Kommunistische Frauenarbeit

Wenn wir uns heute mit dem revolutionären Subjekt der sozialistischen Revolution in Deutschland auseinandersetzen, dann dürften wir uns mit der Antwort schnell einig sein. Es wird die Arbeiter:innenklasse sein, welche den Sturz der kapitalistischen Herrschaft und den Sozialismus erkämpfen wird, unter Führung der Kommunistischen Partei. Doch die Herrschaft des Kapitals ist untrennbar verwoben mit dem Patriarchat, der Herrschaft des Mannes über die Frau. Und auch andersherum ist die Wurzel des Patriarchats die Klassengesellschaft. Der Kampf gegen beides – Kapital und Patriarchat – kann also nur gemeinsam erfolgreich geführt werden. Nur mit dieser Feststellung ist es möglich, eine richtige Strategie zur Überwindung des Patriarchats zu entwickeln.

Heute stoßen die meisten antipatriarchalen Kämpfe an ihre Grenzen, jedoch ausgehend von unterschiedlichen Richtungen. Auf der einen Seite ist es der weit verbreitete bürgerliche Feminismus, der den Kampf um die Befreiung der Geschlechter auf einen „rein-antipatriarchalen“ Kampf begrenzt. Der Klassenwiderspruch wird verwischt oder gar gänzlich ignoriert. Mehr noch, der bürgerliche Feminismus verschärft den Widerspruch und die Spaltung zwischen den Geschlechtern und bleibt bei der Integration von Frauen und anderen unterdrückten Geschlechtern ins kapitalistische System stehen, womit diese selbst Teil der unterdrückenden und ausbeutenden Klasse werden.

Eine ebenso einseitige Herangehensweise finden wir jedoch auch innerhalb der fortschrittlichen bis revolutionären Bewegung, jedoch ausgehend von einer anderen Seite. Der Klassenwiderspruch wird in den Vordergrund gestellt, ohne die besondere Verzahnung von Patriarchat und Kapital zu beachten. Das Patriarchat sei nur eine Erscheinung des Überbaus und die Überwindung dessen würde sich aus dem Kampf für die sozialistische Revolution ergeben. Der Kampf gegen das Patriarchat wird somit zum Nebenschauplatz.

Das Patriarchat ist jedoch weit mehr als nur ein Überbleibsel vergangener Zeiten. Es ist so eng verwoben mit dem Kapital, dass es einen gezielten, organisierten Kampf dagegen braucht, sowohl nach innen, als auch nach außen. Die Frauen der Arbeiter:innenklasse nehmen eine besondere Stellung im gesellschaftlichen Produktionsprozess ein, da ihnen anhand der gesellschaftlichen Arbeitsteilung die Verantwortung für die unbezahlten reproduktiven Tätigkeiten zugeschrieben wird. Dadurch ergibt sich, dass die Hälfte der Klasse, die für die sozialistische Revolution kämpfen soll, mehrfach ausgebeutet wird.

Anstatt also entweder den Klassenstandpunkt zu verlassen oder aber den Kampf gegen das Patriarchat als bloßes Nebenprodukt des Klassenkampfes zu begreifen, ist es heute unsere Aufgabe, diesen Kampf zusammenzuführen. Sowie die gesamte Arbeiter:innenklasse das revolutionäre Subjekt im Kampf für die sozialistische Revolution ist, so sind es die Frauen dieser Klasse, die sowohl im Klassenkampf, als auch im Kampf für die Frauenrevolution an vorderster Front stehen müssen, da auch sie sich nur selbst von den Ketten des Patriarchats befreien können.

Hierfür gilt es schon heute eine kommunistische Frauenarbeit zu entwickeln, um nicht nur den Kampf gegen das Patriarchat nach innen und nach außen zu organisieren, sondern vor allem um Kommunist:innen zu entwickeln, welche den Klassenkampf und allen voran die Frauen unserer Klasse anführen können. Diese Position wollen wir im folgenden weiter ausführen und darstellen, wie der Kampf für die Frauenrevolution schon heute geführt werden kann.

Der Beginn der Frauenunterdrückung: Die Entstehung des Patriarchats

Wenn wir uns ein Verständnis über die Wirkung des Patriarchats im imperialistischen Zeitalter aneignen wollen, dann müssen wir weit zurück in die Urgesellschaft blicken. Hier hat das Patriarchat seinen Ursprung, weshalb wir vom ältesten Unterdrückungsverhältnis der Welt sprechen. Die Entstehung des Patriarchats verlief über einen langen Zeitraum in Form von komplexen, sich gegenseitig bedingenden Entwicklungen. Diese zu kennen und zu verstehen hilft nicht nur dabei, das Patriarchat in seiner heutigen Form begreifen zu können. Es ist auch wichtig, um die bürgerlichen Erzählungen über eine scheinbare Natur des Mannes und der Frau zu entlarven. Denn anders als wir es in der Schule gelehrt bekommen, ist die geschlechtliche Rollenverteilen nichts „natürliches“, sondern ein Produkt der Entstehung von Klassen und des Privateigentums. Diese komplexe Entwicklung wollen wir hier nur kurz umreißen und verweisen an der Stelle auf eine ausführlichere Ausarbeitung in dem Buch „Grundlagen des Marxismus-Leninismus“. 1

Die menschliche Entwicklung in der Urgesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass es keine Unterdrückung des Menschen durch den Menschen gab. Die ökonomische Grundlage dafür fehlte: Die Menschen lebten von der Hand in den Mund. Sie verbrauchten das, was sie sammelten und jagten. Für das Überleben des Clans war man also auf jede einzelne Person angewiesen und dass sich jede:r einzelne an der Beschaffung von Nahrung beteiligte. Es gab kein Privateigentum, was man anhäufen und zum eigenen Vorteil hätte verwenden können, womit man andere von sich hätte abhängig machen und somit unterdrücken können.

Die gesellschaftliche Stellung der Geschlechter im Produktionsprozess war gleich. Bis auf kürzere Unterbrechungen durch die Schwangerschaft und das Säugen des Kindes beteiligten sich alle am Jagen und Sammeln.

Diese historische Epoche wird auch als „Matriarchat“ bezeichnet. Die Erbschaftslinie verlief matrilinear, da die Kinder nur ihrer Mutter eindeutig zugeordnet werden konnten. Es gab auch darüber hinaus keine Notwendigkeit, den Nachkommen einen Vater zuzuordnen, da die Menschen gemeinschaftlich lebten und es noch keine klar definierten Familienverhältnisse gab. Das Matriarchat darf jedoch nicht einfach als Gegenstück zum Patriarchat verstanden werden, denn der Mann wurde nicht durch die Frau unterdrückt. Da es noch kein Privateigentum gab, fehlte hierfür jegliche materielle Grundlage, die sich erst mit der Weiterentwicklung der Produktivkräfte herausbildete.

Mit der Entwicklung der Produktivkräfte gab es bedeutende Veränderungen. Die Werkzeuge und Methoden der Wirtschaft entwickelten sich weiter und es war nun erstmals möglich, mehr zu produzieren, als unmittelbar benötigt wurde – es entstand das Mehrprodukt und damit auch die Möglichkeit, dieses in Form von Privateigentum anzuhäufen. Dadurch war die Grundlage für die Entstehung von Klassen und somit für Ausbeutung und Unterdrückung geschaffen.

Parallel zur Entstehung der Klassen entwickelte sich ein neuer Wirtschaftszweig – die Hauswirtschaft. Das wurde notwendig, da das Mehrprodukt nun komplexer verarbeitet werden musste. Es wurden Gefäße hergestellt, Tierhäute und Felle bearbeitet, Seifen produziert und vieles mehr. Unter anderem die kurzen Unterbrechungen durch die Schwangerschaft führten dazu, dass Frauen sich eher in den Arbeitsbereichen im und um das Haus herum spezialisierten. Der neu entstandene Wirtschaftszweig entwickelte sich folglich vorwiegend zum Arbeitsbereich der Frauen.

Die Stellung der Frau im gesellschaftlichen Produktionsprozess hat sich also zunehmend verändert. Die ökonomische Veränderung innerhalb der Gesellschaft drückte sich in der ersten Form der gesellschaftlichen Arbeitsteilung anhand der Geschlechter aus, die Arbeitsteilung zwischen produktiver und reproduktiver Arbeit. Sowie die Frau mehr und mehr in die Hausarbeit gedrängt wurde, sicherten die Männer die Ernährung der Familie und nahmen somit auch eine gesellschaftlich höher angesehene Rolle ein.

Aus diesem kurzen Abriss wird bereits deutlich, dass die Entstehung der Klassen und die Entstehung des Patriarchats eng miteinander zusammenhängen. Das Patriarchat konnte erst dadurch entstehen, dass es überhaupt eine Grundlage für die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen gab. Und diese neu entstehende Klassengesellschaft konnte nur wachsen und gedeihen, indem die Frau mit der ersten gesellschaftlichen Arbeitsteilung ihre gesellschaftliche Stellung im Produktionsprozess verlor.

Es entwickelte sich ein Jahrtausende andauerndes Unterdrückungsverhältnis, welches bis heute existiert. Das Patriarchat blieb bis heute durch alle gesellschaftlichen Epochen (Sklavenhalter:innengesellschaft, Feudalismus, Kapitalismus) hindurch erhalten. Was sich jedoch änderte, waren die jeweiligen Formen und Ausprägungen der Unterdrückung.

Die mehrfache Unterdrückung der Arbeiterin im Kapitalismus

Das kapitalistische System wird unter anderem dadurch bestimmt, dass die Arbeitskraft selbst zur Ware wird. Dabei ist diese in der Lage, Mehrwert zu schaffen, den sich die Eigentümer:innen der Produktionsmittel aneignen können. Das Patriarchat ist eng verwoben mit dieser Produktionsweise, weshalb es notwendig ist, einen genaueren Blick in die Richtung der politischen Ökonomie zu werfen.

Die verschiedenen Teile der Arbeiter:innenklasse sind deswegen Arbeiter:innen, weil sie eine besondere Ware verkaufen müssen, um zu überleben: ihre Arbeitskraft. Im Gegensatz zu allen anderen Waren ist diese die einzige, die einen neuen Wert schafft. Denn im Verarbeitungsprozess einer Ware wird selbige verändert, zum Beispiel wenn aus einem Stück Holz ein Tisch oder ein Stuhl hergestellt wird. In diesem Prozess wird der Ware durch die Arbeitskraft ein neuer Wert hinzugefügt. Denn die Ware hat nun einen höheren Wert als das Ausgangsprodukt.

Nun könnte man meinen, dass dieser neu geschaffene Wert auch den Arbeiter:innen zusteht, die ihn durch ihre Arbeit erschaffen haben. Dem ist aber nicht so. Wenn die Arbeiter:innen ihren Lohn ausgezahlt bekommen, dann ist das nur ein Bruchteil des von ihnen geschaffenen Wertes. Die daraus entstehende Differenz behalten die Kapitalist:innen selbst. Wir sprechen hier vom „Mehrwert“, der – wie wir eben gesehen haben – ein Ergebnis der menschlichen Arbeitskraft ist. Daraus ergibt sich, dass die Kapitalist:innen im Sinne eines möglichst hohen Mehrwerts daran interessiert sind, die Löhne möglichst niedrig halten. Aber nach welchen Kriterien wird der Lohn überhaupt bemessen?

Der Arbeitslohn schwankt um den tatsächlichen Wert der Ware Arbeitskraft und bemisst sich an den sogenannten „Reproduktionskosten“. Diese umfassen alle Kosten die aufgebracht werden müssen, um die eigene Arbeitskraft wieder herzustellen, zum Beispiel die Mietkosten für eine Wohnung, die Kosten, um sich zu ernähren oder um sich zu kleiden. In imperialistischen Ländern wie Deutschland ist außerdem ein allgemein höherer Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse zu berücksichtigen. Der ausgezahlte Lohn muss also nicht nur sicherstellen, dass die körperlichen Grundbedürfnisse der Arbeiter:innen erfüllt sind, sondern auch diejenigen Bedürfnisse nach beispielsweise Erholung in Form von Urlaub oder Freizeitaktivität, die einem gewissen gesellschaftlichen Standard entsprechen. Im erweiterten Sinne sind diese Bedürfnisse also Teil der Grundbedürfnisse als kulturell und geschichtlich gewachsene Größe. Inwieweit das durch den Lohn realisiert werden kann, ist aber auch innerhalb der heute sehr ausdifferenzierten Arbeiter:innenklasse unterschiedlich. Wichtig ist dennoch festzuhalten, dass diese Aspekte in die Reproduktionskosten mit einfließen. Auf der Grundlage des Arbeitslohns entsteht ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen dem Interesse der Kapitalist:innen und dem der Arbeiter:innen. Die Kapitalist:innen haben ein Interesse nach möglichst viel Mehrwert und dementsprechend nach möglichst geringen Lohnkosten. Die Arbeiter:innen hingegen haben ein Interesse an höheren Löhnen und dem Erhalt oder der Ausweitung ihres Lebensstandards.

Die Ausbeutung der Arbeiter:innen aufgrund dieser ökonomischen Gesetzmäßigkeiten besteht erst einmal unabhängig vom Geschlecht. Wir haben also die erste Ursache für die Ausbeutung der proletarischen Frau identifiziert: Die Arbeiterin wird ausgebeutet aufgrund ihrer Klassenzugehörigkeit. Um zu verstehen, weshalb die Arbeiterin im Kapitalismus aber mehrfach ausgebeutet wird, schauen wir uns ein weiteres charakteristisches Merkmal der kapitalistischen Produktionsweise an: Die gesellschaftliche Arbeitsteilung in produktive und reproduktive Arbeit.

Wir haben bereits festgestellt, dass sich der Arbeitslohn an den Reproduktionskosten bemisst. Diese Kosten sind für die Kapitalist:innen geringer, je mehr reproduktive Arbeit in Form von privater Arbeit zu Hause erledigt wird. Die Kapitalist:innen profitieren also direkt von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung anhand der Geschlechter, da damit der Lohn gedrückt werden kann. Das Patriarchat sorgt durch die geschlechtsspezifische Sozialisation und die bürgerliche Kleinfamilie als fundamentale Organisationsform dieser Unterdrückung dafür, dass diese Arbeitsteilung aufrechterhalten bleibt.2 Denn auch wenn Frauen sich schon lange den Weg in die Betriebe erkämpft haben und sie mit 46,8 % Prozent fast die Hälfte aller Erwerbstätigen ausmachen,3 so verteilt sich die reproduktive Arbeit nicht gleichermaßen zwischen den Geschlechtern. Dadurch, dass das Patriarchat eine direkte Funktion bezüglich der kapitalistischen, gesellschaftlichen Arbeitsteilung erfüllt, sorgt es also im Gegensatz zu anderen Unterdrückungsmechanismen nicht nur für eine mehrfache Unterdrückung aufgrund bestimmter Merkmale, sondern vor allem für eine besondere Form der Ausbeutung überwiegend von Frauen außerhalb des gesellschaftlichen Produktionsprozesses.

Lange waren es vor allem Männer, die für das Geldverdienen zuständig waren und Frauen waren noch enger an Herd und Heim gebunden. Die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern verlief also strikter und bedeutete letztlich, dass der Lohn des Mannes die Reproduktionskosten der ganzen Familie decken musste. Der Mann erhielt also allein den Familienlohn, um nicht nur sich selbst, sondern auch die Nachkommen sowie die Frau zu versorgen. Dass Frauen zunehmend Teil der produktiven Arbeit wurden war ein wichtiger Erfolg, um aus der privaten Sphäre in die gesellschaftliche zu treten. Diesen Erfolg konnten sich jedoch auch die Kapitalist:innen zu nutze machen. Denn als nur die Männer/Väter arbeiten gingen bedeutete das auch, dass nur einmal Mehrwert geschaffen wurde. Mit dem Eintritt der Frau in die Produktion wurde nun aber auch von ihr Mehrwert produziert, sie stand nun als zusätzliche Arbeitskraft zur Verfügung. Dass Frauen nun auch ein Arbeitslohn gezahlt werden musste, führte dazu, dass der Lohn des Mannes gedrückt wurde und die Frau dafür einen niedrigen Lohn erhalten hat. Der Familienlohn verteilte sich also auf Mann und Frau, da sie die Familie nun gemeinsam versorgen konnten. Für die Kapitalist:innen war das eine gute Rechnung: Es musste insgesamt etwas mehr Lohn gezahlt werden, es wurde aber doppelter Mehrwert geschaffen. Der Eintritt der Frau in die Produktion änderte jedoch nichts daran, dass die reproduktive Arbeit weiterhin in Form von privater Arbeit vorwiegend von der Frau verrichtet wurde.

Auch heute noch gibt es deutliche Unterschiede in der Aufteilung der reproduktiven Arbeit zwischen den Geschlechtern. Frauen leisteten im Jahr 2022 durchschnittlich 44,3 % mehr unbezahlte Arbeit als Männer4. Jedoch handelt es sich bei diesen Zahlen lediglich um Durchschnittswerte, bei welchen Tätigkeiten in die Statistik mit einfließen, durch welche letztlich die Realität beschönigt wird. Geht der Mann täglich eine Stunde Gassi mit dem Hund oder mäht den Rasen, währenddessen die Frau das Abendessen für die ganze Familie zubereitet, so leisten laut bürgerlicher Statistik beide eine Stunde unbezahlte „Reproduktionsarbeit“. Das liegt daran, dass Gartenarbeiten oder die Pflege von Tieren bei der Datenerhebung als ein Teil der unbezahlten Arbeit erfasst werden. Beachtet man in der Statistik jedoch nur die Kategorien „Hausarbeit in der Küche“, „Instandhaltung von Haus und Wohnung“ und „Betreuung von Haushaltsmitgliedern“, also das, was wir als Reproduktionsarbeit bezeichnen würden, bei welchem tatsächlich ein Gebrauchswert für die Familie geschaffen wird, so ist die Differenz selbst bei diesen bürgerlichen Statistiken deutlich höher. Dann liegt der Stundenwert pro Woche für Männer bei 9,9 Stunden und für Frauen bei 17,26 Stunden unbezahlte Arbeit, also 74,3 % mehr.5

Auch bezogen auf das Lohnniveau gibt es erhebliche Differenzen. Im Jahr 2023 erhielten Frauen insgesamt 18 % weniger Lohn als Männer.6 Diese Zahl bezieht sich auf den sogenannten unbereinigten Gender Pay Gap, also den Verdienst unabhängig von Beruf und Qualifikation. Der bereinigte Gender Pay Gap ist um einiges geringer, da diese statistische Erhebung Faktoren wie Beruf und Qualifikation miteinbezieht. Dass der unbereinigte Gender Pay Gap so hoch ist liegt unter anderem daran, dass jede dritte Frau in atypischen Beschäftigungsverhältnissen angestellt ist. Dazu gehört zum Beispiel die Teilzeitarbeit oder geringfügige Beschäftigungen wie Minijobs. Gleichzeitig arbeiten Frauen häufiger in Berufen, die insgesamt schlechter bezahlt werden. Der hohe Anteil an der atypischen Beschäftigung ist wiederum auf die besondere Stellung der Frau im gesellschaftlichen Produktionsprozess zurückzuführen und auf die höhere Belastung durch die Reproduktionsarbeit, wodurch eine Vollzeitbeschäftigung oft nicht möglich ist.

Das Patriarchat kann im Kapitalismus nicht überwunden werden

Wir können durch die Geschichte hindurch sehen, dass das Patriarchat ein sehr flexibles und anpassungsfähiges Unterdrückungssystem ist. Es kann mit der Entwicklung der gesellschaftlichen Bedingungen durchaus seine Methoden und Ausprägungen verändern, bleibt in der Funktion welches es erfüllt jedoch gleich. Zwar gibt es historisch dutzende Beispiele, in welchen Frauen etwa massenhaft in die Produktion geströmt sind und kollektivere Formen der Kinderversorgung gefunden haben, auch unter kapitalistischen Bedingungen. Das gilt insbesondere für Kriege, wenn die Männer und Väter massenhaft an die Front geschickt wurden und die zurückgebliebenen Frauen dadurch zwangsläufig die Produktion am Laufen halten mussten. Das sind jedoch alles keine Anzeichen für die Auflösung des Patriarchats, sondern es ist Ausdruck desselben. Denn kaum waren die Männer zurück von der Front, wurden die Frauen zurück in den Haushalt gedrängt.

Wenn wir uns die Entwicklung der Arbeitsteilung anhand der Geschlechter heute anschauen wollen, so sind wir auf bürgerliche Statistiken angewiesen. Diese erfassen häufig nicht alle Aspekte der reproduktiven Arbeit, oder es umfasst Aspekte, welche wir nicht darunter fassen würden, wie wir bereits anhand von einem Beispiel aufgezeigt haben. Bei der Interpretation dieser Zahlen muss also stets mit bedacht werden, dass sie die Realität häufig nicht korrekt wiedergeben. Dennoch gibt es Entwicklungen die den Anschein erwecken, als wenn die gesellschaftliche Arbeitsteilung anhand der Geschlechter sich innerhalb des Kapitalismus auflösen würde. Auch wenn die einzelnen Zahlen an sich wahrscheinlich um einiges höher anzusetzen sind, so gleicht sich die prozentuale Beteiligung an der reproduktiven Arbeit zwischen Männern und Frauen seit Jahren tendenziell an. Waren es 2022 44,3 % mehr zeitlicher Aufwand für diese Tätigkeiten, so waren es 2012 noch 52,4 %.7 Das liegt jedoch nicht etwa daran, dass das Patriarchat eine geringere Rolle spielen würde, sondern an der relativen Stabilität des Kapitals in den imperialistischen Ländern und an den Extraprofiten, wodurch diese Entwicklung überhaupt erst möglich wurde und ein Teil der reproduktiven Arbeit in Form von bezahlten Dienstleistungen ausgelagert werden konnte an noch schlechter gestellte Arbeiter:innen, häufig Migrant:innen. Ein Beispiel dafür ist die Übernahme der Pflege von Angehörigen durch ausländische Pflegekräfte, deren prozentualer Anteil sich allein von 2013 bis 2021 fast verdreifacht hat.8

Je stärker wir aber auf neue große Verteilungskriege und Wirtschaftskrisen zusteuern, desto stärker wird das Kapital auf die patriarchalen Mechanismen, die Sicherung der bürgerlichen Kleinfamilie und die Aufrechterhaltung von klaren Geschlechterrollen zurückgreifen müssen. Die kapitalistische Produktionsweise ist auf die gesellschaftliche Arbeitsteilung angewiesen und diese funktioniert nur dann zuverlässig und effektiv, wenn die Geschlechter entlang der binären Rollenverteilung in Mann und Frau die für sie vorgesehenen Rollen möglichst freiwillig erfüllen.

Die Flexibilität des Patriarchats zeigt sich auch im gesellschaftlichen Umgang mit Geschlechtern jenseits der Binarität. In Phasen der Stabilität kann der deutsche Staat gewisse Freiräume und rechtliche Zugeständnisse zulassen. Sobald sich aber die inneren und äußeren Widersprüche zuspitzen, werden diese wieder massiv eingeschränkt. Das sieht man zum Beispiel am „Selbstbestimmungsgesetz“, welches vorsieht, dass trans Frauen und nicht binäre Personen im Kriegsfall keine Änderung des Geschlechtseintrags vornehmen dürfen und sie im „Verteidigungsfall“ zum „Dienst mit der Waffe“ verpflichtet werden, wenn sie ihren Geschlechtseintrag weniger als zwei Monate zuvor geändert haben.9

Bezahlte Hausarbeit oder Klassenkampf? Die Rolle von Reformen im Kampf gegen das Patriarchat

Die Forderung nach Bezahlung der Hausarbeit ist in der feministischen Bewegung schon relativ alt und wird immer wieder aufgegriffen.10 Der Gedanke dahinter ist, dass die Hausarbeit erst durch eine Entlohnung „Wertschätzung“ erfahren würde, als „richtige Arbeit“ anerkannt würde. Diese Haltung führt den Kampf gegen das Patriarchat in die falsche Richtung. Denn so, wie diese Forderung gedacht ist, ist sie im Kapitalismus weder umsetzbar noch wünschenswert. Diese Form der bezahlten Hausarbeit – also dass die (Ehe-) Frau und Mutter Lohn für die reproduktiven Tätigkeiten erhält – widerspricht den ökonomischen Grundgesetzen im Kapitalismus. Wie wir bereits gesehen haben bemisst sich die Höhe des Arbeitslohns an den Reproduktionskosten. Nur ein kleiner Teil der Reproduktionsarbeit ist heute gesellschaftliche Arbeit. Da aber nur gesellschaftliche Arbeit, das bedeutet die Produktion für den Austausch, eine Ware bildet, stellen nur diese Bereiche im Kapitalismus einen Wert dar. Die Hausarbeit findet heute in den meisten Fällen in Form von privater Arbeit statt. Das bedeutet, dass sie nicht in den gesellschaftlichen Gesamtarbeitstag fällt und das obwohl sie ein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt, also einen Gebrauchswert hat.

Da diese private Arbeit, die vor allem von proletarischen Frauen ausgeführt wird, die auch heute noch trotz der sinkenden Zahlen in einem nennenswerten Umgang stattfindet, senkt sie im Kapitalismus den Wert der Ware Arbeitskraft, also den Lohn der Arbeiter:innen. Denn wenn die private Arbeit zur gesellschaftlichen wird, dann muss sie nach den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus auch in die Reproduktionskosten einfließen.11

Außerdem ist die Umsetzung der Forderung auch nicht wünschenswert, denn das würde bedeuten, dass die Arbeiterin aus der Situation der Familienarbeit noch schwerer heraus kommen würde, als heute schon. Es würde sich auch ökonomisch weiter festigen, dass die Frauen zu Hause bleiben und es wäre noch leichter, sie vom gesellschaftlichen Leben zu isolieren. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage, wer diese Arbeit bezahlen soll? Soll sie aus dem Familienlohn bezahlt werden? Welcher Vorteil ergäbe sich dadurch? Oder soll dies staatlich oder durch die Unternehmen finanziert werden? Beides würde den bisherigen Lohn massiv senken, denn letztlich werden auch alle staatlichen Ausgaben durch die Steuern der Arbeiter:innenklasse getragen. Auch die Kapitalist:innen würden diesen Betrag von den bisherigen Löhnen abziehen. Weder die Proletarierinnen, noch die gesamte Arbeiter:innenklasse hätte also irgendetwas gewonnen. Dementsprechend ist es unbedingt notwendig, den Kampf gegen Patriarchat als elementaren Bestandteil des Klassenkampfes zu verstehen, die Spaltung der Arbeiter:innenklasse nicht selber voranzutreiben und gleichzeitig nicht versöhnlerisch mit dem Patriarchat zu werden.

Bei aller Gültigkeit dieser Analyse wollen wir hier dennoch nochmals auf die besondere Situation im Imperialismus eingehen. Denn es ist richtig, ein Großteil der reproduktiven Tätigkeiten wird heute in Form von privater Arbeit, außerhalb des gesellschaftlichen Produktionsprozesses geleistet und schafft somit keinen direkten Tauschwert. Jedoch können wir vor allem in den imperialistischen Zentren unter anderem am Beispiel der Pflege beobachten, dass der stetig wachsende Dienstleistungssektor eben diese Funktion zum Teil erfüllt und reproduktive Tätigkeiten selbst zur Ware macht. Ein immer größerer Teil davon wird durch aus dem Ausland stammende Arbeitskräfte gestemmt. Durch die imperialistischen Extraprofite ist es also durchaus möglich, Teile der privaten Reproduktionsarbeit zu vergesellschaften. Zum Beispiel, indem diese Tätigkeiten auf billige Arbeitskräfte aus dem Ausland abgewälzt werden. Letztlich kann sich das Kapital auch das zu nutzen machen – denn so könnte auch die Frau noch mehr Arbeiten gehen und damit mehr Mehrwert erwirtschaften. Die Forderung nach bezahlter Hausarbeit droht letztlich also immer auch eine chauvinistische zu sein, da sie sich aus der imperialistischen Stellung Deutschlands heraus ableitet und letztlich „Verbesserungen“ für Frauen auf dem Rücken anderer bedeuten würde.

Als Kommunist:innen ist uns dennoch klar, dass Reformen nicht grundsätzlich abzulehnen sind. Sie sind vielmehr ein Nebenprodukt des revolutionären Kampfes, da wir immerhin schon heute für konkrete Verbesserungen der Situation der Frau und aller unterdrückten Geschlechter kämpfen müssen. Im Vordergrund dabei steht also die Frage, ob diese oder jene Reform tatsächlich auch unsere Kampfbedingungen im Klassenkampf verbessern und ob sie Klassenbewusstsein schaffen. Die Forderung nach der bezahlten Hausarbeit gehört hier eindeutig nicht dazu. Eine Reform, die unsere Situation jedoch konkret verbessern würde, wäre die nach dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung in Form der kostenlosen und legalen Schwangerschaftsabbrüche. Oder auch das voll umfassende Recht auf die geschlechtliche Selbstbestimmung. In den Kämpfen um bestimmte Reformen dürfen wir uns jedoch zu keinem Zeitpunkt mit erkämpften Erfolgen zufrieden geben. Denn alles, was wir uns innerhalb des Kapitalismus erkämpft haben, kann uns zu jeder Zeit wieder genommen werden, wenn die gesellschaftliche Situation es für die Herrschenden notwendig macht.

Gesellschaftliche Erscheinungsformen des Patriarchats

Die Frau wird heute im Kapitalismus nicht nur ökonomisch ausgebeutet, sondern auch gesellschaftlich unterdrückt. Die menschliche Gesellschaft wird seit Jahrtausenden in einem patriarchalen Unterdrückungsverhältnis sozialisiert, was sich in jeglichen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens widerspiegelt. Die Sozialisation in gegensätzliche Geschlechterrollen prägt heute ganz grundlegend unsere Persönlichkeitsstruktur und stützt direkt die ökonomische Macht der Kapitalist:innen. Wer über diese ökonomische Macht verfügt konzentriert in seinen Händen auch die politische Macht. Diese wiederum wird von der herrschenden Klasse genutzt, um eben jene Macht aufrechtzuerhalten und ihre Interessen durchzusetzen. Dazu gehört es, die Ideologie der herrschenden Klasse als Stütze ihrer Macht in die Gesellschaft zu tragen. Dies gilt auch für die bürgerlich-patriarchale Ideologie.

Die Bourgeoisie verfügt über kaum begrenzte Mittel und Möglichkeiten, dies zu realisieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Bildungssystem, angefangen von den Kitas, über die Schule und Universitäten, bis hin zu den Ausbildungsstätten, den Medien und dem Internet. Wenn Kinder und junge Menschen also nicht von den eigenen Eltern mit den klassischen binären Rollenbildern erzogen werden, dann von weiten Teilen der Gesellschaft. Es wäre eine idealistische Herangehensweise zu sagen, dass man sich durch individuelle und fortschrittliche Erziehungsansätze diesem Mechanismus vollständig entziehen könnte.

Wenn wir uns die geschlechtlichen Rollen genauer anschauen, können wir feststellen, dass Frauen in die Rolle der Unterdrückten und Männer in die Rolle des Unterdrückers sozialisiert werden und sie diese Rolle auf einer gesellschaftlichen Ebene auch unabhängig vom eigenen Willen und Bewusstseinsstand einnehmen. Die Sozialisation der Geschlechter richtet sich letztlich darauf aus, dass sie ihre Funktion im kapitalistischen Produktionsprozess erfüllen. So werden Mädchen schon von der Geburt an Werte und Verhaltensweisen vermittelt, durch welche sie die Fürsorge für die zukünftige Familie und die Hausarbeit erlernen. Sie sollen lernen, „sich zu benehmen“, angepasst und ruhig zu sein. Dies schlägt sich auch in einer spezifischen Körper- und Bewegungssozialisation nieder. Mädchen lernen eher als Jungen unauffällig zu sein, keinen Raum einzunehmen und nicht zu laut zu sein. Bei Jungen ist vieles davon entgegengesetzt. Sie lernen wettbewerbsorientiert zu sein, dürfen eher laut sein und toben, dürfen den Raum einnehmen und sich ausprobieren.

Jedoch spiegeln sich auch die größer werdenden Widersprüche des Kapitalismus in komplexer gewordenen Persönlichkeitsstrukturen wider, wodurch die Entwicklung der Rollenbilder widersprüchlich verläuft. So können sich diese ansozialisierten Rollen bei den Geschlechtern sehr unterschiedlich äußern. Nicht jede Frau ist zurückhaltend und nicht jeder Mann dominant und Raum einnehmend, wodurch sie wiederum mit anderen Widersprüchen konfrontiert sind, weil sie sich eben nicht entsprechend den Erwartungen verhalten. Dennoch bleiben von der Tendenz her einige „klassische“ Ausdrucksformen der geschlechtlichen Sozialisation auch heute noch bestehen und spiegeln sich dementsprechend auch in der politischen Arbeit wieder, wodurch Frauen der Raum für ihre Persönlichkeits- und Kaderinnenentwicklung noch immer verengt wird.

Auf die Spitze getrieben werden die Rollenbilder und geschlechtsspezifischen Erwartungshaltungen durch eine kapitalistische Industrie, die aus künstlich geschaffenen Schönheitsidealen und Bedürfnissen massiven Profit schlagen kann. Eine große Rolle spielt hierbei die Medien- und Werbeindustrie mit etlichen Beautyprodukten und einem regelrechten Fitnesswahn. Zu beobachten ist auch ein Boom an Schönheitsoperationen. All das sind Dinge, die viele Millionen Euro einbringen und gleichzeitig teils schwere gesundheitliche Folgen haben können. Doch auch das künstliche Frauenbild von Männern und die Erwartungshaltung, mit welcher diese anderen Frauen begegnen, wird dadurch befeuert. Frauen wird im Patriarchat durch die Sexualisierung und Objektivizierung ihrer Körper das Subjektsein abgesprochen. So werden sie Männern gesellschaftlich untergeordnet und nehmen häufig die Rolle ein, Projektionsfläche für die Bedürfnisse des Mannes zu sein und diese zu befriedigen.

Patriarchale Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter

Jedes Unterdrückungsverhältnis, welches uns heute begegnet, wird durch eine Vielzahl an Methoden aufrecht erhalten. Diese Methoden können integrativ sein, also zur scheinbar freiwilligen Unterwerfung führen, oder aber mit Gewalt eine Unterwerfung erzwingen. Besonders der Imperialismus hat eine große Vielfalt an solchen integrativen Methoden entwickelt, durch welche eine Illusion vermeintlicher Freiheit, das Bild der „emanzipierten Frau“ im Kapitalismus geschaffen und somit die Kampfkraft der Frau gehemmt wird.

Auch wenn die integrative Seite im Imperialismus nicht zu unterschätzen ist, spielt die direkte Gewalt als Mittel der Unterwerfung auch heute noch eine zentrale Rolle bei der Aufrechterhaltung sowohl der Klassengegensätze als auch des Patriarchats. Ob Gewalt in der Ehe und Partnerschaft, sexuelle Übergriffe, Stalking oder Frauenhandel. Ob psychische, physische oder sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Eins haben alle diese Formen gemeinsam. Ihr Ziel ist es, Macht über Frauen zu erlangen und somit die patriarchalen Rollen aufrechtzuerhalten. Frauen werden dadurch auf den für sie vorgesehenen Platz verwiesen, beziehungsweise darauf zurück verwiesen, wenn sie versuchen sich dagegen aufzulehnen. Da das Kapital vom Patriarchat profitiert, hat der bürgerliche Staat auch nur ein begrenztes Interesse daran, aktiv gegen Gewalt an Frauen vorzugehen. Im Kampf gegen patriarchale Gewalt ist auf den Staat mitsamt seinen Organen wie der Polizei also zu keinem Zeitpunkt verlass. Deshalb muss es als Kommunist:innen schon heute unser Anspruch sein, einen professionellen und politischen Umgang mit patriarchaler Gewalt zu finden. Das bedeutet, dass wir ein möglichst einheitliches Vorgehen entwickeln müssen, wie wir konkrete Situationen einschätzen und welche Handlungen und Konsequenzen daraus resultieren. Erste Ansätze und Leitlinien zu so einem Vorgehen wurden von den Kommunistischen Frauen in der Broschüre „Umgang mit patriarchaler Gewalt“ verallgemeinert.12 Ein paar Beispiele für dort festgehaltene Prinzipien sind:

1. Wir stehen immer parteiisch auf der Seite der Betroffenen. Dabei haben wir den Anspruch, einen möglichst wenig emotionalisierten, sondern einen politischen Umgang zu finden.

2. Die Verantwortung für die Gewalt liegt immer beim Täter. Verschiedene Ansätze der kollektiven Verantwortungsübernahme für eine einzelne Tat lehnen wir ab. Das Umfeld eines Täters ist für das eigene Verhalten verantwortlich.

3. Die Entscheidungsgewalt im Umgang mit patriarchaler Gewalt liegt ausschließlich bei der Frauenorganisation.

Spaltung der Arbeiter:innenklasse in Unterdrückte und Unterdrücker

Die gesellschaftlichen Erscheinungsformen des Patriarchats greifen zunächst unabhängig von der jeweiligen Klassenzugehörigkeit. Aus dieser Perspektive sind Frauen die Unterdrückten und Männer die Unterdrücker. Für eine richtige Analyse und Praxis müssen wir jedoch die Klassenverhältnisse miteinbeziehen. Denn Frauen der Bourgeoisie können sich, anders als Frauen der Arbeiter:innenklasse, aufgrund ihrer ökonomischen Macht von vielen spezifischen Ausdrucksformen des Patriarchats freikaufen. Die Kapitalistin kennt nicht nur keine mehrfache Ausbeutung und Unterdrückung, sondern sie selbst ist eine Ausbeuterin und Unterdrückerin, letztlich auch gegenüber dem proletarischen Mann. Somit steht sie der proletarischen Frau nicht etwa näher aufgrund ihres Geschlechts, im Gegenteil. Sie ist eine Gegnerin der proletarischen Frau im Kampf für die Frauenrevolution. Die gleiche Notwendigkeit zu differenzieren gilt für den proletarischen Mann. Denn auch wenn er heute von der mehrfachen Ausbeutung der Frau profitiert und gewisse Privilegien hat, so sind die Hauptprofiteure am Ende immer noch die Kapitalist:innen. Sie profitieren nicht nur materiell vom Patriarchat, sondern auch dadurch, dass damit unsere Klasse in Unterdrücker und Unterdrückte gespalten und damit die gemeinsame Schlagkraft gehemmt wird. Die Situation des proletarischen Mannes ist also sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite hat er langfristig gesehen ein objektives Interesse an der Überwindung des Patriarchats, da ein Unterdrücker nicht frei sein kann. Zusätzlich kann die Befreiung der Arbeiter:innenklasse nur gelingen, wenn die Spaltungsmechanismen überwunden werden, wenn der Arbeiter selbst sein gemeinsames Interesse mit der proletarischen Frau erkennt. Auf der anderen Seite profitiert er heute dennoch unmittelbar von der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entlang der Geschlechter und der Kampf gegen das Patriarchat geht mit einem Verlust seiner höheren gesellschaftlichen Stellung gegenüber der Frau einher. Das gemeinsame objektive Interesse am Sturz des Kapitals eint uns jedoch als ganze Klasse, weshalb der proletarische Mann dennoch der wichtigste Verbündete der proletarischen Frau ist.

Die Frauenrevolution wird das Patriarchat besiegen!

Aus den ausgeführten Analysen können wir nun einige Schlussfolgerungen ableiten, die für den Kampf gegen das Patriarchat gelten müssen. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass weder das Patriarchat, noch die kapitalistische Produktionsweise isoliert voneinander zerschlagen werden können. Zum einen muss dem Patriarchat durch die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln und die Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates, also durch die sozialistische Revolution, seine ökonomische Grundlage genommen werden. Zum anderen benötigt es eine gesellschaftliche Veränderung des Bewusstseins und Handelns, denn der sozialistische Aufbau wird sich langfristig nur realisieren lassen mit der Befreiung der Frau – das jedoch ist kein Automatismus, sondern benötigt gezielte Anstrengungen, die sich nicht auf morgen verschieben lassen. Es wäre eine falsche Annahme, dass mit der Veränderung der ökonomischen Basis das Patriarchat wie von allein verschwinden würde. Im Gegenteil, wenn nicht schon heute bewusste Maßnahmen ergriffen werden, um dem Patriarchat sowohl organisatorisch als auch ideologisch zu begegnen, so kann der Sozialismus nicht siegreich sein. Das patriarchale Bewusstsein, was zur Unterdrückung von einem großen Teil der Arbeiter:innenklasse führt, wird der konsequenten Fortführung des Kampfes gegen das Patriarchat auf dem Weg zum Kommunismus im Weg stehen. Unter Frauenrevolution verstehen wir also eine gezielte Umwälzung der Geschlechterverhältnisse, für welche schon heute die Entwicklung von Geschlechtsbewusstsein bei allen Geschlechtern notwendig ist.

Geschlechtsbewusstsein zu entwickeln ist ein untrennbarer Bestandteil der eigenen Persönlichkeitsentwicklung, da die geschlechtliche Sozialisation nicht etwa nur einen bestimmten Teil unserer Persönlichkeit bildet, sondern diese vollständig durchdringt. Andersherum könnten wir auch sagen, dass die Entwicklung unserer Persönlichkeiten ohne Entwicklung von Geschlechtsbewusstsein begrenzt bleiben muss. Geschlechtsbewusstsein umfasst dabei sowohl ein Bewusstsein über das eigene Geschlecht, als auch über die Stellung der jeweiligen Geschlechter im gesellschaftlichen Produktionsprozess als Ganzes. Dazu gehört dann auch ein Bewusstsein darüber, ob man selbst zum unterdrückten oder unterdrückenden Geschlecht gehört und wie sich das im eigenen Denken, Fühlen und Handeln niederschlägt. Aufbauend auf diesem Bewusstsein müssen gezielte Anstrengungen unternommen werden, die bürgerlichen und patriarchalen Einflüsse und Prägungen zu bekämpfen, das Denken, Fühlen und Handeln zu verändern.

Kein konsequenter Kampf gegen das Patriarchat ohne Frauenorganisation!

Es dürfte inzwischen deutlich geworden sein, dass Frauen und Männer aufgrund der geschlechtsspezifischen Sozialisation mit ungleichen Bedingungen in ihr Leben starten. Diese ungleichen Bedingungen werden existieren, solange das Patriarchat existiert, ja solange die Klassengesellschaft existiert. Sie machen keinen Halt vor fortschrittlichen und revolutionären Organisationen und erfordern eine Antwort. Wenn wir sagen, dass wir gezielt Frauen zu politisch bewussten Personen, zu kommunistischen Kaderinnen entwickeln wollen, dann müssen wir anerkennen, dass wir ungleiches nicht einfach gleich behandeln können. Damit würden wir diese Ungleichheit, die Auswirkungen des Patriarchats, letztlich ignorieren und dem konsequenten Kampf gegen das Patriarchat nicht gerecht werden. Deshalb erhalten die Frauen mit einer sie vereinenden Organisation die Macht, die sie benötigen, um gegen dieses Ungleichgewicht vorgehen zu können.

Die Hürde für Frauen, sich am politischen Kampf zu beteiligen, ist um einiges höher und sie begegnen in vielen Arbeitsbereichen ganz spezifischen Schwierigkeiten aufgrund der eigenen Sozialisation. Hierfür müssen wir eine besondere Arbeit und Methoden entwickeln unter Führung kommunistischer Frauenkaderinnen. In der revolutionären und kommunistischen Bewegung gibt es wohl kaum eine Frage, die so umstritten ist wie die Frage der Frauenorganisation. Für uns jedoch ist die Antwort klar und unverhandelbar. Es kann keinen konsequenten Kampf gegen das Patriarchat geben, weder nach innen noch nach außen, ohne Frauenorganisationen auf allen Ebenen, deren Mitglieder und Kaderinnen unversöhnlich und gut geschult sind im Kampf gegen das Patriarchat und in der Entwicklung von Frauenkaderinnen. Eine Frauenorganisation ist dabei kein Rückzugsort oder „Safe Space“. Es ist nicht der Ort, um sich miteinander in Kritiken und gemachte Erfahrungen hineinzusteigern und sich somit doch wieder zu lähmen. Im Gegenteil ist das Ziel einer Frauenorganisation gemeinsam kämpfen zu lernen und die hemmenden Aspekte der eigenen Sozialisation hinter sich zu lassen. Zu lernen sich gegenseitig zu kritisieren, miteinander zu diskutieren und sich gezielt in den Bereichen zu schulen und zu entwickeln, wo die patriarchalen Einflüsse und somit eben auch die eigenen Genossen oft im Weg stehen. Die Aufgabe der Frauenorganisation ist letztlich nichts anderes, als mit geschulten Kaderinnen den Klassenkampf und die Frauenrevolution anzuführen. Kaderinnen, die die proletarischen Frauen in diesem Kampf mitreißen, sie dazu befähigen, die Ketten des Patriarchats zu sprengen. Eine Grundvoraussetzung für die sozialistische Revolution und den Aufbau der Diktatur des Proletariats ist eine revolutionäre Partei des Proletariats, also die kommunistische Partei. Die kommunistische Frauenorganisation muss bereits im Parteiaufbau ein natürlicher Bestandteil der Arbeit sein, damit die Interessen der Frau von Anfang an konsequent vertreten sind und Frauen dann ihren Platz in der Partei einnehmen können. Hierfür reicht es nicht aus, einfach Appelle und Erwartungen zu formulieren. Der effektivste Weg, dies zu erreichen ist, indem Kommunistinnen sich selbst zu führenden Kräften im Parteiaufbau und allen vorhandenen Arbeitsbereichen und Ebenen entwickeln und diese Verantwortung annehmen. Nur so können wir uns und dem ganzen Proletariat eine Waffe schmieden, die vor, während und auch nach der Revolution den unversöhnlichen Kampf gegen das Patriarchat führt. Das sicherzustellen und zu kontrollieren ist unter anderem die Aufgabe der Frauenorganisation. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Diskussionen rund um das Patriarchat ausschließlich in der Frauenstruktur diskutiert werden. Im Gegenteil, es ist notwendig, die Diskussionen in die ganze Partei zu tragen, denn nur so kann eine untrennbare ideologische, politische und organisatorische Einheit geschaffen werden und erhalten bleiben. Die Arbeit zur Frauenrevolution zu führen und zu leiten ist dennoch Aufgabe der Frauenorganisation, weshalb bei ihr auch die Entscheidungsgewalt über diesen Arbeitsbereich liegen muss.

Frauenrevolution bis zum Kommunismus!

Die Frauenrevolution kann nicht getrennt vom Klassenkampf erreicht werden und sie kann nur siegen, wenn das Klassenbewusstsein und die Klassensolidarität mit allen Geschlechtern der Arbeiter:innenklasse fester Bestandteil davon ist. Denn uns verbindet letztlich ein gemeinsamer Feind, die Bourgeoisie, welche es zu bekämpfen gilt. Dieser Kampf ist erst vollendet, wenn wir eine klassenlose Gesellschaft erreicht haben, in welcher niemand mehr unterdrückt wird und niemand mehr unterdrückt. Erst mit dem Übergang in die klassenlose Gesellschaft werden sich auch alle Reste der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entlang der Geschlechter auflösen, womit es auch keine Notwendigkeit mehr für binäre Geschlechterrollen geben wird. Die Frauenrevolution ist also erst vollendet, wenn jegliche Unterdrückung auf Grund des Geschlechts oder der Sexualität beendet ist. Wenn der neue Mensch erschaffen ist, der alle negativen kapitalistischen Verhaltensweisen und Einflüsse überwunden hat.

Doch bereits mit der sozialistischen Revolution werden die materiellen Möglichkeiten der Frauen, ihre Interessen durchzusetzen, sprunghaft wachsen. Schon in den ersten Stunden nach der Revolution werden wir ein mit heute unvergleichbar fortschrittliches Niveau erreichen können. Spätestens mit der sozialistischen Revolution werden Forderungen wie „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, die Streichung aller unterdrückenden Gesetze, das bedeutet die vollkommene Gleichstellung und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in die Praxis umgesetzt und ihre Einhaltung kontrolliert werden. Jedoch werden wir nicht bei einer juristischen Gleichstellung stehen bleiben können. Auch im Sozialismus werden wir Frauen besondere Rechte und Werkzeuge in die Hand geben müssen, um ihre Errungenschaften verteidigen und für weiteren Fortschritt kämpfen zu können. Bedingt durch die Veränderung der objektiven Realität aller, also die Veränderung des Systems hin zum Sozialismus, wird sich auch das Bewusstsein der Gesellschaft verändern. Dennoch bleibt die zuvor getroffene Aussage gültig und die sozialistischen Erfahrungen mit ihrer revisionistischen Entwicklung beweisen es uns: Hierfür bedarf es kontinuierliche, besondere Anstrengungen und Maßnahmen. Auf dem Weg zum Kommunismus wird es keinen Zeitpunkt geben, an welchem wir die Füße hochlegen und die Entwicklung sich selbst überlassen können. Die neuen Generationen werden von klein auf in einem sozialistischen Geiste erzogen. Die Kinder, die Jugendlichen und Erwachsenen werden nach den Werten der Kollektivität und Solidarität neu erzogen und sozialisiert. Dabei spielen Bildungsangebote, eine Vielzahl kultureller Angebote, das neu organisierte gesellschaftliche Leben und die gemeinschaftlich organisierte Arbeit eine zentrale Rolle.

Außerdem wird eine tatsächliche Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit erst möglich sein, wenn keine Minderheit mehr von der privaten Verrichtung dieser Tätigkeiten profitiert. Im Sozialismus kann dies angegangen werden. Dafür muss zum einen in allen geografischen Bereichen des sozialistischen Staates ein entsprechend hohes Produktionsniveau erlangt werden, und zum anderen ein neues Verständnis von Erziehung und Pflege gewonnen werden, sodass diese gesellschaftlich bzw. kollektiv stattfinden können. Auch hier gibt es wertvolle Erfahrungen und Schriften von führenden Revolutionärinnen der Sowjetunion wie Nadeshda Kontstantinowa Krupskaja13 oder Alexandra Kollontai14. Diese Erfahrungen gilt es auszuwerten und weiterzuentwickeln.

Mit dem Aufbau der Rätemacht wird es unweigerlich die Aufgabe der Frauen sein, auch Frauenräte aufzubauen. Hier sind die Frauen in Bayern 1918 schon voran gegangen. Während an vielen Orten, insbesondere durch die SPD, die Gründung eigener Frauenräte verhindert wurde, forderte Rosa Kempf auf der provisorisch gebildeten Nationalversammlung in Bayern: „Wenn also wirklich die Räte als Fundament einer neuen politischen Organisation bestehen bleiben sollen, dann muss auch für die Frauen eine derartige Ratsorganisation geschaffen und sie muss mit Funktionen und Rechten ausgestattet werden.“15 Damals waren die Frauen nicht organisiert und konnten so ihren kollektiven Willen nicht durchsetzen. Das darf sich in Zukunft nicht noch einmal wiederholen. Die Frauenräte sind ein Mittel, die besondere Organisierung der Frauen auf allen Ebenen zu sichern und gleichzeitig sicher zu stellen, dass sich nicht auf den Erfolgen der sozialistischen Revolution ausgeruht wird. Es wird die Aufgabe der Frauenräte sein, zu kontrollieren, ob die Errungenschaften der Frauenrevolution eingehalten werden und dafür zu kämpfen, dass kein Schritt zurück gegangen wird. Gleichzeitig wird es auch ihre Aufgabe sein, die Frauenrevolution voranzutreiben und neue Methoden im Kampf gegen die patriarchalen Überreste zu entwickeln, bis diese schließlich mit dem Übergang zum Kommunismus vollkommen verschwinden. Erst dann, mit der Auflösung aller Klassenunterschiede wird der Klassenkampf und somit auch die Frauenrevolution gesiegt haben.

Frauenrevolution heißt Freiheit für alle Geschlechter!

Das Kapital ist auf die patriarchale Einteilung der Menschen in zwei binäre Geschlechter angewiesen, damit diese jeweils ihre Funktion in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung erfüllen können. Die Vorstellung von den zwei binären Geschlechtern ist selbst von der bürgerlichen Wissenschaft längst widerlegt. Wenn wir uns der Frage des Geschlechts materialistisch annähern, können wir feststellen, dass „Geschlecht“ ein komplexes Geflecht unterschiedlicher Ebenen darstellt. Die Ebene der körperlichen Geschlechtsmerkmale ist hierbei nur einer von mehreren Aspekten. „Geschlecht“ deshalb auf eben diese zu reduzieren, wäre ein grober analytischer Fehler. Um den Kampf gegen das Patriarchat mit den richtigen Mitteln und Methoden, mit den richtigen Antworten und Perspektiven führen zu können, brauchen wir jedoch eine materialistische Analyse von Geschlecht. Dann müssen wir praktische Antworten finden auf die Feststellung, dass es eben mehr als nur die zwei binären Geschlechter gibt. Viele Teile der fortschrittlichen und revolutionären Bewegung tun sich heute in dieser Frage schwer. Zu tief sitzen die patriarchalen Vorstellungen bezüglich „Geschlecht“ und zu schnell verbucht man jede Auseinandersetzung mit Geschlechtern jenseits der Binarität als „postmodern“. Es ist klar, dass der Postmodernismus als bürgerliche, konterrevolutionäre Strömung keine richtigen Analysen und Antworten auf die Frage der Befreiung aller Geschlechter bieten kann. Das Ergebnis dieser Feststellung darf jedoch nicht sein, die Existenz von trans und nicht binären Personen zu leugnen und sich damit der Verantwortung zu entziehen, für diesen Teil unserer Klasse eine revolutionäre Antwort zu entwickeln, sie bei ihrer Entwicklung hin zu kommunistischen Kader:innen zu unterstützen. Unsere trans und nicht binären Klassengeschwister sind kein Ergebnis des Postmodernismus, sondern der starke Einfluss dieser Ideologie auf sie, sowie auf alle anderen Teile unserer Klasse auch, ist ein Ergebnis davon, dass Kommunist:innen diese Frage zu lange vernachlässigt, ja gar ignoriert haben.

Frauen, trans und nicht binäre Personen haben eine große Gemeinsamkeit. Sie gehören zu den unterdrückten Geschlechtern im Patriarchat und haben ein objektives Interesse an der Überwindung desgleichen. Dennoch gibt es in der konkreten Ausdrucksweise dieser Unterdrückung und den Ursachen größere Unterschiede, die in so einer Analyse nicht verwässert werden dürfen. Würden wir das tun und einfach alle unterdrückten Geschlechter in einen Topf werfen, so würden wir letztlich die spezifischen Unterdrückungsmechanismen ignorieren. Wir würden nicht in die Lage kommen, richtige Antworten und Strategien im Kampf für ihre Befreiung zu formulieren.

Der prägnanteste Unterschied in der Unterdrückung von Frauen und von trans Personen ist der, dass Frauen unterdrückt werden, eben weil sie eine gesellschaftliche Funktion für das Kapital erfüllen, und alle Geschlechter außerhalb der binären Rollen werden unterdrückt, weil sie keine gesellschaftliche Funktion für das Kapital erfüllen. Daraus wiederum ergibt sich der zentrale Unterschied, dass Frauen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Funktion zusätzlich zur Unterdrückung mehrfach ausgebeutet werden aufgrund ihrer Rolle in der bürgerlichen Kleinfamilie und der vorwiegenden Übernahme der reproduktiven Arbeit. Hierbei handelt es sich um keine moralische Bewertung, welche Unterdrückung nun schlimmer ist als die andere, sondern um eine nüchterne, materialistische Analyse der objektiven Begebenheiten. Nur so wird auch verständlich, weshalb wir von einer Frauenrevolution sprechen, welche zur Befreiung aller Geschlechter führen wird. Die Unterdrückung von trans und nicht binären Personen ergibt sich daraus, dass Frauen in die für sie vorgesehene Rolle gedrängt werden. Wenn wir von Frauenrevolution sprechen heißt das also, dass Frauen im Kampf gegen ihre spezifische Unterdrückung und mehrfache Ausbeutung in den ersten Reihen stehen müssen, dass sie das revolutionäre Subjekt sind im Kampf gegen die gesellschaftliche Arbeitsteilung und die für sie vorgesehene Rolle. Erst wenn dieser Kampf vollendet ist, gibt es auch keine Grundlage mehr dafür, die Existenz anderer Geschlechter zu leugnen und zu unterdrücken.

Unterdrückte Geschlechter jenseits der binären Ordnung können sich also nicht befreien, solange die Frau an die Ketten des Patriarchats, an die gesellschaftliche Arbeitsteilung aufgrund des Geschlechts gebunden ist. Dennoch macht das unsere trans und nichtbinären Geschwister nicht zu bloßen Anhängseln der Frauenrevolution. Denn wie wir bereits festgestellt haben, haben auch sie ein objektives Interesse an der Überwindung des Patriarchats und müssen somit auch heute schon ihren Platz in den vordersten Reihen im Kampf für ihre Befreiung einnehmen.

Kämpfen wir für den Wiederaufbau einer proletarischen Frauenbewegung!

Mit dem Erstarken von Klassenkämpfen, dem Aufschwung der Arbeiter:innenbewegung, werden sich auch die proletarischen Frauen erheben. Es muss unsere Aufgabe sein, mit der Linie der Frauenrevolution die Führung zu übernehmen, diese gezielt in die Klassenkämpfe und somit auch zu den proletarischen Frauen zu tragen. Dabei müssen wir die fortschrittlichsten Frauen und Arbeiterinnen für die sozialistische Revolution gewinnen und ihrem Potential zur Geltung verhelfen. Wie schon 1917, als die Frauen in Petrograd zum Motor der russischen Revolution wurden, sind die proletarischen Frauen heute diejenigen, die wir als Kommunistinnen zum Wiederaufbau einer proletarischen Frauenbewegung organisieren wollen. Um dieses Ziel zu erreichen gibt es allerhand zu tun und wir fangen schon heute damit an, uns diesen Aufgaben zu widmen.

Der weit verbreiteten Kultur der Konkurrenz unter Frauen begegnen wir mit entschlossener Frauensolidarität. Auch hierfür sind Frauenorganisationen der geeignete Ort. Hier können wir lernen, selbst damit anzufangen uns als Revolutionärinnen ernst zu nehmen und uns als solche zu begegnen. Hier lernen wir, uns für unsere bürgerlichen Eigenschaften zu kritisieren und unsere eigenen Begrenzungen aufzubrechen. So wie die Klassensolidarität zu geschlossenen Reihen des Proletariats führen soll, so soll die Frauensolidarität dafür sorgen, dass kein Keil in die Reihen der proletarischen Frauen, in die Reihen von uns Kommunistinnen getrieben wird.

Diese Solidarität und ein kollektives Selbstbewusstsein als Frauen im Klassenkampf können wir lernen, in dem wir gemeinsame Kämpfe in Form von Frauenaktionen organisieren. Darüber können wir uns in Militanz und Auseinandersetzungfähigkeit schulen und dabei selbst die führenden Kräfte sein, sowie wir das letztlich auch in allen anderen Bereichen sein müssen. Das kann einen stärkenden Effekt nach Innen haben, aber auch eine Ausstrahlungskraft auf andere Frauen ausüben. Zum Entwickeln dieses Selbstbewusstseins gehört es auch, Selbstverteidigungsstrukturen aufzubauen, denn die Angriffe auf die Unterdrückten und Ausgebeuteten erfordern schlagkräftige Antworten. Die Frauen der YPJ in Rojava haben es uns vorgemacht.

Außerdem schulen wir uns als Frauen in der marxistisch-leninistischen Wissenschaft und wirken in alle theoretischen Arbeiten hinein. Für uns ergibt sich heute die Aufgabe, die Sichtweise der Frau als mehrfach unterdrückt in alle Analysen zu tragen, weshalb wir uns nach Möglichkeiten in allen Bereichen der wissenschaftlichen Arbeit beteiligen müssen. Was bedeutet der Imperialismus für Frauen und den Frauenbefreiungskampf? Was ist die Situation der Frauen im Faschismus? Welche Rolle nehmen Frauen in der Kommunistischen Partei ein? Wie können wir militante Frauenkaderinnen schaffen? Sicherzustellen, dass diese Fragen in die wissenschaftliche Arbeit einfließen und sich aktiv an der Beantwortung dieser zu beteiligen ist Aufgabe der Frauenorganisation.

Dazu gehört es auch, sich die Geschichte der kommunistischen Frauenbewegung wieder anzueignen. Denn Revolutionärinnen und führende Kommunistinnen haben uns ein reiches Erbe hinterlassen, welches heute selbst innerhalb der revolutionären Bewegung nicht ausreichend gewürdigt wird, zum Teil sogar in Vergessenheit geraten ist. Denn auch der Ansatz selbstständig arbeitender Frauenorgane ist mitnichten ein Produkt des bürgerlichen Feminismus oder gar unsere Erfindung. Dieser Ansatz ist in der revolutionären Bewegung historisch gewachsen und bereits erprobt. Diese Erfahrungen müssen wir auswerten und weiterentwickeln.

Zur Bildungsarbeit gehört auch die Entwicklung des Geschlechtsbewusstseins. Vorträge, Seminare oder Kritik und Selbstkritik sind schon heute verbreitete Methoden in der Arbeit zur Persönlichkeitsentwicklung. Hier müssen wir ansetzen, weitere Methoden entwickeln und patriarchale Verhaltens- und Denkweisen in der Partei und den proletarischen Massen zurückdrängen und gleichzeitig ein entwickeltes Geschlechtsbewusstsein schaffen. Zuletzt ist festzustellen: Kommunistische Frauenarbeit ist nichts, was in einem bestimmten Zeitrahmen oder bestimmten Kampagnen stattfinden kann. Sie muss dauerhaft verankert werden in der revolutionären Arbeit und in allen Lebenssituationen stattfinden, denn immerhin entfaltet auch überall dort das Patriarchat seine Wirkung.

Anhand dieser Ausführungen sehen wir also, dass das Patriarchat so eng verwoben ist mit dem kapitalistischen System, dass wir uns Nachlässigkeiten im Kampf dagegen nicht leisten können. Der Kampf für die Frauenrevolution muss elementarer Bestandteil der kommunistischen Arbeit sein, weshalb die Entwicklung einer gezielten kommunistischen Frauenarbeit unerlässlich ist. Die kommunistische Frauenorganisation ist die Waffe, das Instrument, welches wir hierfür einsetzen mit dem Ziel, die Frauen unserer Klasse zu Führerinnen der sozialistischen Revolution, zu Führerinnen der Frauenrevolution zu entwickeln und alle Potentiale, die in ihnen schlummern, zu wecken und zur vollen Geltung zu bringen. Dafür gehen wir heute schon voran als Kommunistinnen, um gemeinsam unsere Ketten zu sprengen.

1Grundlagen des Marxismus-Leninismus. Kapitel zur Entstehung des Patriarchats. Verlag Leo Jogiches

2Zur bürgerlichen Kleinfamilie siehe: Kommunismus Ausgabe 14 oder 19

3Statistisches Bundesamt – Teilhabe von Frauen am Erwerbsleben. 2022

4Statistisches Bundesamt – Zeitverwendungserhebung 2022. Veröffentlicht 2024

5Statistisches Bundesamt- KORREKTUR: Gender Care Gap 2022: Frauen leisten 44,3% (alt 43,8%) mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Pressemitteilung vom 28. März 2024. Berechnet anhand des Schaubilds.

6Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – Lohngerechtigkeit. Veröffentlicht am 29.09.2023

7Statistisches Bundesamt – Wo bleibt die Zeit?Veröffentlicht am 28.02.2024

8Mediendienst Integration – Zuwanderung von Pflegekräften und Ärztinnen & Ärzten. Recherche von Carsten Wolf. 2021

9 TAZ – Neues Selbstbestimmungsgesetz. „Trans im Verteidigungsfall“. Veröffentlicht am 13.06.2023

10Thred. Verständnis der wachsenden Bewegung für bezahlte Hausarbeit

11Eine Einführung in die politische Ökonomie gibt es im Buch: Grundlagen des Marxismus-Leninismus.

12Broschüre der Kommunistischen Frauen: Umgang mit patriarchaler Gewalt gegen Frauen

13Nadeschda Konstantinowa Krupskaja (1869-1939) war eine führende russische Revolutionärin und Vorreiterin in der sozialistischen Pädagogik mit dem Schwerpunkt der polytechnischen Schule

14Alexandra Kollontai (1872-1952) war eine sowjetische Revolutionärin und befasste sich unter anderem mit Fragen der Mutterschaft und sozialen Fürsorge

15 Zitiert nach Corina Mengeden – Frauenseminar für soziale Berufsarbeit. München 2004

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