Resolution: Die aktuelle politische Lage

Besonders in Zeiten sich verschärfender Widersprüche der politischen Lage ist unsere Aufgabe als Kommunist:innen, diese richtig zu analysieren, Entwicklungstendenzen zu erkennen und daraus Schlussfolgerung zu ziehen, welche uns in unserer Politik leiten. Dabei gilt es, die Entwicklung des imperialistischen Weltsystems, die Auswirkungen dessen auf den deutschen Imperialismus und seine Staatspolitik, sowie die Entwicklung der Klassenkämpfe genauer zu analysieren.

Die Entwicklung des imperialistischen Weltsystems

Das imperialistische Weltsystem befindet sich in einer Phase der Neuordnung. Im Kampf um die Welthegemonie haben sich dabei China und die USA zu denjenigen imperialistischen Staaten entwickelt, welche heute um die Spitzenposition kämpfen. China entwickelt sich dabei weiter mit schneller Geschwindigkeit und kann Lücken zum US-Imperialismus etwa im Bereich der technologischen Vorherrschaft schließen, während es beispielsweise militärisch und im Bereich der Kontrolle über eine Weltleitwährung noch zurückliegt. Auch die USA konnten zuletzt den tendenziellen Verfall ihrer politischen und ökonomischen Macht bremsen – unter anderem durch die gezielte weitere Stärkung der eigenen Weltmonopole.

Der Abstand der USA und China zu anderen imperialistischen Mächten bleibt dabei groß. Und doch ist das imperialistische Weltsystem komplexer geworden und es gibt mehr relevante Protagonisten als in der Phase etwa des „Kalten Krieges“. So sehen wir heute weitere starke imperialistische Mächte wie etwa Russland, Japan, Indien, Südkorea, Frankreich, das Vereinigte Königreich und den deutschen Imperialismus, die jeweils selber versuchen auf internationaler Ebene mitzuspielen, ihren eigenen Einfluss zu verteidigen und weiter auszubauen. Der verstärkte Kampf um die Welthegemonie bringt folgende Tendenzen mit sich, die sich bereits seit einigen Jahren entwickeln:

1. Vorbereitung des Schlachtfelds

Die Vorbereitungen der imperialistischen Mächte auf einen direkten großen Krieg zur Neuaufteilung der Welt laufen auf Hochtouren. Im Ukraine-Krieg treffen die verschiedenen imperialistischen Mächte immer direkter aufeinander. Unabhängig davon, ob es phasenweise gelingen mag, Waffenruhen oder gar einen Waffenstillstand auszuhandeln, dürfte dem keine längere friedliche Phase folgen. Die allgemeine Tendenz geht in Richtung der Vorbereitung einer noch größeren Eskalation. So sprechen sowohl NATO-Offizielle als auch russische Militärs davon, dass man auf eine direkte Konfrontation in wenigen Jahren vorbereitet sein müsse. Für diese Tendenz spricht auch die Ausweitung von Sabotage-Aktionen und hybrider Kriegsführung gegen die kritische Infrastruktur in Westeuropa sowie die Ausdehnung des Kampfes um die Kontrolle Osteuropas auf andere Länder der Region, wie Georgien, Moldau oder Rumänien. Sowohl die NATO als auch Russland versuchen dort ihren Einfluss zu steigern und ihnen jeweils wohlgesonnene Regierungen zu installieren.

Dass die Tendenz zum Weltkrieg immer stärker wird, zeigt sich ebenso an der Verschränkung verschiedener Kriegsherde. So kämpfen nicht nur auf der ukrainischen Seite Militärs aus NATO-Ländern mit, sondern auch nordkoreanische Soldaten auf der Seite Russlands. Zugleich war der russische Imperialismus in diesem Konflikt so stark gebunden, dass in Syrien die Assad-Diktatur gestürzt werden konnte und Russland hier strategisch geschwächt wurde, ebenso der Iran. Währenddessen zieht die Auseinandersetzung mit China die USA immer wieder weg von einer zu starken Involvierung im Ukraine-Krieg und auch der israelische Mehrfrontenkrieg benötigt ihre Aufmerksamkeit.

2. Offenere Annektions- und Raub-Politik

Der Schritt Russlands zur Annektion eines Teils der Ukraine ab 2022 steht symbolisch für eine neue Phase des offenen In-Frage-Stellens von Grenzen und der Politik des Raubs und Revanchismus. China will Taiwan „friedlich“ übernehmen, bereitet jedoch auch eine militärische Einnahme vor. Auch der amerikanische Imperialismus erklärt mittlerweile offen, sich Grönland, den Panama-Kanal und Kanada einverleiben zu wollen. Diese in der bürgerlichen Presse mit Spott abgetanen Gebietsansprüche dürften erste Zeichen der zukünftigen US-Amerikanischen Strategie sein, sich den gesamten amerikanischen Kontinent noch direkter unterzuordnen und den Einfluss insbesondere von Russland und China zurückzudrängen.

Auch die rasanten Veränderungen der politisch-geostrategischen Lage in Westasien zeigen uns, wie ernst wir die Kriegsvorbereitung nehmen sollten. Mit dem 7. Oktober 2023 ist ein regionales Bündnis gegen Israel in die Offensive gegangen, bei dem der legitime Kampf gegen koloniale Unterdrückung, Interessen der nationalen Bourgeoisie und Kämpfe um die regionale Vormachtstellung miteinander verschmolzen sind. Dem in die Enge getriebenen imperialistischen Israel gelang es daraufhin, nicht nur weitgehend ungestraft einen offenen Völkermord zu begehen, sondern den Mehrfrontenkrieg trotz Verlusten mit Erfolg zu führen. Im Windschatten der Schwächung von Hisbollah, Iran und Russland konnte dann die Türkei mittels von ihnen unterstützten fundamentalistischen Kräften handstreichartig eine relevante Kontrolle über Teile Syriens erlangen, was mit offenen Rufen nach einer Einverleibung größerer Teile Syriens einhergeht. Auch die israelische Bourgeoisie sichert sich einen Teil ihres als „Großisrael“ verstandenen Gebiets in Syrien und bereitet die vollständige Annektion aller verbleibenden palästinensischen Gebiete vor.

Wir können sehen: die Phase der Neuaufteilung der Welt hat an Fahrt aufgenommen und alle Mächte versuchen, das verbleibende Zeitfenster zu nutzen, um sich selbst in die bestmögliche Ausgangsposition für noch größere Kämpfe zu bringen. Mit diesen Entwicklungen einher gehen verstärkte große Fluchtbewegungen, welche auch durch die Zerstörung von Lebensraum im Zuge der Klimakrise angeheizt werden.

3. Fortgesetzter Wirtschaftskrieg

Einneuer tiefer Kriseneinbruch ist bisher ausgeblieben. Stattdessen sind viele Länder in einer dauerhaften Krisenentwicklung hängen geblieben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Ein Element ist die weiterhin massive Verzerrung des kapitalistischen Krisenzyklus durch gigantische Staatsausgaben. So stieg die globale Schuldenquote auch im vergangenen Zeitraum weiter rasant an und der globale Schuldenberg nähert sich langsam dem historischen Höhepunkt zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Dies führt jedoch langfristig zu einer massiven Instabilität der imperialistischen Weltwirtschaft und zu größerem Druck auf die nationalen Haushalte, deren Spielräume kleiner werden und die zugleich zur Aufrüstung drängen.

Der Hegemoniekampf zwischen den USA und China verschärft sich weiterhin auf ökonomischem Gebiet – derzeit in Form eines verschärften Zollkrieges, der zeitweise bis an ein fast vollständiges gegenseitiges Handelsembargo heranreichte. Die aggressive Handelspolitik des US-Imperialismus zielt auf eine Reihe weiterer Länder ab. Sie sollen gezwungen werden, sich für eine „Seite“ zu entscheiden – und zwar für die amerikanische. Das hat nicht nur politische Auswirkungen, sondern beeinflusst auch den Zugang zu wichtigen Rohstoffen und damit zusammenhängenden internationalen Produktionsketten. Dabei muss jedoch betont werden, dass trotz Versuche der Entkoppelung und Verkürzung internationaler Produktionsketten, sowohl die USA und China weiterhin massiv voneinander abhängig und ökonomisch miteinander verbunden sind. Das zeigte sich zuletzt darin, dass der Zollstreit vorübergehend ausgesetzt wurde. Das Selbe gilt für alle anderen imperialistischen und nicht imperialistischen Länder. Auch in Zeiten der Vorbereitung eines neuen Weltkriegs kann die kapitalistische Wirtschaft nicht mehr zu einer rein nationalen oder auch nur regionalen Produktion und Vermarktung zurückkehren.

Deutschland ist eines der imperialistischen Länder, das am stärksten unter der wirtschaftlichen Auseinanderentwicklung und Wirtschaftskriegsmaßnahmen leidet. Es ist durch seine extrem exportorientierte Wirtschaft auf gute Handelsbeziehungen zu und zwischen allen Weltmächten angewiesen. Die Zoll-Angriffe von Seiten der USA gegen die gesamte EU treffen Deutschland also besonders empfindlich. Die Versuche von Elon Musk, als reichster Mann der Welt, faschistische Bewegungen in Europa zu fördern, welche den Kontinent seiner Durchdringung ausliefern, zeigt dabei wie aggressiv der amerikanische Imperialismus in diese neue Phase der imperialistischen Konkurrenz auch gegen seine „Partner“ vorgeht.

4. Krise der „liberalen Demokratie“ und der Aufstieg faschistischer Kräfte

Die zunehmende Krisenhaftigkeit und Zuspitzung spiegelt sich auch auf politischer Ebene wieder. So kam es zwischen Mitte 2024 und Anfang 2025 zu einer Reihe an Regierungskrisen bis hin zu Staatsstreichversuchen in führenden imperialistischen Ländern wie in Südkorea, Frankreich, Deutschland, Österreich oder Kanada. Hier drängen verschiedene reaktionäre Kräfte nach vorne (Rassemblement National, AfD, FPÖ), die in anderen imperialistischen Ländern oder Regionalmächten bereits an der Macht sind, wie etwa die Parteien von Putin, Meloni, Erdoğan, Modi oder Trump.

Dabei handelt es sich um eine Reaktion der Herrschenden auf die Zuspitzung im imperialistischen Weltsystem und den Umstand, dass die Konflikte immer weniger durch Kompromisse und immer mehr durch Gewalt gelöst werden müssen. Dies macht es für die jeweiligen Monopolbourgeoisien notwendig, stärker auf aggressivere Vertreter:innen der nationalen Interessen und der Repression nach innen und außen zu setzen.

Sie versuchen damit auch Ersatz für die schwindende Bindungskraft „liberal-demokratischer“ Parteien und Regierungsformen unter den breiteren Massen zu finden. Zugleich ist es noch in keinem westlich-imperialistischen Land, trotz ultrarechter Politiker:innen an der Spitze, zum Übergang zum Faschismus, im Sinne eines vollständigen Umbaus des Staatsapparats, auf eine offene Diktatur gekommen – auch wenn etwa die Trump-Regierung immer offener die eigenen Spielräume nach rechts ausreizt. Die Möglichkeiten für den Übergang zum Faschismus in einem westlich-imperialistischen Land wachsen jedoch und werden zu einer realen Option, insbesondere wenn die direkte Konfrontationen zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten und der Widerstand der Arbeiter:innenklasse zunehmen sollten.

Die Lage des deutschen Imperialismus

Die genannten Zuspitzungen der zwischenimperialistischen Widersprüche wirken sich auch massiv auf den deutschen Imperialismus aus. Bereits unser letzter Kongress hatte in einer Resolution festgestellt, dass der Beginn des Ukraine-Kriegs für den deutschen Imperialismus „den Endpunkt eines jahrzehntelangen Erfolgsmodells [bedeutet]. Dieses bestand darin, sich im außenpolitischen und militärischen Windschatten der USA zur dominanten wirtschaftlichen und politischen Macht in Europa zu entwickeln, dabei aber zugleich möglichst für ihn vorteilhafte wirtschaftliche Beziehungen zu anderen imperialistischen Räubern wie Russland oder China zu suchen. Vor diesem Hintergrund ist der deutsche Imperialismus nun vor die Situation gestellt, dass er militärische und politische Defizite möglichst schnell überwinden muss, um in die Lage zu kommen, an einem solchen Verteilungskrieg erfolgreich teilzunehmen. Gelingt dies nicht, droht der dauerhafte Abstieg auf den Rang einer imperialistischen Macht ohne eigenständige geostrategische Handlungsfähigkeit.

Mittlerweile zeigt sich verstärkt, dass nicht nur militärische und politische Defizite, sondern auch aus den internationalen Widersprüchen herrührende wirtschaftliche Probleme überwunden werden müssen. Der deutsche Imperialismus befindet sich in einer seit 2018/2019 anhaltenden strukturellen wirtschaftlichen Krise. Dies zeigt sich etwa darin, dass heute die Industrieproduktion weiterhin deutlich unter dem Niveau von Anfang 2018 liegt, sowie darin, dass sich die deutsche Gesamtwirtschaftsleistung seitdem in einer schwankenden Stagnation befindet. Diese soll laut bürgerlichen Prognosen auch für die nächsten Jahre weiter anhalten. Eine so lange wirtschaftliche „Durststrecke“ gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Die Ampel-Regierung hatte versucht auf diese verschiedenen politischen, militärischen und ökonomischen Herausforderung zu reagieren, wobei viele Projekte für die eigentlichen Notwendigkeiten des deutschen Imperialismus nicht ausreichten. Die neue Große Koalition unter Führung des Monopollieblings Friedrich Merz (CDU) versucht vorhandene Lücken im Interesse des Kapitals zu schließen:

  • Die Ampelregierung hatte das Sondervermögen der Bundeswehr vollständig verplant und ein „Operationsplan Deutschland“ für einen großen Krieg entwickelt. Auch die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen ab 2026 wurden zugesagt. Doch das reichte nicht aus. Noch vor Übergang zur neuen Regierung schlossen sich deshalb SPD, Grüne und CDU zusammen, um ein gigantisches Aufrüstungspaket zu beschließen: 500 Milliarden für Infrastruktur (die direkt kriegsrelevant ist) und quasi unbegrenzte Schuldenaufnahme im militärischen Bereich. Der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) signalisiert nun bereits Offenheit für Ausgaben von bis zu 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – mehr als eine Verdopplung des aktuellen Militärbudgets.
  • Mit staatlichen Unterstützungsmaßnahmen hatte die Ampel versucht, den durch den Ukraine-Krieg hervorgerufenen Teuerungen entgegenzuwirken und gleichzeitig die deutsche Energie- und Industriewende zu finanzieren – die Energie- und Verbraucherpreise blieben jedoch auf einem sehr hohen Niveau. Diese strategischen Probleme bleiben grundsätzlich weiter bestehen.
  • Es gab verschiedene Versuche, mit Abkommen sowie dem Aufbau von Chipfabriken in Deutschland der fehlenden Autarkie im Bereich zentraler Rohstoffe und strategischer Technologien entgegenzusteuern. Bisher nur mit begrenztem Erfolg. Das gilt insbesondere für den Bereich Künstliche Intelligenz, Internet und Geodatendiensten, sowie der Weltraum. Auch hier wird die neue Merz-Regierung aggressiver vorgehen.
  • In der Handelspolitik ist es zwar gelungen, das Mercosur-Abkommen mit Südamerika auf die Zielgerade zu bringen und auch innerhalb Europas sichert sich der deutsche Imperialismus den Zugriff auf seltene Erden wie etwa mit dem Lithium-Projekt in Serbien. Doch eine ausreichende Antwort auf Zoll-Kriege mit den USA oder einen Ausfall der Importe aus China ist nicht in Sicht. Inwieweit hier die EU ihre nach außen getragene Geschlossenheit gegen die amerikanischen Angriffe durchhält, bleibt abzuwarten.
  • In der Entwicklung der Produktivkräfte sind verschiedene deutsche Unternehmen weiter in der Weltspitze vertreten. Doch gerade im Bereich Künstliche Intelligenz, Elektro-Mobilität oder Erschließung des Weltraums liegen deutsche Monopole zugleich weit abgeschlagen hinter der Konkurrenz aus den USA und China. Hier ist unter dem Stichwort „Bürokratieabbau“ mit einem Abbau von Arbeiter:innenrechten, Verbraucherschutzrechten oder Umweltstandards zu rechnen.

Die Folgen der wirtschaftlichen Krise und ihrer eigenen politischen Maßnahmen hat die Ampel-Regierung auf den Rücken der Arbeiter:innenklasse abgewälzt. Die derzeitige SPD-CDU-Regierung setzt diese Politik nun noch aggressiver fort. Zwar sank die Teuerungsrate in den letzten zwei Jahren stetig, verbleibt jedoch noch immer auf einem hohen Niveau, sodass es zu einer weiteren schleichenden Absenkung des Lebensstandards kommt. Durch die hohen Teuerungen bei Lebensmitteln und Energie waren in der Vergangenheit Arbeiter:innenhaushalte besonders betroffen, während etwa durch das „Heizungsgesetz“ auch Kleinbürger:innen stärkeren Belastungen ausgesetzt waren. Nachziehende Lohnsteigerungen konnten derweil eine Teuerungsrate von 19 % seit Anfang 2021 nicht ausgleichen, sondern lediglich etwas abfedern. Hier ist insbesondere der DGB ein zentraler Faktor für die Zementierung der Reallohnsenkungen in den zentralen Tarifabschlüssen.

Auch die deutschen Monopole versuchen ihre Stellung auf Kosten der Arbeiter:innen zu verbessern: Der vielfach angekündigte Stellenabbau umfasst bereits hunderttausende Stellen in der Industrie und durch eine gestiegene Zahl an Insolvenzen und Werksschließungen werden Arbeiter:innen auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft auf die Straße gesetzt. Zugleich werden mit Sozialplan-Methoden diese Prozesse in die Länge gezogen und zum Teil gleich neue Stellen vermittelt, da noch immer ein starker Fachkräftemangel herrscht. Schon jetzt ist die Arbeitslosenquote jedoch im Jahresschnitt auf dem höchsten Stand seit 2016 und dürfte weiter steigen.

Die Krisensituation und die Politik der Ampel, welche sich als fortschrittlich inszenierte, real jedoch eine besonders reaktionäre Politik durchsetzte, konnten rechte Kräfte für ihren weiteren Aufstieg nutzen. Das zeigte sich auch bei der letzten Bundestagswahl, bei der die AfD zweitstärkste Kraft nach der CDU wurde. Die Nicht-Zusammenarbeit anderer bürgerlicher Parteien mit ihr bröckelt auf kommunaler und regionaler Ebene. Breite mediale und politische Kampagnen gegen das Bürgergeld sowie gegen Flüchtlinge dienen beiden rechten Parteien. Eine Regierungsoption auf bundesweiter Ebene ist sie jedoch noch nicht, sodass nur noch eine Große Koalition „übrig“ blieb.

Inwiefern es der CDU gelingen wird, in der aktuellen Regierung tatsächlich Wähler:innen von der AfD „zurückzugewinnen“ bleibt abzuwarten. Die SPD hat in jedem Fall bereits signalisiert, eine Reihe an Verschärfungen mitzutragen. So oder so wird also ein weiterer Rechtsruck stattfinden, auch weil der deutsche Imperialismus es schaffen muss, einen großen Schritt nach vorne zu gehen. Mit den Kriegskrediten sind wichtige finanzielle Rahmenbedingungen dafür gelegt worden. Die geplante Abschaffung des 8-Stunden-Tags sowie Angriffe auf das Bürgergeld zeigen bereits an, dass die Schuldenaufnahmen mit einer gesteigerten Ausbeutung flankiert werden sollen. Zwar sieht es aktuell nicht so aus, dass der direkte Beginn eines neuen Weltkriegs in den nächsten 1-2 Jahren bevorsteht, aber die Vorbereitung mit allen Begleiterscheinungen dürften sich fortsetzen. Dazu gehört neben der Aufrüstung auch die Wiedereinführung der Wehrpflicht nach schwedischen Modell.

Entwicklung der Klassenkämpfe und spontanen Bewegungen

Die dargestellte Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche, die Vorbereitung eines neuen Weltkriegs und die anhaltende ökonomische Krise, sowie seine massiven Probleme bei der Umstellung der Schlüsselindustrien auf neue Technologien hat für den deutschen Imperialismus auch die Notwendigkeit hervorgebracht, härtere Klassenkämpfe von oben zu führen. Dies zeigt sich besonders bei den Angriffen auf erkämpfte Arbeiter:innenrechte, das Asylrecht, chauvinistischer Hetze gegen Arbeitslose und Bürgergeldempfänger:innen sowie der Aufrüstung bzw. Ausweitung der Befugnisse von Polizei, Militär und Geheimdiensten.

Parallel zu den anhaltenden Teuerungen waren auch die Lohnforderungen in den Tarifverhandlungen der letzte Jahre vergleichsweise hoch. Lässt man sich jedoch durch die einfachen Zahlen nicht täuschen, so fällt auf, dass selbst die Maximalforderungen der gelben Gewerkschaften massive Reallohnverluste einkalkulierten. Die dann verhandelten „Lohnsteigerungen“ waren dabei meist ein direkter Schlag ins Gesicht für unsere Klasse. Durch Abschlüsse, die kaum die Hälfte der Lohnerhöhungen der Gewerkschaftsforderungen betrugen und dabei meist eine mindestens doppelt so lange Laufzeit hatten, wird der Reallohnverlust nicht nur für die Vergangenheit, sondern auch für die kommenden Jahre manifestiert.

Auch wenn die Anzahl der Streiks und Arbeitskämpfe in den letzten zwei Jahren gestiegen ist, blieben sie im internationalen Vergleich weiter hinter vielen anderen Ländern zurück. Von aktiven Kämpfen oder einem wirklichen Aufschwung der Aktivität der Arbeiter:innenklasse kann keine Rede sein. 2023 ging die Anzahl der sich an Streiks beteiligten Personen von 930.000 auf 857.000 zurück, auch wenn die Anzahl der Ausfalltage stark anstieg. Damit haben nicht einmal 1,9% der Erwerbstätigen an Streiks teilgenommen. Hervorzuheben sind hier jedoch insbesondere die spontanen Arbeitsniederlegungen in zahlreichen Industriebetrieben, die es im vergangenen Jahr immer wieder im Zusammenhang mit der Verkündung von Massenentlassungen und Werksschließungen gab. Diese selbstständigen Kämpfe der Belegschaften wurden aber in den allermeisten Fällen so schnell wie sie ausgebrochen sind von Betriebsräten und Gewerkschaften wieder eingefangen und befriedet.

Die Zuspitzung der Kriegsgefahr, ökonomische Krisen und die Rechtsentwicklung haben mit dazu beigetragen, dass es zu einer stärkeren Ausdifferenzierung in der Sozialdemokratie und mit ihr auch in der politischen Widerstandsbewegung und den verschiedenen spontanen Bewegungen gekommen ist. Der Großteil der Sozialdemokratie ist der allgemeinen Tendenz gefolgt und stark nach rechts gegangen und hat in den allermeisten Fragen einen offen pro-imperialistischen Standpunkt eingenommen. Dem folgten die DGB-Gewerkschaften und auch immer größere Teile der politischen Widerstandsbewegung, welche diese in eine allgemeine Krise stürzte bzw. diese verschärfte. Die existierenden großen Massenproteste der vergangenen Zeit, wie die Klimabewegung oder die Anti-AfD-Proteste, standen nahezu vollkommen unter bürgerlicher Hegemonie und haben kaum zu einer Schwächung der rechten Bewegung oder zur dauerhaften Stärkung klassenkämpferischer Kräfte geführt. Ganz im Gegenteil hat parallel die Repression gegen Antifaschist:innen weiter zugenommen und in den vergangenen Jahren zu immer mehr und höheren Haftstrafen geführt. Auch die Umfragen und Wahlergebnisse der AfD konnte die Anti-AfD-Bewegung kaum beeinflussen. Kurzfristig war es die Linkspartei, welche im Rahmen der vorgezogenen Bundestageswahlen 2025 die Anti-AfD-Stimmung für sich nutzen und ihre Mitgliederzahl sowie Wähler:innen stark steigern konnte. Doch erwartbarerweise entblößten sie sich schnell als verbalradikale „Oppositionelle“, die sich vor allem auf das Formulieren moralischer Appelle und den Kampf um halbgare Kompromisse in den eigenen Reihen begrenzen.

Die allgemein beschriebene Entwicklung der Klassenkämpfe spiegelt sich auch in der Frauenbewegung wider. Auch hier hinkt die Entwicklung der Kämpfe in Deutschland in ihrer Quantität und Qualität dem internationalen Maßstab hinterher. Während in Folge der zunehmend reaktionären Politik in vielen Ländern, wie den USA, der Türkei, in Italien oder Polen, vereinzelt oder länger anhaltend massenhaft Frauen auf die Straßen mobilisiert werden konnten, sie die Führung der Proteste übernommen haben, entwickelt sich in Deutschland bisher kaum eine nennenswerte Dynamik, und das trotz massiv steigender Zahlen häuslicher Gewalt und Femizide. Der Einfluss des bürgerlichen Feminismus ist vorherrschend und es gibt kaum eine nennenswerte Gegentendenz. Gleichzeitig zeigten uns die letzten Jahre auch steigende Mobiliserungserfolge bei klassenkämpferischen Demonstrationen, sei es am Tag gegen Gewalt an Frauen oder am 08. März. Dabei handelt es sich jedoch um kurzfristige Erfolge, die noch keine Analyse einer quantitativen oder qualitativen Weiterentwicklung zulassen.

Eine zentrale Bewegung der vergangenen Jahre, insbesondere seit dem 7. Oktober 2023, ist die Solidaritätsbewegung mit Palästina. Auch hier konnten wir besonders deutlich die oben beschriebene Zunahme der Repression und die Spaltung der politischen Widerstandsbewegung bzw. zu sehr großen Teilen ihre weitere Rechtsentwicklung sehen. Mit einer gigantischen Kampagne wurde versucht, jede Solidaritätsäußerung mit dem palästinensischen Volk zu unterdrücken und unter Strafe zu stellen. Ähnlich wie den Ukraine-Krieg, hat die herrschende Klasse den Krieg in Palästina genutzt, um massive Angriffe auf die Meinungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit und weitere demokratische Rechte zu testen und dauerhaft durchzusetzen. Die weitere Aufrüstung und die Unterdrückung von Antikriegsprotesten birgt dabei auch in Zukunft das Potenzial, größere Widersprüche zur herrschenden Politik in Deutschland hervorzubringen. Insbesondere die Einführung der Wehrpflicht nach schwedischem Modell, sowie die Diskussionen über die Wiedereinführung einer vollumfänglichen Wehrpflicht bieten großes Mobilisierungspotenzial, vor allem unter Jugendlichen, welche von einer wie auch immer gearteten Wehrpflicht als erstes getroffen werden.

Die sich zuspitzende politische Lage führt in Wechselwirkung mit der Krise der politischen Widerstandsbewegung zu Sortierungsprozessen und einer Neuordnung der Kräfte innerhalb der revolutionären und kommunistischen Bewegung. Das hat den Aufschwung der kommunistischen Bewegung gestärkt, diese kann aber bisher den Abwärtstrend der politischen Widerstandsbewegung nicht kompensieren.

Wir sehen also, dass die politischen Entwicklungen auf nationaler als auch internationaler Ebene sich in einer Geschwindigkeit verändern und zuspitzen, der zum jetzigen Zeitpunkt eine zu schwache Arbeiter:innenbewegung ohne kommunistische Führung gegenüber steht. Gleichzeitig haben die sich zuspitzenden Krisen und die zunehmenden Angriffe auf unsere Klasse das Potenzial sich schneller zu entwickeln und durch ein organisierteres und konsequenteres Eingreifen von Revolutionär:innen genutzt zu werden. Es ist unsere Aufgabe, alles dafür zu tun, den Zustand der kommunistischen und Arbeiter:innenbewegung zu verändern und es dem Tempo der Herrschenden gleichzutun: Wir müssen unsere Anstrengungen vergrößern und schneller, größere Schritte wagen, um uns in die bestmögliche Ausgangsposition für den schärfer werdenden Klassenkampf zu bringen!

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