Notwendigkeit, Herausforderungen und strategische Ausrichtung
Für uns als KommunistInnen ist klar, dass zur Überwindung des imperialistischen Systems nicht weniger notwendig ist, als eine Revolution der ArbeiterInnenklasse unter Führung der Kommunistischen Partei. Die Revolution ist ein konzentrierter revolutionärer Prozess der unterdrückten ArbeiterInnenmassen. Die herrschende Kapitalistenklasse wird gestürzt und ihr Staatsapparat zerschlagen, um erstmals in der Geschichte die Herrschaft der weit überwiegenden Mehrheit über eine Minderheit zu errichten. Der Sozialismus ist ein gesellschaftlich notwendiger Zwischenschritt auf dem Weg in die herrschaftslose kommunistische Gesellschaft. Die ArbeiterInnenklasse ist das politische Subjekt der sozialistischen Revolution. Die Kommunistische Partei hingegen ist das führende Kampforgan der ArbeiterInnenklasse. Sie wird die Klasse organisieren und durch die Revolution siegreich zum Sozialismus führen. Sie ist kein Selbstzweck, sondern besteht lediglich für diese Aufgabe. Sie ist die einzige Organisation, die darum kämpft, sich selbst im Kommunismus überflüssig zu machen. Sie zu schaffen ist und bleibt heute unsere vorrangige Aufgabe in Deutschland.
Wie ist nun die aktuelle Situation in Deutschland sowohl in der kommunistischen Bewegung wie in der politischen Widerstandsbewegung im Hinblick auf das Verhältnis der Organisation der Revolutionäre und den Massen einzuschätzen? Die kommunistische und revolutionäre Bewegung in Deutschland ist seit Jahrzehnten dogmatisch zerstritten, nach innen gerichtet, sektiererisch und abgekapselt. Sie ist in weiten Teilen in Debatten um die gegenseitige Abgrenzung, in Mackergehabe und Strategie- und Perspektivlosigkeit versunken. Große Teile der deutschen Linken und auch der revolutionären Bewegung hierzulande sind massen- und arbeiterInnenfeindlich eingestellt und vollkommen abgehoben von den Problemen der Menschen. Dauerhafte Diskussionen über die „Krise der Bewegung“ und endlose Internet-Diskussionen um neue Organisierungsprojekte sind Ausdruck dessen. Als Beispiel können wir hier die Diskussionen um eine „Neue Klassenpolitik“ oder zur Organisierung in Stadtteilen und Vierteln nehmen. Denn neu ist daran meist gar nichts.
Auch eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung ist in Deutschland quasi nicht existent. Die Betriebe sind keine Hochburgen der KommunistInnen. Auch „Rote Stadtviertel“ und eine geplante Arbeit dahin gibt es real nicht. Denn das würde bedeuten, eine gewisse Hegemonie (politisch/ideologisch/kulturell) dort innezuhaben.
Die heutigen (gelben) Gewerkschaften in Deutschland sind keine Kampforgane der ArbeiterInnenklasse, sondern haben im Gegenteil die Funktion, als Kampfverhinderungs-Organisationen zu wirken. Sie dienen den meisten ArbeiterInnen lediglich als Rechtsschutzversicherungen. Die Gewerkschaften führen keine wirklichen Klassenkämpfe, sondern sie verhindern sie. Sie schaffen eine Nullrunde oder minimale Lohnsteigerung nach der anderen. Ihren Klassenverrat verkünden und rechtfertigen sie mit dem Konzept der „Sozialpartnerschaft“. Gleichzeitig propagieren sie das System des Stellvertretertums. Sie unterdrücken jede Eigeninitiative der ArbeiterInnen und versuchen die Beteiligung und Mitbestimmung dieser auf ein Minimum zu reduzieren. Man soll seine Stimme abgeben und dann werden die eigenen Probleme schon gelöst. Das heißt jedoch nicht, dass es in den Gewerkschaften nicht hunderttausende ehrliche ArbeiterInnen gibt, die bereit wären, für ihre Rechte zu kämpfen. Doch die (gelben) Gewerkschaften sind eben degenerierte bürokratische Apparate, die sich die Aufrechterhaltung der herrschenden Gesellschaftsordnung auf die Fahnen geschrieben haben. Bei allen Unterschieden im Detail gilt grundsätzlich das soeben Gesagte auch für all die reformistischen Parteien und Gruppen, die basis-demokratisch und aktivistisch daherkommenden NGO‘s und das riesige Feld staatlicher und halb-staatlicher Sozialarbeit. Solche Strukturen – und nicht etwa die KommunistInnen und Revolutionäre – erfassen heute real die Massen und führen sie, wenn der Druck von unten zu groß wird, durch zahnlose Massenproteste von Niederlage zu Niederlage.
Knapp zusammengefasst: Die Lage ist schwierig. Die Herausforderungen scheinen riesig zu sein, um den heutigen Zustand im Sinne des ersten Absatzes zu verändern. Doch die Kommunistische Partei kann nicht aus der Luft heraus geschaffen werden. Sie kann heute nicht einfach ein Zusammenschluss revolutionärer oder „linksradikaler“ Zirkel und örtlicher Gruppen sein. Sie muss ein Produkt des konsequentesten Zusammenschlusses der fortschrittlichsten Kräfte der ArbeiterInnenklasse sein und sich ohne Kompromisse in den Dienst ihrer objektiven Interessen stellen. Um dem Ziel des Aufbaus der Kommunistischen Partei und dem Sturz des Imperialismus in Deutschland näher zu kommen, ist die Aktivierung, Politisierung und Organisierung der internationalisierten ArbeiterInnenklasse in Deutschland und dabei insbesondere ihrer fortschrittlichsten Elemente notwendig.
Wie können wir die notwendigen Voraussetzungen dafür schaffen? Wie können wir die unterdrückten Massen der ArbeiterInnen, der Jugendlichen und Frauen, der MigrantInnen und RentnerInnen für den Kampf gegen dieses System, für den Kampf für ihre objektiven Interessen gewinnen und organisieren? Unsere Antwort auf diese Frage ist, kurz gesagt, die Entwicklung allumfassender kommunistischer Massenarbeit. Auf die damit verbundenen Fragen und Herausforderungen wollen wir mit diesem Artikel versuchen eine breitere theoretische Antwort zu geben, welche gleichzeitig eine konkrete Anleitung zum Handeln bieten soll.
Wer sind die Massen und
warum mit ihnen arbeiten?
Entgegen aller bürgerlichen und revisionistischen Entstellungen steht es außer Frage, dass die ArbeiterInnenklasse derjenige Teil der Bevölkerung ist, welcher dieses System zum Stillstand zwingen und es revolutionär überwinden kann. Es ist ebenso klar, dass jedwedes Märchen vom Verschwinden der ArbeiterInnenklasse eben das bleibt, was es ist, ein Märchen. Die ArbeiterInnenklasse ist heute weltweit, wie auch in Deutschland zahlenmäßig so stark wie noch nie in der Menschheitsgeschichte. Das Verschwinden einiger „Blaumänner“ aus dem Stadtbild deutscher Städte ist lediglich ein Zeichen für die Veränderungen der Klasse und ihrer Zusammensetzung.1 Die ArbeiterInnenklasse kann im Kapitalismus nicht verschwinden, denn dieses System ist auf ihre Ausbeutung angewiesen und aufgebaut. Damit sind auch alle bürgerlichen Märchen vom Verschwinden dieser Klasse widerlegt.
Es ist darum auch vollkommen klar, was wir hier mit Massen meinen. Es sind die unterdrückten Massen der Arbeiterinnen und Arbeiter, der SchülerInnen und Studierenden, der MigrantInnen und Frauen, der RentnerInnen und Arbeitslosen. All jene Schichten und Gruppen der ArbeiterInnenklasse und Teile der kleinbürgerlichen Zwischenschichten, welche von diesem System ausgebeutet und unterdrückt werden und daher ein objektives Interesse an seiner revolutionären Überwindung haben. Dabei müssen wir verstehen, dass die ArbeiterInnenklasse heute in Deutschland in sehr ausdifferenzierten Schichten besteht. Ein großer Teil typischer deutscher ArbeiterInnenkultur existiert heute nicht mehr, bzw. genauer gesagt, hat sich ebenfalls sehr stark ausdifferenziert. Heute gibt es sicher ein Dutzend unterschiedliche ArbeiterInnenmilieus und auch die dringendsten und schwerwiegendsten Probleme können hier sehr unterschiedlich sein.2
Kommunistische Massenarbeit kann dabei nicht erfolgreich sein, wenn sie als eine in der deutschen Linken vorherrschende elitäre, nach innen gerichtete „Szene-Arbeit“ verstanden wird. Sie kann nicht aufgebaut sein auf einem „Lifestyle“ oder einem „Dresscode“. Sie muss offen und ansprechend sein. Sie kann auch nicht beschränkt sein auf eine Altersklasse, etwa lediglich auf Jugendliche oder eine bestimmte Schicht der ArbeiterInnenklasse, etwa nur die ökonomisch gut gestellten Stammbelegschaften der großen Monopole oder die „prekären“ LeiharbeiterInnen. Sie darf nicht nach Nationalitäten gespalten sein, etwa nur Deutsche oder MigrantInnen einer bestimmten Nation ansprechen. Kurz gesagt: kommunistische Massenarbeit muss mit allen Teilen der ArbeiterInnenklasse und überall dort, wo diese arbeiten und leben, stattfinden.
Die Arbeit in der ArbeiterInnenklasse muss unserer Meinung nach nicht nur im Betrieb, sondern an viel mehr Orten stattfinden. Damit wird nicht nur an die Erfahrungen der KPD aus den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angeknüpft, sondern auch auf die heutigen veränderten Bedingungen der Produktion und Reproduktion eingegangen. Sicher haben die Betriebe nicht ihre Bedeutung sowohl als potenzielle Bastionen und Schlachtfelder im Kampf für die unmittelbare Verbesserung der Lebensverhältnisse der ArbeiterInnen als auch im Kampf gegen dieses System als Ganzes verloren. Jedoch haben sich die Bedingungen für diese Kämpfe entschieden verändert.
Anders als vor 100 oder auch noch vor 50 Jahren sinkt die Zahl der ArbeiterInnen tendenziell, die über viele Jahre und Jahrzehnte in ein und dem selben Betrieb, mit immer den selben KollegInnen arbeiten. In immer mehr Betrieben und Abteilungen wechseln ArbeiterInnen bereits nach wenigen Jahren den Betrieb oder werden immer wieder arbeitslos. Rotationen und Wechsel von Belegschaften nehmen in vielen Bereichen deutlich zu. Es gibt immer mehr Versuche der Kapitalisten, die Arbeitsplätze in den Betrieben so zu arrangieren, dass eine Kommunikation zwischen den ArbeiterInnen möglichst gering gehalten wird. LeiharbeiterInnen werden regelmäßig versetzt und ausgetauscht, so dass ein dauerhafter Kontakt zu den Stammbelegschaften kaum zustande kommt. In Zukunft wird sich diese Tendenz vermutlich massiv weiter ausbreiten. Sollte dies nicht durch gemeinsame Kämpfe der Klasse verhindert werden, dann werden Befristung und Leiharbeit die neuen „Normalarbeitsverhältnisse“ werden. Gleichzeitig hat durch die Veränderungen in der Produktion eine teilweise Dezentralisierung der Arbeitsorte stattgefunden, wodurch deutlich weniger ArbeiterInnen einer Firma oder eines Betriebsteils zur „gemeinsamen“ Arbeit zusammenkommen. All diese Aspekte machen die Massenarbeit in Fabrik und Betrieb nicht unwichtiger oder unmöglich, doch sie erhöhen die Notwendigkeit der Massenarbeit auch in anderen Lebensfeldern. So muss die Arbeit mit und in der ArbeiterInnenklasse in den Stadtteilen, auf den Plätzen ebenso wie beim Sport und überall sonst, wo die Menschen regelmäßig wiederkehrend zusammen kommen, stattfinden. Kurz gesagt muss Massenarbeit überall dort ansetzen, wo sich das Leben der Massen abspielt. Auch Schule, Berufsschule und Universität sind Orte, in denen gerade junge Menschen immer mehr und länger Zeit verbringen.
Egal wie sich die Verhältnisse verändern, es werden sich immer Möglichkeiten der Organisierung auftun. Ein aktuelles Beispiel ist die Organisierung der Amazon-Beschäftigten, welche trotz Überwachung und massiver Ausbeutung zeigen, dass eine klassenkämpferische Organisierung und Praxis immer möglich ist. Es kommt eben darauf an, seine Methoden den sich entwickelnden Bedingungen anzupassen. So können wir die ArbeiterInnen zum Beispiel auch aufgrund ihrer Probleme bei der Lohnarbeit im Stadtteil organisieren. Wichtig für uns ist dabei, dass wir überall dort Massenarbeit entwickeln, wo die Menschen regelmäßig zusammen kommen und Zeit verbringen, sei es weil sie dort arbeiten, leben oder sich erholen.
Das Ziel jeder Arbeit mit den ArbeiterInnen muss es sein, sie zu aktivieren, zu politisieren und zu organisieren. Aktivieren werden wir die Massen, in dem wir ihre konkreten vordergründigen Probleme aufgreifen und ihnen konkrete Lösungen oder Alternativen anbieten. In einem zweiten Schritt werden wir die ArbeiterInnen politisieren müssen, ihnen die Zusammenhänge der verschiedenen Probleme, die sie jeden Tag erleben und in ihrem Umfeld und den Medien mitbekommen, erklären und ein Interesse und Verständnis für gesamtgesellschaftliche Prozesse schaffen. Zuletzt geht es uns darum, die ArbeiterInnen für den Kampf um ihre eigenen Interessen und zum Sturz der Kapitalismus dauerhaft zu organisieren und mit ihnen gemeinsam zu kämpfen. Wobei diese drei Schritte nicht dogmatisch z.B. als zeitliches Schema aufgefasst werden dürfen, sondern als widersprüchliche Einheit in ihrer Wechselwirkung verstanden werden müssen. In der konkreten Praxis gilt es eine Einschätzung zu erarbeiten und daraus abgeleitet die richtigen Schritte und angemessenen Formen zu finden. Dabei haben wir immer im Hinterkopf: Es wird nicht die Kommunistische Partei sein, welche die Revolution machen und dieses System auf den Müllhaufen der Geschichte werfen wird, sondern es sind die Massen der Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter, die angeführt von der Kommunistischen Partei diese durchführen werden. Umso wichtiger ist es für uns, nicht nur immer größere Massen der ArbeiterInnen für den Kampf zu gewinnen, sondern auch KaderInnen aus ihren Reihen zu gewinnen und auszubilden, welche über tausend Fäden mit den Massen verbunden sind und welche die Massen wirklich im Kampf leiten können.
Die Grundbedingung für eine erfolgreiche Massenarbeit ist und bleibt dabei, dass es geschafft wird, dass die Massen ein Bewusstsein für ihre Lage und ihre Klassenzugehörigkeit entwickeln. Dazu muss insbesondere die Ignoranz und Überheblichkeit, mit der in der deutschen linken und revolutionären Bewegung umher gewandert wird, über Bord geworfen werden. Wir müssen unseren Klassengeschwistern auf gleicher Augenhöhe begegnen und sie politisch und ideologisch dort abholen, wo sie stehen.
Der Charakter der
Massenorganisation
Zunächst bleibt festzuhalten, dass der Begriff der Massenorganisationen sehr breit gefasst ist. Auch ist das Konzept der Massenorganisationen nicht allein eine Erfindung der KommunistInnen, sondern wird heute von fast allen politischen Bewegungen genutzt. Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass lediglich die von KommunistInnen und RevolutionärInnen angeführten und geleiteten Massenorganisationen die ArbeiterInnen wirklich auf Grundlage ihrer objektiven Interessen dauerhaft zusammenschließen und mit ihnen gemeinsame Kämpfe führen und gewinnen können.
Massenorganisationen können sowohl ihrer Form als auch ihrem Inhalt und ihrer Ausrichtung nach scheinbar vollkommen verschieden sein. So gibt es Massenorganisationen etwa sowohl als Teil der Kommunistischen Partei als auch außerhalb dieser. So etwa der Kommunistische Jugendverband oder andere spezielle Strukturen. Doch dazu später mehr.
Massenorganisationen können also etwa Gewerkschaften, MieterInnen-Initiativen, Stadtteilversammlungen, Vereine, Jugendgruppen, Lesekreise, Frauencafés, Sportgruppen, Studierenden- und SchülerInnengruppen sein. Doch auch die Selbstverteidigungs- und Kampforgane der KPD in den 1920er und 1930er Jahren waren Massenorganisationen, wie etwa die proletarischen Hundertschaften, Roter Frontkämpferbund oder die Antifaschistische Aktion. Doch was haben all diese unterschiedlichen Formen der Organisierung gemeinsam?
Verallgemeinert können wir sagen, dass all jene Organisationen, in denen sich die Massen aufgrund ihrer Probleme und ihrer objektiven Interessen niederschwellig zusammenschließen, um diese zu be- bzw. erkämpfen, Massenorganisationen sind.
Doch was zeichnet nun den besonderen Charakter der Massenorganisationen der ArbeiterInnen aus? Die Massenorganisationen sind der erste Grad, die erste Stufe der kollektiven und dauerhaften Organisierung der ArbeiterInnenklasse. Dabei müssen die verschiedenen Gruppen und Schichten anhand ihrer konkreten Probleme angesprochen, aktiviert, politisiert und organisiert werden. Seien es die Probleme im Betrieb, im Stadtteil, der Schule oder Universität. Seien es die zu hohen Mieten, rassistische Ausgrenzung oder die Unterdrückung in Familie und Partnerschaft.
Ebenso vielfältig wie die Probleme unserer Klasse, so müssen auch unsere Angebote der Organisierung und die Behandlung der verschiedenen Thematiken bzw. Auswüchse dieses modernen kapitalistischen Systems sein. Zusammen kommen sie jedoch alle darin, dass die letztendliche Ursache all dieser Probleme das kapitalistische System ist. Ebenso wie die gemeinsame Lösung die Ermächtigung des Proletariats durch den Sturz des alten Systems und den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft ist.
Doch zunächst wird sich ein Großteil der ArbeiterInnenklasse nicht direkt für den Kampf um den Sozialismus organisieren, sondern für die Verbesserung ihrer alltäglichen Lebenssituation.
Die Arbeit der Massenorganisationen muss sich deshalb direkt an den Problemen und Fragen der Klasse orientieren. Viele von ihnen decken darum nicht alle politischen Themengebiete auf einmal ab und beschränken sich auf bestimmte Teile des Klassenkampfes. Nach Möglichkeit werden die Massen so direkt anhand ihrer spezifischen Probleme in der jeweiligen Massenorganisation organisiert. Sie müssen eine möglichst niedrige Schwelle haben, so dass es für ArbeiterInnen aller verschiedenen Schichten der Klasse sehr leicht ist, dort mitzumachen und sich zu organisieren. Durch diese niedrige Einstiegsschwelle können die Massenorganisationen ihre Mitglieder direkt aus ihrer konkreten Praxis gewinnen. Dadurch scheint es auch nur logisch, dass die Arbeit der Massenorganisationen grundsätzlich im offenen, legalen bzw. begrenzt im darüber hinausgehenden legitimen Rahmen stattfindet.
Als KommunistInnen arbeiten wir in den Massenorganisationen, um dort unsere Standpunkte zu verbreiten und die Weltanschaunung des Marxismus-Leninismus in die Massen zu tragen. Durch die gemeinsamen Kampferfahrungen und Bildung über die Grundlagen des wissenschaftlichen Sozialismus können die Massen im gemeinsamen Kampf revolutionäres Klassenbewusstsein entwickeln. Die Massenorganisationen werden hier zum entscheidenden Bindeglied zwischen den Massen der ArbeiterInnenklasse und der Kommunistischen Partei. Sie sind, wie Lenin es ausdrückte „Transmissionsriemen“ zwischen der Partei und den Massen.
Auf einige Massenorganisationen, welche sich sehr eng an die Kommunistische Partei anlehnen bzw. im weiteren Sinne ein Teil von dieser sind, müssen auch nicht immer alle der oben genannten allgemeinen und grundsätzlichen Kriterien zutreffen. So etwa auf die kommunistische Jugendorganisation oder bestimmte Organisationen zur Agitation und Propaganda und zur Massenselbstverteidigung. Insbesondere der offene und legale Rahmen wird für die Massenorganisationen innerhalb der Partei und ihre Selbstschutzorganisationen kein bindender Rahmen sein. Auch können die Möglichkeiten, wie schnell und einfach sich neue Menschen an diesen Organisationen beteiligen können, variieren, um die Sicherheit der Strukturen und Aktionen zu garantieren.
Verhältnis zwischen Kommunistischer Partei und Massenorganisationen
Doch in welchem genauen Verhältnis stehen die Massenorganisationen zur Kommunistischen Partei? Zunächst einmal sind beides Instrumente der ArbeiterInnenklasse im Kampf um ihre gesellschaftliche Befreiung.
Wie bereits aus den oben genannten Ausnahmen zu sehen ist, kann das Verhältnis von Massenorganisationen zur KaderInnenorganisation, der Kommunistischen Partei, nicht immer einheitlich beschrieben werden. Grundsätzlich versuchen die KommunistInnen jedoch durch die Massenorganisationen die Politik der Partei in die Praxis umzusetzen und in die Massen der ArbeiterInnenklasse zu tragen, bzw. sie durch sie materielle Realität werden zu lassen. Sie nutzen die Massenorganisationen, um die Ansichten der Partei und die Grundsätze des Marxismus-Leninismus in die ArbeiterInnenklasse zu tragen und dort zu verbreiten. Gleichzeitig lernen wir KommunistInnen aus den Massen, analysieren ihre Stimmungen, Gefühle und Bedürfnisse und berichtigen damit dauerhaft unsere Politik.
Die Massenorganisationen und die Massenarbeit sind die Lebensader der Partei, welche ihr ihre gesamte Stärke verleiht. Kommunistische KaderInnen können perspektivisch nur aus der ArbeiterInnenklasse und der sie mit der Partei verbindenden Massenarbeit gewonnen werden. Hinzu kommt der Aspekt, dass im Falle großer Repressionen die Massen die KommunistInnen schützen werden, wenn diese wirklich in den Massen verankert sind, wenn diese sich in bzw. zwischen den Massen der ArbeiterInnen wie Fische im Wasser bewegen. Ist dies nicht der Fall, dann werden die KommunistInnen auf lange Zeit gesehen eine kleine marginalisierte und von der Klasse getrennte Gruppe sein, welche keinen Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft und des Bewusstseins der Klasse hat und dauerhaft im Fadenkreuz des Feindes aufleuchten wird.
Lenin beschrieb den Aufbau der Partei und ihr Verhältnis zu den verschiedenen Massenorganisationen wie folgt:
„1. Organisationen der Revolutionäre
2. Organisationen der Arbeiter, und zwar möglichst breite und mannigfaltige
Diese beiden Kategorien bilden die Partei.
3. Arbeiterorganisationen, die sich an die Partei anlehnen;
4. Arbeiterorganisationen, die sich an die Partei nicht anlehnen, aber sich faktisch ihrer Kontrolle und Leitung unterordnen;
5. die unorganisierten Elemente der Arbeiterklasse, die sich zum Teil ebenfalls der Leitung der Sozialdemokratie unterordnen, wenigstens dann, wenn sich der Klassenkampf wuchtig äußert.“3
Das was Lenin hier auf der ersten Ebene beschreibt, ist die Partei im engeren Sinne, also die BerufsrevolutionärInnen und KaderInnen der Kommunistischen Partei, samt ihrer lokalen Mitglieder. Als zweites nennt er die Organisationen der ArbeiterInnen, die direkt zur Partei gehören, direkt von ihr angeleitet werden und mehr oder weniger offen die Politik der Partei umsetzen. In der dritten und vierten Ebene haben wir Organisationen der ArbeiterInnenklasse, welche nicht direkt Teil der Partei sind, sich jedoch an diese anlehnen oder lediglich faktisch der Partei folgen, ohne irgendeine organische Beziehung zu ihr zu haben. Als letztes folgen die unorganisierten Massen der ArbeiterInnenklasse, welche erst bei der Zuspitzung der Klassenkämpfe in Aktion treten und sich dann der Leitung des Klassenkampfes durch die Kommunistische Partei unterordnen.
Wir wollen diese Auflistung hier nennen, nicht um jede Massenorganisation in eine der genannten Ebenen zu sortieren oder diese Einteilung als Dogma zu verstehen, sondern um ein Verständnis für den Charakter und die Funktion von Massenorganisationen vermitteln zu können.
Hier sollte dann auch das oben Genannte eingeordnet werden. So sind die kommunistische Jugend- oder Frauenorganisation, ebenso wie Agitations-, Propaganda- und Selbstverteidigungsstrukturen natürlich direkter Teil der Kommunistischen Partei, auch wenn sie kommunistische Massenorganisationen sind. Andere viel offenere Massenorganisationen, wie Stadtteilversammlungen, Stammtische oder ähnliches können dabei ebenso Massenorganisationen seien, die nicht direkt zur Partei gehören, aber deren Mitglieder sich an der Politik der Partei orientieren und mit dieser sympathisieren.
Insbesondere in den Massenorgansation ist es wichtig, dass wir als KommunistInnen in diesen mit Hilfe einer kommunistischen Arbeitsweise arbeiten und führen. Das heißt für uns in erster Linie, nicht formalistisch und bürokratisch zu arbeiten, sondern entstehende Dynamiken zu lenken und die Massen und die Organisationen durch Überzeugung zu leiten. Dabei ist es besonders wichtig, selbst als gutes Vorbild voranzugehen. Es gilt durch eine disziplinierte und revolutionäre Praxis zu einer natürlichen Autorität in den Massenorganisationen heranzuwachsen. Dies ist sicher keine Besonderheit allein der Massenorganisationen, aber die Notwendigkeit, dies jeder Zeit in der politischen Praxis zu beachten und so umzusetzen ist hier elementar.
Insbesondere in den Massenorganisationen, die nicht Teil der Partei sind, müssen wir als KommunistInnen sensibel sein, wenn wir versuchen, unsere Ideologie, Politik und Praxis in diese Organisationen zu tragen. Wenn wir hier als die aktivsten, verlässlichsten und solidarischsten GenossInnen auffallen und das Vertrauen der Massen gewinnen, dann können wir auch einen Einfluss auf sie und diese Massenorganisationen ausüben.
Strategische und taktische
Ziele der Massenarbeit
Wie können wir das bisher Genannte nun in unsere strategischen und taktischen Überlegungen übertragen? Welchen Platz nimmt die Massenarbeit dort ein und welche Fehler sollten wir nach Möglichkeiten vermeiden?
Die Massenarbeit soll dabei helfen, zunächst zwei wichtige strategische Ziele zu erreichen, bzw. diesen näher zu kommen. Zunächst ganz konkret der Organisierung der ArbeiterInnenklasse und zweitens der Schaffung von Kampforganen der ArbeiterInnenklasse für den Klassenkampf.
Die Massenarbeit und die dadurch entstehende Verbindung mit den Massen ist das Mittel, aus denen wir als KommunistInnen unsere ganze Macht gegenüber der Bourgeoisie schöpfen. Sie sind daher von strategischer Bedeutung.
Wir wollen unsere Anschauungen hier mit einem Zitat aus der Geschichte der KPdSU (B) veranschaulichen: „Man kann es als Regel betrachten, dass die Bolschewiki unbesiegbar bleiben, solange sie die Verbindung mit den breiten Massen des Volkes bewahren. Und umgekehrt, die Bolschewiki brauchen sich nur von den Massen loszulösen, die Verbindung mit ihnen zu verlieren, sich mit bürokratischem Rost zu bedecken, um jegliche Kraft einzubüßen und sich in ein Nichts zu verwandeln.“ 4 Das für damals Gesagte gilt auch heute unverändert. Die gesamte Stärke einer Kommunistischen Partei und der gesamten revolutionären und kommunistischen Bewegung stammt aus ihrer Verbundenheit mit der ArbeiterInnenklasse. Ebenso zeigt eine Situation der Schwäche die fehlende Verbindung mit der Klasse.
Die Massenarbeit erfüllt dabei zudem die strategische Aufgabe, dass breite Teile der ArbeiterInnenklasse Kampferfahrungen im Klassenkampf sammeln und Klassenbewusstsein entwickeln, das heißt ein Bewusstsein für ihre Lage der Klasse und die Notwendigkeit des Kampfes als Klasse bekommen. Die ArbeiterInnenklasse muss durch die Massenarbeit aktiviert, politisiert, organisiert und durch die Partei als kämpfendes Subjekt geleitet werden.
Schon heute sehen wir sofort die Auswirkungen auf unsere Arbeit und unsere Wirksamkeit in der Klasse, wenn wir uns von der Massenarbeit abwenden, wenn wir uns nach innen richten und hauptsächlich mit uns selber beschäftigen. Wo solche Tendenzen in der Praxis auftreten, fallen wir zurück in eine Arbeitsweise, welche in der deutschen Linken seit Jahrzehnten an der Tagesordnung ist. Ohne die Überwindung solcher Fehler, würden wir uns weiter von unserem Ziel entfernen und niemals den Weg der Bolschewiki einschlagen und nicht an ihre Erfahrungen und Erfolge anknüpfen können.
Zweitens ist es wie gesagt notwendig, dass die Massenorganisationen sich zu Kampforganen der ArbeiterInnenklasse entwickeln. Auch diese werden sich nur durch die aktive Beteiligung und Entwicklung im Feuer des Klassenkampfes, in der direkten Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind, der Bourgeoisie und aller ihr anhängenden Repressionsorgane entwickeln. Sie werden dadurch zu direkten Kampforganen für die Interessen der gesamten Klasse bzw. bestimmter sozialer Schichten der Klasse (Arbeitende, Jugendliche, Frauen, MigrantInnen, RentnerInnen etc.). In diesen Kampforganen werden die ArbeiterInnen notwendige Kampferfahrungen sammeln, die sich in ihr Bewusstsein einbrennen werden. Dies ist unabdingbar für die Entwicklung eines revolutionären Klassenbewusstseins. Das sind Kampferfahrungen, auf die die Massen bei der Zuspitzung der Klassenauseinandersetzungen zurückgreifen werden, mit deren Hilfe sie sich entwickeln und zu neuen, höheren Kampf-, Bewusstseins- und Organisationsformen gelangen werden.
Auf taktischer Ebene kann es uns heute, hier und jetzt, nicht darum gehen, die gesamte ArbeiterInnenklasse zu organisieren. Ja wir hätten nicht einmal die Strukturen oder KaderInnen, um zehntausende oder tausende ArbeiterInnen zu organisieren, sie in den Grundlagen des Marxismus-Leninismus zu schulen und sie im Klassenkampf anzuleiten.
Auf der Ebene der Taktik geht es uns heute darum, aus den Massen die fortschrittlichsten Teile für den Kampf zu gewinnen und aus ihnen KommunistInnen, kommunistische KaderInnen zu entwickeln. Das heißt, wir können heute weder den Anspruch haben, im Name der ArbeiterInnenklasse zu sprechen und zu handeln, noch sie als Klasse zu führen. Das hat konkrete Auswirkungen auf die Ausrichtung und Praxis unserer Arbeit.
Die fortschrittlichsten Teile
der ArbeiterInnenklasse
Unsere heutige Taktik in der Massenarbeit zielt auf die Organisierung der fortschrittlichsten Teile der ArbeiterInnenklasse. Doch wer sind die fortschrittlichsten Teile?
Wir können das allgemein definieren als diejenigen Teile der Klasse, welche allseitig politisch interessiert sind, eine Alternative zum herrschenden System suchen und politisch aktiv werden wollen.
Dabei geht es nicht darum, diese drei Aspekte zwangsweise als Schablone anzuwenden und alle Menschen, mit denen wir arbeiten, nur danach zu beurteilen. Vielmehr geht es darum, das Gesagte als eine Richtschnur für die Ausrichtung unserer Arbeit zu nehmen. Es soll uns davor schützen, heute jeden Arbeiter und jede Arbeiterin auf Teufel komm raus organisieren zu wollen und uns an in der Klasse bestehenden rassistischen, chauvinistischen und antikommunistischen Elementen die Zähne auszubeißen. Natürlich werden wir durch unsere Arbeit in der Klasse diese reaktionären Elemente und ihren Einfluss zurückdrängen müssen. Aber das kann heute nicht unsere Hauptaufgabe sein. Wir würden diese Aufgabe mit unseren heutigen Kräften zudem nur sehr begrenzt angehen können.
Diese Ausrichtung ist auch keine alleinige Erfindung von uns, denn Lenin schrieb ähnliches schon 1897 in seinem Aufsatz über „Die Aufgaben der russischen Sozialdemokraten“: „Die Agitation unter den fortgeschrittensten Schichten des Proletariats ist der sicherste und einzige Weg (in dem Maße, wie sich die Bewegung ausdehnt), auch das gesamte russische Proletariat zu erwecken. Die Verbreitung des Sozialismus und der Idee des Klassenkampfes unter den städtischen Arbeitern wird unvermeidlich dazu führen, dass sich diese Ideen auch in kleinere, vielverzweigtere Kanäle ergießen…“5
Warum ist das so wichtig? Es geht eben nicht darum, einfach die am meisten unterdrückten oder ausgebeutetsten Teile der Klasse zu finden, da diese am meisten zu gewinnen haben. Dass sie deshalb vermeintlich automatisch auch am meisten dazu bereit wären, dagegen schonungslos zu kämpfen, ist in dieser Einseitigkeit ein Trugschluss!
Die Geschichte zeigt uns, dass nicht allein der Grad der Unterdrückung, ja nicht einmal alleine die Klassenzugehörigkeit im engeren Sinne allein ausschlaggebend ist für den konsequentesten Kampf gegen den Kapitalismus. Viel ausschlaggebender ist das Klassenbewusstsein! Und dieses ist in der Klasse sehr unterschiedlich ausgeprägt. Ebenso die Bereitschaft, konsequent und diszipliniert für Veränderungen zu kämpfen!
Man darf hier keinesfalls den Fehler machen und seine Ansprüche, Positionen und Forderungen abschwächen oder zurücknehmen, nur weil sie bei Teilen der unterdrückten Massen nicht auf Gegenliebe, ja vielleicht sogar auf massiven Widerspruch stoßen. Sondern es muss genau andersherum sein. Die KommunistInnen müssen das Bewusstsein der Massen heben und ihnen die revolutionären Ansprüche, Positionen und Forderungen nahe bringen, so dass sie diese als die ihrigen annehmen und offensiv vertreten.
Gleichzeitig heißt das natürlich auch, dass wir den Massen nicht überheblich oder arrogant gegenübertreten dürfen. Die KommunistInnen führen viel mehr eine allumfassende Bildungs- und Aufklärungsarbeit unter den Massen durch. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden nicht geradlinig verlaufen und sicher werden wir hier auch Rückschläge erleben, doch ist dies der richtige und einzige Weg der uns bleibt.
Um es hier nochmal ganz deutlich zu sagen: Nicht das degenerierte Lumpenproletariat, berufsmäßige Kleinkriminelle und ihr Drang zum Bandentum und zur Verherrlichung der Gewalt um der Gewalt willen und grenzenlose patriarchale Verhaltensweisen und Neigungen sind dabei eine Leitlinie für uns, sondern der Wille und Drang der ArbeiterInnen zur fortschrittlichen Veränderung und Überwindung ihrer geknechteten und ausgebeuteten Lebenssituation. Die revolutionäre Gewalt und der konsequente militante Kampf gegen die Herrschaft des patriarchalen-kapitalistischen Systems und all seine Auswirkungen müssen zusammenkommen mit einem konsequenten Kampf um die Schaffung eines revolutionären Bewusstseins und der Aneignung des Marxismusmus-Leninismus.
Quantität und Qualität
Dabei stellt sich für uns heute die Frage, was steht in der aktuellen Situation im Vordergrund? Das quantitative Wachstum, also eine möglichst große Anzahl an Menschen zu organisieren oder die Ansammlung an Qualität, also die Entwicklung von Arbeiterinnen und Arbeitern zu bewussten Kommunistinnen und Kommunisten.
Es geht heute in Deutschland in erster Linie darum, dass wir die vor uns stehende Aufgabe, eine bundesweite Kampforganisation der ArbeiterInnenklasse aufzubauen, angehen. Unser nächstes Ziel ist somit die Gründung einer kämpfenden Kommunistischen Partei. Für deren Aufbauprozess brauchen wir jedoch eine möglichst große Anzahl erfahrener und bewusster KaderInnen. Diese gilt es aus den Massen und ihren Kämpfen, also aus unserer Arbeit in den Massenorganisationen zu gewinnen und zu entwickeln.
Die Qualität der GenossInnen, die wir aus den Massen gewinnen, steht dabei heute im Vordergrund vor der Quantität. Um das zu konkretisieren: Es kann uns heute nicht darum gehen in 1-2 Jahren hunderte oder tausende ArbeiterInnen zu gewinnen und zu organisieren, sondern darum, dutzenden ArbeiterInnen ein Bewusstsein zu geben, diese zu organisieren und zu kommunistischen KaderInnen zu entwickeln.
Wenn wir das schaffen, wird das zu viel größeren Sprüngen in der organisatorischen Entwicklung und damit der Stärkung der Kommunistischen Bewegung führen, als wenn wir es heute schaffen einige tausend Menschen auf eine Demonstration zu mobilisieren. Das Erste wird auf Dauer die notwendige Bedingung für das Zweite sein. Denn nur durch die Stärkung der KaderInnenstrukturen werden langfristig die Strukturen der Massenorganisationen und ihre Mobilisierungs- und Kampfkraft gestärkt.
Der Kampf, den wir führen und führen müssen, findet nicht nur, aber auch auf der Straße statt. Es ist gleichzeitig ein Kampf um die Herzen und Köpfe, um die Gefühle und Gedanken der ArbeiterInnenklasse. Wenn wir das verstehen und umsetzen, dann werden wir erfolgreich sein.
Fallen, Fehler und Abweichungen
Gerade die Massenarbeit ist eines der größten Einfallstore für bürgerliche Abweichungen. Fast alle Massenorganisationen, insbesondere solche, die nicht direkter Teil der Partei sind, schwanken in ihrer Ausrichtung zwischen Reform und Revolution. Gerade in Zeiten, in denen die Klassengegensätze nicht zugespitzt zu Tage treten, wächst die Gefahr für solche Schwankungen. Das ist normal und kaum zu verhindern. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Arbeit immer wieder in die richtige Richtung zu lenken und zu große Abweichungen und Schwankungen zu verhindern. Auch und besonders hier müssen wir planvoll handeln, unsere Kräfte nicht zu sehr zerstreuen oder überdehnen und auf klare politische, ideologische und organisatorische Ziele hinarbeiten. Gerade eine planvolle und auf die sich verändernde Situation angepasste Arbeit kann hier zu großen Entwicklungen und Sprüngen führen.
Keinesfalls können wir diesen Schwankungen entgehen, in dem wir uns von den Problemen und Forderungen der ArbeiterInnenklasse entfernen und abstrakte Forderungen nach einer heute, hier und jetzt stattfindenden Revolution aufstellen. Das würde uns nicht nur von der ArbeiterInnenklasse isolieren, sondern uns zu AnbeterInnen des linken Radikalismus machen. Trotzdem ist es natürlich richtig und auch heute schon eine Notwendigkeit die Revolution als einzigen Weg der Überwindung des Kapitalismus zu propagieren und bei den ArbeiterInnenmassen ein Bewusstsein dafür zu schaffen.
Verschiedene Abweichungen können sich in der Massenarbeit einschleichen. So ist das „Aufgehen in demokratischen Kämpfen“ sicher eines der am weitesten verbreiteten Phänomene. Statt die Kämpfe konkret zu nutzen, um die Massen zu organisieren und für revolutionäre Kämpfe zu mobilisieren, verliert man sich in Ökonomismus, einem begrenzten Kampf um die minimalsten ökonomischen Verbesserungen der Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse. Diese Kämpfe werden dabei schnell zum Selbstzweck und enden im Reformismus.
Eine andere Seite derselben Medaille ist das Verzetteln in diesen Kämpfen im Sinne einer „Feuerwehrpolitik“. Man gibt sich voll und ganz der Spontanität hin und versinkt in den Alltagskämpfen einzelner ArbeiterInnen, anstatt kollektive Kämpfe zu entwickeln, welche die Klasse Kampferfahrungen sammeln, Solidarität spüren und Klassenbewusstsein entstehen lässt.
Wir müssen dem Handwerklertum den Kampf ansagen und die realen Klassenkämpfe anhand einer konkreten Entwicklungsperspektive entfalten. Wir müssen in der Massenarbeit immer den gesamtgesellschaftlichen Kampf und die Perspektive der Organisierung der ArbeiterInnenklasse vor Augen haben.
Selbstorganisation statt
Stellvertretertum
Massenarbeit bedeutet für uns, dass wir unsere Klassengeschwister aktivieren, politisieren und organisieren. Doch was heißt das konkret?
Unser Ziel ist es, dass die Massen selber im Kampf stehen, dass sie für ihre eigenen Rechte und die ihrer Klassengeschwister aktiv werden. Wir wollen dabei keine Stellvertreterkämpfe für die Massen führen oder bürokratische Organisationsformen aufbauen und nutzen, welche die Aktivität der Massen beschränken. Die höchste Aktivität und Initiative der Massen unter bewusster ideologischer und organisatorischer Führung der KommunistInnen muss unser Ziel sein. Dazu müssen wir jedes Stellvertretertum bekämpfen und die Selbstorganisation der Massen stärken.
Unter Selbstorganisation verstehen wir den aktiven Kampf der Massen für ihre Klasseninteressen. Diese Selbstorganisation muss sich in Kampforganen der Klasse manifestieren. Wir wollen eine Erziehung der Massen zum Kampf, zur Rebellion gegen dieses System und all seine Auswirkungen. Wir wollen, dass sie selber Kampferfahrungen sammeln, im Kampf gegen ihre Bosse, Vermieter und den Staat.
Diese Kampferfahrungen werden die ArbeiterInnen nicht vergessen. Sie werden in zukünftigen Klassenauseinandersetzungen und Aufständen darauf aufbauen können. Diese Kämpfe sind elementar, damit sich die ArbeiterInnen ihrer eigenen Macht bewusst werden und sich als Klasse zusammenschließen. Hier geht es auch nicht nur darum, auf heute zu gucken, sondern bereits jetzt die Zukunft im Blick zu haben, denn wir wollen schließlich den Sozialismus aufbauen.Die Massenorganisationen in den Stadtteilen, Betrieben oder Schulen werden perspektivisch zu den strategischen Keimzellen der Sowjetmacht! Sie legen den Grundstein für die Herrschaft der ArbeiterInnenklasse, die Revolution verleiht ihnen die gesellschaftliche Macht dazu.
ArbeiterInnenräte sind die organisierte Macht der Massen. Sie müssen in allen Lebensbereichen der Klasse geschaffen werden. Sie sind der erste Bereich in dem wir eine organisierte Gegenmacht aufbauen! Je mehr wir solche bewussten Massenorganisationen aufbauen, desto stärker können wir in die Klassenkämpfe eingreifen und diese gestalten.
Für den/die ein oder andere/n mag das vielleicht nach hochgestochener Zukunftsmusik und einer Überschätzung der eigenen Kräfte klingen, für uns tut es das nicht. Als KommunistInnen mögen wir heute in Deutschland vielleicht kaum wahrnehmbar und gesellschaftlich irrelevant erscheinen. Wir sind zersplittert und aufgespalten in verschiedene Organisationen und haben ideologische Unterschiede. Doch genau dies gilt es für die Zukunft zu ändern. Ändern wird sich dies jedoch nur durch die Beteiligung am Klassenkampf und nicht durch einen Klein- oder Papierkrieg zwischen irgendwelchen Zirkeln. Die Ergebnisse der Praxis in der ArbeiterInnenklasse werden schließlich zeigen, ob heute propagierte Konzepte und Herangehensweisen erfolgreich sein werden oder nicht. Fest steht jedoch, ohne ein klares Aufbau-Konzept, eine Strategie und Taktik, werden wir unseren Zielen nicht näher kommen.
Es kann und muss uns heute also darum gehen, klassenkämpferische Massenorganisationen aufzubauen, in denen wir die verschiedenen Teile der ArbeiterInnenklasse organisieren. Wir müssen Organisationen für die lohnabhängigen ArbeiterInnen, für Jugendliche, MigrantInnen, Frauen, Arbeitslose und RentnerInnen schaffen und aktive Klassenkämpfe führen, damit die Klasse Kampferfahrungen sammeln und Bewusstsein entwickeln kann. Gleichzeitig muss diese Arbeit durch eine systematische ArbeiterInnenbildung und die Organisierung der ArbeiterInnen begleitet werden. Dieser Aufbau von Massenorganisationen muss nach und nach seinen lokalen Rahmen verlassen und zu einer bundesweiten Organisierung auf allen Ebenen führen. Dazu müssen aus der Massenarbeit die aktivsten und fortschrittlichsten ArbeiterInnen als kommunistische KaderInnen gewonnen und entwickelt werden.
Wenn wir diese Aufgaben ernst nehmen, täglich an ihnen arbeiten, sei es im Betrieb, im Stadtteil, in der Schule oder der Universität, dann werden wir diesen Zielen auch Stück für Stück näher kommen. Dann wird auch in den sich zuspitzenden Widersprüchen der nahen Zukunft in Deutschland und den kommenden Klassenkämpfen wieder eine klassenkämpferische ArbeiterInnenbewegung, eine starke revolutionäre Bewegung und eine kämpfende Kommunistische Partei entstehen.
1 In Zukunft werden wir diesen Punkt in einer umfassenden Klassenanalyse genauer ausführen
2 Zwei Beispiel aus unserer Praxis: Die Wohnungsfrage ist das soziale Problem in den Innenstädten der Ballungszentren, wohingegen in den Vorstädten, wo man noch bezahlbare Wohnungen findet, das Thema von den Massen nur am Rande erwähnt wird. Altersarmut scheint – gefühlt – erst von Menschen ab 55, 60 Jahren als Problem wahrgenommen zu werden. Wobei einige RentnerInnen dann eine teils erstaunliche Bereitschaft zur Praxis zeigen, deren Radikalität wir niemals erwartet hätten.
3Lenin, “Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück”, LW 7, S. 264
4 Fußnote: Geschichte der KPdSU (B), Nachdruck: Verlag Roter Morgen, Dortmund 1976, S. 450
5 Lenin, Die Aufgaben der russischen Sozialdemokraten, LW Bd.2, S. 133