Die Frage, wie sich die Revolutionär:innen organisieren müssen, um den Kapitalismus zu beseitigen und den Kommunismus zu erkämpfen, ist so alt wie die kommunistische Bewegung selbst. Seitdem wurde diese Diskussion in der kommunistischen und revolutionären Bewegung weitergeführt und hat verschiedene Organisationskonzepte hervorgebracht. Auch heute hat die Frage der Organisierung nicht an Bedeutung verloren.
Der deutsche Imperialismus ist ein hochorganisierter Gegner, der zudem über viel Erfahrung in der Unterdrückung von revolutionären Bestrebungen verfügt. Das gilt nicht nur für die „Peitsche” der direkten Repression, sondern noch mehr für das „Zuckerbrot” der Integration. Diesen Feind zu besiegen, indem wir seine Macht, d. h. die politischen und militärischen Apparate vernichten, auf die er seine Herrschaft stützt, kann offensichtlich keine Frage von einigen wenigen Tagen Aufstand sein. Die Revolution im Herzen der Bestie gegen diesen Feind zu machen, wird kein Kinderspiel werden. Jeder Gedanke an eine Revolution in Deutschland im 21. Jahrhundert bleibt ohne eine starke Organisation der Revolutionär:innen eine Utopie.
Der tiefe Staat existiert. In Deutschland ebenso wie überall auf der Welt. Auch heute bestehen Todesschwadronen in der Tradition der NATO-Geheimarmee Gladio und sind quicklebendig. Struktur, Funktionsweise und Aktivitäten dieser militärischen Strukturen sind durch die Enthüllungen über NSU, das Münchner Oktoberfestattentat und weitere vom Staat aufgebaute bzw. unterstützte rechtsterroristische Netzwerke für alle, die es wissen wollen, bis ins Detail belegt. Der Klassenkampf ist insbesondere in Zeiten der Schwäche der revolutionären Seite, in Zeiten, in denen wir sozusagen wieder ganz am Anfang stehen, ein asymmetrischer Krieg. Während die Konterrevolution scheinbar über alle Macht der Welt und unendliche Ressourcen verfügt, hat das Proletariat als revolutionäre Klasse1 dagegen nur zwei Mittel aufzubieten: seine Zahl und seine Organisation. Deshalb sagen wir, dass die Schaffung der Kommunistischen Partei der wichtigste Hebel und die entscheidende Waffe im revolutionären Klassenkrieg für den Sozialismus darstellt.
Organisiert sich das Proletariat unter der Führung seiner Partei, ist es nicht nur in der Lage, den Kapitalist:innen die Macht zu entreißen, sondern die Menschheit auf allen Ebenen zu revolutionieren und Leistungen zu vollbringen, wie es keine der früheren Gesellschaften jemals zu tun vermocht hätte. Bewiesen hat die Arbeiter:innenklasse das in der Praxis durch unzählige siegreiche Kämpfe beim Aufbau des Sozialismus in der Sowjetunion – darunter die Industrialisierung eines riesigen Agrarlandes in wenigen Jahren und die Vernichtung der Hitler-Armeen im Zweiten Weltkrieg. Diese Siege beweisen gegen alle Verunsicherung durch die zeitweise Niederlage und gegen alle antikommunistische Propaganda, dass der Kampf um die Errichtung der Diktatur des Proletariats und den Kommunismus alle Mühen und Opfer wert ist, die er einfordert.
Die Weltanschauung der Kommunistischen Partei, der Marxismus-Leninismus, ist keine Lehre zum bloßen Interpretieren der Welt, sondern eine Anleitung zum Handeln. Das Organisationskonzept der Kommunistischen Partei, wie wir es darlegen werden, ist ein Bestandteil der marxistisch-leninistischen Theorie. Dementsprechend begreifen wir die Schriften der Klassiker zur Kommunistischen Partei nicht als schematische „Kochrezepte”. Die materielle Realität – konkreter: die ökonomische Basis des Kapitalismus wie auch der darauf aufbauende gesellschaftliche Überbau – hat sich entwickelt. Die internationale Konterrevolution hat in den vergangenen 150 Jahren reiche Erfahrungen gesammelt und sich immer weiter optimiert. Es ist an uns, eine Kommunistische Partei aufzubauen, die diesen Entwicklungen Rechnung trägt, die in der Lage ist, den deutschen Imperialismus im 21. Jahrhundert zu vernichten.
Wir legen in diesem Text unsere Standpunkte zu den aus unserer Sicht zentralen Aspekten der Frage der Organisation der Revolutionär:innen dar. Wir werden in den Ausführungen immer wieder auf einige der häufigsten Verfälschungen der Idee der Kommunistischen Partei eingehen, sowie uns mit einigen antikommunistischen Vorurteilen beschäftigten, die selbst in der politischen Widerstandsbewegung erschreckend stark verbreitet sind. Diese Vorurteile sind in vielen Fällen dadurch entstanden, dass der Eindruck verschiedener revisionistischer Organisationsmodelle im kollektiven Bewusstsein vorherrschend ist gegenüber wirklich kommunistischen Organisationen. Viele mögen sich vielleicht denken, dass es sich auch bei uns ja auch nur um eine der vielen Organisationen mit der Grundsatzerklärung zur Kommunistischen Partei handelt. Dieser auch bei vielen ehrlichen Arbeiter:innen und revolutionären Genoss:innen vorhandene Eindruck ist – leider – durch bestimmte Erfahrungen mit revisionistischen Parteien und der Entwicklung der K-Gruppen, sowie ihrem Zerfall zum Zirkelwesen nicht ohne Weiteres zu widerlegen.2
Auch wenn die Schaffung der kommunistischen Partei damit einhergeht die Einheit der Kommunist:innen auf prinzipieller Grundlage zu erkämpfen, so sehen wir eben jene Grundlagen heute nicht für gegeben. Wir denken, dass keine der bestehenden Organisationen die notwendige Herangehensweise an den Tag legt, um den Aufbau einer revolutionären Vorhutpartei leninistischen Typs sowohl in der Theorie als auch in der Praxis anzugehen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir uns selbstgefällig über die Bewegung stellen. Wir führen den ideologischen Kampf, d. h. die politische Auseinandersetzung bewusst mit Genoss:innen anderer Strömungen und Organisationen. In diesem notwendigen Meinungsstreit treten wir mit allen ehrlichen Revolutionär:innen, da sie eine Bedeutung für die Revolution in Deutschland haben.
Das hier vorliegende Text erschien 2014 erstmals als eigene Broschüre unter dem Titel „Kommunistische Partei im 21. Jahrhundert – Ein Gespenst geht um!“. Die zweite überarbeitete Auflage (Dezember 2017) spiegelte den damaligen Stand und die Entwicklung unserer Organisation wider. Die dritte Auflage (Dezember 2021) beinhaltete als Anhang das damals aktuelle programmatische Selbstverständnis. Der nun vorliegende Text (Dezember 2024) beinhaltet einige inhaltliche Anpassungen und redaktionelle Veränderungen entsprechend des entwickelten Verständnisses der Parteifrage heute in Deutschland sowie dem Entwicklungsstandes der klassenkämpferischen, revolutionären Bewegung, der politischen Widerstandsbewegung und unserer Organisation.
1. Notwendigkeit der Kommunistischen Partei
Die Revolution gegen die Bourgeoisie in der BRD zu vollziehen und zum Erfolg zu führen, kann nicht das alleinige Ergebnis spontaner Massenkämpfe sein. Die BRD ist ein Staat in den Händen des imperialistischen deutschen Monopolkapitals, an dessen Spitze eine Handvoll Oligarch:innen stehen. Das Monopolkapital hat sich alle anderen Teile der Bourgeoisie und einige gehobene Zwischenschichten3 ebenso untergeordnet wie den bürgerlichen Staat und den größten Teil seines Beamt:innentums. Nicht zu vergessen die vielen Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten, die sich freiwillig und voller Überzeugung in einer politischen Organisation wahlweise für die „freiheitlich-demokratische Grundordnung” oder den „Führerstaat” einsetzen. Das Finanzkapital4 verfügt also über Reserven für die Konterrevolution, die zwar eine gesellschaftliche Minderheit sind, jedoch deutlich über die „1 Prozent” hinausgehen, die z. B. die „Occupy”-Bewegung zu ihren Feinden erklärte.5 Es ist eine Illusion anzunehmen, man könne in Deutschland einen strategischen Keil zwischen die verschiedenen Schichten der Bourgeoisie treiben, wie es die revisionistischen Vertreter:innen einer „antimonopolistischen Demokratie” seit mehreren Jahrzehnten verbreiten.
Auch wenn die Monopolbourgeoisie den Staat kontrolliert, bleibt er weiterhin unverzichtbares Instrument zur Verteidigung des Privateigentums und damit der Herrschaft der gesamten Kapitalist:innenklasse. Unterschiedliche Interessen oder Machtkämpfe innerhalb der Bourgeoisie und Monopolen führen niemals dazu, dass die Monopole die Macht als Ganzes abgeben, sondern dazu, dass einzelne Monopole mehr Macht erlangen. Sie alle vereint der Kampf gegen die Revolutionär:innen und die Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse. Die BRD ist ein Staat, dessen politische Parteien nicht nur fest mit dem Finanzkapital verwoben sind und deren Programme alle im Interesse der Monopole sind, sondern der hinter der Fassade des bürgerlich-demokratischen Wahlspektakels und der Regierungswechsel über tiefe Strukturen verfügt, die im Zweifel für die politische Kontinuität sorgen.6 Die BRD ist ein Staat, dessen Unterdrückungs- und Überwachungsapparat nicht bei Polizei, Bundeswehr und Verfassungsschutz endet, sondern faschistische Todesschwadronen vom Typ Gladio und NSU ebenso umfasst wie die unscheinbaren Datensammelstellen und Repressionsbehörden Jobcenter, Finanzämter, Jugendämter, u. v. m. – nicht zu vergessen Meta, Google und Co. Die zahllosen Kanäle, über die die bürgerliche Ideologie in die Massen getragen werden, denen sich unsere Genoss:innen schon immer gegenüber sahen, sind der Anzahl und Vielfältigkeit nach enorm gewachsen (Medien, Schulen, Universitäten, „wissenschaftliche” Arbeitskreise und Stiftungen, Kirchen, etc.). Was gelehrt und über diese Kanäle verbreitet wird, geht letztlich von zentralen Think Tanks wie z. B. der Bertelsmann-Stiftung oder der dem Bundesinnenministerium angegliederten „Bundeszentrale für politische Bildung” aus.
Zwar können objektiv revolutionäre Situationen auch ohne Klassenbewusstsein und mehr oder weniger spontan entstehen.7 Es kann zu Situationen kommen, in denen die Massen sich erheben und auch radikale Forderungen umsetzen (z. B. den Sturz einer Regierung). Wie unzählige historische Beispiele8 gezeigt haben, werden solche Situationen jedoch niemals die Errichtung der Herrschaft der Arbeiter:innenklasse und den Aufbau des Sozialismus nach sich ziehen, wenn die Revolution keine organisierte, politische Führung hat. Im Gegenteil wird die Bourgeoisie in solchen Situationen alle ihre Truppen in Bewegung setzen und die ausgefeiltesten Betrügereien in Gang setzen, um die Führung wieder in ihre Hände zu bekommen, oder um die Gewalt der Massen in andere Richtungen zu lenken: z. B. gegen bestimmte Minderheiten wie Flüchtlinge oder Homosexuelle. Um diesen Staat zu stürzen braucht es also eine organisierte Macht, eine Kommunistische Partei.
Die Kommunistische Partei ist mehr als eine militärische, politische und organisatorische Führung, mehr als das unverzichtbare Rückgrat jeglicher siegreichen Bewegung. Die Durchführung der Revolution, die Errichtung, Ausübung und Weiterentwicklung der Herrschaft der Arbeiter:innenklasse und der Aufbau des Sozialismus sind unmöglich ohne die breiteste und direkte Einbeziehung der proletarischen Massen. Die Kommunistische Partei muss deswegen auch ideologisch führen. Das heißt, das proletarische Klassenbewusstsein in die Arbeiter:innenklasse zu tragen und die Betrügereien und geistigen Einflüsse der Bourgeoisie zurückzudrängen. Das proletarische Klassenbewusstsein oder sozialistische Bewusstsein ist der wissenschaftliche Sozialismus, mit dem die Welt verstanden und verändert wird. Es beinhaltet insbesondere die Erkenntnis, dass zur Befreiung der Arbeiter:innenklasse der bürgerliche Staat in einer Revolution zerschlagen und durch einen neuen Staat, die Diktatur des Proletariats, ersetzt werden muss. Dass dies nur durch die bewaffnete Erhebung der Massen unter der Führung der Arbeiter:innenklasse und ihrer Kommunistischen Partei geschehen kann, u. v. m. Es ist das Bewusstsein, das nach Marx und Engels die Kommunist:innen zunächst dem Rest der Arbeiter:innenklasse voraus haben und das nicht nur die Theorie beinhaltet, sondern als wesentlichen Bestandteil auch die Umsetzung dieser Theorie in die revolutionäre Praxis: Ein entwickeltes Klassenbewusstsein ist deswegen nur als Teil eines kämpfenden Kollektivs denkbar. Auch wenn die Möglichkeiten, sich mit kommunistischer Theorie zu befassen, im Zeitalter des Internets für die Massen gewachsen sind, hat das auch heute nicht den Effekt, dass sich die Arbeiter:innenklasse ihre Ideologie spontan aneignet und kollektiv umsetzt.
Die Arbeiter:innenklasse tendiert spontan zum bürgerlichen politischen Bewusstsein, das alle Schattierungen von Ideologien umfasst, die letztlich keinen wissenschaftlichen Weg zur Überwindung der kapitalistischen Herrschaft beinhalten. Die Tendenz zum bürgerlichen Bewusstsein erfolgt, wie Lenin herausgearbeitet hat, „aus dem einfachen Grund, weil die bürgerliche Ideologie ihrer Herkunft nach viel älter ist als die sozialistische, weil sie vielseitiger entwickelt ist, weil sie über unvergleichlich mehr Mittel der Verbreitung verfügt.“9
Dass dieses Argument nicht an Berechtigung verloren, sondern gewonnen hat, seit Lenin es 1902 ausführte, muss wohl nicht weiter erläutert werden. Wie es auch heute nach wie vor keinen neutralen Raum im Klassenkampf gibt, so auch nicht in der Ideologie. Auch wenn es Graustufen gibt: Jede Ideologie ist entweder bürgerlich oder proletarisch. Letztlich läuft jede Ideologie auf die Aufrechterhaltung oder Abschaffung der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, des bürgerlichen Staates und des Privateigentums hinaus. Der Kampf um die Zurückdrängung der bürgerlichen Ideologie auf allen Ebenen ist ständige Aufgabe der Kommunistischen Partei. Eine besondere Bedeutung hat die Zurückdrängung aller Spielarten der sozialdemokratischen und revisionistischen Ideologie, welche die Arbeiter:innenklasse vom Weg der Revolution abbringen. Selbst die Anschauungen von Menschen, die ehrlich davon überzeugt sind, den Kapitalismus beseitigen zu wollen, können objektiv bürgerlich sein, insofern sie keinen praktikablen Weg zur dauerhaften Überwindung des Kapitalismus und seiner Ersetzung durch den Kommunismus aufzeigen und damit die Arbeiter:innenklasse in die Irre führen. Zusammengefasst ist die BRD ein Feind, der in noch ganz anderem Maße als der russische Zarismus mit allen Kampfmitteln bewaffnet und auf moderne Art organisiert ist.
Die imperialistische Bourgeoisie in Deutschland hat ein schlagkräftiges und vielfältiges organisatorisches Netzwerk der Konterrevolution organisiert. Sinn und Zweck dieser Organisationen der herrschenden Klasse ist es, die drohende Vernichtung des Imperialismus mit allen Mitteln – von der „friedlichen Integration” linker Kräfte bis zum Terror gegen jegliche fortschrittlichen Kräfte abzuwenden. Die Revolution gegen die Bourgeoisie in der BRD zu vollziehen, heißt also, einen revolutionären Bürgerkrieg zu führen. Die proletarische Revolution, die Diktatur des Proletariats und damit der Aufbau des Sozialismus sind ein bewusster Akt der Ermächtigung, der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates mit all seinen Institutionen und offenen und verdeckten Hilfstrupps – vom Kommando Spezialkräfte (KSK) bis zu bürgerlichen Stiftungen. In einen solchen Krieg unorganisiert und ohne Führung einzutreten, heißt zwangsläufig, zur Niederlage verurteilt zu sein. Notwendig ist eine Führung, welche derart in den Massen und ihren Organisationen verankert ist, dass sie in der Lage ist, die verschiedensten Bewegungen der Massen in eine Richtung zu lenken und sie zu einem einheitlichen Strom gegen das System zusammenzuführen. Dabei muss sie die Kampferfahrungen verallgemeinern und Fehler erkennen und korrigieren. Notwendig ist eine Führung, die durch ihre Entschlossenheit, ihre Kampferfahrung und ihre richtige Strategie und Taktik von den Massen tatsächlich auch als Führung in der Praxis anerkannt wird, und durch ihre Überzeugung statt durch bürokratische und formalistische Herangehensweise leitet.
Eine revolutionäre Strategie und Taktik für Deutschland zu erarbeiten ist keine Banalität, die spontan aus der Arbeiter:innenklasse „herauswächst”. Wir halten den wissenschaftlichen Sozialismus, die Analyse der konkreten gesellschaftlichen Entwicklungen im In- und Ausland und die Auswertung der Erfahrungen der internationalen kommunistischen Bewegung für unverzichtbare Voraussetzungen für diese Aufgabe. Aber auch die materielle Realität in Deutschland muss wissenschaftlich untersucht werden. Welche Auswirkungen auf Revolution und Konterrevolution haben heute die Tradition der deutschen Sozialdemokratie, der Faschismus, die DDR, ihr Scheitern und die Europäische Union? Nichts anderes als diese einfachen Feststellungen reichen aus, um zu erklären, warum sich die bewusstesten der Ausgebeuteten zusammen schließen müssen, um mit ihrer theoretischen Arbeit, ihrer politischen Ausrichtung, ihrer im wahrsten Sinne des Wortes vorbildlichen Praxis und in dem sie ihr ganzes Leben, ihre ganze Energie in den Dienst der Revolution stellen, der Arbeiter:innenklasse Wege aufzeigen, sich gegen die Gewalttaten des Kapitals zu organisieren, ihnen vorangehen und den Weg zur Revolution weisen.
Es gibt politische Kräfte, die die Führung der Arbeiter:innenklasse durch ihre Vorhutpartei mit dem Argument ablehnen, die Befreiung der Arbeiter:innenklasse könne nur die Sache der Arbeiter:innen selbst sein und auf diese Weise die Klasse und ihre Führung einander gegenüberstellen. Diese Kräfte verkennen, dass die Kommunistische Partei, wie wir sie geschildert haben, eben kein von der Arbeiter:innenklasse getrenntes Gebilde ist oder eine abgehobene „Stellvertreterorganisation”, wie sich sozialdemokratische und diverse revisionistische Parteien verstehen. Die Kommunistische Partei ist vielmehr ein Instrument der Arbeiter:innenklasse selbst, das sich aus denjenigen Teilen von ihr zusammensetzt, die sich ihrer Lage und ihren Interessen als Klasse am meisten bewusst geworden sind. Die Kommunistische Partei ist darüber hinaus die einzige Partei, deren politisches Ziel es in letzter Konsequenz ist, sich selbst – nämlich in der kommunistischen Gesellschaft – überflüssig zu machen, und die ihre ganze Politik auf dieses Ziel ausrichtet. Die Kommunistische Partei ist kein Selbstzweck, sondern zweckmäßiges Mittel zur Errichtung einer kommunistischen Gesellschaft.
Spontane Bewegung und politische Führung
Es ist ein häufig vorzufindendes Vorurteil, dass die Kommunist:innen sich als „Stellvertreter:innen” für die Massen verstünden, überall mit Führungsanspruch aufträten und die „Spontaneität” der Massen abwürgten. Dieses Vorurteil wurde durch das Auftreten verschiedener revisionistischer Organisationen, Erfahrungen mit revisionistischen Staaten und durch den gezielt etablierten Antikommunismus genährt. Es stellt sich also die Aufgabe, das Verhältnis zwischen den Kommunist:innen und der spontanen Massenbewegung genauer zu untersuchen. Was ist eine „spontane” Bewegung und wie ist ihr Verhältnis zu politischer Führung?
Bei der politischen Einschätzung von spontanen Bewegungen müssen wir uns die Frage stellen, von welchem „Bewusstsein” und welcher „Spontaneität” wir sprechen: Wie sieht es z. B. mit den heutigen Kämpfen der Arbeiter:innen in Deutschland aus? Ist ein tariflicher Warnstreik unter der Führung der IG Metall „bewusster” als ein Hungerstreik von Leiharbeiter:innen oder eine betriebliche Sabotageaktion? Es ist offensichtlich und wird heute längst nicht nur von Kommunist:innen gesehen, dass die Führung der DGB-Gewerkschaften in den tariflichen Kämpfen gerade dazu dient, die „freiheitlich-demokratische Grundordnung”, d. h. den Kapitalismus aufrechtzuerhalten und den „sozialen Frieden” zu sichern.10 Das bedeutet insbesondere, die Kämpfe in einen legalen Rahmen zu zwängen bzw. dort zu halten. Bei diesen Kämpfen haben wir eine Führung und ein „Bewusstsein” dieser Führung. Dieses ist jedoch ein bürgerliches Bewusstsein und eine Führung gerade in Form von Stellvertretung und Entmündigung der Massen. Ebenso ist die Friedensbewegung11 seit Jahrzehnten fest in der Hand sozialdemokratischer und pazifistischer Kräfte, welche die Kämpfe ebenfalls in den legalen Rahmen zu zwängen versuchen – während z. B. Teile der Antifa-Bewegung, in der diverse anarchistische Strömungen vorherrschend sind, immerhin die Notwendigkeit militanter Kämpfe propagieren und zum Teil auch praktizieren, was sie jedoch nicht weniger spontaneistisch macht.
Die politische Einschätzung dieser Bewegungen muss vom objektiven Standpunkt der Arbeiter:innenklasse erfolgen: Ein erfolgreicher Kampf, der bestimmten Teilen der Arbeiter:innenklasse (z. B. den Beschäftigten einer Branche) bestimmte „greifbare Ergebnisse” bringt (z. B. einen Lohnzuwachs, der lediglich die Inflation ausgleicht), kann vom Standpunkt der Gesamtbewegung eine Niederlage sein, wenn er eine Stärkung des bürgerlichen Bewusstseins und der bürgerlichen Führung in der Arbeiter:innenbewegung (z. B. der Verhandlungsführer:innen der IG Metall) mit sich bringt und damit gerade potentielle Entwicklungsmöglichkeiten für das sozialistische Bewusstsein abwürgt. Während auf der anderen Seite gerade eine Aktion wie eine Kranbesetzung oder ein Hungerstreik, die das offizielle gewerkschaftlich legale, bürgerliche Korsett sprengt – bei aller Primitivität der Mittel, der überschaubaren Zahl und der politischen Unklarheit der Akteur:innen – Potential für die Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins bieten. Eine solche Aktion kann damit selbst dann in einen Sieg im Klassenkampf verwandelt werden, wenn sie taktisch in einer Niederlage endet.
Eine Bewertung des „Bewusstseins” existierender Bewegungen vom proletarischen Klassenstandpunkt aus bedeutet einzuschätzen, inwiefern eine Bewegung einen realen Fortschritt in Richtung der Kampfziele – Revolution und Errichtung der Diktatur des Proletariats – bringt, inwiefern sie das sozialistische Bewusstsein und die Führung der Arbeiter:innenklasse in diesen Kämpfen stärkt. Spontane Bewegungen in den Betrieben und auf der Straße entstehen aufgrund der objektiven Widersprüche des Kapitalismus immer wieder. Das sozialistische Bewusstsein entwickelt sich aber niemals von selbst, sondern muss von den Kommunist:innen in die Bewegung getragen werden. Die „absolute Spontaneität”, die manche Anarchist:innen und Syndikalist:innen sich wünschen, mit denen wir die Ablehnung der bürgerlichen Führung in der Arbeiter:innenbewegung teilen, existiert nicht: Jede gewerkschaftliche oder politische Bewegung steht spätestens zum Zeitpunkt ihrer vollen Herausbildung unter einer objektiven politischen Führung im Sinne des Klassenstandpunktes, der sich in dieser Bewegung durchgesetzt hat und nach dem sie handelt. Das ist (obgleich es natürlich Schattierungen gibt) entweder der proletarische oder der bürgerliche Standpunkt – abgesehen vom kleinbürgerlichen Standpunkt, der zwischen den beiden Polen schwankt und letztlich zum bürgerlichen Standpunkt tendiert. Auch eine Bewegung, die spontan das Gesetz auf der Straße bricht, die Polizei und den Staat angreift, wird ohne sozialistisches Bewusstsein durch den „modern organisierten” imperialistischen Staat und seine zahlreichen Hilfstrupps schnell wieder ins System integriert12 oder zerschlagen werden. Die „absolute Spontaneität” zu fordern, heißt letztlich, gegenüber dem bürgerlichen Bewusstsein und der bürgerlichen Führung die Waffen zu strecken und den Sozialdemokrat:innen und Revisionist:innen das Feld zu überlassen.
Kommunist:innen bewerten und charakterisieren die Bewegungen und Kämpfe also in erster Linie nicht anhand der sozialen Zusammensetzung ihrer Teilnehmer:innen, sondern anhand des Programms und der Ziele, die diese Bewegung verfolgt. Kommunistische Führung geht dabei vom kommunistischen Ziel aus. Im Kommunismus wird jeder Mensch aktiver Teil der Gesellschaft und damit „Führer:in” sein. Für die Revolution braucht es keine blinde, gefügige, manipulierte Masse, sondern selbständige, aktive, klassenbewusste Menschen. Deshalb führen die Kommunist:innen nicht administrativ, sondern durch Überzeugung. Sollten die Massen nicht von der Linie der Kommunist:innen überzeugt werden, so müssen die Kommunist:innen den Massen helfen, sich anhand der eigenen Erfahrung zu überzeugen. Kommunist:innen müssen deshalb die Fähigkeit des Proletariats zur Selbstemanzipation fördern und den Kampf gegen das Stellvertreter:innentum aufnehmen. Kommunist:innen müssen sich als einzelne Personen in der Bewegung entbehrlich machen, indem sie viele weitere kommunistische Führer:innen ausbilden. Eine Partei die nur ein paar gute Führer:innen hat, aber in den „unteren” Ebenen nur blinde Gefolgschaft, kann schnell vom Staat ausgeschaltet werden. Eine Partei, die ständig die Genoss:innen ihrer eigenen Organisation zum selbstständigen Denken und Selbstaktivität erzieht, wird für den Feind unzerstörbar werden, weil aus ihren Reihen immer neue kommunistische Kader:innen hervorgehen werden. Heute steht es an, massenhaft bewusste kommunistische Führer:innen aufzubauen, die ihr Leben der Revolution widmen.
Die konkreten Aufgaben der kommunistischen Vorhut gegenüber der spontanen Bewegung sind also:
- Den Organisiationsgrad der Massen zu erhöhen bis hin zur Gewinnung der bewusstesten Kämpfer:innen in die Reihen der Kommunistischen Partei.
- Die spontane Bewegung, wo sie existiert und ihre legitimen Forderungen gegen Auswüchse des kapitalistischen Systems ausspricht, zu unterstützen durch Vermittlung von Erfahrung, Führung und Stärkung der Organisiertheit. Es gilt sie so zu einer bewussten und organisierten Bewegung zu formen.
- Das Klassenbewusstsein in den Massen zu entfachen und zu heben.
- Die Sozialdemokratie, den Revisionismus und andere schädliche Strömungen in Theorie und Praxis zu entlarven, und ihren Einfluss zurückzudrängen.
- Von den Massen, ihren Erfahrungen als unterdrückte Klasse und ihren Kämpfen zu lernen.
- Rückgrat und Gedächtnis der Bewegung zu bilden.
- Verbindungen zu Bewegungen in anderen Ländern herzustellen, von ihren Erfahrungen zu lernen und Verallgemeinerungen zu schaffen.
Strategisch heißt das für uns Kommunist:innen, dass wir unsere Schwerpunkte in all unseren Arbeitsbereichen entsprechend den Bedürfnisse des Klassenkampfes setzen müssen. Dabei wäre es ein falsches, mechanisches Verständnis zu denken, dass wir in jede existierende Bewegung gleichermaßen hineinwirken müssten oder könnten. Politisch zu führen bedeutet stattdessen unsere Kräfte danach auszurichten, wie wir die Gesamtbewegung und den Klassenkampf strategisch und taktisch weiterentwickeln können. Dabei können wir uns folgende Fragen stellen: In welchen Bewegungen können wir die Klassenfrage aufwerfen und wie? Über welche Kämpfe können wir Klassenbewusstsein schaffen und die kommunistische Vorhut stärken? Wo können wir selber Bruchlinien finden, um spontane Bewegungen zu entfachen?
2. Eigenschaften der Kommunistischen Partei
Wie muss die Kommunistische Partei nun beschaffen sein, damit sie die oben definierten Aufgaben erfüllen kann? Um die Eigenschaften der Kommunistischen Partei näher zu untersuchen, wollen wir sie zunächst von den bürgerlichen Parteien abgrenzen:
Unterschied zwischen bürgerlicher und kommunistischer Partei
Alle Unterschiede zwischen der leninistischen Partei und den bürgerlichen Parteien ergeben sich aus den unterschiedlichen Zielsetzungen: Bürgerliche Parteien, darunter die sozialdemokratischen und revisionistischen Parteien, verfolgen das Ziel, die konkrete Politik der herrschenden bürgerlichen Klasse innerhalb des bestehenden Systems zu beeinflussen, aber die Macht der Kapitalist:innenklasse zu erhalten. Die Kommunistische Partei verfolgt das Ziel, die Kapitalist:inenklasse zu stürzen und ihre Herrschaft durch die Herrschaft der Arbeiter:innenklasse (die Diktatur des Proletariats) zu ersetzen – letztendlich mit dem Ziel, jegliche Herrschaft des Menschen über den Menschen überflüssig zu machen.
Welche Unterschiede ergeben sich daraus in den konkreten Eigenschaften der Parteien? Die bürgerlichen Parteien bilden eine Ideologie heraus, welche die Klassenwidersprüche verschleiert. Ideologien dieser Art reichen von der sozialdemokratischen „Sozialpartnerschaft” über den revisionistischen „friedlichen Weg zum Sozialismus” bis hin zur faschistischen Volksgemeinschaft. Die Kommunistische Partei erarbeitet ihre Politik dagegen wissenschaftlich auf der Grundlage des dialektischen Materialismus. Während die verschiedenen bürgerlichen Ideologien dazu dienen, die Massen zu täuschen und zu manipulieren und keinen Weg zur Befreiung aufzeigen, hat die Kommunistische Partei das Ziel, immer größere Teile der Massen in die Lage zu bringen, den Marxismus-Leninismus selber kritisch anzuwenden und weiterzuentwickeln. Ihr Ziel ist es, „jede Putzfrau in die Lage zu versetzen, den Staat zu leiten“ und letztendlich den Staat überflüssig zu machen. Jede bürgerliche Partei, und sei sie auch noch so „links“, zielt in ihrer Politik letztlich auf Reformen ab, die zum Zweck haben, dem kapitalistischen System mit seinen gärenden Widersprüchen Abhilfe zu verschaffen und den „sozialen Frieden” zu sichern. Sie reden radikal, stehen aber voll und ganz auf dem Boden des bürgerlichen Staates und seiner Gesetze.
Lange Zeit spielte diese Rolle die SPD, die viele Jahrzehnte über großen Masseneinfluss verfügte. Mittlerweile hat die SPD diese Rolle durch ihre Regierungstätigkeit zu großen Teilen eingebüßt und auch die Linkspartei, welche zwischenzeitlich in diese Rolle geschlüpft ist, hat keinen nennenswerten Masseneinfluss mehr. Dasselbe gilt für dutzende von kleinen reformistischen, revisionistischen und trotzkistischen Splittergruppen, die sich ständig neu reproduzieren mit einem „neuen Anlauf“ hin zu einer starken, linken Partei. Dafür ist mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Ende 2023 eine neue politische Kraft auf die Bühne der Parteienlandschaft getreten, welche die Lücke einer „linken“ Opposition mit einem nicht zu unter schätzenden Einfluss auf die Massen am ehesten ausfüllt. Zumindest bei den Landtagswahlen 2024 ist es dem Bündnis auf Anhieb gelungen, in drei ostdeutschen Bundesländern über 10 % der Wählerstimmen zu bekommen.13 Dabei ist auch das BSW nicht nur eine weitere bürgerliche Partei, hinter ihrem noch „linken“ Anstrich öffnet die Partei ihre Tore und Positionen von Anfang an weit nach rechts. Ob das BSW eine längere Zukunft hat oder von anderen bürgerlichen Partei ersetzt wird ist dabei offen. Klar ist jedoch, dass sie alle die selbe Funktion erfüllen: Die Massen an das System zu binden, egal wie enttäuscht sie von diesem sind.
Die Kommunistische Partei aber kennt keine „heiligen“ bürgerlichen Gesetze. Sie kennt auch keine Angst vor den Kampfformen der Massen, die den Rahmen des bürgerlichen Systems sprengen. Ihr Ziel ist die gewaltsame Zerschlagung des imperialistischen Systems. Die Kommunist:innen begreifen, dass dafür der bewaffnete Kampf notwendig ist und sie organisieren diesen Kampf. Für sie ist alles legitim, sofern es den Interessen der Arbeiter:innenklasse und der Revolution nützt. In diesem Sinne lehnt die Kommunistische Partei ultralinkes Abenteurertum und den individuellen, von den Massen losgelösten Terrorismus ebenso ab wie den Legalismus und alle „Etappentheorien”, die den bewaffneten Kampf in eine unbestimmte Zukunft verschieben.14 Für eine bürgerliche Partei ist es ausreichend, Organisationsformen zu schaffen oder auf Organisationsformen zurückzugreifen, die die Massen so erfassen, dass sie diese als Anhänger:innen ihrer Politik gewinnen können. Ihr politischer Führungsstil ist das Stellvertreter:innentum, die Entmündigung der Massen, die Herausbildung von Parteikarrierist:innen und deren Machtkampf, der aus Unterstützung/Verteidigung von unterschiedlichen Teilen im Kapital hervorgerufen wird.
Zu dieser Art von Organisationen gehören neben den bürgerlichen Parteien insbesondere die Gewerkschaften des DGB, die sich fest in der Hand der imperialistischen Bourgeoisie und ihrer Helferlinge befinden. In diesen können die Millionen Mitglieder in Wahrheit keinen wirklichen Einfluss auf politische Ausrichtung des Verbandes oder Vorgehen in den Arbeitskämpfen nehmen. Die Kommunist:innen arbeiten darauf hin, die Massen in ihren eigenen Organisationen für die Revolution und den Sozialismus zu gewinnen, sich in bestehenden Organisationen der Massen zu verankern und diese zu einem Ganzen, zu einer Bewegung mit einem revolutionären Ziel zu vereinigen. Die Kommunistische Partei muss in jedem gesellschaftlichen Sektor nach Organisationsformen suchen und ihre Bildung unterstützen, die eine wirkliche Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Einfluss der Kapitalist:innen gewähren. Kommunist:innen arbeiten dabei auch in den Organisationen, die unter feindlicher Führung stehen, wie z. B. den DGB-Gewerkschaften. Für die Kommunist:innen ist es jedoch nicht ausreichend, dort Propaganda zu verbreiten und die Mitglieder ideologisch zu beeinflussen. Weil Organisationen wie die DGB-Gewerkschaften nicht in Kampforganisationen für die Arbeiter:innenklasse umgewandelt werden können, muss die Arbeit der Kommunist:innen strategisch darauf abzielen, neue gewerkschaftliche Organisationen unter revolutionärer Führung aufzubauen.
Legalität und Illegalität
Aus der Zielsetzung der Kommunistischen Partei ergibt sich ihre Haltung zur Frage der Legalität und Illegalität. Die Kommunistische Partei will den Staat zerschlagen und die Diktatur des Proletariats errichten. Sie führt den Krieg der Arbeiter:innenklasse gegen die Bourgeoisie an. Das ist logischerweise in der BRD verboten. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für die Kommunistische Partei, grundsätzlich illegal und konspirativ aufgebaut zu sein. Manche politischen Kräfte schätzen diese Frage mit Blick auf die lange Periode des „friedlichen Kampfes” in der BRD gering und vernachlässigen den konspirativen Aufbau. Diese Haltung ist falsch und weltfremd: Man denke an das Verbot der KPD und die Verfolgung breiter Teile der politischen Widerstandsbewegung in Deutschland Mitte der 50er Jahre, oder auch an die politische Verfolgung der Marxisten-Leninisten in der BRD der 70er Jahre. Man denke an die zahllosen §129/a/b-Verfahren, an die von Staat und Medien erzeugte Pogromstimmung rund um die Verfolgung der Stadtguerrilla-Bewegung in den 70er und 80er Jahren, die bis heute anhalten. Man denke an die polizeiliche Repression und die brutalen Angriffe anlässlich der Anti-G8-Proteste 2007 und der Anti-G20 Proteste 2017. Und vergessen wir nicht die massiven Repressionen und hohen Haftstrafen im Antifa-Ost-Verfahren, dem Budapestkomplex oder der sogenannten „Krawallnacht“ in Stuttgart.
All diese Beispiele zeigen uns, dass der Staat seine Geschütze auffahren und Widerstand niederschlagen wird, wo immer dieser ihm zu gefährlich wird oder auch nur sein Gewaltmonopol in Frage gestellt wird. Wir sehen eine ungebrochene Kontinuität im Ausbau der Repressionsapparate in den letzten Jahrzehnten und der deutsche Staat schreckt nicht davor zurück, von diesen Gebrauch zu machen und seine eigenen faktischen und gesetzlichen Mittel der Repression immer weiter auszudehnen. Sogar gegen Bewegungen, die nicht einmal das Ziel haben, die Grundfesten des Kapitalismus anzugreifen, die dem Profitstreben des Kapitals aber im Weg stehen, wird brutal vorgegangen, wie beispielsweise gegen Aktivist:innen der Klimabewegung. So wird die Repression gegen Kommunist:innen doch erst recht darauf aus sein, sie zu zerschlagen und wenn nötig zu vernichten. Festnahmen, verschwinden lassen, Folter, politische Morde – all das ist die unvermeidliche Reaktion, der wir im revolutionären Kampf gegenüberstehen werden. Spätestens, wenn die Arbeiter:innenklasse unter Führung der Kommunistischen Partei dem Kapitalismus erste empfindliche Schläge versetzt hat, wird die Illusion der „Periode des friedlichen Kampfes“ vollends zerstört, und der Repressionsapparat umso rasender versuchen, jegliche Keime von Opposition zu ersticken. Das Entscheidende ist deshalb, wie gut die Kommunistische Partei darauf vorbereitet ist und wie sie sich in der Lage sehen wird, unter den Schlägen der Repression zu lernen, zu wachsen und sich zu schützen. Wenn wir die Geschichte der politischen Widerstandsbewegung und der revolutionären Erhebungen in Deutschland und anderen Ländern gewissenhaft studieren, können wir daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass die imperialistische Bourgeoisie zu allen Mitteln greifen wird, um ihren Sturz abzuwenden. Wer von einer „friedlichen Phase” träumt, in der wir uns gerade befänden, verkennt, dass die Bourgeoisie den Klassenkrieg gegen die Arbeiter:innenklasse längst führt und nie zu führen aufgehört hat.
Es zählt darüber hinaus zu ihrer Taktik, der kommunistischen Bewegung eine Falle zu stellen, sie in Sicherheit zu wiegen, sich erst einmal entwickeln zu lassen, unachtsam werden zu lassen, um möglichst viele Informationen zu sammeln und dann „wie aus heiterem Himmel” zuzuschlagen.15 Seit Lenins Zeiten hat sich die Konterrevolution außerdem stark weiterentwickelt. Zu den Repressionsschlägen im engeren Sinne hat der Staat neue Methoden entwickelt, die Bewegung unter Führung der Geheimdienste ideologisch und durch persönliche Intrigen zu zersetzen. Dies wurde u. a. möglich, seitdem der Reformismus und der Revisionismus zu festen politischen Größen wurden, die diesbezüglich zeitweise eine verheerende Rolle spielen konnten. Eine Bewegung, die wie die revolutionäre und politische Widerstandsbewegung in Deutschland von Parteilosigkeit, Zirkelwesen, Spontaneität und Legalismus geprägt ist, wird niemals in der Lage sein, einem solchen Feind wie dem deutschen Imperialismus ernsthaft etwas entgegenzusetzen. Um gegen die Schläge der Konterrevolution gerüstet zu sein, müssen die Kommunist:innen ein enges, streng klandestines organisatorisches Gerüst aus professionellen Revolutionär:innen aufbauen, das all diejenigen Aufgaben übernimmt, die das Rückgrat der Bewegung bilden (Zentralisierung der Information, politische Führung, Infrastruktur der Bewegung, usw.). Nur so können die breitesten Organisationsformen der Massen, die sich auch nur um bestimmte Kämpfe und Forderungen organisieren, entstehen und den Schlägen der Repression standhalten: Revolutionäre Massenorganisationen ebenso wie gewerkschaftliche und politische Widerstandsgruppen. Mit dem organisatorischen Gerüst im Hintergrund können diese Massenorganisationen agieren, wie es für sie alleine undenkbar wäre. Lenin gibt in „Was tun?” das Beispiel der Verbreitung von illegaler Literatur durch die „Organisation der Revolutionäre”, die dazu führte, dass das Lesen revolutionärer Literatur für die Massen zwar weiterhin illegal blieb, aber nicht mehr verfolgt werden konnte.16 Man konnte die Massen an Leser:innen nicht kriminalisieren, die durch den Verteilungsapparat erreicht werden konnte, weil sie schlicht zu viele waren, und des Verteilnetzwerks selbst konnte man nicht habhaft werden.
Die Kommunistische Partei ist also nicht, wie manche behaupten, eine elitäre Verschwörerorganisation, die ihre eigene Existenz verborgen hält, nicht mit offenen Karten spielt, die ihre wahren Ansichten vor den Massen verbirgt und die Arbeiter:innenklasse zu manipulieren versucht. Sie erwirbt ihre Stärke gerade durch die Verbindung eines klandestinen Kerns mit den Massenorganisationen, durch die Verbindung der strengsten Auslese ihrer Mitglieder mit der Heranziehung der breitesten Massen an die Erarbeitung und Durchführung ihrer Politik. Die Klandestinität, das Bestehen eines organisatorischen Gerüsts ist kein Hindernis, sondern vielmehr die Voraussetzung dafür, dass die gesamte Bewegung eine einheitliche politische Linie diskutieren und herausbilden kann. In der BRD wird heute ein legaler Spielraum gelassen, der nötig ist um die Lüge von den „demokratischen Freiheiten“ so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Auf der Grundlage ihres klandestinen Kerns und der konspirativen Funktionsweise des inneren Organismus nutzt die Kommunistische Partei deshalb alle legalen Möglichkeiten als Freiräume bzw. Stützpunkte im Krieg gegen den Klassenfeind, um diesen anzugreifen und in die Enge zu treiben.
Die Kommunistische Partei propagiert ihre Standpunkte und Forderungen offen und trägt sie direkt als Partei oder vermittels revolutionärer und klassenkämpferischer Massenorganisationen in die Arbeiter:innenklasse und die unterdrückten Massen. Durch die Verbindung offener und verdeckter, legaler und illegaler Kampfformen und die breiteste Verankerung der Partei in den Massen schützt sie sich vor der Repression. Auch wenn Genoss:innen dem Staat als Revolutionär:innen bekannt sind, ist es wichtig, dass unbekannt ist, wo die Grenzen der Partei verlaufen. Die Hauptanstrengung des Feindes richtet sich erfahrungsgemäß stets darauf, die Führer:innen der Bewegung zu identifizieren. Die technischen Möglichkeiten dazu sind durch die systematische Auswertung von Handy- und E-Mail-Kontaktdaten,17 Massenüberwachung sowie Einrichtungen wie Instagram, WhatsApp, Google und Co. um ein Vielfaches gestiegen und vereinfacht worden. Die offenen und legalen Arbeiten sind zu jedem Zeitpunkt der illegalen Arbeit untergeordnet. Niemals dürfen die Kommunist:innen in die Falle der „Legalität” gehen und ihr organisatorisches Gerüst vor dem Feind offenlegen.18 Die Arbeit muss zu jedem Zeitpunkt so organisiert sein, dass sie im Falle eines Verbots in der vollständigen Illegalität weiterlaufen kann und ihre enge Verbindung in die Arbeiter:innenklasse dadurch nicht verliert. Wenn die Kommunistische Partei vollständige Klarheit über den unversöhnlichen Charakter des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat hat, wenn sie keinen Illusionen über angebliche „Legalität” und „friedliche Phasen” erliegt, wenn sie die Methoden der Konterrevolution genau studiert und daraus Lehren zu ziehen vermag, wenn sie diese Erkenntnisse in ihren Reihen verallgemeinert und die politisch-ideologische Vereinheitlichung und Festigung der Kommunist:innen organisiert, wenn sie in den Massen verankert ist – dann wird kein Repressionsapparat der Welt imstande sein, sie dauerhaft zu besiegen.
Funktionelle Zweiteilung der Partei
Um die oben definierten allgemeinen Aufgaben der Partei gegenüber der Bewegung wahrzunehmen und gleichzeitig in der Lage zu sein, den Schlägen des Feindes zu widerstehen, muss die Kommunistische Partei also engere und breitere Organisationsformen miteinander verbinden. Das ist das organisatorische Konzept, das Lenin in „Was tun?” entwickelt hat und demzufolge die Kommunistische Partei funktionell aus zwei Teilen bestehen muss:
„a) aus einem engen Kreise ständiger leitender Kaderarbeiter, dem hauptsächlich Berufsrevolutionäre angehören sollen, das heißt Parteiarbeiter, die von allen anderen Arbeiten, außer der Parteiarbeit, befreit sind und die über das nötige Mindestmaß theoretischer Kenntnisse, politischer Erfahrung, organisatorischer Fertigkeiten und über ein Mindestmaß der Kunst verfügen, den Kampf gegen die zaristische Polizei zu führen, der Kunst, sich vor der Polizei zu verbergen, und
b) aus einem weitverzweigten Netz von Peripherie-Parteiorganisationen, aus einer zahlreichen Masse von Parteimitgliedern, die von der Sympathie Hunderttausender von Werktätigen umgeben sind und von ihnen unterstützt werden.”19
Hierbei ist zu betonen, dass es sich um eine funktionelle und nicht um eine formelle Teilung der Partei handelt. Die Ebene der Berufsrevolutionär:innen, die das organisatorische Gerüst der Partei bildet, ist keine „Partei innerhalb der Partei”. Alle Parteimitglieder handeln nach den Rechten und Pflichten, welche sich aus dem Statut der Kommunistischen Partei ergeben.
Kader:innenpartei
„Das wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges Mal gegeben, und nutzen soll man es so, dass einen die Schande einer niederträchtigen und kleinlichen Vergangenheit nicht brennt, und dass man sterbend sagen kann: Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten in der Welt, dem Kampf um die Befreiung der Menschheit gewidmet.”20
Aus der politischen Zielsetzung der Partei eine Revolution durchzuführen und ihrem Aufbau als klandestine Organisation ergeben sich die Anforderungen an die Mitglieder der Kommunistischen Partei: Für die Kommunistische Partei ist es nicht ausreichend, „hobbymäßig“ Politik zu betreiben, wie es in der politischen Widerstandsbewegung in Deutschland häufig der Standard ist. Der revolutionäre Klassenkrieg ist nicht nur ein Haufen Arbeit, sondern erfordert Erfahrung und eine wissenschaftliche Herangehensweise, Geschick, Organisationstalent, Führungsfähigkeiten und vor allem Aufopferungsbereitschaft. Die Kommunistische Partei braucht daher Menschen in ihren Reihen, die bereit sind sich mit ihrer ganzen Kraft der revolutionären kommunistischen Arbeit zu widmen. Abgeleitet aus der funktionellen Zweiteilung der Partei unterscheidet sie dabei zwischen Berufsrevolutionär:innen und lokalen Kader:innen. Berufsrevolutionär:innen sind kommunistische Kader:innen, die bereit sind, alles in ihrem Leben den Notwendigkeiten der Revolution unterzuordnen: ihre Arbeit, ihren Wohnort, ihre Familie und notfalls auch ihr Leben. Ohne einen solchen Typus von Kader:innen an der Spitze der Kommunistischen Partei, die allein in der Lage sind, Aufgaben zu erfüllen wie den Aufbau des klandestinen „organisatorischen Gerüsts” der Bewegung, kommen wir gar nicht an den Punkt, die massenhaften Aufstände gegen das Kapital zu organisieren – geschweige denn, den Sozialismus zu errichten. Alle Hauptorgane einer marxistisch-leninistischen Partei sollten sich aus solchen Berufsrevolutionär:innen zusammensetzen. In Zeiten der Illegalität und in bestimmten Aufgabenfeldern ist dies grundlegende Voraussetzung für die Existenz der Kommunistischen Partei.
Für unpolitische Menschen kann diese Lebensweise unfrei und beengend wirken – schließlich lebt und arbeitet man immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit nicht einfach nur für sich selbst, sondern als Teil eines Kollektivs und man ist auch nicht sich selbst, sondern der Partei und letzten Endes der Arbeiter:innenklasse gegenüber rechenschaftspflichtig.
Entgegen aller antikommunistischer Vorurteile bedeutet diese Lebensweise auch nicht, dass sich das Individuum einfach im Kollektiv auflösen würde und etwa keine individuellen Interessen, Hobbys und dergleichen mehr haben dürfe, im Gegenteil. Gerade die bewusste Entscheidung, sich in ein revolutionäres Kollektiv einzufügen gibt dem Individuum die Möglichkeit, sich und andere entsprechend der jeweiligen Stärken und Schwächen zu entwickeln orientiert an den Bedürfnissen des Klassenkampfes, die immerhin auch das eigene Bedürfnis jeder einzelnen Revolutionär:in sein sollten. Kommunist:innen messen ihre Freiheit also nicht daran, wie viel sie „frei“ – im Sinne von allein – über ihr Leben entscheiden, denn Freiheit ist für Kommunist:innen die Einsicht in die Notwendigkeit.
Berufsrevolutionär:innen stellen sich die Frage also so: Wollen wir uns den Zwängen des kapitalistischen Systems unterwerfen? Lohnarbeit, Familie, psychische Erkrankungen, Altersheim, Einsamkeit, etc.? Oder wollen wir uns bewusst und freiwillig dem konsequenten Kampf gegen diese Zwänge und für die Freiheit hingeben, uns fest und entschlossen dem Kollektiv widmen, unser Leben heute schon beginnen umzuwandeln und letztendlich zu befreien? Wir denken, dass dies eine erstrebenswerte Freiheit ist.
Somit wird die Kommunistische Partei nicht nur zum Instrument der proletarischen Revolution sondern auch zum Keim der neuen befreiten Gesellschaft. Auch wenn die Berufsrevolutionär:innen den Kern der zukünftigen Kommunistischen Partei bilden, so ist dieser Kern umgeben von einer zahlreichen Masse von lokalen Kader:innen. Sie bilden den Grundstock der lokalen Arbeit der Kommunistischen Partei, sie sind diejenigen, welche die lokalen Klassenkämpfe und Massenarbeiten aufbauen und führen. Viele dieser lokalen Kader:innen sind jedoch noch auf diese oder jene Weise an das System gebunden. Sei es, weil sie z. B. Familie haben oder sie noch nicht gänzlich mit einigen Bequemlichkeiten der bürgerlichen Gesellschaft brechen können oder wollen. Dadurch sind sie nicht weniger „wert“, nehmen jedoch einen anderen Platz innerhalb der Organisation ein. Jede:r Genoss:in ist wichtig und soll nach seinen Fähigkeiten und seinem Bewusstsein einen Beitrag zur Revolution leisten können. Die Kommunistische Partei muss in der Lage sein, allen Genoss:innen einen angemessenen Platz innerhalb der Bewegung zu geben. Sei es als Sympathisant:in, Aktivist:in in einer Massenorganisation, als lokale Kader:in oder Berufsrevolutionär:in. Auch wenn es innerhalb der Kommunistischen Partei Unterschiede zwischen dem Grad der Bindung an das System, dem Bewusstsein und den Aufgaben der einzelnen Genoss:innen gibt, so bleibt sie eine Kader:innenpartei.
Aus diversen Strömungen der politischen Widerstandsbewegung wird den Kommunist:innen immer wieder vorgeworfen, ihre Kader:innen seien elitär, Bürokrat:innen oder ließen andere die Drecksarbeit für sie machen. Hintergrund ist die Praxis in sozialdemokratischen und revisionistischen Parteien, die tatsächlich genau so funktionieren. Und auch in marxistisch-leninistischen Organisationen muss permanent gegen die Gefahr der Verbürgerlichung und Bürokratisierung gekämpft werden, die sich ohne diesen bewussten Kampf spontan aufgrund der Einflüsse der bürgerlichen Gesellschaft einschleicht. Es ist gerade so, dass kommunistische Kader:innen diejenigen Eigenschaften bewusst herausbilden müssen, die bürgerliche Funktionär:innen nicht haben und niemals haben werden. Bürgerliche Funktionär:innen betrachten ihr „Funktionärstum“ als Arbeit (Lohnarbeit) im kapitalistischen System. Ihre Tätigkeit ist mit Privilegien wie Luxusgehältern, Dienstwagen, einem hohen Lebensstandard21 etc. verbunden. Sie sind es gewohnt, zu kommandieren und stellvertretend für andere zu handeln. Ein:e kommunistische:r Kader:in zu sein ist auch etwas ganz anderes als eine Funktionärstätigkeit, bei der man nur „einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn” erhält und ansonsten „auch mal Feierabend hat”. Dieses Verständnis ist letztlich nur ein modifiziertes bürgerliches Funktionärsverständnis. Für kommunistische Kader:innen ist revolutionäre Tätigkeit keine Arbeit im kapitalistischen Sinne, sondern die bewusste und freiwillige Hingabe an die Sache der Revolution, die mit keinerlei Privilegien verbunden ist. Man handelt nicht stellvertretend für die Massen oder kommandiert sie, sondern arbeitet in und mit ihnen, lernt von ihnen und überzeugt sie von der Notwendigkeit des revolutionären Kampfes und der Linie der Kommunistischen Partei. Dabei ist man stets aufmerksam gegenüber ihren Forderungen und Kritiken: „Wenn Sie von ihnen [den einfachen Arbeiter:innen und Bäuer:innen] eine hundertprozentig richtige Kritik verlangen, dann machen sie damit die Möglichkeit jeder Kritik von unten, die Möglichkeit jeder Selbstkritik zunichte. Darum denke ich, dass man auch eine Kritik, die nur 5-10 Prozent Wahrheit enthält, begrüßen, sie aufmerksam anhören und ihren gesunden Kern berücksichtigen muss.”22
Der kommunistische Führungsstil steht im Widerspruch zum bürgerlichen Führungsstil, in dem jede:r Führer:in darauf bedacht ist, nicht überflügelt zu werden von den Geführten und dies im Zweifel auch mit Intrigen verhindert. Für kommunistische Kader:innen ist es genau andersherum: Für sie ist es eben gerade das höchste Ziel, neue Kader:innen heranzuziehen und von ihnen sogar überflügelt zu werden, sich im besten Fall an einer Stelle völlig überflüssig zu machen, um an einer anderen Stelle für die Sache der Revolution eingesetzt werden zu können. Die Entscheidung, kommunistische:r Kader:in zu werden, ist keine einmalige Entscheidung, sondern muss jeden Tag neu getroffen werden und bedeutet eine dauerhafte Revolutionierung der eigenen Persönlichkeit und ein stetiger, bewusster Kampf gegen die eigenen Schwächen und Eigenschaften, die aus dem bürgerlichen Leben stammen. Kommunistische Kader:innen müssen sich und ihre Praxis individuell und kollektiv ständig hinterfragen, durch offene Kritik und Selbstkritik ihre Lebens- und Arbeitsweise revolutionieren. Sich nicht weiterzuentwickeln bedeutet zurückzuweichen vor den selbst gestellten Aufgaben. Kommunistische Kader:innen können nur im Kollektiv arbeiten und anleiten – es gibt keine individualistische Herangehensweise; die Entscheidungen und Beschlüsse des Kollektivs sind weisend für die Handlung aller Kader:innen, nur im Kollektiv ist eine Weiterentwicklung möglich. Die Aufgabe der Partei ist es, die fortschrittlichsten Elemente aus der Arbeiter:innenklasse heranzuziehen, zu organisieren und zu kommunistischen Kader:innen zu entwickeln. Eine Kommunistische Partei, die sich nicht überwiegend aus der Arbeiter:innenklasse rekrutiert, wird in einem imperialistischen Land wie Deutschland nicht in der Lage sein, die Revolution anzuführen. Auf einem ganz anderen Blatt steht jedoch die Erkenntnis, dass innerhalb der Parteikader:innen alle Unterschiede zwischen Arbeiter:innen und kleinbürgerlichen Intellektuellen verschwinden müssen. Jede:r Kleinbürger:in hat ebenso die Möglichkeit, sich auf die Seiten der proletarischen Revolution zu schlagen, „Klassenselbstmord“ zu begehen und kommunistische:r Kader:innen zu werden. Auf der anderen Seite ist die proletarische Klassenherkunft, wie die Geschichte lehrt, keinesfalls ein Garant dafür, nicht zu verbürgerlichen.
Kommunistische Frauenorganisationen
Die Kommunistische Partei weiß ebenfalls um die mehrfache Unterdrückung und Ausbeutung der Frauen der Arbeiter:innenklasse im Kapitalismus. Sie weiß dementsprechend auch um die besonderen Hindernisse und Probleme, mit welchen Frauen in ihrer Entwicklung zu Revolutionärinnen konfrontiert sind. Die patriarchalen Einflüsse im Fühlen, Denken und Handeln machen vor einer kommunistischen Partei keinen Halt. Stattdessen erfordern sie praktische Maßnahmen, um das Ungleichgewicht, welches zwischen den Geschlechtern aufgrund des Unterdrückungsverhältnis zwischen Männern und Frauen besteht, auszugleichen. Es kann keinen konsequenten Kampf gegen das Patriarchat und für die Frauenrevolution geben ohne eine eigenständige Frauenorganisation als Teil der Kommunistischen Partei.
Es ist die Aufgabe der Partei, getreu dem Ausspruch Alexandra Kollontais zu handeln: „Ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau – ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus.“ Die Befreiung der Frau als Unterdrückte muss aber von ihr selbst angeführt werden. Die Frauenorganisation ist ihr Werkzeug dafür, um die Interessen der Arbeiterin auf allen Ebenen, in allen Gremien der Partei zu vertreten. Aber nicht nur das. Die kommunistische Frauenorganisation ist ebenso das Werkzeug, mit welchem Kommunistinnen die Führung in allen Fragen der Frauenrevolution übernehmen, sowohl ideologisch, politisch, als auch organisatorisch, als Vorhut der proletarischen Frauenbewegung. Zusätzlich legt die Frauenorganisation ein besonderes Augenmerk auf die Entwicklung von Frauenkaderinnen, wodurch sie selbst wiederum zum Motor für die ganze Partei wird.
Demokratischer Zentralismus
Das Organisationsprinzip der Kommunistischen Partei ist der demokratische Zentralismus. Dem demokratischen Zentralismus wird von einigen Strömungen innerhalb der politischen Widerstandsbewegung wie z. B. der autonomen Bewegung und einigen Syndikalist:innen vorgeworfen, eine autoritäre und bürokratische Organisationsform zu sein, die jede Initiative der Parteibasis erstickt. In der Tat gibt es zahlreiche revisionistische Organisationen, die sich als „Kommunist:innen” bezeichnen, jedoch im Namen des „demokratischen Zentralismus” bürokratische und massenfeindliche Organisationsstrukturen aufbauen. Die Trotzkist:innen hingegen haben das leninistische Prinzip des demokratischen Zentralismus in der Praxis stets abgelehnt und vertreten uneinheitliche Organisationsmodelle bis hin zum Eintritt in sozialdemokratische Organisationen.23 Was ist der demokratische Zentralismus im Kern? Der demokratische Zentralismus ist – entgegen allen Anschuldigungen – die lebendigste und unbürokratischste Organisationsform, die für eine revolutionäre Organisation überhaupt denkbar ist. Oft wird der Fehler gemacht, den demokratischen Zentralismus dogmatisch nur mit bestimmten Formen, wie sie z. B. historisch in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion angewandt wurden, zu identifizieren und diese Formen mechanisch auf kleine und Kleinstorganisationen zu übertragen: Parteitag alle vier Jahre, Zentralkomitee, Politbüro, Kontrollkommissionen etc. Deshalb ist es wichtig, zwischen den allgemeinen inhaltlichen Prinzipien des demokratischen Zentralismus und den konkreten Formen seiner Anwendung zu unterscheiden und für jeden gegebenen Zeitpunkt die angemessene Anwendungsform zu entwickeln. Die allgemeinen Prinzipien des demokratischen Zentralismus und der Organisationsstruktur der Kommunistischen Partei sind, wie die Bolschewiki aus ihrer Parteigeschichte verallgemeinert haben und wie Stalin in den „Grundlagen des Leninismus” ausführt:
- Die Vereinigung der Partei zu einem einheitlichen Ganzen;
- Die Leitung der Parteiarbeit von einem Zentrum aus;
- Die Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit;
- Die Unterordnung unterer Organe unter die übergeordneten und Rechenschaftspflicht aller Organe, nach unten und oben;
- Praktische Beschlüsse, die für alle Parteimitglieder bindend sind;
- Verbot der Bildung von Fraktionen, um die Einheit der Partei zu wahren.
Auf der Grundlage dieser Prinzipien hat sich in der kommunistischen Bewegung eine Struktur durchgesetzt, die aus unterschiedlichen Leitungs- und Führungsebenen besteht und zusätzlichen Organen mit einem definierten Arbeitsbereich. Je nach quantitativer und qualitativer Entwicklung einer kommunistischen Organisation oder Partei müssen diese Ebenen und Organe flexibel angepasst werden und vor einer Verknöcherung, die nicht mehr zu den zu bewältigenden Aufgaben passt, bewahrt werden. Das ist deshalb notwendig, da sonst die Gefahr der Bürokratisierung droht, um das ganze Organisationsgerüst zusammen zuhalten. Stattdessen muss der Aufbau der Organisationsstruktur und das Verhältnis der unterschiedlichen Ebenen und Organe zueinander ständig auf überflüssige oder auch fehlende Organe und Kommunikationswege überprüft und angepasst werden, damit die Verbindung zueinander und der Austausch untereinander lebendig bleiben kann. Das ist auf der einen Seite die Funktion, welche der demokratische Zentralismus erfüllen soll und gleichzeitig auch Bedingung dafür, dass dieser Mechanismus funktioniert.
Ziel des demokratischen Zentralismus ist es, eine praktisch effiziente und schlagkräftige Kampforganisation herzustellen. Zusätzlich soll durch diesen Mechanismus auch die Erarbeitung einer korrekten, die Realität widerspiegelnden Linie und die politische und ideologische Vereinheitlichung der Partei und der ihr angeschlossenen Organisationen auf der Grundlage dieser Linie organisiert werden. Spätestens hier wird deutlich, weshalb eine Verknöcherung des Organisationsgerüsts Gift wäre für die Erarbeitung und letztlich auch Weiterentwicklung und Vermittlung dieser Linie. Damit die lebendige Linie weiter entwickelt werden kann, benötigt es: eine systematische und kritische Auswertung aller Erfahrungen aus der revolutionären Praxis aller Parteiorganisationen; die Zusammenführung dieser zahlreichen Teilerfahrungen und ihre wissenschaftliche Verarbeitung zu objektiven Einschätzungen; das Ziehen politischer Schlussfolgerungen daraus durch die höheren Organe; die Diskussion dieser Beschlüsse in den Parteiorganisationen und das Überprüfen der Beschlüsse in der praktischen Umsetzung; die Organisation breiter und intensiver Parteidiskussionen über die politische Generallinie der Partei im Zuge der Vorbereitung und Durchführung von Parteitagen; und nicht zuletzt Kritik und Selbstkritik, die Korrektur von Fehlern und die organisierte Persönlichkeitsentwicklung und Kader:innenausbildung.
Die Kommunist:innen, die diesem Anspruch gerecht werden wollen, unterscheiden sich gerade dadurch von den meisten revisionistischen und bürgerlichen Politiker:innen, dass sie aufkommende Fragen und Kritiken nicht vertuschen und verstecken, sondern sich offen und gründlich damit auseinandersetzen, kritisieren, ihre Fehler beheben und so aus der Kritik und Selbstkritik neue Energie und Kraft schöpfen und sich weiterentwickeln.
„Die Diktatur des Proletariats zu erobern und zu behaupten ist unmöglich ohne eine Partei, die durch ihre Geschlossenheit und eiserne Disziplin stark ist. Die eiserne Disziplin in der Partei aber ist undenkbar ohne die Einheit des Willens, ohne die völlige und unbedingte Einheit des Handelns aller Parteimitglieder. Das bedeutet natürlich nicht, dass dadurch die Möglichkeit eines Meinungskampfes in der Partei ausgeschlossen wird. Im Gegenteil, die eiserne Disziplin schließt Kritik und Meinungskampf in der Partei nicht nur nicht aus, sondern setzt sie vielmehr voraus. Das bedeutet erst recht nicht, dass die Disziplin ‚blind‘ sein soll. Im Gegenteil, die eiserne Disziplin schließt Bewusstheit und Freiwilligkeit der Unterordnung nicht aus, sondern setzt sie vielmehr voraus, denn nur eine bewusste Disziplin kann eine wirklich eiserne Disziplin sein. Aber nachdem der Meinungskampf beendet, die Kritik erschöpft und ein Beschluss gefasst ist, bildet die Einheit des Willens und die Einheit des Handelns aller Parteimitglieder jene unerlässliche Bedingung, ohne die weder eine einheitliche Partei noch eine eiserne Disziplin in der Partei denkbar ist.”24
Bürgerliche „Kritiken” am demokratischen Zentralismus hängen sich meist daran auf, dass die Verabschiedung von Beschlüssen und die Wahl von Zentralkomitees bei Parteitagen Kommunistischer Parteien häufig mit sehr großen Mehrheiten und manchmal beinahe einstimmig erfolgt. Sie bezeichnen dies als „Gleichschaltung”. Das hat einfache Gründe: Da ihre Vorstellungswelt von dem ausgeht, was sie aus ihrer eigenen Gesellschaft kennen, können sie sich eine derart hohe Vereinheitlichung in einer Partei nur als das Ergebnis von Manipulation, Bedrohung oder Bestechung denken. Sie begreifen nicht und können gar nicht begreifen, dass Parteitage in Kommunistischen Parteien nicht wie bei bürgerlichen Parteien Spektakel sind, bei denen vor allem eine Führung gewählt und nebenbei ein Programm durchgewunken wird, die vorher beide in Hinterzimmern ausgeklüngelt wurden. Stattdessen gehen diesen Beschlüssen vorherige monatelange, intensive und offene Diskussionen und Meinungskampf auf allen Parteiebenen voraus, in die alle Erfahrungen und subjektiven Sichtweisen der Parteimitglieder einfließen, um ein objektiv richtiges Ergebnis herzustellen; und dass auf ebendieser Grundlage eine Einheit zwischen Führung und Basis hergestellt wird. Die bürgerlichen Kritiker:innen können wegen ihres Klassenstandpunktes und der idealistischen und metaphysischen Weltbilder, denen sie anhängen, gar nicht begreifen, dass es in der Politik objektive Wahrheiten, korrekte Linien, deren Erkenntnis und sogar noch Einigkeit darüber geben kann. Deshalb auch die bürgerliche Kritik am Verbot von Fraktionen, die nur ein anderer Begriff für „Hinterzimmerrunden” und nicht-offene Diskussionen sind: „Es erübrigt sich wohl nachzuweisen, dass die Existenz von Fraktionen zum Entstehen mehrerer Zentren führt, das Bestehen mehrerer Zentren aber bedeutet das Fehlen eines gemeinsamen Zentrums in der Partei, die Zersplitterung des einheitlichen Willens, die Schwächung und Zersetzung der Disziplin, die Schwächung und Zersetzung der Diktatur.”25
Zentralismus und Demokratie sind eben gerade keine Gegensätze, die in der Partei gegeneinander ausgewogen werden müssen. Vielmehr setzen Demokratie und Kontrolle über die Politik der Organisation eben Zentralismus voraus, denn ohne Zentralisierung der Erfahrungen kann es keine Einheit geben und ohne Einheit keine bewusste und freiwillige Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit. Die Zusammenführung aller Erfahrungen, die kollektive Ausarbeitung von Positionen, die Findung der Mehrheitsmeinung und die Unterordnung der Minderheit unter diese Mehrheit sind die demokratischsten Formen der Organisierung, die wir finden können.
Das Problem der fehlenden Zentralisierung war über lange Jahre ein schwerwiegendes Problem der 1918 gegründeten KPD, die anfänglich ein Zusammenschluss aus verschiedenen Gruppierungen war, deren Führer:innen zumindest teilweise ihre Arbeitsgebiete (z. B. ihre Städte) als unabhängige „Königreiche” behalten wollten. Der Kampf gegen dieses Zirkelwesen innerhalb der Partei, das nur ein besonderer Ausdruck von Fraktionismus und fehlender Demokratie (wegen fehlender Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit) war, dauerte bis in die Mitte der 20er Jahre an und wurde erst unter der Führung Ernst Thälmanns zu einem gewissen Abschluss gebracht. Eine ultrazentralistische Abweichung, bei der nur eine kleine Gruppe dauerhaft alles entscheidet und es keine Möglichkeiten der Korrektur gibt (weil keine Plena des Zentralkomitees und keine Parteitage mehr stattfinden) ist die Kehrseite derselben Medaille, weil sie dazu führt, dass die Methode der Beschlussfassung in Subjektivismus abgleitet bzw. das Zentralkomitee sich von der Basis entfernt. Deshalb muss jede Zelle und jedes Komitee dazu befähigt werden, die Leitung ihres Arbeitsbereichs selbständig zu übernehmen und nicht nur ein ausführendes Anhängsel der übergeordneten Ebene zu sein.
Sind Kommunistische Parteien also demokratisch? Sie sind es – im Sinne des demokratischen Zentralismus. Kommunist:innen betrachten die Demokratie aber nicht als Fetisch, wie es die bürgerlichen Parteien tun, die hinter diesem Wahl-Fetisch gerade verbergen, dass sie in Wahrheit die Linie einer gesellschaftlichen Minderheit in ihren Reihen von oben nach unten durchsetzen. Für Kommunist:innen ist die Demokratie vielmehr ein Mittel der Erkenntnis der objektiven Wahrheit, welches für das Erreichen der proletarischen Revolution notwendig ist. Sie ist ein Mittel, um alle Kräfte der Organisation für eine Entscheidung zu mobilisieren, um die größtmögliche Verbindung der gesamten Organisation mit der Praxis all ihrer Organe herzustellen und um eine Kontrolle der Führung und der richtigen Parteilinie zu gewährleisten.
Die Einheit der Partei auf der Grundlage der korrekten, marxistisch-leninistischen Linie herzustellen, bedeutet auch, dass die Partei Abweichungen von der richtigen Linie entschieden bekämpfen muss. Und zwar mit dem Ziel, die Abweichung als politische Strömung zu vernichten und möglichst große Teile derjenigen Genoss:innen, die davon beeinflusst sind, für die kommunistische Linie zurückzugewinnen. Dabei ist es nur natürlich, dass Abweichungen und auch Widersprüche innerhalb der Partei immer wieder aufkommen. Der Kampf um die Durchsetzung der kommunistischen Linie in der Partei und in der Bewegung ist demnach ein hartnäckiger Kampf, der mit viel Geduld geführt werden muss und für den es eines großen Schatzes an Methoden bedarf. Angestrebt werden sollte hier vor allem ein kollektiver Prozess der Erkenntnisgewinnung, durch welchen sich die Organisation bzw. Partei der Wahrheit möglichst nah annähern und somit eine korrekte Linie ausarbeiten kann. In diesem Meinungsstreit gibt es zwei Fallstricke, die vermieden werden sollten. Auf der einen Seite muss vermieden werden, dass durch eine zu liberale Kritik- und Fehlerkultur Widersprüche vertuscht oder ignoriert werden. Das führt letztlich dazu, dass sie sich vertiefen und verselbstständigen in Form einer „eigenen Linie“. Auf der anderen Seite dürfen Meinungsverschiedenheiten auch nicht in unangemessen überspitzter Form ausgetragen werden, wodurch künstlich zwei vermeintlich bestehende Linien in die Organisation getragen werden und sich anhand dieser Fraktionen bilden. Stattdessen gilt es zu unterscheiden zwischen verschiedenen Auffassungen oder dem bestehen mehrerer Linien, die sich in prinzipiellen Fragen unterscheiden und den gemeinsamen Kampf in einer Organisation unmöglich machen, denn das Bestehen mehrerer Linien innerhalb einer Organisation kann nicht toleriert werden.
Das Verständnis und die Methode des „Kampfes zweier Linien“ lehnen wir also ab. Die ihr zugrunde liegende Denkweise begünstigt Fraktionen und Spaltungen. Häufig geht dieser „Kampf zweier Linien“ außerdem damit einher, dass die „Linien“ jeweils an einzelne Personen gebunden werden und diese zu Vertreter:innen dieser oder jener Linie hochstilisiert werden. Dieses Vorgehen im politischen Meinungsstreit hat eine nach Innen zersetzende Wirkung. „Die Theorie der ‚Überwältigung‘ der opportunistischen Elemente durch ideologischen Kampf innerhalb der Partei, die Theorie der ‚Überwindung‘ dieser Elemente im Rahmen ein und derselben Partei ist eine faule und gefährliche Theorie, die die Gefahr heraufbeschwört, die Partei zu einem Zustand der Lähmung und des chronischen Siechtums zu verurteilen, sie mit Haut und Haar dem Opportunismus auszuliefern, das Proletariat ohne revolutionäre Partei zu lassen, . . .“.26 Sollte es also Opportunist:innen und bürgerliche Elemente innerhalb der Partei geben, die durch den kollektiven Erkenntnisprozess und Meinungskampf nicht für die Linie der Partei gewonnen werden können, dann müssen sie aus der Partei ausgeschlossen werden, anstatt sie und „ihre Linie“ in der Partei zu tolerieren. Dies hat gemäß den im Statut der Kommunistischen Partei festgelegten Regeln für alle diejenigen zu erfolgen, die sich den Beschlüssen der Partei widersetzen oder die Mitgliedschaftskriterien nicht mehr erfüllen.
Was ist nun also von dem anarchistischen Vorwurf zu halten, der demokratische Zentralismus sei autoritär und daher massenfeindlich? Diese Frage kann man mit zwei Gegenfragen beantworten:
- Ist eine antiautoritäre Revolution nicht ein Widerspruch in sich? Denn ist eine Revolution nicht per se ein äußerst autoritärer Akt, wie Engels in seinem Text zur Autorität27 ausgiebig erläutert hat?
- Funktioniert denn die anti-autoritäre Bewegung ohne Autorität?
Es reicht aus, kurz auf die zweite Frage einzugehen, denn damit ist die erste direkt mit beantwortet: Natürlich ist es eine Illusion, anzunehmen, irgendeine Bewegung käme jemals ohne Autorität aus. Es ist kein Marschieren in eine bestimmte Richtung, kein Erreichen irgendeines gemeinsamen Ziels einer Bewegung möglich ohne Arbeitsteilung, ohne zumindest ein gewisses Maß an Unterordnung unter einen gemeinsamen Willen – eben ohne Vereinheitlichung und Autorität. Der Vorwurf gegen die Kommunist:innen schlägt ins Gesicht der Anti-Autoritären zurück, die ihn erheben: Denn während die Kommunist:innen sich der Notwendigkeit bewusst sind, dass jede Bewegung stets unter einer politischen Führung und unter Autoritäten agiert, und diese Autoritäten gerade der kollektiven Kontrolle auf der Grundlage der Herstellung der Einheit der Partei unterwerfen, lassen die Anti-Autoritären durch die trotzige Ablehnung von Autoritäten in ihren Köpfen gerade den real existierenden Autoritäten, der unkontrollierten Despotie der sich spontan herausbildenden Führer:innen und der Durchsetzung ihrer Ideen in der Bewegung freien Lauf. Alle Anschuldigungen gegen den demokratischen Zentralismus lösen sich letztlich also darin auf, dass die Kritiker:innen die Organisierung an sich bzw. die Herstellung einer Einheit der Organisation, einer Einheit zwischen Führung und Basis ablehnen.
Haltung zum Parlamentarismus und Wahlen
Während die meisten bürgerlichen Parteien28 inklusive der revisionistischen und trotzkistischen Organisationen auf dem Boden des Parlamentarismus stehen und im Rahmen von Wahlen die Beteiligung an der Machtausübung im bürgerlichen Staat anstreben, lehnen die Kommunist:innen den Parlamentarismus ebenso wie den Legalismus prinzipiell ab. Die Kommunistische Partei hat ein klares Verständnis vom Charakter des bürgerlichen Staates als Instrument zur Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse und des bürgerlichen Parlaments. Sie hängt keinen Illusionen von einem angeblichen „friedlichen“, „parlamentarischen“ Weg zum Sozialismus an, wie ihn die verschiedenen Opportunist:innen predigen. Einen solchen Weg gibt es nicht und die Kommunistische Partei lässt in ihrer Agitation und Propaganda zu keinem Zeitpunkt Spielraum für Illusionen über diesen Punkt. Sie erklärt den Massen klipp und klar: Das bürgerliche Parlament muss mitsamt des ganzen bürgerlichen Staates in der Revolution zerschlagen werden.
Die prinzipielle Ablehnung des Parlamentarismus bedeutet aber nicht, dass Kommunist:innen die Beteiligung an Parlamentswahlen unter allen Umständen ablehnen und dass es sich dabei um eine strategische Frage handelt. Dies wäre eine von der Realität des Klassenkampfs abgehobene, sektiererische Position. Die Frage der Beteiligung oder Nicht-Beteiligung der Kommunist:innen an Parlamentswahlen – von der kommunalen bis zur nationalen Ebene – ist eine taktische Frage der Erkämpfung und Ausnutzung „legaler“ Räume im Klassenkampf, um den Klassenfeind anzugreifen, seine Institutionen vor den Massen zu entlarven, zu zersetzen und ihn in die Enge zu treiben.
Es ist die Aufgabe der Kommunist:innen, die Illusionen der Massen in die bürgerlichen Institutionen und die bürgerlichen Parteien zu zertrümmern. Zu diesem Zwecke können Wahlspektakel, die die Aufmerksamkeit der Massen auf sich ziehen, Sitze im Parlament u. v. m. ausgenutzt werden. Die Beteiligung der Kommunist:innen als Partei oder mit einer Vorfeldorganisation, im Rahmen eines parlamentarischen Bündnisses o. ä. an parlamentarischen Wahlen muss unter dem Gesichtspunkt entschieden werden, ob die Beteiligung in der konkreten Situation, in der sie erfolgt, der Revolution nützt, d. h. ob sie dazu dient, die Kräfte der Partei zu stärken (bspw. auch durch die Ausnutzung der verstärkten Politisierung des gesellschaftlichen Klimas während den Wahlkämpfen), das Treiben der bürgerlichen Parteien vor den Massen zu entlarven und das bürgerliche Parlament zu zersetzen und die Massen an die Revolution heranzuführen. Die Kommunist:innen dürfen in ihrer Agitation und Propaganda auch nicht den Eindruck erwecken, es gehe allein um den Austausch der korrupten Politiker:innen in den Parlamenten und Institutionen, indem sie Parolen ausgeben wie „Neue Politiker:in braucht das Land”. Die legale, parlamentarische Arbeit der Kommunist:innen ist stets der illegalen Arbeit untergeordnet. Sie dient dem Ziel der Vernichtung des Staates. Ein Aufgehen der Parteiarbeit in parlamentarischer Arbeit ist gleichbedeutend mit der Liquidierung der Partei.
3. Schaffung der Kommunistischen Partei
Nachdem wir die grundlegenden Aufgaben der Kommunistischen Partei dargestellt und die wichtigsten Eigenschaften untersucht haben, die sich aus diesen Aufgaben ergeben, möchten wir uns nun der Frage widmen, wie wir in Deutschland im 21. Jahrhundert von einer Aufbauorganisation Schritte hin zu einer kommunistischen Partei gehen können. Dabei sei vorneweg gesagt, dass es für die Gründung einer Partei neuen Typs keinen festgesetzten Zeitpunkt in so oder so vielen Jahren geben kann. Eine Kommunistische Partei aufzubauen bedeutet vor allem, sich zu einer kommunistischen Partei hin zu entwickeln, zur Partei zu werden. Deshalb soll im Folgenden das Verständnis des Parteiaufbaus geschärft und ein paar der zentralen Aufgaben einer kommunistischen Aufbauorganisation skizziert werden.
Zwei Phasen des Parteiaufbaus
Es ist eine allgemeine Schlussfolgerung aus den Erfahrungen der kommunistischen Bewegung – ausgehend vom Beispiel Russland – dass sich der Parteiaufbau in unterschiedlichen Phasen vollzieht. Es ist leicht einzusehen, dass sich die Aufgaben der Kommunist:innen in der Fortentwicklung des Klassenkampfes und mit dem allmählichen Aufbau der Partei verändern. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis benennt Stalin zwei grundlegende Phasen des Parteiaufbaus:
„a) die Vorhut des Proletariats für den Kommunismus gewinnen (das heißt Kader bilden, eine kommunistische Partei schaffen, Programm und Grundlagen der Taktik ausarbeiten). Propaganda als Grundform der Arbeit.
b) Die breiten Massen der Arbeiter und der Werktätigen überhaupt für die Vorhut gewinnen (Heranführung der Massen an die Kampf-Positionen). Grundform der Arbeit sind die praktischen Aktionen der Massen als Vorspiel zu den entscheidenden Gefechten.“29
Die zwei Phasen des Parteiaufbaus sind keinesfalls als mechanisch getrennte Phasen zu verstehen, wie es leider in der Geschichte kommunistischer Gruppen in Deutschland, aber auch international, allzu häufig geschehen ist (erst Propaganda, dann Agitation, dann Praxis). Insbesondere die Aussage Stalins, in der ersten Phase des Parteiaufbaus sei die Propaganda die „Grundform der Arbeit”, wird häufig missverstanden: „Propaganda als Grundform der Arbeit” ist in dem Sinne zu verstehen, dass die Politik der Kommunist:innen in dieser Phase vor allem das Aufzeigen der allseitigen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge zum Inhalt haben muss. Das ist die Definition des Begriffs „Propaganda”.30
Obwohl von „Grundform” die Rede ist, geht es hier nicht darum, dass die Erstellung von Propaganda das ist, was die Kommunist:innen in dieser Phase vorwiegend tun sollten. Im Zusammenhang mit einem falschen, subjektivistischen Verständnis des Parteiaufbaus gibt es z. B. das Phänomen, dass kommunistische Kleingruppen sich in grober Fehlinterpretation von Stalin in ihrer gesamten Arbeit darauf konzentrieren, schriftliche Propaganda der eigenen Organisation (Zeitung, Flugblätter, etc.) zu erstellen und zu verteilen. „Propaganda als Grundform” im Sinne Stalins erfolgt im Gegensatz dazu vielmehr im engsten Zusammenhang mit praktischer revolutionärer Tätigkeit: Die Bolschewiki sprechen von „Propaganda als Grundform” in einer Zeit, in der sich bereits Zehntausende in Russland in militanten Kämpfen befinden. Um ein Beispiel zu nennen: Auch eine politische Aktion, eine Demonstration oder eine ganze politische Kampagne kann heute in Deutschland propagandistischen Charakter tragen, insofern darin allseitige Zusammenhänge aufgezeigt werden.
Die „Propaganda als Grundform” in der ersten Phase des Parteiaufbaus zielt insgesamt darauf ab, die „fortgeschrittensten Teile der Arbeiter:innenklasse” für die Partei zu gewinnen. Auch hier müssen wir uns klarmachen, was damit gemeint ist: Die Fortgeschrittensten sind – neben den organisierten Kommunist:innen, mit denen wir die Vereinigung anstreben – alle diejenigen, die sich allseitig interessieren, nach einer Alternative zum System suchen und aktiv werden wollen. Häufig wird der Fehler gemacht, nur diejenigen für die Fortgeschrittensten zu halten oder nur unter denjenigen danach zu suchen, die bereits politisch aktiv sind. Dabei gibt es unter den politisch Aktiven einerseits sehr viele, die sehr einseitig orientiert sind. Andererseits finden wir unter den breiten, politisch aber noch inaktiven Massen solche Menschen, die sich allseitig interessieren und nach Anknüpfungspunkten suchen, um politisch aktiv zu werden.
Daraus ergibt sich für die Kommunist:innen die Aufgabe, zu untersuchen, in welchen Sektoren der Massen wir besonders viele allseitig interessierte Menschen finden, und diese Untersuchung in der Ausrichtung der Arbeit in Rechnung zu stellen. Das bedeutet, dass die Kommunist:innen sich in der frühen Phase des Parteiaufbaus in der Ausrichtung ihrer Gesamtarbeit darauf konzentrieren müssen, die Fortgeschrittensten zu erreichen. Das bedeutet, dass große quantitative Erfolge in dieser Phase noch zweitrangig sind, sondern vor allem qualitative Erfolge zu großen Sprüngen in der Organisationsentwicklung führen! Wir sollten nicht versuchen, Millionen zu erreichen, wenn wir es nicht schaffen, einige Tausend zu organisieren. In unserer Arbeit begegnen wir häufig dem Argument: „Es sind zu wenig Massen auf der Straße.” Das ist zwar – allgemein gesprochen – richtig. Es ist natürlich auch richtig, quantitative Erfolge bei den Mobilisierungen, die wir unternehmen, anzustreben. Was würde es aber bedeuten, wenn die Kommunist:innen in einer Phase, in welcher der Kampf um den Parteiaufbau ihre Hauptaufgabe darstellt, ihre Gesamtarbeit danach ausrichten, maximale Mobilisierungserfolge zu erzielen? In einer Phase der Schwäche der Kommunist:innen, in der es noch kein ausgebildetes Rückgrat der Bewegung gibt, das in der Lage ist, viele gesellschaftliche Bewegungen in eine Richtung zu lenken?
Es würde bedeuten, dass die Kommunist:innen nicht in den strategisch wichtigen gesellschaftlichen Sektoren und Bewegungen arbeiten, sondern sich passiv der spontanen politischen Konjunktur anpassen. Dass sie sich in der Arbeit auf die schon politisch aktiven Menschen beschränken, die möglicherweise für einzelne Themen auf die Straße gehen, aber eben nicht allseitig interessiert sind. Dass sie sich nicht bewusst und aktiv auf die Fortgeschrittensten konzentrieren. Eine solche Ausrichtung der Arbeit würde unweigerlich zum Spontaneismus führen und im heutigen Zustand der Bewegung das Zirkelwesen verewigen. Diese Arbeitsweise sehen wir als vorherrschende in der politischen Widerstandsbewegung, deren Zustand an der Konjunktur spontaner Bewegungen hängt. Zuletzt halten wir bezüglich der Phasen des Parteiaufbaus fest, dass es auch in der zweiten Phase (wie der Name schon sagt) noch darum geht, die Partei aufzubauen. Die unmittelbare Führung der Massen, die in Bewegung sind, tritt dann jedoch in den Vordergrund. Das liegt daran, dass die Massen und ihre Organisationen jetzt immer mehr Aufgaben selbst übernehmen, die vorher ausschließlich von einer kleinen Zahl Kommunist:innen erledigt worden sind.
Das Führen der Massen, das Anführen des Klassenkampfes ist jedoch nicht schematisch mit dem Eintreten der zweiten Phase gegeben, sondern dafür benötigt es eine revolutionäre Praxis bereits in der ersten Phase des Parteiaufbaus. Nur so können Kommunist:innen das Vertrauen der Massen gewinnen. Die Avantgarde des Proletariats zu sein müssen sich Kommunist:innen in der Praxis erarbeiten und verdienen. Die Vorhut des Proletariats aufzubauen als Hauptaufgabe der ersten Phase des Parteiaufbaus bedeutet also, sich schon heute in den Klassenkampf zu stürzen und einen Beitrag zu leisten im Aufbau der klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung.
Wir sehen also, dass es bei den zwei Phasen des Parteiaufbaus nicht um eine reine Abfolge zweier unterschiedlicher Schritte handelt, sondern beides sich gegenseitig bedingt, jedoch je nach Phase die eine oder andere Seite stärker in den Vordergrund rückt.
Zirkelwesen überwinden – Vorhuptpartei aufbauen
Der Aufbau der kommunistischen Partei in Deutschland ist heute unser wichtigstes strategisches Zwischenziel und es gibt keinen Grund, diese Aufgabe auf Morgen zu verschieben. Damit diese Annahme verständlicher wird gehen wir nochmal einen Schritt zurück in die jüngere Geschichte der kommunistischen Bewegung.
Seit dem Zerfall der „K-Gruppen” (KPD/ML, KPD/AO, KBW und andere) bis Mitte der 80er Jahre hat es die kommunistische Bewegung in Deutschland nicht geschafft, aus ihrem krisenhaften Zustand herauszukommen. Die meisten Nachfolgeorganisationen der K-Gruppen haben in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr den Charakter von Zirkeln – das heißt: voneinander getrennter, abgeschlossener Kleinst-Organisationen, die in vielerlei Hinsicht beschränkt sind – angenommen, oder sind gänzlich von der politischen Bildfläche verschwunden.31 Gleichzeitig sind aus diesem Zustand der Bewegung heraus an vielen Stellen neue Gruppierungen entstanden, die ebenfalls Zirkelcharakter tragen.
Ist angesichts dieses politischen Zustands der Begriff „Zirkelphase” für die heutige kommunistische Bewegung in Deutschland angemessen? Wir denken, dass das nicht der Fall ist. Im Gegensatz zur „Zirkelphase”, wie sie bspw. zur Zeit von Lenin in Russland herrschte, ist der heutige Zustand der kommunistischen Bewegung in erster Linie das Ergebnis des Zerfalls früherer kommunistischer Organisationen, die mit der politisch-ideologischen Schwäche der Kommunist:innen (also einem subjektiven Faktor) zusammenhängt. Die meisten Zirkel sind dementsprechend gerade als Zerfallsprodukte entstanden und haben erst in der Spätphase ihres Degenerationsprozesses einen Zirkelcharakter angenommen. Das Zirkelwesen und die organisatorische Zersplitterung entstanden dabei in Wechselwirkung mit revisionistischen und bürokratischen Entwicklungen. Das Zirkelwesen, die Engstirnigkeit und lokale bzw. Arbeitsfeld-Borniertheit der politischen Arbeit ist der größte Mangel der kommunistischen Bewegung heute, dessen Behebung gerade die Voraussetzung für einen Aufschwung der kommunistischen und Arbeiter:innenbewegung bildet.
Wir können also nicht von einer Zirkelphase im Sinne einer objektiven Notwendigkeit sprechen, sondern nur von einem „Rückfall ins Zirkelwesen” aufgrund der subjektiven, politisch-ideologischen Schwäche der Kommunist:innen. Objektiv notwendig war eine Zirkelphase ausschließlich während der Entstehung der kommunistischen Bewegung (z. B. in Russland um die Jahrhundertwende). In dieser Phase war der Zirkelcharakter der Bewegung – und das auch nur für eine gewisse Periode – eine notwendige Wachstumskrankheit, wie Lenin in „Was tun?” ausführte. Objektiv notwendig ist es heute, die Mängel zu beseitigen und den Aufbau der Kommunistischen Partei in Angriff zu nehmen. Die objektiven Bedingungen dafür sind allein die Existenz der Arbeiter:innenbewegung, die Existenz der kommunistischen Bewegung und die Existenz des Marxismus-Leninismus als Weltanschauung der Arbeiter:innenklasse. All diese Bedingungen sind heute vorhanden und waren in den letzten 120 Jahren in Deutschland immer vorhanden, und zwar unabhängig von politischen Konjunkturen. Es gibt also keine Entschuldigung dafür, die Erkenntnis der Notwendigkeit der Partei nicht in die Praxis des Aufbaus dieser Partei umzusetzen.
Das in der Bewegung existierende Argument, man müsse erst die kommunistische Bewegung aufbauen, bevor man sich überhaupt die Frage nach einer Partei stellen könne, verkennt, dass es seit mehr als 120 Jahren eine kommunistische Bewegung in Deutschland gibt (es hat sie schließlich selbst in den finsteren 90er Jahren gegeben!) und der Kampf um ihre Vereinigung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus gerade die Voraussetzung für die Hebung ihres ideologischen, praktischen und organisatorischen Niveaus sowie für ihre Verbreiterung ist.
Mit dem Argument, man müsse erst lokal für den Aufbau einer kommunistischen Bewegung arbeiten – und zwar ohne das Bewusstsein über die Notwendigkeit der Schaffung der Partei herzustellen, das immer mit dem konkreten Kampf um den Parteiaufbau verbunden ist – wird man nicht über das Niveau von lokalistischen Zirkeln hinauskommen. Die Behauptung, eine zentrale Organisation würde eine Bürokratisierung und Ablenkung von den wirklichen Aufgaben mit sich bringen, richtet sich gegen ein revisionistisches und nicht gegen ein kommunistisches Organisationskonzept. Ganz im Gegenteil, die Kommunist:innen können ihre Aufgaben in Deutschland in dieser Zersplitterung nicht erfüllen. Das fängt schon bei der theoretischen Arbeit an. Viele Zirkel existieren nicht beständig genug oder erreichen keinen ausreichenden Umfang, um eine ernsthafte theoretische Arbeit vorzunehmen. Sie bleiben dabei stehen, ihre theoretischen Lehrer:innen nachzubeten, eine Anwendung auf die realen Verhältnisse in Deutschland bleibt oft unerreichbar. Ohne Anwendung und Entwicklung der Theorie ist von vornherein keine richtige Theorie, keine Theorie, die die Praxis beflügelt, denkbar. Aber auch aktuellen politischen Ereignissen gegenüber bleiben wir Kommunist:innen oft eine rasche und revolutionäre Antwort schuldig. Auch hier würde eine Überwindung der Zersplitterung die Kräfte nicht einschränken oder ablenken, sondern die Möglichkeiten erweitern. Damit ist auch die Auffassung falsch, es müsse vor der Phase des Parteiaufbaus eine Vorphase mit spontaneistischen Merkmalen in der Art eines bundesweiten Zirkelzusammenschlusses in der Tradition des „Kommunistischen Bundes” o. ä. geben. Was ist also jetzt notwendig? Heute ist es notwendig, von einer marxistisch-leninistischen Aufbauorganisation, die nach den grundlegenden Prinzipien des demokratischen Zentralismus organisiert ist, zu einer Partei neuen Typs zu werden, welche das ideologische und organisatorische Rückgrat der Bewegung und des Klassenkampfes bildet.
In unserem Kommunistischen Programm schreiben wir dazu: „Der Wiederaufbau der kommunistischen Partei aber ist die historische Pflicht, vor der die Kommunist:innen in Deutschland heute stehen. Es gibt keinen Weg, der an dieser Aufgabe vorbeiführt, und es gibt keine Begründung dafür, sie hinauszuschieben. Niemand wird diese Aufgabe erfüllen wenn nicht wir, hier und jetzt.“32 Der Kampf für die Schaffung der Kommunistischen Partei auf allen Ebenen ist in der heutigen Phase das Hauptkettenglied, die Hauptaufgabe der Kommunist:innen in Deutschland. Die Schaffung einer solchen Organisation ist jedoch kein formaler Akt, bei dem sich ein paar Genoss:innen treffen und diesen Beschluss treffen oder ein Papier unterschreiben, sondern geschieht auf der Basis des revolutionären Klassenkampfes und im Kampf um die Einheit der Kommunist:innen auf der marxistisch-leninistischen Linie. Eine Partei neuen Typs zu sein müssen wir uns als Kommunist:innen erarbeiten, in dem wir Schritte dahin gehen, mehr und mehr Partei zu sein, wie eine Partei zu arbeiten, den Ansprüchen, die wir daran stellen und die der Klassenkampf an uns stellt, gerecht zu werden.
Mit diesem Vorhaben stehen wir jedoch nicht außerhalb einer sich im Aufschwung befindenden revolutionären Bewegung, sondern sind ein Teil davon, weshalb wir uns auch in diese einordnen müssen. Wenn wir uns die kennzeichnenden Merkmale der aktuellen Situation nicht nur der kommunistischen Bewegung, sondern letztlich der gesamten politische Widerstandsbewegung anschauen, dann finden wir eine Vielfalt von ideologischen Strömungen, die sich in ein Vielfaches von Organisationen und Gruppen unterteilen. Diese verfolgen verschiedene politische Ansätze und sind oftmals so organisiert, dass sich in diesen Gruppen selbst wiederum unterschiedliche Pole (AGs, Fraktionen, Freundeskreise etc.) herausbilden. Für die Frage, wo diese oder jene Kapitalismuskritiker:in sich heute organisiert und den Kampf gegen das System aufnimmt, sind heute Freundschaftsbeziehungen oder persönliche Bekanntschaften oft noch entscheidender als ein entwickelter politischer Kampf verschiedener Strömungen oder die Frage, wer heute wirklich Antworten auf die brennenden Fragen der Bewegung geben kann. Gleichzeitig drängt sich die Beantwortung von genau diesen Fragen vielen immer stärker auf.
Der Tendenz nach beobachten wir also auch ein Erstarken revolutionärer Kräfte, was sich insbesondere in einem Aufschwung roter Jugendgruppen bemerkbar macht. Diese ist jedoch selbst geprägt vom Zirkelwesen und verfügt über kein organisatorisches Rückgrat, muss in der Konsequenz also in ihrer Entwicklung begrenzt bleiben. Das Zirkelwesen durchlebt in Zeiten der sich aufdrängenden Notwendigkeit einer revolutionären Antwort eine widersprüchliche Entwicklung. Auf der einen Seite führt die Entwicklung des politischen Weltgeschehens zum Aufkeimen immer neuer Zirkel und Potentiale, in welchen insbesondere Jugendliche sich zusammenschließen mit dem aufrichtigen Bedürfnis, diesen Entwicklungen etwas entgegenzusetzen. Auf der anderen Seite zeigen eben diese politischen Entwicklungen den Zirkeln schnell ihre Grenzen auf, was wiederum die Notwendigkeit der bundesweiten Organisierung stärker ins Bewusstsein rückt. Diese Entwicklung ermöglicht neue Ansätze, das ausgeprägte Sektierertum zumindest punktuell zurückzudrängen, beispielsweise in Form der bundesweiten Bündnisarbeit. Als Kommunist:innen muss es unser Anspruch sein, nicht nur uns selbst und unsere Organisation zu entwickeln, sondern auch einen Beitrag zur Stärkung der Bewegung als Ganzes zu leisten durch den organisierten Erfahrungsaustausch in Theorie und Praxis.
Kampf um die Einheit
Auch wenn wir heute bereits das Ziel der Parteiwerdung verfolgen und im Sinne einer marxistisch-leninistischen Aufbauorganisation arbeiten, bleibt doch die Tatsache, dass es auch außerhalb unserer Organisation verschiedene ernsthafte Genoss:innen und Organisationsprojekte gibt, die sich das gleiche Ziel des Aufbaus einer kommunistischen Partei setzen. Die Einheit der Kommunist:innen in einem Land ist deshalb ebenso sehr anzustreben für den Aufbau einer wirklich mächtigen kommunistischen Partei der Arbeiter:innenklasse, wie die Herstellung einer richtigen politischen und ideologischen Linie. Beides sind Aufgaben, die nur im Zusammenhang miteinander gelöst werden können.
Es gibt eine Arbeiter:innenklasse mit einem Klassenstandpunkt. Das bedeutet, dass wir danach streben, dass es auch nur eine Kommunistische Partei gibt, die alle ehrlichen Kommunist:innen in sich vereint und den proletarischen Klassenstandpunkt in Form einer kommunistischen Linie widerspiegeln kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich nicht auch mehr als nur eine kommunistische Organisation oder Partei entwickeln kann, die für sich deklarieren, eben jenen objektiven Klassenstandpunkt zu vertreten. Ob dem auch so ist, wird sich letztlich in der Praxis beweisen müssen und das macht den Anspruch, für die Vereinigung der Kommunist:innen zu kämpfen, nicht weniger richtig. Dieser Kampf muss prinzipienfest, unablässig, konsequent und mit den vielfältigsten Methoden geführt werden.
In Bezug auf diesen Kampf sind verschiedene Punkte hervorzuheben: Wenn wir von Einheit sprechen, meinen wir damit die Einheit mit Kommunist:innen und nicht eine prinzipienlose Einheit mit opportunistischen politischen Strömungen. Eine Vereinigung wie die der KPD/ML mit der trotzkistischen GIM im Jahr 1985 bedeutete nicht die Schaffung, sondern die Zerstörung einer revolutionären Organisation, wie die Geschichte hinlänglich bewiesen hat. Im Zusammenhang mit der prinzipiellen Abgrenzung von den verschiedenen opportunistischen Strömungen ist es jedoch von essentieller Bedeutung, die wirklich prinzipiellen Fragen von den Fragen zu unterscheiden, die nicht prinzipiellen Charakters sind. Diese Frage nicht richtig zu beantworten oder sich diesen Unterschied nicht bewusst zu machen, hat verschiedene Kämpfe für die Einheit der Kommunist:innen scheitern lassen.
Im Zusammenhang mit diesem Fehler entwickelte sich in der kommunistischen Bewegung eine ausgeprägte subjektivistische Herangehensweise an die Fragen des Parteiaufbaus und der kommunistischen Politik, die sich u. a. in einem Denken und Handeln in den Kategorien „Meine Gruppe – deine Gruppe”, im erbitterten Kampf verschiedener „K-Gruppen” gegeneinander usw. äußerte. Es ist leicht einzusehen, dass eine Gruppe mit dieser Herangehensweise gerade den Anspruch aufgibt, die Kommunistische Partei aufzubauen und sich damit begnügt, eine kleine Sekte zu bleiben. Eine solche Herangehensweise kommt im linken, prinzipienfesten Gewand daher, ist aber in Wahrheit eine rechte und kapitulantenhafte Haltung, die dem freien Wachstum opportunistischer Strömungen das Feld überlässt und gerade nicht um die Gewinnung aller von ihr beeinflussten Kräfte kämpft. Ohne diese Frage korrekt zu beantworten ist eine Einheit aus den heute bestehenden Zirkeln undenkbar, weil untergeordnete, nicht prinzipielle Unterschiede in Organisationskultur, Einschätzung der Lage und Politik vollkommen natürlich und notwendig sind, in einer Situation, in der das Zirkelwesen und damit unvollständige Eindrücke und Erfahrungen vorherrschend sind, und nicht ihre Zusammenführung und Synthese.
Prinzipielle Fragen sind solche, anhand derer die Kommunist:innen den Trennungsstrich zu allen Spielarten des Opportunismus ziehen. Dabei handelt es sich um Fragen, die sich in der kommunistischen Bewegung in der Vergangenheit grundlegend herauskristallisiert haben. Stets haben sich diese Fragen anhand der praktischen Bedürfnisse der Gesamtbewegung im Klassenkampf herausgestellt und ihre richtige Beantwortung war für die Vorwärtsentwicklung der kommunistischen Bewegung unerlässlich.
Es kann keine Einheit in einer Partei oder Aufbauorganisation mit Kräften geben, die sich zwar auf den Kommunismus berufen, aber z. B. den bewaffneten Kampf grundsätzlich ablehnen, ein legalistisches Parteikonzept vertreten oder statt der sozialistischen Revolution eine „antimonopolistische Demokratie” oder dergleichen anstreben. Ähnliches gilt für die Ablehnung von Teilen unserer marxistisch-leninistischen Weltanschauung, der Ablehnung der Verbindung von Tageskämpfen mit unserem revolutionären Endziel oder der bewussten Herausbildung von Kader:innen und Berufsrevolutionär:innen. Insofern ist es richtig und notwendig, darauf hinzuweisen, dass der organisatorischen Vereinigung die politische und ideologische Vereinheitlichung vorausgehen muss. Der Kampf um die Einheit ist auch ein Kampf darum, alle schwankenden Kräfte für die kommunistische Linie zu gewinnen. Aus all dem folgt: Auf der Grundlage der Einheit in den prinzipiellen Fragen werden alle nachfolgenden politischen Fragen (strategische und taktische Fragen) gemäß den Bedürfnissen der Praxis gelöst. Gemäß den Bedürfnissen des Klassenkampfs werden sich auch neue Fragen entwickeln, die eine scharfe Trennung von opportunistischen Positionen erforderlich machen.33
Die Frage, ob ein auftretender Widerspruch eine solche Trennung rechtfertigt oder nicht, ist eine objektive und keine subjektive Frage. Ihre Klärung setzt voraus, dass die Kommunist:innen ein aktiver Teil des Klassenkampfes sind und dass sie die Vereinigung oder Trennung nicht in Form von „Studierzimmer”-diskussionen angehen können, die von den Bedürfnissen der Arbeiter:innenbewegung losgelöst sind. Die Einheit der Kommunist:innen zu schaffen ist deshalb nicht nur eine Frage des ideologischen Kampfs um eine gemeinsame Linie, sondern muss verbunden sein mit einer gemeinsamen revolutionären Praxis, welche zu einer Annäherung in den Arbeitsmethoden, einem Zusammenwachsen sowohl auf Basis- als auch auch Führungsebene, einem genossenschaftlichen Vertrauen führt, und somit wesentliche Grundlagen für die Einheit in einer gemeinsamen Organisation legt. Ein ebensolcher Fehler wäre es, sich nur auf die Herstellung der Einheit in den prinzipiellen Fragen zu beschränken und die Aufgabe damit für gelöst zu erklären.
Im Gegensatz zu Metaphysiker:innen und bürgerlichen Idealist:innen fassen Kommunist:innen den Kampf zwischen Gegensätzen, zwischen Altem und Neuem gemäß dem dialektischen Materialismus als den inneren Gehalt jedes Entwicklungsprozesses auf. Ohne den Kampf von Gegensätzen gäbe es kein Vorwärts kommen in der Natur und in der Gesellschaft. Alle Erscheinungen sind von inneren Widersprüchen bestimmt, die ihre Entwicklung vorantreiben. Es ist also keine Frage, dass Widersprüche auch im Kampf um die Einheit der Kommunist:innen auftreten müssen – und dass sie auch hier die Entwicklung vorantreiben. Der Kampf um die Vereinigung der Kommunist:innen und um den Parteiaufbau ist ein unablässiger Kampf, das Neue – die Kommunistische Partei, wie wir sie in diesem Artikel charakterisiert haben – aus dem Alten – einer Bewegung, die von Zirkelwesen, Spontaneität, Lokalismus, revisionistischen Einflüssen u. v. m. geprägt ist – zu entwickeln. Dieser Kampf ist damit verbunden, alle zwangsläufig auftretenden Widersprüche und Fehler konkret aufzudecken und bewusst so anzuleiten, dass sie die Bewegung, ausgehend vom Ziel der prinzipiellen Einheit, vorantreiben. Eine Schlussfolgerung aus den Erfahrungen kommunistischer Parteien im Kampf um die Einheit ist es, bei der Lösung der Widersprüche methodisch an den Gemeinsamkeiten anzuknüpfen. Das bedeutet, die gemeinsame Praxis zu suchen, wo sie alle beteiligten Kräfte stärkt. Die Diskussion nicht nur dort zu führen, wo man unterschiedlicher Meinung ist, sondern auch dort, wo man die Antworten auf Fragen der materiellen Realität und der kommunistischen Strategie und Taktik teilt.
Als Organisation setzen wir uns auf der einen Seite den Anspruch bereits heute als Partei-Aufbauorganisation zu agieren und die Voraussetzungen für den Sprung zur Partei zu schaffen. Auf der anderen Seite gilt es daneben den Kampf um die Einheit auf prinzipieller Grundlage aller Kommunist:innen in Deutschland zu führen. Wird dieser Kampf einmal begonnen, wird sich in einem solchen Prozess zeigen, dass es noch viele Potentiale für den Parteiaufbau gibt, die heute für uns noch nicht sichtbar sind, die vielleicht heute noch nicht einmal einen Teil der kommunistischen Bewegung im engeren Sinne bilden mögen. Der Aufbau einer Partei wird zwangsläufig den Charakter und die Ausdehnung der kommunistischen Bewegung verändern. Der Kampf um die Einheit ist damit keine Aufgabe, die einmal gelöst und damit beendet wird, auch nicht dann, wenn der Sprung zur Kommunistischen Partei gelungen ist. Der Kampf um die Gewinnung aller Kräfte, die mit dem Kommunismus sympathisieren und politisch schwanken für die Kommunistische Partei und die marxistisch-leninistische Linie ist ein Kampf, der permanent erforderlich ist und nach den ersten Erfolgen auf höherer Stufenleiter weiter geführt werden muss.
Arbeiter:innenbewegung aufbauen – Massenarbeit entwickeln
Was unter den zwei Phasen des Parteiaufbaus bereits angerissen wurde, soll an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden: Wenn wir als Kommunist:innen den Anspruch an uns stellen, zur Vorhut der Arbeiter:innenklasse zu werden, also Vorhut derjenigen Klasse, welche die Revolution letztlich durchführen wird, dann müssen wir heute bereits damit beginnen, diesen Anspruch Stück für Stück auszufüllen. Die beste Schule der Revolution ist der Klassenkampf und er ist es, in dem die Kader:innen geschmiedet werden.
Wir sind kein abgehobener Teil unserer Klasse, der am Schreibtisch den Weg zur Revolution entwickelt und müssen jegliche Tendenzen in diese Richtung konsequent bekämpfen. Weder die revolutionäre Theorie noch die Praxis sind ein Selbstzweck, sondern erfüllen ihre Funktion nur im wechselseitigen Zusammenspiel. Als Kommunist:innen ist es unsere Aufgabe, die Erfahrungen des Klassenkampfes auszuwerten und zu verallgemeinern. Vor allem aber ist es unsere Aufgabe, selbst ein Teil dieser Kämpfe zu sein, Bruchlinien zu erkennen und überall dort, wo es Potentiale für Kämpfe gibt, aktiv einzugreifen. Das heißt, dass wir Bewegungen nicht nur entstehen lassen und in diese hineinwirken, sondern sie auch selbst versuchen herbeizuführen, wo sich Möglichkeiten dafür ergeben. Der Aufbau einer klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung und mit ihr einhergehend einer proletarischen Frauenbewegung sind also Aufgaben, für welche heute schon eine vielfältige, kommunistische Massenarbeit entwickelt werden muss, in welcher wir uns nicht künstlich auf das ein oder andere Gebiet begrenzen. Die konkreten Aufgaben in den verschiedenen Feldern der Kommunistischen Massenarbeit legen wir als Verallgemeinerungen und Schlussfolgerungen unserer bisherigen politischen Praxis und den uns angeeigneten Erfahrungen der Kommunistischen Bewegung in eigenen Texten zu diesen Themenkomplexen da.
Im vorliegenden Artikel haben wir dargelegt, warum die Kommunistische Partei leninschen Typs auch heute in Deutschland die organisatorische Antwort auf die brennenden Fragen der revolutionären und Arbeiter:innenbewegung ist. Wir haben diese Notwendigkeit in der Abgrenzung zu anderen, heute in der politischen Widerstandsbewegung vorhandenen organisatorischen Auffassungen begründet. Wir haben diejenigen Wesensmerkmale der Kommunistischen Partei herausgestellt, die aus unserer Sicht in der heutigen Klassenkampfphase am meisten betont werden müssen und dabei zu einigen gängigen bürgerlichen, sozialdemokratischen, anarchistischen und anderen Argumenten Stellung bezogen. Schließlich haben wir begründet, warum in der gegenwärtigen Klassenkampfphase die Überwindung des vorherrschenden „Rückfalls ins Zirkelwesen” in der revolutionären Bewegung unmittelbar ansteht, der auf die subjektive Schwäche der Kommunist:innen zurückgeht. Wir haben begründet, warum die Überwindung des Zirkelwesens begonnen werden muss mit der Entwicklung einer kommunistischen Aufbau-Organisation, welche den Kampf um die Schaffung der Kommunistischen Partei organisiert und dabei heute schon ihre oben dargelegten Aufgaben im Grundsatz wahrnimmt. Die Schaffung einer Partei beinhaltet den Kampf um die Einheit der Kommunist:innen in Deutschland auf der marxistisch-leninistischen Linie. Wir haben die Phasen des Parteiaufbaus skizziert, soweit hier Verallgemeinerungen zulässig sind. Mögen unsere Antworten auf viele der aufgeworfenen Fragen der sozialistischen Revolution in Deutschland auch noch nicht ausreichend sein – im Rahmen dessen, dass die Kommunist:innen in Deutschland den Kampf um den Parteiaufbau und die Revolution angehen und darin Erfahrungen sammeln, werden sie die Lücken schließen, die sich heute noch auftun. Wir hoffen, mit der vorliegenden Ausarbeitung einen Anstoß für die dringend notwendige organisatorische Debatte unter allen politischen Kräften in Deutschland gegeben zu haben, die ehrlich für das Ziel der Revolution und der Errichtung des Sozialismus in Deutschland kämpfen.
1 Die Arbeiter:innenklasse ist das revolutionäre Subjekt der sozialistischen Revolution, weil nur sie objektiv ein Interesse an der revolutionären Überwindung des kapitalistischen Systems hat.
2 Unter „Revisionismus“ verstehen wir den Bruch mit wesentlichen Prinzipien des Marxismus-Leninismus, die nicht eine Weiterentwicklung bedeuten sondern die Verwandlung der sozialistischen Weltanschauung in eine bürgerliche Weltanschauung bedeuten.
3Vom mittleren Management bis zu den Spitzenfunktionär:innen der Gewerkschaften.
4Unter „Finanzkapital“ verstehen wir die Verschmelzung von Industrie- und Bankkapital.
5Die Occupy-Bewegung entstand 2011 in den USA als Reaktion auf die „Bankenrettungen“ nach der Weltwirtschaftskrise 2007-2008. Die Bewegung sah sich als Sprachrohr für „die 99 Prozent der Gesellschaft“, der „die 1 Prozent der Reichen“ gegenüber stehen würden.
6Siehe auch unseren Artikel zum Tiefen Staat (komaufbau.org/oktoberfestbombe-nsu-prozess-und-weiterentwicklung-des-tiefen-staates/).
7Und es ist keine Voraussetzung hierfür, dass sich die Massen vorher eine „proletarische Denkweise“ angeeignet haben, wie die MLPD behauptet (vgl. Revolutionärer Weg 26 – Der Kampf um die Denkweise in der Arbeiterbewegung).
8Eine (unvollständige) Auswahl: Iran 1979, Argentinien 2001, Bolivien 2003 und 2005, Aufstände in Nordafrika 2011 u. v. m.
9LW 5, S. 397
10Dabei erfahren die DGB-Apparate Unterstützung von ihren revisionistischen und trotzkistischen Hilfstrupps, die unter der Fahne des „Sozialismus“ auftreten. Sie äußern „Kritik“ an der klassenverräterischen Politik der Gewerkschaften, aber gerade nur in dem Rahmen, den die Gewerkschaften selbst vorgeben.
11Mit dem Beginn des Ukrainekrieges 2022 gingen Teile der sozialdemokratischen und pazifistischen Friedensbewegung zudem offen auf die Seite des deutschen Imperialismus über und unterstützten die Waffenlieferungen der NATO Staaten für die Ukraine.
12Prominentestes Beispiel sind Teile der früheren Sponti- und Friedensbewegung, die über die Partei „Die Grünen“ bis in Regierungsfunktionen gelangt sind und dort den ersten Angriffskrieg der Nachkriegsgeschichte gegen Jugoslawien durchgesetzt haben (Joschka Fischer).
13BSW Wahlergebnisse Landtagswahlen 2024: Thüringen 15,8 %, Sachsen 11, 8%, Brandenburg 13, 5%.
14Hierzu empfehlen wir folgenden Artikel: 1917-2017: Einhundert Jahre revolutionäre Strategie; Aufstand, Stadtguerilla, Volkskrieg – oder dialektische Weiterentwicklung? (komaufbau.org/1917-2017-einhundert-jahre-revolutionäre-strategie).
15Diese Taktik ist nichts Neues – siehe: Was tun? LW 5, S. 355-549
16LW 5, S. 482
17Vor allem: Wer hat wie oft mit wem Kontakt? Dadurch lassen sich Personen als „Knotenpunkte“ identifizieren, bei denen die (elektronische) Kommunikation zusammen läuft.
18Ebendies ist z. B. 1968 bei der Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei geschehen, als die DKP-Führung sich in Absprache mit dem deutschen Staat darauf einigte „Marxismus-Leninismus“, „Diktatur des Proletariats“ und „demokratischer Zentralismus“ aus ihrem Programm zu streichen, um eine legale Partei zu bilden und somit einen wesentlichen Beitrag zu legalistischen Illusionen innerhalb der Bewegung leistete.
19Geschichte der KPdSU (B). Verlag Roter Morgen 1976, S. 43 f.
20Nikolai Ostrowski – Wie der Stahl gehärtet wurde. Verlag Neues Leben, Berlin 1977 (36. Auflage)
21Daneben bringt jedoch auch die Bourgeoisie glühende Vertreter:innen ihrer Klasseninteressen hervor, die aus Überzeugung und Klasseninstinkt und unter großen persönlichen Opfern für die bürgerliche Demokratie oder den Faschismus kämpfen.
22SW 11, S. 30
23So sind z. B. die SAV und andere trotzkistische Gruppen in die Linkspartei eingetreten.
24SW 6, S. 160
25Ebd., S. 161
26SW 6, S. 162 f.
27MEW 18, S. 305
28Eine Ausnahme bilden die ultrarechten faschistischen Kräfte, die die gewaltsame Errichtung einer „völkischen“ Diktatur anstreben und den Parlamentarismus ablehnen.
29Stalin – Über die politische Strategie und Taktik der russischen Kommunisten. SW 5, S. 47
30Stalin – Über die politische Strategie und Taktik der russischen Kommunisten. SW 5, S. 47
31Die einzige Organisation aus dem Umfeld der früheren K-Gruppen, die während der vergangenen Jahrzehnte eine stabile Entwicklung durchlebt hat und nicht ins Zirkelwesen zurückgefallen ist, ist die aus dem KABD hervorgegangene MLPD.
32komaufbau.org/programm
33Zum Beispiel hat Lenin selbst noch einige Zeit vor dem II. Parteitag die Frage des Parteistatuts als „untergeordnet“ eingeschätzt. Auf dem II. Parteitag selbst stellte sich gerade diese Frage als Kernfrage in der Auseinandersetzung mit den Menschewiki heraus.