Corona-Ferien? Sich während der Ausnahmesituation zurückzulehnen, zu „entschleunigen“, ist ein Klassenprivileg. Für die Meisten unserer Klasse bedeutet die Pandemie Existenzangst. Sie bedeutet noch mehr Ausbeutung und schonungslos damit konfrontiert zu sein, wie unsicher unsere Lebensbedingungen sind. Wenn Zeitungen jetzt von Corona-Ferien titeln, zeigt uns das einmal mehr, für welche Klasse sie berichten. Eine mögliche Quarantäne zu genießen oder es sich bequem zu machen im #SocialDistancing ist ein Privileg der Reichen. Den Rest plagen Stress und Existenzängste.

Die meisten unserer Klassengeschwister müssen weiterhin arbeiten. Sie fahren KrankenpflegerInnen zur Arbeit in Bussen und Bahnen, halten Bahnstrecken instand, pflegen Kranke und Alte, halten im Supermarkt die Versorgung aufrecht. Für all diese ArbeiterInnen bedeutet die Pandemie nicht Pause, sondern noch mehr Stress: Ihre Arbeitszeiten werden gelockert, die Arbeitsbedingungen härter, weil KollegInnen erkranken und das Risiko, sich selbst zu infizieren ist hoch.

Auch für die scheinbar Privilegierten, die jetzt ihre Büroarbeit am eigenen Küchentisch machen sollen, bedeutet Corona keineswegs Ferien. Die Digitalisierung derart übers Knie zu brechen geht mit Folgen einher, vor denen auch wir gewarnt haben: Arbeitszeit wird entgrenzt, für ArbeiterInnen gibt es keinen Feierabend mehr.

Umso heftiger ist es für die, die Kinder betreuen. Von vielen, vor allem Frauen, wird gefordert, den Spagat zwischen Lohnarbeit und Kindererziehung zu meistern. Das ist ohnehin kraftraubend, aber jetzt, wo die Kindergärten und Schulen geschlossen sind, scheint es nahezu unmöglich. Corona-Ferien? Keine Spur.

Überhaupt: Die Coronapandemie führt uns unsere Lebensumstände schonungslos vor. Sicherlich kann man #staythefuckhome genießen, wenn man in einer geräumigen Wohnung mit Balkon oder Garten lebt und sich die Zeit vor dem Heimkino vertreibt. Aber das ist für die wenigsten Realität, weil wir es uns nicht leisten können. Wir treten uns jetzt in engen WGs oder 1-Zimmer-Wohnungen auf die Füße und blicken auf das Mietshaus gegenüber. Die psychischen Schäden bei hunderttausenden und die wachsende häusliche Gewalt sind so vorhersehbar wie schwerwiegend.

Und wer hat schon Nerven für Heimkino, wenn wir nicht wissen, wie wir in diesem Monat über die Runden kommen? Die Hälfte der Menschen in Deutschland besitzt nichts oder noch weniger, sie haben Schulden. Wenn jetzt einen Monat lang der Lohn ausfällt, dann ist das für diese Hälfte eine ernste Bedrohung. All diese Menschen aus unserer Klasse müssen Angst haben, ihre Wohnung zu verlieren, nichts mehr zu Essen zu haben oder einen sauer abgesparten Kredit nicht tilgen zu können.

Es mag leicht sein, über die zu lachen, die Klopapier und Nudeln hamstern. Aber führt es uns nicht auch vor, wie wenig in Deutschland gefehlt hat, damit die Menschen ernsthafte Angst haben, ihre Grundbedürfnisse nicht decken zu können? Es ist sicherlich Egoismus, wie der Kapitalismus ihn uns anerzogen hat, der diese Menschen zum Hamstern bringt. Aber es ist auch Elend, wenn die scheinbare Angst so groß ist, dass sich unsere Klassengeschwister um Grundnahrungsmittel prügeln.

Das alles geschieht, während die Wirtschaft in eine Krise gerät, deren Ausmaß an die Depression in den 30ern erinnern könnte. Sie wird jetzt schon die „Corona-Krise“ getauft, aber die Pandemie ist nicht ihr Ursprung, nicht einmal ihr Auslöser. Der Staat fordert uns auf, uns in unseren engen Wohnungen, für die wir viel zu viel bezahlen einzuschließen, während er unsere Grundrechte einschränkt und unsere Klasse angreift.

Für viele von uns, als Jugend, ist es die erste Krise die wir wirklich erleben und verstehen. Es gilt jetzt, Protest so zu organisieren, dass wir Alte und Schwache schützen können. Andernfalls wird unsere Klasse diese Krise tragen müssen und schlimmstenfalls werden sich darüber viele freuen, weil sie denken, dass es der Gesundheit aller diene.

Dazu gehört, den Ausnahmezustand nicht schweigend hinzunehmen, sondern jeden verbliebenen Spielraum zu nutzen, um die Lösung der Corona-Krise in unserem Interesse zu fordern. Das heißt vor allem Kündigungsverbote bzw. Rücknahme von Kündigungen, Lohnfortzahlung und Schließung von nicht unverzichtbaren Betrieben.

Es heißt aber ebenso, dass gerade wir als Jugend nicht nur für uns und unsere Zukunft Verantwortung übernehmen, sondern auch für unsere älteren Mitmenschen. Wir brauchen keine Regierung, die uns zwingt elementare Hygieneregeln in Zeiten des Virus einzuhalten und stattdessen liegt es an uns Menschen, die keine familiäre oder sonstige Unterstützung haben, in diesen Zeiten zu unterstützen, so dass sie weder verrückt vor Einsamkeit werden noch ständig der für sie lebensbedrohlichen Gefahr einer Ansteckung ausgesetzt sind.

Organisieren wir den Protest, damit in Zukunft wirklich Gesundheit vor Profiten gilt!
Damit Quarantäne nicht länger ein Klassenprivileg ist!