haben jeglichen noch vorhandenen kämpferischen und gewerkschaftlichen Charakter verloren. All dies geschah ohne nennenswerten Widerstand der in den Gewerkschaften vorherrschenden Sozialdemokratie.

Institutionalisierte
Sozialpartnerschaft und bürokratisch-zentralistischer Apparat seit 1945

Der Wiederaufbau der Gewerkschaften nach 1945 erfolgte in Westdeutschland von oben herab. Mit Hilfe des Besatzungsrechts und Aufbauhilfe durch den antikommunistischen amerikanischen Gewerkschaftsverband AFL (American Federation of Labor) wurden rechte SPDler ausgewählt, die einen zentralisierten Machtapparat aufbauten. Die Wünsche der stark geschwächten ArbeiterInnenbewegung nach einer Einheitsgewerkschaft wurden nur zum Schein angenommen. Der Einfluss der anfangs starken KPD, die bei den ersten Betriebsratswahlen 1946 auf 38% der Betriebsratsmandate kam, wurde durch Gewerkschaftsausschlüsse systematisch geschwächt. Faktisch entstehen sozialdemokratische – vor allem aber antikommunistische – Richtungsgewerkschaften.

Geschaffen wurden sogenannte Industriegewerkschaften, die die organisatorische Zersplitterung der ArbeiterInnen nach Branchen gewährleisten. Demagogisch werden diese jedoch bis heute als Einheitsgewerkschaften bezeichnet. Auf die bürgerliche Demokratie und Antikommunismus, d.h. auf das kapitalistische System festgelegt, soll jegliche Politik aus den Gewerkschaften herausgehalten werden. Faktisch stehen die Industriegewerkschaften, die sich im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) als Dachverbband zusammenschließen, unter politischer Dominanz der Sozialdemokratie bei einem Minderheitenschutz für christlich-konservative Gewerkschafter. Daneben entstehen mit der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) und dem Deutschen Beamtenbund (DBB) konservative, berufsständige Gewerkschaften.

Gegen den Widerstand der KPD wird 1952 das reaktionäre Betriebsverfassungsgesetz verabschiedet, welches die offizielle Institution des Betriebsrat schuf, wie wir sie heute kennen. Der Betriebsrat wird von der ganzen Belegschaft gewählt, d.h. auch von den konservativen, reaktionären und faschistischen Teilen und vertritt stellvertretend die Interessen der Belegschaft unter strikter Wahrung des sogenannten Betriebsfriedens. Der Betriebsrat ist per Gesetz dazu verpflichtet, vertrauensvoll mit dem Kapital zum Wohle des Unternehmens zusammenarbeiten. Er darf nicht zu Kampfmaßnahmen aufrufen (§2 Betriebsverfassungsgesetz). Die Klassenversöhnung ist somit im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben.

Während so die damals noch deutlich kämpferischere Gewerkschaftsbasis gerade in der Industrie ausgebremst wurde, wird gleichzeitig die Institutionalisierung der Sozialpartnerschaft durch die Einbindung der Gewerkschaftsspitzen im Rahmen der im Jahr zuvor verabschiedeten Montanmitbestimmung11 vorangetrieben. Ganz offiziell rückten dadurch Gewerkschaftsvertreter als Arbeitsdirektoren in Vorstände von Aktiengesellschaften und bekommen Posten in den Aufsichtsräten großer Monopole.

Die gelben Gewerkschaften können nicht erobert werden

Im Ergebnis müssen wir festhalten, dass die heutigen Gewerkschaften in Deutschland „gelbe“ Organisationen sind, d.h. letztlich Organe des Klassenfeindes zur Kontrolle der ArbeiterInnenklasse und der ideologischen Zersetzung des Klassenbewusstseins. 

Die Gewerkschaftsspitzen sind heute sowohl eng mit den Unternehmen selbst (Doppelmitgliedschaft in Betriebsrat und Aufsichtsrat) und der Politik (Doppelmitgliedschaft in bürgerlichen Parteien, insbesondere Linkspartei und SPD) verwachsen. Sie sind als Teil der herrschenden Klasse zu betrachten. Der Aufbau der Gewerkschaften selbst besteht in einer Doppelstruktur: Einerseits formell demokratisch gewählte Gremien und andererseits ein Heer aus Funktionären. Letztere haben dabei selbst lokal faktisch die Macht inne, auch wenn sie formell nur Beschäftigte des Gewerkschaftsapparats sind. Als Angestellte der Gewerkschaft können sie, wenn sie gegen die Interessen der Gewerkschaftsführung handeln, gekündigt, versetzt oder an Positionen „befördert“ werden, in denen sie mit den ArbeiterInnen nur noch wenig Kontakt haben.

Unter diesen Bedingungen  können wir die bestehenden bürgerlichen Gewerkschaften weder erobern, noch in ihrem Wesen verändern. Sie sind ein Instrument der Konterrevolution, welches strategisch gesehen zerschlagen werden muss. An ihrer Stelle gilt es revolutionäre Massenorganisationen wie die Revolutionäre Gewerkschaftsopposition (RGO) und Rote Gewerkschaften aufzubauen.

Zur Vermeidung von Missverständnissen gilt es an dieser Stelle den Unterschied zwischen Strategie und Taktik herauszustellen. Der Strategie gibt die allgemeine Richtung, den Weg zum Ziel für die gesamte Etappe vor. Die Taktik legt dagegen die jeweiligen einzelnen Schritte auf diesem Weg fest. Taktisch müssen wir, um das genannte Ziel unter heutigen Bedingungen zu erreichen, den Aufbau von Gegenmacht mit allen denkbaren Mitteln und auf allen möglichen Wegen vorantreiben! 

Wie halten wir es mit den gelben Gewerkschaften?

Ausgehend von der Strategie, revolutionäre Massenorganisationen zu schaffen, liegt der Schwerpunkt der kommunistischen Betriebsarbeit in der Arbeit unter den KollegInnen. Das Verhältnis zu der oder den Gewerkschaften, wenn es wie in einigen Fällen mehrere konkurrierende im Betrieb gibt, hängt zunächst einmal davon ab, ob es eine gewerkschaftliche Struktur unter den KollegInnen gibt. Oder besteht die Gewerkschaft im Betrieb nur aus institutionellen Stellvertretern, z.B. den Betriebsräten und Vertrauensleuten? Oder gibt es gar keine organisierten Gewerkschaftsstrukturen im Betrieb?

Dort, wo es Gewerkschaftsstrukturen gibt, muss uns grundsätzlich klar sein, dass die Gewerkschaft unsere Arbeit früher oder später bekämpfen wird. Diese sich aus entgegengesetzten und unvereinbaren politischen Zielen ergebende Feindschaft kann aber zunächst auch die Form einer begrenzten Zusammenarbeit annehmen. Allerdings wird auch jede/r noch so linke GewerkschaftsfunktionärIn irgendwann mit uns brechen. Oder als großer Ausnahmefall können wir sie/ihn überzeugen, dann wird sie/er aber nicht lange GewerkschaftsfunktionärIn bleiben bzw. ganz schnell nicht mehr für uns zuständig sein. 

Die heutigen deutschen Gewerkschaften sind in keiner Weise mit kämpferischen ArbeiterInnenorganisationen zu vergleichen, wie wir sie für den erfolgreichen Klassenkampf und schlussendlich für die erfolgreiche sozialistische Revolution brauchen. Ihren Charakter und ihre geschichtliche Entstehung nach 1945 haben wir oben bereits dargelegt. 

Grundsätzlich müssen wir deshalb unsere Arbeit auf eine eigenständige Organisierung der KollegInnen ausrichten, denn nur so können wir im entscheidenden Moment auch eigenständige Kampfaktionen ohne oder sogar gegen die Gewerkschaft durchsetzen. 

Ob wir in den Gewerkschaftsstrukturen in unserem Betrieb eine Zeit lang mitarbeiten oder von Beginn an formell eigene gewerkschaftliche und klassenkämpferische Strukturen aufbauen, hängt von der konkreten Situation im Betrieb ab: Gibt es dort Gewerkschaftsstrukturen? Wie stark sind diese? Hat die Gewerkschaft das Vertrauen der ArbeiterInnen oder nicht?

Ist die reaktionäre Gewerkschaft ohnehin nicht im Betrieb präsent, kann unsere Politik nicht sein, uns zu ihrem Gehilfen zu machen und sie in Form ihrer Funktionäre in den Betrieb einzuladen. Es kann nicht darum gehen, der gelben Gewerkschaft die Tür zu öffnen, um die ArbeiterInnen danach mühsam von ihrem Einfluss zu lösen. 

Ist die Gewerkschaft jedoch stark im Betrieb verankert, dann wäre es eine Dummheit, die Arbeit in der Gewerkschaft strikt abzulehnen, weil sich trotz des reaktionären Charakters von Apparat und Führung unweigerlich ein bedeutender Teil der ArbeiterInnen, die für ihre Interessen kämpfen wollen, in ihr organisieren wird. Hier gilt Lenins Kritik aus seinem Werk “Der Linke Radikalismus“ voll und ganz: 

(…) den Kampf gegen die opportunistischen und sozialchauvinistischen Führer führen wir, um die Arbeiterklasse für uns zu gewinnen. Diese höchst elementare und ganz augenfällige Wahrheit zu vergessen, wäre eine Dummheit. Und gerade diese Dummheit begehen die „linken“ deutschen Kommunisten, die aus der Tatsache, dass die Spitzen der Gewerkschaften reaktionär und konterrevolutionär sind, den Schluss ziehen, dass man (…) aus den Gewerkschaften austreten!!, die Arbeit in den Gewerkschaften ablehnen!! und neue, ausgeklügelte Formen von Arbeiterorganisationen schaffen müsse!!“12 In keinem Fall dürfen wir jedoch zu einem Anhängsel oder abhängig von der Gewerkschaft und ihrer Strukturen werden. Ebenso wenig dürfen wir zulassen, dass Erfolge, die die ArbeiterInnen erstreiten, weil sie sich unabhängig und ggf. gegen den Willen der Gewerkschaftsführung organisieren, am Ende von der Gewerkschaft als ihr Erfolg verkauft werden können. Die schwindende Autorität der Gewerkschaftsführung birgt ein großes Potenzial für den Aufbau einer eigenständigen, kämpferischen ArbeiterInnenbewegung. Daher dürfen wir uns nicht unabsichtlich zum linken Feigenblatt dieser Gewerkschaften machen.

Wie halten wir es mit dem Betriebsrat?

Die Funktion des Betriebsrats ist noch klarer. Diese Institution hat von vornherein eine konterrevolutionäre Funktion, verhindert durch das institutionalisierte Stellvertretertum die Eigeninitiative der Klasse und sorgt im Rahmen der Sozialpartnerschaft für eine möglichst große Klassenversöhnung. Auch ein Instrument des legalen Kampfes kann er schon per Betriebsverfassungsgesetz nicht sein, da er zu keinerlei Kampfmaßnahmen aufrufen darf. Streiken dürfen in Deutschland nur die Gewerkschaften und diese auch nur für tarifliche Zwecke, während genau festgelegter Zeiten in Tarifauseinandersetzungen. Es darf also über die genauen Bedingungen für den Kauf- und Verkauf der Arbeitskraft, die in einem Tarifvertrag festgelegt sind, verhandelt werden. Streiks dürfen gesetzlich nur eingesetzt werden, um Veränderungen im Ausbeutungsverhältnis eines bestimmten Kapitalisten oder einem bestimmten Zweig der Kapitalisten und den ArbeiterInnen durchzusetzen, nicht aber um die Verhältnisse im ganzen Staat zu verändern.

Unser Schwerpunkt muss daher immer auf selbstständigen Organisationsformen der ArbeiterInnenklasse liegen. Kontakte in den Betriebsrat zur Informationsgewinnung und um Widersprüche im Betrieb auszunutzen, können dabei als taktisches Element natürlich sinnvoll sein. Je nach Atmosphäre im Betrieb, können Betriebsräte mehr oder weniger hart angegangen werden und dadurch auch in eine mehr oder weniger oppositionelle Position zur Geschäftsführung gedrängt werden.

Der Betriebsrat als Institution ist konterrevolutionär und reaktionär. Er ist ein Organ der Klassenpartnerschaft. Daraus folgt jedoch nicht, dass auch jeder Mensch im Betriebsrat reaktionär ist. In vielen kämpferischen Streiks haben Betriebsräte sogar eine wichtige Rolle gespielt. Für uns folgt daraus aber nicht, dass wir grundsätzlich um diese Positionen kämpfen, sondern vielmehr, dass wir davon ausgehen, dass noch bedeutend mehr Kämpfe konsequent geführt werden können, wenn die ArbeiterInnen sich selbst organisieren würden, statt darauf zu vertrauen, dass Betriebsräte aus ihrer eigenen gesetzlich vorgeschriebenen reaktionären Rolle ausbrechen. 

Ähnlich wie das bürgerliche Parlament können wir als KommunistInnen in einzelnen Fällen jedoch auch den Betriebsrat und seine Privilegien (etwa Betriebsversammlungen abzuhalten, Auskunftsrechte etc.) als taktisches Mittel ausnutzen, um diese im Klassenkampf zugunsten der ArbeiterInnen einzusetzen. Dies ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Funktion und Einschätzung des Betriebsrats als einem konterrevolutionären Organ. 

Wichtig bleibt dabei zusätzlich, dass wir zunächst entsprechende Strukturen aufbauen und einen gewissen Einfluss bei unseren KollegInnen gewinnen müssen, um dieses taktisches Mittel gezielt einsetzen zu können. Gleichzeitig dürfen wir durch die mögliche Teilnahme an Betriebsratswahlen keine falschen Illusionen schüren und nicht in die Integrationsfalle tappen. Die Geschichte zeigt, dass ein Betriebsratsposten, ebenso wie das bürgerliche Parlament, ein sehr erfolgreiches Integrationsmittel ist, welches schon so manche/n RevolutionärIn geschafft hat, in das bürgerliche System zu integrieren und vom revolutionären Weg abzubringen. 

Unsere Mittel für die kommunistische Betriebsarbeit 

Die vorhergehenden Ausführungen über revolutionäre Realpolitik leiten direkt über zur grundsätzlichen Frage, welche Mittel uns für eine kommunistische Betriebsarbeit zur Verfügung stehen. Wir können dabei grundsätzlich vier Bereiche unterscheiden. Wichtig bleibt jedoch, zu verstehen, dass in der Realität diese Bereiche eine dialektische Einheit bilden und z.B. der ökonomische und politische Kampf gerade nicht getrennt werden dürfen! 

In diesem Sinne geht es um:

Mittel für den ökonomischen Kampf 

Mittel für den politischen Kampf im Betrieb

Mittel zur ArbeiterInnenbildung und Bewusstseinsveränderung der KollegInnen

Klassenbewusste und klassenkämpferische Massenorganisationen 

1. Mittel für den ökonomischen Kampf

Lenin stellte den KommunistInnen bereits vor über 100 Jahren die richtige Aufgabe, „den Kampf um das Teewasser“ im Betrieb zu führen, d.h. beim Tageskampf um die ökonomischen Bedingungen des Verkaufs der Arbeitskraft auch vor mühsamer Kleinstarbeit nicht zurück zu schrecken und sich für jede ökonomische Verbesserung einzusetzen.

Tatsächlich wird es heute unter den Bedingungen eines gering entwickelten Klassenbewusstsein und fehlender Kampferfahrungen für uns in vielen Fällen zunächst darum gehen, sich in der Belegschaft zu verankern. Dazu gilt es auch in den alltäglichen, kleinen, häufig unsichtbaren Zusammenstößen im Betrieb einzugreifen und eine klassenkämpferische Position zu beziehen. Ein wichtiger Aspekt bei der Verankerung in der Belegschaft ist, wie in allen Bereichen der Massenarbeit, die Beziehungsarbeit zu unseren KollegInnen. Wir müssen das Vertrauen der KollegInnen gewinnen und uns als zuverlässige und vertrauenswürdige ArbeiterInnen, die sich von Vorgesetzten und Chefs nichts gefallen lassen, einen Namen machen. 

Gleichzeitig dürfen wir natürlich den Aufbau persönlicher Beziehungen zu unseren KollegInnen nicht vernachlässigen. Eine typische Falle ist es zudem, sich in die Rolle eines besseren Stellvertreters drängen zu lassen oder durch übermäßig radikales Auftreten, wenn schon nicht den eigenen Rauswurf, so doch nur zu erreichen, dass man als „roter Clown“ im Betrieb bekannt, aber einflusslos ist.

Bei jedem ökonomischen Kampf im Betrieb, egal ob es um einen großen Streik oder die kleinste Aktion geht, müssen wir diesen Kampf ernsthaft vorbereiten und führen. Gegenmaßnahmen von der Unternehmensführung und Reformisten sollten wir wenn möglich voraus ahnen, um von diesen nicht überrumpelt zu werden. Vor allem aber müssen wir schnell und angemessen auf diese reagieren.

Für uns gibt es dabei grundsätzlich auch keine Begrenzung der Mittel und gerade hier können wir als bewusste KommunistInnen, die die Regeln des Krieges, der Macht und Herrschaft, d.h. der Klassenpolitik verstanden haben, punkten. Als kreative RevolutionärInnen, für die die Arbeit außerhalb des bürgerlichen Korsetts der legalen Spielräume kein Schreckgespenst ist, können wir Kämpfe zum Sieg führen, die, wenn wir uns an die Regeln des Feindes halten, verloren gehen würden. 

Es geht beim Kampf im Betrieb auch nicht um einen sportlichen Wettkampf (mit Fair Play), sondern darum, den Gegner niederzuringen, um ihm mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unseren Willen, den Willen der ArbeiterInnen, aufzuzwingen. Dazu wenden wir neben kollektiven Aktionen der KollegInnen insbesondere auch Formen der asymmetrischen Auseinandersetzung an. Beispiele für konkrete Aktionsformen können hier u.a. Imagekampagnen gegen das Unternehmen, Veröffentlichung von geheimen Unternehmensinformationen, Angriffe auf neuralgische Punkte der Produktionskette außerhalb des Unternehmens (z.B. bei Geldgebern und Abnehmern) sein. Gleichzeitig müssen wir immer im Auge behalten, dass der Kern in jedem Konflikt die kollektive Aktion der ArbeiterInnen ist und wir immer wieder darum kämpfen müssen, die Einheit und den Kampfeswillen der KollegInnen aufrecht zu erhalten. 

Schon die Bolschewiki haben in den frühen Jahren der russischen ArbeiterInnenbewegung beobachtet, dass teilweise schon ein einfaches Flugblatt ausreichte, um die Forderungen der ArbeiterInnen durchzusetzen – und das unter den Bedingungen des russischen Zarismus! Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass gerade der deutsche Imperialismus zu großer Flexibilität und schnellen Zugeständnissen in der Lage ist. Auch in Deutschland ist so manche Lohnerhöhung allein durch die Ankündigung von Tarifkämpfen, oder weil die Unternehmensführung mitbekommen hat, dass sich Widerstandspotenziale jenseits der eingespielten und kontrollierbaren sozialpartnerschaftlichen Rituale zusammenbrauen, ohne dass es wirklich zum Kampf gekommen wäre, durchgesetzt worden. Doch damit sollten wir uns in keinem Falle zufrieden geben. 

Wir müssen verinnerlichen, dass strategisch gesehen nicht die Erfüllung der Forderungen an diesem oder jenen Punkt entscheidend ist, sondern ob die Belegschaft kollektiv kämpfen lernt, um ihre Interessen durchzusetzen. Wir sollten deshalb vorsichtig sein, schnelle Erfolge auf taktischer Ebene zu positiv zu bewerten, wenn wir sie eher als außenstehende AktivistInnen durch Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen außerhalb des Betriebs, stellvertretend für die KollegInnen errungen haben. Andersherum gilt es zu erkennen, dass taktische Niederlagen strategische Siege sein können, wenn sie uns den oben genannten Zielen der kommunistischen Betriebsarbeit näher bringen.

Größere betriebliche Kämpfe und Streiks hatten in den letzten Jahrzehnten häufig Züge von breiten politischen Unterstützungskampagnen. Ein Beispiel dafür wäre die Kampagne gegen die Kündigung der betrieblichen Aktivistin und Kassiererin Emmely bei Kaisers in Berlin. Solche selbstorganisierten Kämpfe, die die Grenzen der gelben Gewerkschaften berührt oder teils überschritten haben, hat es nur vereinzelt und in der Mehrzahl der Fälle im Zusammenhang mit Betriebsschließungen bzw. Massenentlassungen gegeben. 

Einer der bundesweit bekannteren Kämpfe ist der gegen die Schließung des AEG-Werks in Nürnberg 2005 bis 2007 gewesen, der zugleich ein Beispiel für die oben skizzierten asymetrische Kampfformen darstellt.13 Auch wenn es in Deutschland nur wenige Momente der Selbstermächtigung14 der ArbeiterInnenklasse in den Betrieben in der jüngsten Vergangenheit gegeben hat, so gibt es doch auch einen aktuellen Erfahrungsschatz und entsprechende Literatur, auf die wir aufbauen können. Darüber hinaus gibt es eine große Anzahl internationaler und geschichtlicher Erfahrungen, die von uns insbesondere in Vorbereitung von größerer Streiks, Betriebsbesetzungen und anderen betrieblichen Kampagnen heranzuziehen und zu studieren sind.

2. Mittel für den politischen Kampf im Betrieb

Im Vergleich zur Literatur über Streiks, findet der politische Kampf im Betrieb kaum öffentlichen Widerhall. Das liegt u.a. an der Trennung zwischen Partei und Gewerkschaft bzw. Politik und Ökonomie, wie er die deutsche ArbeiterInnenbewegung seit ihrer Entstehung ab 1860 kennzeichnet.

Welche Mittel stehen uns zur Verfügung, um unsere proletarische Politik in die Betriebe hineinzutragen? Zunächst müssen wir uns klarmachen, dass die Betriebe als soziale Orte selbstverständlich keine „politikfreien Zonen“ bilden. Ständig diskutieren die KollegInnen über politische Fragen, nur häufig in einer Form und mit Inhalten, die wir so nicht gewohnt sind oder sogar ablehnen. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns wie viele GenossInnen aus der politischen Widerstandsbewegung im Betrieb weg ducken. Sondern es muss Ansporn sein, in die persönliche Agitation einzusteigen, gegen den Strom zu schwimmen und unsere Grundpositionen wie Solidarität, Menschlichkeit, nach Oben zu schlagen statt nach Unten zu treten usw. offensiv in die Debatte einzubringen. Gerade bei Themen wie korrupten Politikern, der Verarschung der „kleinen Leute“ und anderen Klassenwidersprüchen, an denen die Faschisten heute mit ihrer pseudo-antikapitalistischen Demagogie ansetzen, haben wir nicht nur die besseren Argumente, sondern auch eine Menge Land zu gewinnen. Aber auch bei scheinbar unpolitischen Themen wie z.B. Fußball sollten wir angesichts der krassen Kommerzialisierung des Profisports und der Korruption in der FIFA leicht Anknüpfungspunkte für unsere Agitation finden können.

Weiterhin schwappen politische Fragen aus der Gesellschaft immer wieder in die Betriebe, wenn es um große Debatten geht, die gerade viele Menschen bewegen. Wenn der imperialistische Staat und die Kapitalisten nach einem rassistischen Mord ihren bürgerlichen Antirassismus aufpolieren und gegen Ausländerhetze in der Betriebsöffentlichkeit Stellung beziehen, können wir solche Momente aufgreifen. Wenn z.B. eine bürgerliche Kampagne zur „Willkommenskultur“ wie im Sommer 2015 Hunderttausende als ehrenamtliche HelferInnen mobilisiert, können wir die Stimmung nutzen und eine kollektive betriebliche Aktivität anstoßen. Dabei muss uns auch nicht bange sein, dass die Firma das ganz toll findet und die Chefs vorneweg mitmachen. Auch die Auseinandersetzung über die Klimapolitik wird von den Kapitalisten selbst und derzeit durchaus auch kontrovers in die Betriebe getragen. Und wenn ganz Deutschland Trump doof findet, und alle, einschließlich der Vorgesetzten, Anti-Trump Witze reißen und Memes (lustige Bildchen) weiterleiten, müssen wir diejenigen sein, die einen Schritt weiter gehen.

Bei KollegInnen, die sich selbst als unpolitisch bezeichnen und mit der (bürgerlichen) Politik nichts mehr zu tun haben wollen, können wir vielleicht nicht mit direkter politischer Agitation punkten. Hier haben sich indirekte Mittel, die an das Alltagsverhalten der KollegInnen anknüpfen, sehr gut bewährt. 

In kleineren und mittleren Betrieben können wir unter Umständen relativ leicht die Meinungsführerschaft erringen und trotzdem wird es vermutlich seltenst zu einer größeren betrieblichen Aktion gegen den eigenen Kapitalisten kommen. Wenn wir unsere Strategie im Auge haben, dann können auch GenossInnen, die in Kleinbetrieben arbeiten, eine kommunistische Betriebsarbeit entwickeln. Auch wenn diese Arbeit andere Formen als in den Großbetrieben annehmen wird, die hier im Text hauptsächlich angesprochen werden, muss auch sie wichtige Beiträge zur Vorbereitung und Durchführung der Revolution leisten.   

Neben der allgemeinen politischen Agitation wird es bei den KollegInnen, die wir erreichen bzw. organisieren wollen, von Anfang an darum gehen, ökonomische und politische Fragen zu verbinden. Dass sowohl die Regierung wie das Unternehmen uns etwas wegnehmen will, ist eine Alltagserfahrung der ganzen Klasse. Warum sollten wir also nicht sowohl gegen Lohnkürzungen der Firma wie gegen Sozialabbau durch die Regierung streiken bzw. mit betrieblichen Aktion dagegen vorgehen oder als KollegInnengruppe auf der Straße protestieren? Wenn wir im Gegensatz zu den gelben Gewerkschaften und ihrem reformistischen Anhang von vornherein zusammenfügen, was zusammen gehört, wird der politische Streik kein utopisches Fernziel bleiben.

3. Mittel zur Arbeiter-
Innenbildung

Der Kommunismus ist eine wissenschaftliche Weltanschauung, die den großen Vorteil der Wahrheit mit dem lästigen Nachteil vereint, dass sie so komplex wie die uns umgebende Realität ist. Daher führt kein Weg daran vorbei, dass politisch aktive Menschen sich bilden müssen. Das gilt auch und gerade für die ArbeiterInnen. Denn die sozialistische Revolution im imperialistischen Zentrum erfordert keine MitläuferInnen, die irgendetwas Unverstandenes nachplappern. Sie benötigt Millionen politisch bewusste und selbständig denkende und handelnde Menschen.

Entgegen bürgerlicher Vorurteile vieler Intellektueller ist es auch keineswegs so, dass ArbeiterInnen kein Interesse an politischer Bildung hätten. Sie können oder wollen nur vielleicht nach acht oder mehr Stunden am Band oder hinter dem Laptop nicht mehr dicke Bücher wälzen. Auch ist es weiterhin so, dass viele, die kein Gymnasium besucht haben, nie gelernt haben, mit längeren Texten oder Büchern zu arbeiten.

Bei der ArbeiterInnenbildung gilt es also Formen der Propaganda zu entwickeln, die der Lebensrealität der ArbeiterInnen angepasst sind. Es gilt zum Beispiel, aus der realen Erfahrung im Betrieb heraus die politische Ökonomie zu erklären, anstatt allein mit Schulungstexten mit Grafiken, Formeln und vielen Fachbegriffen die meisten KollegInnen zu überfordern. Gleichzeitig können die KollegInnen oftmals die realen Zusammenhänge viel konkreter verstehen, da sie ihre Lebensrealität widerspiegelt, ganz anders als so manche SchülerInnen oder StudentInnen, welche die Bildung einfach anhand ihres Intellekts versuchen zu verstehen. Hier gilt es passende Mittel, Methoden und Werkzeuge zu schaffen und weiterzuentwickeln. 

Der Kampf um die Veränderung des bürgerlichen Individuums beginnt in der kommunistischen Betriebsarbeit und den ihr eigenen Organisationsformen. Denn mit lauter bürgerlicher Individualisten, Selbstdarstellern und nach persönlicher Macht strebenden StellvertreterInnen wird die kämpferische Betriebsgruppe schnell wieder zerfallen. Schon hier auf der ersten Stufe politischer Organisierung muss die Arbeit an der Persönlichkeitsveränderung und -entwicklung beginnen. Erfolgreich fortführen können wir diesen Kampf aber nur, wenn wir an einem bestimmten Punkt es auch schaffen, die KollegInnen in den kommunistischen Organisationen selbst zu organisieren und sie dort zu bewussten revolutionären Persönlichkeiten weiterentwickeln.

4. Klassenbewusste und klassenkämpferische Massenorganisationen 

Wie oben ausgeführt, sind die bestehenden Gewerkschaften in Deutschland in letzter Konsequenz Organisationen des Klassenfeindes. Daher brauchen wir strategisch gesehen neue, rote Gewerkschaften. Zwischen diesen beiden Organisationsformen besteht ein antagonistischer Widerspruch, d.h. sie können nicht dauerhaft und stabil nebeneinander bestehen. Wir arbeiten dabei auf die Schaffung roter Gewerkschaften vor der Revolution hin, um sie als Mittel zum Kampf gegen den Kapitalismus zu nutzen. 

Aus kommunistischer Sicht können wir die gelben Gewerkschaften erst dann außer Acht lassen, wenn wir die große Mehrheit der ArbeiterInnenklasse ideologisch gewonnen haben und bei einer Spaltung höchstens kleine Teile der Klasse und die Arbeiteraristokratie der freigestellten Betriebsräte und sonstiger Bürokraten in den gelben Gewerkschaften zurückbleiben. 

Unvermeidbarer Weise wird es daher Übergangsformen geben. Die Revolutionäre Gewerkschaftsorganisation (RGO) als Übergangsstadium und Entwicklungsprozess hin zu roten Gewerkschaften stellt dabei eine wertvolle Erfahrung aus den späten 20er Jahren und den 70er Jahren dar, die es auch für uns heute auszuwerten gilt.

Trotz unserer strategischen Ziele kann die verfrühte Gründung von eigenständigen Organisationen, die offen in Konkurrenz zu den gelben Gewerkschaften treten, ein schwerer taktischer Fehler sein, der uns von den ArbeiterInnen mehr isoliert, als uns unter ihnen zu verankern. Für die Selbstorganisierung der ArbeiterInnen und gegen den Einfluss von Sozialdemokratie und Gewerkschaftsbürokratie müssen wir jedoch unter allen Umständen und jederzeit kämpfen.

Historisch gab es in Deutschland zwei Zeiträume, in denen versucht wurde, revolutionäre Gewerkschaftsorganisationen aufzubauen: Im Zuge der Bolschewisierung unter Führung der KPD von 1929 bis 1933 und in den 1970er Jahren, wo gleich mehrere RGOen durch verschiedene westdeutsche K-Gruppen aufgebaut wurden. Beide Male zeigte sich das Grundproblem der RGO als instabiler Entwicklungsprozess des antagonistischen Widerspruchs zwischen gelben und roten Gewerkschaften.

In der Theorie soll die RGO die (revolutionären) ArbeiterInnen in den reformistischen Gewerkschaften, die aus der Gewerkschaft ausgeschlossenen und die aus den Betrieben rausgeworfenen ArbeiterInnen (Erwerbslose) in einer gewerkschaftlichen Massenorganisation zusammenfassen. Das ist natürlich sinnvoll und notwendig, aber in der Praxis des Klassenkampfs alles andere als einfach zu verwirklichen. Im Gegenteil drängt die innere Dynamik des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit in der Frage gelbe oder rote Gewerkschaft zu einer „Lösung“, die im Gegensatz zu den politischen Zwecken und strategischen Zielen der RGO steht.

Im Fall der KPD sah das so aus, dass die in den Betrieben deutlich stärkere SPD in Form des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) gemeinsam mit den Kapitalisten die KommunistInnen in der Weltwirtschaftskrise aus den Betrieben raus geschmissen hat15. Wo sich die RGO verankern konnte, wurde der ADGB zur offenen Streikbrecherorganisation. Umgekehrt führte dies an der betrieblichen Basis der KPD dazu, dass sie sich immer mehr radikalisierte und entgegen der Linie der KPD und KI auf die – wie sich schnell zeigen sollte, völlig verfrühte – Schaffung roter Gewerkschaften drängte.16 Im Ergebnis blieb die notwendige Offensive der KPD bildlich gesprochen auf den ersten Metern stecken und die Bahn für die faschistische Konterrevolution war frei.17 Denn die Eroberung der Betriebe wie der Mehrheit der ArbeiterInnenklasse war die notwendige Vorbedingung für die Organisierung des bewaffneten Aufstands, den die KPD anstrebte, aber nicht umsetzen konnte. 

In den 1970er Jahren hat die Sozialdemokratie noch weniger gefackelt. Unabhängig von ihrer konkreten politischen Linie wurden alle kommunistischen und revolutionären Organisationen gleichermaßen bekämpft und insbesondere auch durch summarische Gewerkschaftsausschlüsse aus den Gewerkschaften und (faktisch in Zusammenarbeit mit dem Kapital) aus den Betrieben gesäubert. Dazu erließen der DGB bzw. die einzelnen Industriegewerkschaften Unvereinbarkeitsbeschlüsse. Die LehrerInnen-Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) löste sogar den kompletten Landesverband Westberlin auf, wo eine demokratische Mehrheit sich dem widersetzte. Dabei hatten überhaupt nur zwei Parteien (KPD/ML und KPD/AO) eine RGO aufgebaut, die anderen wollten von Anfang an innerhalb der Gewerkschaft für deren Umwandlung kämpfen. Aber auch bei KPD/ML und KPD/AO sollte die RGO – sofern sie nicht gleich zerschlagen wurde – ganz schnell im gelben Gewerkschaftsapparat aufgehen.

Dasselbe Grundproblem zeigt sich auch heute in der betrieblichen Arbeit z.B. bei oppositionellen BasisgewerkschafterInnen. Die politisch bewusstesten AktivistInnen sind dabei oftmals diejenigen, die in ätzender Gremienarbeit versinken und sich dadurch in das betriebliche System einbinden lassen. Andererseits werden aktivierte KollegInnen nach dem nächsten abgewürgten Tarifstreik ihrer Gewerkschaft oder der nächsten antidemokratischen Manipulation von Wahlen empört die gelbe Gewerkschaft verlassen. In den vergangenen Jahren haben die gelben Gewerkschaften bereits Millionen Mitglieder verloren. 

Die Geschichte zeigt uns, dass im Ergebnis die gelben Gewerkschaften und Betriebsräte ihre Macht immer wieder mit derselben Methode festigen: Isolierung der Opposition von der Masse der Belegschaft, indem man ihr innerhalb der Gewerkschaft jeden Raum nimmt und/oder sie als kleine isolierte Struktur raus- und in die Bedeutungslosigkeit abdrängt, Neutralisierung ihrer führenden Köpfe durch Repression und Integration, Freigabe der isolierten Opposition zum Abschuss in Zusammenarbeit mit dem Kapital und gegebenenfalls dem Staat.

Als KommunistInnen im Betrieb, aber selbst wenn wir „nur“ ehrlich die unmittelbaren Interessen der Belegschaft vertreten wollen, stoßen wir schnell auf den Punkt, an dem wir die etablierten Herangehensweisen von Gewerkschaft und Betriebsräten nicht mittragen können. Der Klassenkampf erfordert, dass wir unsere KollegInnen überzeugen, den vorgegebenen Rahmen zu durchbrechen. Zugleich wird man genau diese Versuche nutzen, um uns zum Beispiel als Spalter zu diffamieren und unter den KollegInnen nach Möglichkeit zu isolieren. Mit diesem permanenten Spannungsverhältnis gilt es einen Umgang zu finden.

Zusammenfassend können wir sagen, dass unsere Arbeit in den Betrieben auf die Erreichung der oben genannten strategischen Ziele gerichtet ist. Abhängig davon, wie weit wir bei der Erreichung dieser Ziele sind, und abhängig vom allgemeinen Entwicklungsniveau der ArbeiterInnenbewegung müssen wir nach und nach organisatorische Schritte zu überbetrieblichen Zusammenschlüssen der ArbeiterInnen gehen: Angefangen bei Zusammenschlüssen von klassenkämpferischen ArbeiteraktivistInnen in einzelnen Betrieben über revolutionäre gewerkschaftliche Strukturen im Stile einer RGO bis hin zu im revolutionären Prozess zu gründenden roten Gewerkschaften. 

Der Zeitpunkt, zu dem diese Schritte gegangen werden können, ebenso wie ihre konkrete Ausgestaltung (zum Beispiel der Grad der ideologischen, politischen und organisatorischen Verbindung zur Kommunistischen Partei) hängt dabei jeweils vom Entwicklungsniveau der Klassenkämpfe und des Klassenbewusstseins unter den ArbeiterInnen ab.

Kommunistische Betriebsarbeit in der Praxis

Wenn wir an die oben dargestellte strategische Bedeutung der kommunistischen Betriebsarbeit als eines besonders zentralen Teils der kommunistischen Massenarbeit anschließen wollen, dann muss es unser Ziel sein, einen möglichst großen Teil unserer lohnarbeitenden GenossInnen nach und nach in kommunistischen Betriebszellen zu organisieren. Das setzt zunächst natürlich voraus, dass mehrere GenossInnen in demselben Betrieb arbeiten. Die Aufgaben der Betriebszellen umfassen zunächst die grundsätzlichen Aufgaben jeder kommunistischer Zelle. Sie leiten dabei vor allem die örtliche Betriebsarbeit und in diesem Zusammenhang die zu schaffenden Betriebsgruppen von aktiven KollegInnen an. In Zeiten starker Klassenkämpfe innerhalb des Betriebs werden sie zudem Streik- und Aktionskomitees bilden. 

Es liegt zudem in der Verantwortung der kommunistischen Betriebszelle, regelmäßig die ArbeiterInnen im Betrieb mit eigenem Agitations- und Propagandamaterial rund um die Klassenkämpfe inner- und außerhalb des Betriebs zu versorgen. Dazu können zahlreiche Methoden genutzt werden (Flyer, Betriebszeitung, digitale Netzwerke). Bei dieser Arbeit muss jedoch ein Schwerpunkt auf die persönlichen Beziehungen zu den KollegInnen gelegt werden. 

Die Repression der Kapitalisten macht es notwendig, dass die Betriebsarbeit in bestimmten Bereichen verdeckt vor den Augen von Geschäftsführung, Vorarbeitern und anderen betrieblichen Agenten der Herrschenden geschehen muss. Gleichzeitig müssen die ArbeiterInnen klare AnsprechpartnerInnen und Vertrauenspersonen in uns als kommunistischen ArbeiterInnen und unserer Betriebsarbeit sehen. Ohne dieses Vertrauen werden wir unsere Aufgaben in der Betriebsarbeit auf Dauer nicht erfüllen können.

Betriebsanalyse

Eine wichtige Methode kommunistischer Betriebsarbeit besteht in einer umfassenden Betriebsanalyse. Es ist sinnvoll, diese bei Beginn der organisierten Arbeit in einem Betrieb anzufertigen und danach in regelmäßigen Abständen, z.B. jährlich zu aktualisieren. Bei der Betriebsanalyse geht es darum, anhand von Checklisten bzw. Fragebögen, systematisch alle verfügbaren Informationen über den Betrieb zu sammeln, diese zusammen zu führen und so zu einem Verständnis der inneren Struktur des Betriebs und der Belegschaft zu gelangen. Desweiteren gilt es dadurch Ansatzpunkte für die Arbeit und Schwachpunkte des Feindes herauszufinden.

Themen einer Betriebsanalyse sind u.a.:

Analyse der Produktionskette und Stellung im Produktionsprozess

wirtschaftliche Situation des Betriebs bzw. Unternehmens

Struktur des Managements und der betrieblichen Hierarchien 

Einschätzung der politischen Haltung der KollegInnen 

soziales Gefüge im Betrieb (Cliquen, Nationalitäten, Freizeitgestaltung)

Einschätzung von Betriebsrat & Gewerkschaft

Analyse der Schwachpunkte des Feindes (Image, Just-in Time Produktion etc.)

räumliche Struktur des Arbeitsprozesses, Möglichkeiten in Kontakt mit KollegInnen zu kommen

Juristische Betriebsstruktur (LeiharbeiterInnen, Ich-AG‘s, Outsourcing)

Diese Beispiele dienen nur dazu, den Umfang einer Betriebsanalyse aufzuzeigen und sollten keineswegs als fertige Liste verstanden werden.18 Auch sollten wir uns nicht auf den engen Horizont eines einzelnen Betriebs beschränken, sondern zugleich die allgemeinen Bedingungen in der jeweiligen Branche analysieren. Denn dies kann uns die Ansatzpunkte aufzeigen, um zu Netzwerkstrukturen von KollegInnen verschiedener Betriebe zu gelangen. Diese wiederum können als Keim der von uns angestrebten eigenständigen Klassenorganisationen dienen.

Betriebliche Massenorganisation

Eine kämpferische Betriebsarbeit wird ohne eine möglichst feste Organisierung der KollegInnen auf lange Zeit nicht erfolgreich sein. Der Aufbau kämpferischer Betriebsgruppen als betriebliche Massenorganisationen ist damit ein zentraler Aspekt der kommunistischen Betriebsarbeit. Was zunächst mit regelmäßigen Diskussionen in den Pausen oder zwanglosen Stammtischen beginnen kann, wird sich dann zu einer kämpferischen Alternative zur Isolation im Betrieb und zu der gelben Gewerkschaftsbürokratie entwickeln.

Die betriebliche Massenorganisation muss eine Plattform für die Unzufriedenheit der ArbeiterInnen mit der Arbeitssituation im Betrieb bieten. Ihre berechtigte Wut und ihr Frust sollen sie hier in konstruktive und produktive Bahnen lenken. Erste informelle Netzwerke zwischen verschiedenen KollegInnen legen die Grundlage für die spätere Organisierung.

Gleichzeitig muss hier eine marxistische Bildungsarbeit mit den KollegInnen stattfinden, die an ihre Probleme und Lebensrealität anschließt und sie dort abholt. Hier müssen entsprechende Methoden der politischen Bildung geschaffen werden, die es möglich machen, die richtigen Antworten auf die wesentlichen ökonomischen, politischen und ideologischen Fragen der ArbeiterInnen zu geben. Diese Bildungsarbeit muss zudem zum Ziel haben, den Wissensdurst der ArbeiterInnen und ihren Drang, selber aktiv zu werden, weiter anzufachen.

Klassenkämpfe führen 

Schaffen wir es, erste Netzwerke und Zirkel in einem Betrieb zu bilden und haben wir einen konkreten Überblick über den Betrieb, dann heißt es für uns, erste Kämpfe zu führen. Diese müssen nicht direkt Auseinandersetzungen um Tarifverträge, höhere Löhne oder niedrigere Arbeitszeit sein. Wir können zunächst klein anfangen. Dazu eignen sich etwa Fragen wie die Forderung nach Bezahlung der Arbeitskleidung, kostenlose Getränke, die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften oder die Ablehnung von (ungeplanter bzw. unbezahlter) Mehrarbeit.

Dabei sollten wir mit der Zeit einzelne Kämpfe miteinander verbinden und die ArbeiterInnen und ihre Aktionen nicht allein in einem Betrieb führen, sondern die Kämpfe auf die gesamte Branche oder die komplette Produktionskette ausweiten. Dabei sollten wir auch besondere soziale Zusammensetzungen der Belegschaft beachten z.B. hauptsächlich MigrantInnen aus einem Land oder ausschließlich Frauen im Betrieb. So können wir die potenzielle Produktionsmacht, die wir als ArbeiterInnen haben, voll ausschöpfen und unsere Stärke gegenüber den Kapitalisten voll entfalten. Perspektivisch sind dabei nationale und internationale Netzwerke notwendig, die es ermöglichen diese Organisierung anhand von Branchen und Produktionsketten real umzusetzen. 

Gleichzeitig müssen wir die Kämpfe innerhalb und außerhalb des Betriebes verknüpfen und zusammenführen und die ökonomischen und politischen Forderungen und Kämpfe miteinander verbinden. Hierbei gilt es eben auch die verschiedenen Felder der kommunistischen Massenarbeit zusammen zu bringen und die gemeinsamen Klasseninteressen als verbindendes Element in den Vordergrund zu stellen. Dabei muss uns stets klar sein, dass die konkreten Kämpfe innerhalb des Betriebs entfacht und geführt werden müssen. Von außen können wir diese lediglich unterstützen und solidarisch begleiten. Doch ohne einen ausreichenden Rückhalt bei den KollegInnen im betreffenden Betrieb, werden wir keine erfolgreichen Klassenkämpfe führen können.

1Brief an einen Genossen über unsere organisatorischen Aufgaben, LW, Bd 6, S. 235

2Genaueres zur strategischen Bedeutung der Betriebe und auch der Frage, welchen Betrieben eine besonderes hohe Bedeutung zu kommt, muss im Rahmen einer Klassenanalyse erarbeitet werden.

3Pjatnizki, Die Bolschewisierung der Kommunistischen Parteien, S.141f   www.kombibl.wordpress.com/2013/08/13/ossip-pjatnizki-die-bolschewisierung-der-kommunistischen-parteien-der-kapitalistischen-laender-durch-ueberwinderung-der-sozialdemokratischen-traditionen/

4Zur Bolschewisierung siehe auch unsere Broschüre `Die Bolschewisierung der KPD’, www.komaufbau.org/die-bolschewisierung-der-kpd/  sowie Alexander von Plato, KPD und Komintern, Sozialdemokratie und Trotzkismus, https://tinyurl.com/t6lzx6u

5Siehe dazu Lenin Was tun?! LW 5, S. 355-551 und Brief an einen Genossen über unsere organisatorischen Aufgaben, LW 6, S. 223-244

6Kommunistische Massenarbeit, Kommunismus Nr. 14, S. 26

7Gelbe Gewerkschaften: Ursprünglich sind mit diesem Begriff Gewerkschaften gemeint, die direkt von den Kapitalisten gegründet und aufgebaut werden, als Alternative zu “echten“ Gewerkschaften. Wir bezeichnen die DGB Gewerkschaften in Deutschland auch als gelbe Gewerkschaften, weil sie im wesentlichen diese Funktion, nämlich die ArbeiterInnenklasse ruhig zu halten, erfüllen.

8Ideologie, die unterstellt, dass die ArbeiterInnen sich nicht ausreichend für politische Fragen interessieren, als dass die KommunistInnen diese direkt thematisieren könnten. Stattdessen müsse sich Klassenbewusstsein allmählich entwickeln, in dem die ArbeiterInnen beim Kampf für ihre unmittelbaren ökonomischen Interessen im Betrieb (Lohnerhöhung, Kampf um warmes Teewasser etc.) nach und nach den Charakter des bürgerlichen Klassenstaats erkennen.

9Sozialpartnerschaft: Konzept demzufolge, die ArbeiterInnen und Kapitalisten ihre Interessen versöhnen können und Konflikte nicht auf dem Weg des Machtkampfs, sondern durch die Suche nach Konsens und Kompromissen, lösen sollen.

10Siehe ausführlicher zur geschichtlichen Entwicklung unsere Broschüre `Die Bolschewisierung der Kommunistischen Partei Deutschlands’, www.komaufbau.org/die-bolschewisierung-der-kpd

11Mit dem Montan-Mitbestimmungsgesetz aus dem Jahr 1951 wurde festgesetzt, dass sich der Aufsichtsrat von Bergbau und Eisen- oder Stahlerzeugenden Unternehmen zu gleichen Teilen aus ArbeiterInnen- und KapitalistenvertreterInnen zusammensetzen muss. Es gilt als Modell für die formalisierte Sozialpartnerschaft.

12Lenin: Der Linke Radikalismus. Kinderkrankheit des Kommunismus

13Wir bleiben hier. Dafür kämpfen wir!, Die Buchmacherei, 2007

146 Tage der Selbstermächtigung, Jochen Gester, Willi Hajek, Die Buchmacherei, 2005

15Literarisch gut verarbeitet in dem Roman von Willi Bredel, Maschinenfabrik N&K, aus der Reihe: Der Rote 1 Mark Roman, Internationaler Arbeiterverlag, Berlin 1930

16Siehe dazu die sozialwissenschaftliche Dissertation von Stefan Heinz: Moskaus Söldner? Der `Einheitsverband der Metallarbeiter Berlins’ Entwicklung und Scheitern einer kommunistischen Gewerkschaft, VSA Verlag 2010

17Siehe dazu T. Derbent, Der Deutsche Kommunistischer Widerstand 1933-1945, Kapitel II die KPD im Angesicht des Aufstiegs des Hitler-Regimes

18Ein ausführlicher Fragebogen befindet sich im Anhang der Broschüre „RGO Heute?! Kommunistische Basisarbeit im Betrieb – Revolutionäre Strategie“, www.kombibl.files.wordpress.com/2013/08/rgo_revolutionc3a4re_strategie.pdf