Welche Haltung gegenüber dem innerhalb der Gesellschaft insgesamt und der linken Bewegung ebenso breit diskutierten Thema Drogen und Sucht sollten wir als Revolutionäre, als Kommunisten, einnehmen? Wie können wir uns eine nicht dogmatische, aber unserem Ziel, der Errichtung des Kommunismus nach der sozialistischen Revolution, entsprechende Haltung erarbeiten?
Zunächst ist es dazu wichtig, die Rolle von insbesondere vermeintlich „illegalen“ Drogen im kapitalistischen System zu betrachten.
Der Konsum verschiedenster Drogen wird oftmals als „freiheitlich“, „bewusstseinserweiternd“, geeignetes Mittel zur Selbstdarstellung oder als Akt der Gesetzesübertretung und deshalb als rebellierender Akt angesehen. Ganz im Gegenteil spielen Suchtmittel eine wichtige Rolle im Systemgefüge zum Erhalt der Macht der Bourgeoisie.
Die sich verschärfenden Widersprüche des Kapitalismus zwingen die Bourgeoisie zu ihrem Machterhalt ihren konterrevolutionären Methodenschatz ständig zu erweitern. Bereits in Jahrzehnten gut erprobte Mittel wie die konterrevolutionäre Gewalt, die feindliche Propaganda und die systematische Bestechung eines Teils der Arbeiterklasse werden deswegen durch Maßnahmen zur Betäubung oder Auslöschung unseres Widerstandswillens ergänzt. Feindliche Ideologie und Drogenpolitik ergänzen sich und üben ähnliche Funktionen aus, Marx hat das im Satz „Die Religion ist das Opium des Volks“ zum Ausdruck gebracht. Anstatt mit Phrasen vom „Leben im Jenseits“ werden wir heute ruhig gehalten mit vermeintlicher Bewusstseinserweiterung und „Freiheit“ durch Pillen und Gras.
Drogen als Instrument der Konterrevolution
Man kann die Ausnutzung von Suchtmitteln zur Zersetzung unseres Widerstandswillens mit Beispielen aus allen Ländern der Welt belegen.
Ein sehr bekanntes ist die fortschrittliche Bewegung der Black Panther’s Party in den USA. In den organisierten Widerstand der schwarzen Teile der Bevölkerung wurde der Drogenhandel gezielt hereingetragen. Der Konsum untergrub jede organisatorische Disziplin, der Vertrieb machte die Organisation zu Mitschuldigen am Elend der Unterdrückten und bot einfache Vorlagen für Kriminalisierung durch den Staat.
Wie in vielen Ländern der Welt entstand um das Jahr 1970 herum auch in Spanien eine größere Widerstandsbewegung im Volk. In Spanien richtete sich diese gegen die faschistische Diktatur. Die wachsenden revolutionären Tendenzen in dieser Bewegung wurden dabei bewusst durch das Fluten ganzer Stadtteile mit Drogen bekämpft. In Stadtteilen, die ihren fortschrittlichen Ruf bis heute erhalten haben, wie Vallecas in Madrid, sind die Spuren dieser Zersetzungspolitik noch heute sichtbar.
In verschiedenen Stadtteilen türkischer Großstädte, in denen die revolutionären und fortschrittlichen Kräfte eine Vorherrschaft gegenüber dem Staat aufbauen konnten, entwickelt dieser eine Zersetzungspolitik, in dem Drogenhändler, ebenso wie Zuhälter von jeglicher Repression staatlicherseits ausgenommen werden. Der Feind will so die Bevölkerung dieser „Revolutions-Hochburgen“ wie Gazi in Istanbul dazu zwingen, zuzugeben, dass sie ohne den Staat nicht auskommen.
Auch in Deutschland findet diese Politik eine sehr konkrete Verwendung. Der Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg wird dem Drogenhandel weitgehend überlassen. Ein geduldeter Drogenmarkt im Herzen Kreuzbergs spielt an sich schon für den Feind. Im Zusammenhang mit den Flüchtlingsprotesten, wurde das aber zusätzlich ausgenutzt, um die Unterstützung in der linken oder wenigstens demokratischen Bevölkerung von Kreuzberg zu brechen. Hierzu hat man sich mit der Berliner Medienpropaganda sichtlich bemüht die „Dealer“ mit den protestierenden Flüchtlingen gleichzusetzen.
Unsere geistige und körperliche Freiheit verteidigen!
Wie oben bemerkt, kann der Kapitalismus nicht aufhören, Suchtmittel zur Zersetzung unseres Widerstandes einzusetzen. Die Psychologen und Werbeexperten im Dienste der Kapitalistenklasse bemühen sich schon allein, um der unerschöpflichen Profitgier ihrer Herren gerecht zu werden, unserem Konsum in nahezu allen Bereichen zunehmend suchtmäßigen Charakter zu verleihen. Die modernen Fernsehserien und Videospiele sind höchste Blüten dieser Tendenz und zielen darauf ab, Suchtverhalten zu erzeugen. Das Suchtverhalten wird zur Marketingstrategie. Wir müssen aber auch die unermessliche Energie und Zeit berücksichtigen, die wir und besonders die Jugend an diese „leeren“ Tätigkeiten verliert. Das Fünkchen Widerstand, das von einer in Deutschland eher an den Rand gedrängten linken und revolutionären Bewegung ausgeht, wird durch den Konsum von Drogen und die dauernde Beschäftigung mit dem Thema regelmäßig gehemmt. Platt gesagt: wir vergeuden Zeit, Kraft und Kreativität, die wir für andere Dinge verwenden könnten und sollten. Gleichzeitig fesseln wir uns durch diese vermeintliche Freiheit an das kapitalistische System, indem wir genau das tun, was von uns erwartet wird.
Besonders die Jugend ist traditionell den neuesten und ausgefeiltesten Angriffen der Kapitalisten auf diesem Gebiet am stärksten ausgesetzt. Die Gründe dafür sind so zahlreich wie die verschiedenen Formen der Abhängigkeit: Probleme in der Familie, Erfahrungen mit Gewalt, Enttäuschungen und ständiges subjektives Scheitern oder auch einfach das Gefühl der Perspektivlosigkeit, das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer No-Future-Generation.
Wollen wir zielgerichtet an den Umgang mit Abhängigkeit und Sucht herantreten, bleibt es nicht aus, sich zu fragen, welche Dinge und Gefühle es gibt, die Menschen positiv mit dem Konsum verbinden. So gibt es auf der einen Seite die Argumentation, Cannabis-Konsum mache beispielsweise kreativer, weit verbreiteter ist jedoch auf der anderen Seite der schlichte Wunsch nach Ablenkung, nach Betäubung und Flucht, nach Abschottung vor der Welt, die einen umgibt, um wenigstens für einen begrenzten Zeitraum nicht erreichbar zu sein für „alles Schlechte in dieser Welt“.
Noch wichtiger als die Frage, was Menschen positiv mit Drogenkonsum verbinden ist unsere Antwort darauf. Wir müssen umgekehrt fragen: Ist es denn besser, nach dem Rausch zu erwachen und noch viel klarer und geballter zu sehen, wovor man sich am Abend zuvor abgeschottet hat? Trips dauern nicht ewig und ebenso wenig das „gute Gefühl, mal runter zukommen“. Und weitergehend: Ist es wirklich das Ziel, sich in eine vom Kapitalismus fremdbestimmte Welt zu begeben, seine Wahrnehmung zu vernebeln und sich zu einem noch größeren Sklaven zu machen? Der komplette kapitalistische Vertrieb funktioniert über Sucht, egal ob wir von Drogen, Nahrungsmitteln, Medikamenten, Computerspielen oder Sex sprechen. Die Sucht ist ein Mechanismus, der uns Ketten anlegt. Ist es unser Ziel, „abzuschalten“, unsere Wut und unseren Hass auf dieses System zu betäuben (wenn auch nur vermeintlich für eine Nacht), uns in die Illusion zu begeben, dass wir uns dem kapitalistischen Alltag entziehen, während wir mittendrin stecken und einfach nur unser Hirn zuballern? Es ist die Aufgabe der Kommunisten, auch hier ihre Vorhutrolle einzunehmen und sich aus dem Schlepptau der Bourgeoisie, die uns diese Ketten sehr bewusst anlegt, zu befreien.
Der „legale“ illegale Drogenhandel in Deutschland
Bei der Diskussion über Drogen legen die Herrschenden immer wieder eine große Heuchelei an den Tag. Während manche Substanzen verteufelt werden, ist von den massenweise produzierten Pharmaerzeugnissen, die abhängig machen, nicht die Rede. Umgekehrt ist aber auch die teilweise medizinische Nutzung von Drogen wie Cannabis kein Beleg dafür, dass dies gesund wäre; im Gegenteil auch hier werden immer wieder schnell auftretende Psychosen als Effekt des Drogenkonsums nachgewiesen.
Überhaupt nutzt die moderne kapitalistische Produktion den Konsum von Drogen häufig als Mittel, um die Leistungsfähigkeit der ArbeiterInnen und Werktätigen noch über jedes natürliche Maß hinaus zu steigern. Das Ergebnis ist ein nicht mehr vom Körper, sondern von verschiedenen aufputschenden und „entspannenden“ Substanzen reguliertes Verhältnis zwischen Aktivität und Ruhe.
Wir wollen uns an dieser Stelle auch mit dem Mythos der angeblich vom Staat unkontrollierten Drogenproduktion und -handel beschäftigen. Versuchen uns die Imperialisten nicht ständig Angst einzujagen, in dem sie von Satellitentechnik, mit der sogar Euromünzen zu erkennen sein sollen, erzählen? Die Entdeckung der offiziell illegalen Marihuana-Plantagen soll ihnen aber unmöglich sein? Der Staat bekämpft die Drogenwelt ebenso konsequent wie die Neofaschisten in Deutschland, er fördert und lenkt sie bewusst, in dem er Grenzen aufzeigt, Spielräume lässt aber natürlich auch dazu bereit ist mittels seiner Agenten direkt zu steuern (siehe NSU).
Sollten wir uns deswegen den von verschiedenen bürgerlichen Jugendorganisationen erhobenen Forderungen nach „Legalisierung“ anschließen?
Zu glauben, die Steuereinnahmen aus einem legalisierten Drogenhandel würden zum Wohl der ArbeiterInnenklasse eingesetzt werden ist ein Ausdruck von Illusionen in diesen Staat. Weiterhin wäre es nicht richtig, diese Forderung zu unterstützen, weil es die Kontrolle des Staates über den Drogenhandel nur in andere Kanäle lenken würde. Außerdem wird auch die Abhängigkeit von Drogen nicht zurückgehen, wie sollte das auch passieren, bleiben doch immer noch die Mechanismen und Ursachen, die Menschen in die Sucht treiben. Im Gegenteil: Es besteht ein wechselseitiger Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Bewusstsein und geltendem Recht jeder Gesellschaft. Den Konsum von Drogen zu legalisieren wird deswegen ihren Konsum fördern und kann nicht in Interesse der Revolution liegen.
Es ist auch wichtig, sich immer wieder klar zu machen, dass es das kapitalistische System ist, das Schuld an der Sucht hat und nicht der Süchtige selbst.
Zur Aufgabe müssen wir es uns machen, eine proletarische Kultur zu entwickeln, in der es zur Selbstverständlichkeit wird, die Ketten der Sucht, die das Kapital uns und unserer Klasse anlegen will, zu zerschlagen – im einzelnen und im ganzen. Nicht indem wir Süchtige verteufeln, sondern indem wir die eigene gewonnene Kraft nutzen und die real existierende Perspektive aufzeigen: Es geht ohne – und du kannst den Willen entwickeln, ohne Sucht leben zu wollen.
Viele GenossInnen mit revolutionärem Anspruch sind vielleicht mit unseren Ausführungen zu diesem Thema einverstanden und tragen schon seit längerem den Gedanken mit sich herum, mit ihrer Sucht zu brechen. Sich davon zu lösen ist nur eine von vielen bewussten Entscheidungen, die wir auf dem Weg zu einem freien Menschen treffen müssen und doch ist es nicht mit einer einmaligen Entscheidung getan, sondern läuft auf einen immer wieder auszutragenden inneren Kampf hinaus, der uns schließlich mit der Unabhängigkeit von unseren Suchtmitteln belohnen wird, wenn wir ihn konsequent führen.
Wir müssen aufzeigen, dass letztendlich die einzige Alternative zu leben, und nicht nur zu überleben, ist, mit klarem Verstand durch diese Welt zu laufen. Die Flucht mag einen weichen Fall suggerieren – der Aufprall des Erwachens jedoch ist wesentlich härter – und schmerzhafter. Denn nach dem Aufwachen gibt es immer noch Kapitalismus – und du sitzt jeden Abend mit zugedröhntem Kopf daneben, während du eigentlich die Freiheit willst.