Repression und Antirepression – wie gehen wir damit um?

Nicht nur in der aktivistischen politischen Praxis, sondern letztendlich in allen Lebens- und Arbeitsbereichen kommen wir mit unterschiedlichen Formen der Repression durch das kapitalistisch-imperialistische System und seine Organe in Kontakt.

Repression ist jedoch etwas, was in der einen oder anderen Form die gesamte ArbeiterInnenklasse immer wieder am eigenen Leib zu spüren bekommt. Daher darf das Verständnis und das Wirken von Repression nicht auf den Schlagstockeinsatz der Polizei während einer Demonstration oder das Gerichtsverfahren nach einer politischen Aktion reduziert werden. 

In diesem Artikel wollen wir unser Verständnis von Repression darlegen, von ihren verschiedenen Formen und wie wir mit ihr umgehen wollen. Dazu gehört auch eine Kritik des aktuellen Umgangs mit Repression und dem Verständnis von Antirepressionsarbeit in der politischen Widerstandsbewegung in Deutschland.

Der Klassenfeind setzt Repression gegen unsere Klasse im allgemeinen und uns KommunistInnen im besonderen ein. Wollen wir der Repression effektiv etwas entgegensetzen, müssen wir die ideologische, politische und organisatorische Rolle der Repression  genauestens verstehen und verinnerlichen.

Wir müssen nicht nur genau verstehen, auf welchen verschiedenen Ebenen die Repression wirkt, sondern auch, welche verschiedenen Formen und Funktionen sie im Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat einnimmt.

Was verstehen wir überhaupt unter Repression?

Als KommunistInnen verstehen wir Repression in einem gesamtgesellschaftlichen Verhältnis, welches sich im Spannungsfeld des Klassenkampfes zwischen Bourgeoisie und Proletariat entwickelt. Dabei gilt unsere Grundannahme, dass Repression weit mehr ist als die alleinige physische staatliche Gewalt, wie sie durch Polizei, Geheimdienste und die Bundeswehr ausgeübt wird. Ganz im Gegenteil ist die Repression im allgemeinen etwas viel Umfassenderes. 

Letztendlich müssen wir all das unter den Begriff der Repression fassen, was der bürgerliche Staat zur Erhaltung seiner Ausbeutungsherrschaft, zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems einsetzt. Dazu gehören alle direkten und indirekten Unterdrückungsmaßnahmen. 

Repression kann uns daher überall im Leben begegnen. Dabei ist es egal, ob es auf der Arbeitsstelle oder dem Jobcenter, in der Schule oder Universität, in der Familie, bei Ämtern, beim Sport, auf der Straße oder bei Demonstrationen passiert. Die verschiedenen Arten und Formen der Repression zielen dabei auf verschiedene Zielgruppen und verschiedene politische, ideologische und organisatorische Erfolge ab. 

So richtet sich die direkte Polizeigewalt in erster Linie natürlich gegen die Teile unserer Klasse, welche sich besonders gegen den Unterdrückungs- und Ausbeutungsapparat wehren und sich ihm nicht unterwerfen. Auf organisatorischer Ebene soll diese Repression im Zusammenhang mit langwierigen und teuren Gerichtsprozessen das Entstehen einer schlagkräftigen und organisierten revolutionären und kommunistischen Bewegung verhindern. Auf ideologischer Ebene soll sie zersetzen und eine gefühlte Allmacht des Staates auf die Menschen übertragen. Diese gibt es real nur so lange, wie die große Mehrheit der ArbeiterInnenklasse passiv bleibt und gespalten ist. Politisch gesehen hat sie die Funktion, von aktuellen Klassenkämpfen abzulenken und die revolutionäre Bewegung dazu zu bringen, sich nach innen zu kehren und in erster Linie mit sich selber zu beschäftigen.

In der Schule und der Universität werden antikapitalistische und revolutionäre Meinungen unterdrückt und zum Schweigen gebracht. Wer auf seiner von der herrschenden Meinung abweichenden Position beharrt, wird durch Strafarbeiten, schlechte Noten oder sogar das Anschwärzen beim polizeilichen Staatsschutz bestraft. 

Wer beim Jobcenter oder anderen Ämtern und Sozialversicherungen auf seine Rechte besteht, muss oftmals mit massiven Schikanen und Sanktionen rechnen. Im Betrieb werden gegen ArbeiterInnen, die ihre Rechte einfordern, oftmals psychischer Druck, Mobbing, die Versetzung in andere Schichten oder Bereiche bis hin zur Kündigung eingesetzt.

Gleichzeitig gibt es nicht nur die Repression durch den Staat und unsere Vorgesetzten in Betrieb, Schule und Universität. Eine weitere Form der Repression ist der Einsatz von faschistischen Banden und Organisationen, sowie kriminellen Strukturen von der Straßengang bis zur sogenannten „organisierten Kriminalität“. In vielen Bereichen sind diese Strukturen direkt oder indirekt mit staatlichen Strukturen oder dem Repressionsapparat verbunden. Zum Teil werden sie direkt vom Staat aufgebaut und unterhalten. In anderen Fällen werden beide Augen zugedrückt, um ihnen einen ausreichenden Spielraum zum Wachsen und Ausbreiten zu geben. 

Es ist klar, dass uns diese Strukturen nur mit offenem Terror begegnen werden. Überall dort, wo wir auf sie treffen, werden sie versuchen, unsere revolutionäre Arbeit zu behindern und zu vernichten. Ihre Existenz halten sie mit der Verbreitung von Terror und Angst aufrecht. Außerdem überschwemmen sie insbesondere die Jugend und die ärmeren Stadtviertel mit Drogen.

Integration: die andere Seite der Repression

Die Form der Repression kann dabei sehr unterschiedlich sein und sich ebenso unterschiedlich auf uns auswirken. Dabei bilden die direkte Repression im engeren Sinne und die Integration ins bürgerliche System letztendlich zwei Seiten einer Medaille. Sie erfüllen zusammen und in einer direkten Wechselwirkung zueinander, die oft mit dem Bild von „Zuckerbrot und Peitsche“ beschrieben wird, das eigentliche Ziel der Repression: Sie erhalten die Macht des ausbeuterischen kapitalistischen Systems und verhindern eine starke, vereinte und entschlossene revolutionäre ArbeiterInnenbewegung. Dabei ist es egal, ob dies mit Gewalt oder Geschenken und Zugeständnissen geschieht. Wichtig ist vielmehr, dass das Ergebnis oftmals dasselbe ist: Die Aufgabe des Kampfes für eine sozialistische Gesellschaft jenseits der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. 

Die Beförderung einer besonders kämpferischen Kollegin in eine höhere Position in einer anderen Abteilung kann für die Auseinandersetzung mit den Kapitalisten dieselbe Wirkung haben wie ihre Kündigung.

Die Integration einer Nachbarschaftsinitiative in das bürgerliche Quartiersmanagment verhindert oftmals nicht nur weitere kämpferische Aktionen und eine klassenkämpferische Agitation und Propaganda im Stadtteil. Gleichzeitig nimmt sie dem Staat auch noch Arbeit ab, wenn staatliche Arbeiten hier nun ehrenamtlich durchgeführt werden.

Dasselbe gilt auch für die große Mehrheit der antikapitalistischen Studierenden der Geisteswissenschaften, die sich vornehmen, durch ihr Studium ihr antikapitalistisches Engagement zum Beruf zu machen und zu Tausenden in den linksliberalen Thinktanks, Stiftungen und modernen Startups der Herrschenden landen. 

Wir sehen, Integrationsangebote für RevolutionärInnen gibt es in Deutschland mehr als genug. Wer in seiner Jugend etwa während des Abiturs und seines Studiums Teil von revolutionären und kommunistischen Gruppen ist, hat in Deutschland – selbst, wenn er massiv gegen die bürgerlichen Gesetze verstößt – damit keinesfalls einen Schritt getan, der eine Integration zurück in das bürgerliche Leben verhindert. 

Ganz im Gegenteil zeigt die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wie perfekt diese (Re-)integration funktioniert. An dieser Stelle könnten wir dutzende, ja mit etwas Fleiß sicher hunderte Biografien von ehemaligen GenossInnen aufführen, welche vor einigen Jahrzehnten mit uns auf den Barrikaden standen und gegen diesen Staat gekämpft haben (einige von ihnen sogar bewaffnet). Heute sind sie selbst Teil des Staatsapparates, seiner Parteien, der Repressionsorgane oder leiten eigene Firmen oder sozialdemokratische Integrationsprojekte. Einige der wohl bekanntesten Beispiele dürften etwa Winfried Kretschmann, Joschka Fischer und Ulla Schmidt sein.

Dabei beziehen wir uns gar nicht mal auf die bewussten VerräterInnen, die ganz offen in das Lager des Klassenfeindes übergelaufen sind. Diese gibt es natürlich immer und wird es leider auch in Zukunft geben. Wir sprechen hier von all jenen, welche sich nach und nach aus der revolutionären Arbeit zurückziehen und ihre eigenen Grenzen immer enger ziehen, anstatt sie einzureißen. Sie ergattern sich so Stück für Stück eine kleine eigene bürgerliche Existenz und einen akzeptierten Platz in diesem System. 

Weitere wichtige Mittel der Integration sind die Sozialarbeit und das Stellvertretertum. Für scheinbar jedes Problemchen gibt es in Deutschland Ratgeber, Beschwerdestellen und zuständige Ämter. Ein System, in dem alle unsere Probleme gelöst werden? Von wegen! 

Der Kapitalismus erzieht die Menschen zur Passivität. Sie sollen sich nicht selber wehren oder gar außerhalb des engen Korsetts der staatlichen Stellen Lösungen für ihre Probleme finden. Mit ihren Problemen sollen sie sich an scheinbare staatliche Beteiligungsstrukturen wie „Runde Tische“ und die Kommunalpolitiker der bürgerlichen Parteien wenden. SozialarbeiterInnen oder Ehrenamtliche sollen die Probleme im Rahmen des kapitalistischen Staates lösen bzw. verdecken oder auf andere abwälzen.

Auch die Finanzierung von Projekten durch Stiftungen etc. und die Schaffung von Stellen im Staatsapparat oder durch „Wohlfahrtsorganisationen“ dienen in ihrer letzten Konsequenz der direkten Aufstandsbekämpfung. Ihre Aufgabe ist es, die Massen ruhig zu halten und in pseudodemokratische Diskussions- und „Entscheidungs“-Strukturen einzubinden und zu integrieren. Eine ähnliche Funktion erfüllt die Finanzierung von sogenannter “Gemeinwesenarbeit” und SozialarbeiterInnen. 

Die Maßnahmen der Repression und Integration zielen beide auf dasselbe Ergebnis ab, auf die Aufgabe des Kampfes für die Befreiung der ArbeiterInnenklasse. Dabei hat insbesondere der deutsche Staatsapparat in den vergangenen 150 Jahren das Zusammenspiel zwischen schmerzlicher Repression und zuckersüßer Integration perfektioniert. 

Gezielte Maßnahmen gegen revolutionäre Strukturen

Auch wenn die bisher genannten Maßnahmen früher oder später einen großen Teil der aktiv werdenden ArbeiterInnenklasse treffen, so hat der Staat als Herrschafts- und Unterdrückungsapparat der Bourgeoisie natürlich ein nochmal gesteigertes Interesse, gezielt gegen revolutionäre und kommunistische Strukturen vorzugehen. Denn sie sind es, die, wenn sie ihre Arbeit richtig machen, große Massen an ArbeiterInnen in Bewegung setzen und von deren Erfahrungen im Klassenkampf sie profitieren werden. 

Alleine aus diesem Grund wird es keine Zeit geben, in der der bürgerliche Staat uns aus den Augen lässt, in der wir aufgrund unserer quantitativen Schwäche vollkommen unter seinem Radar arbeiten und uns entwickeln können. Dabei muss uns klar sein, dass es neben den Zeiten massiver und dauerhafter Angriffe auch Zeiten geben wird, in denen unsere Organisationsstrukturen die Repression des Staates im Alltag kaum spüren werden. In diesen Zeiten versucht der Staat uns in falscher Sicherheit zu wähnen und damit einen laxeren und liberalen Umgang mit der Sicherheit unserer Strukturen zu provozieren. 

Gleichzeitig wird der Staat diese Zeit nutzen, um weitere und größere Angriffe auf uns vorzubereiten. Wir müssen uns daher klar machen, dass es keine friedliche Zeit gibt, in der der Staat uns nicht bekämpft, lediglich die Formen des Kampfes ändern sich von Zeit zu Zeit.

Dabei kennt unter anderem die Datensammelwut des Staates und seiner Organe heute keine Grenzen mehr. Dies funktioniert einerseits auf Grundlage alltäglicher Daten, die durch Steuern, Ämter, Krankenkassen, Kontobewegungen etc. anfallen. Hinzu kommt die immer striktere Überwachung des öffentlichen Lebens durch Videoüberwachung, Speicherung von Fahrgastdaten und Kennzeichenscannern, mit denen schon heute zum Teil lückenlose Bewegungsprofile erstellt werden können. Diese werden ergänzt durch gigantische Datenmengen, die viele von uns durch ihr persönliches Verhalten bei der Nutzung des Internets, Sozialer Medien und von Smartphones preisgeben. Einmal so gewonnene Daten kann der Staat über viele Jahre verwenden, auch wenn sie ihm zum Zeitpunkt der Speicherung noch nicht weiterhelfen. 

Wir können dieser Sammelwut des Staates nicht vollkommen entgehen. Es kann uns auch nicht darum gehen, Internet, Soziale Medien und Smartphones grundsätzlich aus dem Leben jedes/r RevolutionärIn zu verbannen. Doch wir müssen einen bewussten und gezielten Umgang damit finden. Wir müssen uns zudem klar machen, dass wir durch unser Verhalten nicht nur Daten über uns persönlich, sondern auch darüber, mit wem wir wann, wo, wie oft und im schlimmsten Fall auch noch zu welchen Themen Kontakt gehabt haben. Mehr als diese Informationen kann dem Staat nur noch ein direkter Spitzel innerhalb der Organisation bieten und all das durch die „freiwillige“ Abgabe bzw. das Produzieren dieser Daten. 

Doch der Staat nutzt nicht alleine Daten gegen uns, sondern hat selbstverständlich ein riesiges Arsenal an Möglichkeiten, um an Informationen über uns zu kommen. Dazu nutzt er in erster Linie das Umfeld der RevolutionärInnen als Informationsquelle. Er versucht, Einzelne aufgrund besonderer Maßnahmen zur Kooperation zu zwingen und damit als Quelle zu gewinnen. 

Eine einfache, jedoch sehr ergiebige Quelle ist das gesamte (nicht) politische Umfeld der RevolutionärInnen. Diese Menschen (Familienmitglieder, NachbarInnen, FreundInnen, ArbeitskollegInnen) geben oftmals bereitwillig Auskünfte, wenn ein vermeintlicher Mitarbeiter einer Behörde sich vorstellt und nach augenscheinlich belanglosen Informationen fragt. 

Gleichzeitig nutzen die Agenten des Staates Geheimnisse, persönliche Schwächen, bürgerliche Eigenschaften und politische Verfehlungen, welche wir vor unseren GenossInnen und unserer Organisation geheim halten, um uns unter Druck zu setzen. Dazu gehört auch, dass Lästereien über andere GenossInnen und Organisationen, intime Aufnahmen oder psychische Probleme genutzt werden oder etwa damit gedroht wird, das Sorge- oder Besuchsrecht für ein Kind zu verlieren. Der Klassenfeind hat hier keine moralischen Grenzen, an denen er Halt macht. Ebenso wenig wird er sich an seine eigenen Gesetze halten, wenn es darum geht, möglichst effizient gegen uns vorgehen zu können. Wir müssen für die revolutionäre Arbeit verinnerlichen, dass jede persönliche Schwäche und bürgerliche EIgenschaft dem Klassenfeind einen Angriffspunkt bietet, mit dem er versucht, uns zu korrumpieren, anzugreifen und unter Druck zu setzen.

Die Beispiele, die man hier nennen könnte, würden sicher ganze Bücher füllen. Insbesondere geheimgehaltene Süchte, vermeintliche Jugendsünden, finanzielle Probleme, private bzw. intime Informationen oder Aufnahmen, sowie körperliche und psychische Krankheiten und Probleme können als Druckmittel durch den Staat eingesetzt werden. Dagegen hilft nur ein offener und solidarischer Umgang unter uns GenossInnen.

Der Feind sucht sich dabei gezielt Menschen heraus, die er unter Druck setzen kann, sei es durch eine erzwungene Zusammenarbeit in Form eines juristischen Deals oder andere der oben genannten Formen. Daher sollten wir uns darauf einstellen, dass der Klassenfeind uns bei unseren Fehlern und Schwächen packt, um einen Ansatzpunkt zu finden, eine Zusammenarbeit zu erzwingen. 

Immer wieder müssen wir uns dabei klar machen, dass der psychische Druck, den andauernde Repression und Überwachung durch Polizei, Geheimdienst und andere staatliche Organe ausübt, eine enorme Belastung für jedes revolutionäre Individuum werden kann. Die Repression ist systematisch darauf angelehnt, uns zu vereinzeln und vor subjektiv kaum lösbare Aufgaben zu stellen. Dazu nutzt der Staatsapparat alle ihm zur Verfügung stehenden Methoden. Dabei muss das härteste Mittel gar nicht das Einsperren ins Gefängnis sein, sondern es können genauso gigantische Geldforderungen oder die dauerhafte sichtbare Überwachung, wiederkehrende Hausdurchsuchungen und Druck bei FreundInnen und Familie sein. 

Mit den Methoden des psychischen Drucks wird gezielt versucht Angst zu erzeugen, uns zu lähmen und uns von unserer revolutionären Arbeit abzuhalten. Wir sollen uns nur noch mit uns selber, mit unseren finanziellen, familiären und psychischen Problemen beschäftigen und damit nicht mehr für die Befreiung unserer Klasse kämpfen. Letztendlich zielen diese speziellen Methoden der Repressionsorgane auf das Brechen und die Zerstörung der revolutionären Persönlichkeit ab. Sie sind ein direkter Angriff auf unser revolutionäres Bewusstsein und wollen uns zu einem systemkonformen Verhalten zwingen. Dazu kann in allen Bereichen unseres Lebens ein entsprechender Druck aufgebaut werden. Die Repression trifft uns dabei nicht nur in der direkten aktivistischen Praxis, sondern eben auch, wenn Druck auf unsere Familie, unsere FreundInnen aufgebaut wird, oder wir dauerhaft darum fürchten müssen unsere Wohnung, unseren Job und unserer soziales Umfeld aufgrund von Repressionen zu verlieren. Hier gilt es einen langen Atem zu haben und das Kollektiv als Waffe zu benutzen. Wenn wir nicht versuchen alleine gegen die Repression anzukämpfen, sondern uns gemeinsam als Kollektiv gegen diese zur Wehr zu setzen und die Folgen der Repression kollektiv tragen, dann werden sie ihre Wirkung verfehlen. 

Feindbewusstsein

Um uns organisatorisch, politisch und ideologisch auf die kommende Repression und die damit verbundenen Konsequenzen einstellen und vorbereiten zu können, müssen wir ein möglichst allseitiges Feindbewusstsein entwickeln. 

Das Feindbewusstsein lässt uns die Regeln der sicheren und wo notwendig konspirativen Arbeit erlernen und verinnerlichen. Nur wenn uns wirklich bewusst ist, gegen wen und warum wir gegen wen kämpfen, können wir uns entsprechend verhalten. Gleichzeitig schärft das Feindbewusstsein unsere Sinne gegen die Angriffe des Feindes und lässt uns unsere eigenen Strukturen dadurch besser schützen. Es hilft uns gegen ein mögliches Zurückfallen in liberalistische und versöhnlerische Verhaltensweisen. Es hilft uns, nicht dem Gedanken zu verfallen, wenn ich doch nur einmal gegen die eigenen Sicherheitsregeln verstoße, dann tut das doch niemandem weh. Doch genau auf diese Fehler und Leichtsinnigkeiten wartet unser Klassenfeind, darum müssen wir ein umfassendes Feindbewusstsein bei uns und unseren GenossInnen schaffen. Denn uns muss klar sein, der Klassenfeind verzeiht keine Fehler. Er wartet viel mehr darauf, dass wir welche begehen und er dann um so härter zuschlagen kann. 

Zum Feindbewusstsein gehört auch, Integrationsangebote des Systems zu erkennen und zurück zu weisen. Ohne dass der freundliche Sozialarbeiter, Streetworker oder die lokale Gewerkschaftsvorsitzende gleich zum physischen „Feind“ gehören muss, stellen sie doch die Integrationsscharniere dar, die uns wieder in das System zurückholen sollen. Gerade in Deutschland müssen wir uns der Gefahr der sozialdemokratischen Integration bewusst sein und diese in unserer Praxis und kollektiven Erziehung beachten.

Zu dem Verständnis des Feindes gehört zudem das Bewusstsein, dass er viel mehr ist, als nur seine direkten Repressionsorgane von Polizei, Militär und Geheimdiensten. Wie bereits oben beschrieben gehören auch faschistische und kriminelle Banden, ebenso wie alle weiteren staatlichen Organe zum Klassenfeind. Dass es mit diesen keinerlei Zusammenarbeit geben kann, sollte klar sein. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, im Prozess des Aufbaus von Gegenmacht unsere eigenen Sicherheitsorgane als Schutzorgane unserer Klasse aufzubauen.

Legitimität statt
Legalität

Insbesondere in zugespitzten Klassenkampfsituationen werden die bürgerlichen Gesetze zur reinen Makulatur. Keine der beteiligten Parteien wird sich an sie halten oder an ihnen orientieren. Gerade für uns als RevolutionärInnen kann das bürgerliche Gesetz natürlich kein Maßstab sein, denn die im Kapitalismus herrschende Klassenjustiz wird alles dafür tun, die Gefahr einer erfolgreichen sozialistischen Revolution abzuwenden.

Vielmehr müssen wir schon heute, überall dort, wo sich uns die Möglichkeit bietet, unseren eigenen Horizont erweitern. Wir müssen uns gedanklich und praktisch von dem engen Joch des bürgerlichen (Straf-)Gesetzbuches befreien. Für die erfolgreiche sozialistische Revolution werden wir weit mehr tun müssen, als nur den Rasen zu betreten.

Für uns ist das bürgerliche Gesetz deshalb kein Maßstab, an dem wir uns als KommunistInnen orientieren sollten. Ein Unterschied ergibt sich für uns nur dadurch wann, wo, wie und mit wem wir aus taktischen Überlegungen heraus außerhalb bzw. gegen das bürgerliche Gesetz arbeiten und verstoßen.

Dabei sehen wir es als unsere natürlichste Aufgabe, gegen die immer weiter fortschreitenden Verschärfungen der Polizei-, Versammlungs- und Überwachungsgesetze vorzugehen. Gleichzeitig müssen wir legale und straffreie Spielräume ausreizen und überall dort, wo es geht, diese durch unseren legitimen Kampf faktisch erweitern. 

Das nach wie vor geltende Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) von 1956 bildet zum Beispiel gleichzeitig die Grundlage für das Verbot von sogenannten „Nachfolgeorganisationen“, welche etwa eine gleiche oder ähnliche Programmatik verfolgen. Dies zeigt uns, wie eng der legale Rahmen der politischen Arbeit heute bereits ist und in Zukunft sein wird.

Antirepressionsarbeit als politisches
Kampffeld

Wenn wir die Rolle und das Wesen der Repression richtig verstehen und einordnen, wie wir es oben getan haben, dann müssen wir sie als den gezielten Klassenkampf der herrschenden Klasse gegen uns ArbeiterInnen verstehen. Entsprechend muss auch unsere Antwort sein. Es darf daher nicht sein, dass wir uns nur mit dem Thema Repression und Antirepression beschäftigen, wenn wir selber betroffen sind.

Der heute in weiten Teilen der politischen Widerstandsbewegung vorherrschende unpolitische Umgang und das fehlende Bewusstsein für Funktion und Wesen der Repression spielt dieser direkt in die Hände. Wer gerade nicht persönlich betroffen ist kümmert sich kaum um diesen Aspekt der politischen Arbeit. Wenn es einen dann doch mal erwischt, dann wird schnell die eine oder andere Soli-Party organisiert. Dann heißt es mal wieder „Saufen gegen Repression“. Mit einer gezielten und organisierten kollektiven Gegenwehr hat das wohl kaum etwas zu tun. 

Auch die wenigen heute dauerhaft bestehenden Antirepressionsstrukturen spielen kaum die klassenkämpferische Rolle, die wir benötigten, um der Repression des Staates politisch und organisatorisch wirksam etwas entgegensetzen zu können. So mögen sogenannte „strömungsübergreifende“ Organisationen wie die Rote Hilfe e.V. sicher ihre Berechtigung haben. Sie bleiben jedoch durch ihre selbst auferlegte politische Beliebigkeit oft nicht mehr als eine linke Rechtsschutzversicherung. 

Wenn wir davon ausgehen, dass mit der zunehmenden Intensität der Klassenkämpfe und der weiteren Rechtsentwicklung auch die Repression gegen linke und revolutionäre Strukturen sprunghaft wachsen wird, dann brauchen wir ganz andere Antirepressionsstrukturen. Dann brauchen wir dauerhaft arbeitende, revolutionär ausgerichtete und politisch in die Klassenkämpfe eingreifende Antirepressionskollektive, welche die von Repressionen Betroffenen und die politischen Gefangenen auf einer revolutionären Grundlage verteidigen. Dabei kann die finanzielle Unterstützung der Betroffenen immer nur ein Aspekt der Antirepressionsarbeit sein. Viel zentraler ist aber der politische Kampf gegen die Repression und genau dieser Aspekt wird heute sträflich vernachlässigt, ja zum Teil sogar bewusst abgelehnt. 

Revolutionäre
Solidarität und
Antirepressionsarbeit

Was wir heute brauchen ist eine Rote Hilfe, die diesen Namen nicht allein zum Schmuck trägt, sondern wirklich das Erbe der 1922 von der Kommunistischen Internationalen (Komintern) gegründeten internationalen revolutionären Solidaritätsorganisation Rote Hilfe International (RHI) aufgreift. 

Nur mit einer revolutionären Solidaritätsorganisation, welche ihre Arbeit als direkten Teil des Klassenkampfes für die Überwindung des Kapitalismus sieht, können wir der zunehmenden Repression des Staates offensiv und wirksam etwas entgegensetzen. So können wir zukünftig dann auch nach erfolgreichen militanten Protesten, wie denen beim G20 Gipfel 2017 in Hamburg, die folgende Repression zurückschlagen. Wir verfallen dann nicht in eine schädliche Schockstarre, weil wir nicht wissen, wie wir mit der Repression umgehen sollen. Gleichzeitig muss die Antirepressionsarbeit die Isolation und Vereinzelung in- und außerhalb der Gefängnisse durchbrechen und so eine kollektive Antwort auf jede Art der Repression geben.

Auf der Grundlage der revolutionären Solidarität streben wir unter Überwindung des verbreiteten Sektiertums und des Gruppendenkens, das heute bisweilen so weit geht, dass man sich freut wenn nicht die eigene sondern andere Gruppen von Repression betroffen sind, mit allen RevolutionärInnen eine Zusammenarbeit im gemeinsamen Kampf gegen den Klassenfeind an. Dies gilt auch und insbesondere im Bereich der Antirepressionsarbeit. Anderen RevolutionärInnen begegnen wir mit Respekt und auf Augenhöhe. In der gemeinsamen Aktion, wie auch in der Antirepressions- und Solidaritätsarbeit stellen wir die uns vereinigenden Elemente in den Vordergrund und nicht das, was uns trennt.

Schon heute gibt es verschiedene organisatorische Ansätze, welche in die von uns vorgeschlagene Richtung zum offensiven Kampf gegen die Repression des Klassenfeindes gehen. Die Kommission für eine Rote Hilfe International und das „Netzwerk Freiheit für die politischen Gefangenen“ können dabei für uns heute als Beispiele konkreter revolutionärer Anti-repressionsarbeit gelten. Auch wenn diese organisatorischen Zusammenschlüsse bisher nur einem kleinen Teil der revolutionären Bewegung ein organisatorisches Dach bieten, haben sie in den vergangenen Jahrzehnten wertvolle Erfahrungen in der klassenkämpferischen und revolutionären Solidaritätsarbeit gesammelt, von der es zu lernen gilt und auf die wir in Zukunft aufbauen werden müssen.

Der gezielte und geplante Aufbau einer wie von uns oben beschriebenen Antirepressionsarbeit wird für die Entwicklung der revolutionären und kommunistischen Bewegung in Deutschland überlebensnotwendig sein. Ohne solche Strukturen wird ein dynamisches qualitatives und quantitatives Wachstum der Bewegung und einzelner Organisationen schnell an objektive Grenzen stoßen. 

Heute ist die Anzahl der revolutionären Gefangenen in Deutschland noch sehr gering und die allermeisten von ihnen stammen aus migrantischen Strukturen, insbesondere aus der türkischen und kurdischen Bewegung. Aber wir dürfen mit dem Aufbau entsprechender revolutionärer Antirepressionsstrukturen und der Schaffung eines entsprechenden Bewusstseins für das Wesen der Repression nicht warten, bis dutzende oder hunderte GenossInnen in den Knästen des Klassenfeindes sitzen. Vielmehr muss es uns darum gehen, bereits in der näheren Zeit bestimmte qualitative und quantitative Schritte auf dem Weg der offensiven revolutionären Antirepressionsarbeit, der sicheren Arbeitsweise und vielfältigen Aktionsformen des Klassenkampfes zu gehen. 

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