Seit dem Ende des Ersten Weltkriegs kann man das Phänomen immer wieder beobachten: In der bürgerlichen Demokratie bilden sich Bewegungen, die sich der herrschenden Ordnung gegenüber oppositionell, teilweise sogar revolutionär geben – gleichzeitig jedoch fortschrittliche Elemente der Gesellschaft und vor allem den Kommunismus aggressiv angreifen. Kommen sie an die Macht, lassen sie die Grundpfeiler des Imperialismus unangetastet, errichten stattdessen grausame Diktaturen, zerschlagen die Arbeiter:innenbewegung, brechen Kriege vom Zaun. So sichern sie – wenn auch nur für eine gewisse Zeit – den imperialistischen Monopolen riesige Profite.
Kurz: Teile der im Kapitalismus ausgebeuteten und unterdrückten Massen, vor allem im Kleinbürger:innentum, lassen sich für die aggressiven Ziele des Imperialismus nach innen und nach außen einspannen.
Nach den Fasci di combattimento wird dieses Phänomen als Faschismusbezeichnet. Bei den Fasci handelte es sich um Kampfbünde von ehemaligen Soldaten, die in Italien kurz nach dem Ersten Weltkrieg Kommunist:innen bekämpften und unter Führung Benito Mussolini eine Diktatur errichteten. Heute beschreibt er ein Phänomen, was über die italienische Erfahrung hinausgeht, sich internationalisiert hat und noch heute auftritt.
Den Faschismus richtig zu verstehen und darauf aufbauend eine erfolgreiche antifaschistische Strategie umzusetzen, hat die kommunistische Bewegung immer wieder vor Schwierigkeiten gestellt. Dies liegt unter anderem auch daran, dass für eine tiefgehende Analyse des Faschismus ein marxistisches Verständnis der Persönlichkeit benötigt wird. Denn der Faschismus schafft seine Massenbasis nicht durch rationale Propaganda, sondern vielmehr mit der Ansprache der inneren Widersprüche in den Persönlichkeiten der Unterdrückten, ihrer Ängste und Unsicherheiten, ihrer unterdrückten Wünsche, ihres geheimen Drangs nach Macht. Dies richtig zu verstehen, ist unerlässlich dafür, um seinen Einfluss auf Teile der unterdrückten Massen zu brechen und ihn letztlich zu besiegen.
Im Folgenden wird der Faschismus daher als politische Erscheinung in der patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft in der Epoche des Imperialismus analysiert. Es wird auf sein Wesen und seine Funktionsweise, insbesondere seinen Klassencharakter, seine Ideologie und Widersprüchlichkeit, auf den Faschismus an der Macht und den Faschismus als Bewegung, sowie auf den Zusammenhang von Faschismus, Krieg und Krise eingegangen werden. Auf dieser Grundlage wird dargestellt, dass der Kampf gegen den Faschismus einen Kampf für den Sozialismus bedeutet, dass die antifaschistische Strategie eine Teilstrategie der Strategie der sozialistischen Revolution sein muss. Anschließend sollen die einzelnen Aspekte der antifaschistischen Strategie, der Kampf um die Straße und der Kampf um die Köpfe sowie die Verbindung zum allgemeinen politischen Kampf der Arbeiter:innenklasse näher beleuchtet werden.
Das Wesen und die Funktionsweise des Faschismus
Der Klassencharakter des Faschismus
Im Kapitalismus leben wir in einer Klassengesellschaft. Das bedeutet, unsere Gesellschaft ist in Klassen – insbesondere Proletariat und Bourgeoisie – gespalten. Dazwischen steht das Kleinbürger:innentum, welches zwischen den beiden Hauptklassen schwankt. Die in der Gesellschaft relevanten Ideologien und politischen Bewegungen haben ihre Basis in diesem Klassensystem. Sie sind von den gesellschaftlichen Klassen beeinflusst und geprägt und bringen ihre materiellen Interessen zum Ausdruck. Sie haben einen Klassencharakter. Um diesen zu ermitteln, muss man sich fragen, die Interessen welcher Klasse in einer bestimmten politischen Bewegung wesentlich zum Ausdruck kommen, für sie bestimmend sind. Sie können somit einen proletarischen, kleinbürgerlichen oder bürgerlichen Klassencharakter haben.
Es gelingt dem Faschismus, Teile des Kleinbürger:innentums und des Proletariats zu mobilisieren. Darüber hinaus wettern die faschistischen Ideolog:innen gegen die herrschende Ordnung. Sie beklagen, dass die heutige Gesellschaft sich nur nach der Gier und dem Profitstreben einiger weniger dreht, erklären sich zur einzigen Interessenvertretung der (deutschen) Arbeiter:innen und nennen sich teilweise „nationale“ oder „deutsche“ „Sozialisten“. Der Klassencharakter der faschistischen Bewegung ist also nicht auf den ersten Blick erkennbar. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man auf die Idee kommen, der Faschismus sei entweder eine kleinbürgerliche Bewegung, oder er entstehe sogar in den Reihen des Proletariats und stelle eine verkürzte Kritik des Kapitalismus dar – oder da er Anhänger:innen aus allen Teilen der Gesellschaft gewinnen kann, stehe er über den Klassen.
Der Klassencharakter einer Bewegung bestimmt sich jedoch nicht aus der sozialen Zusammensetzung ihrer Anhänger:innen und auch nicht danach, welche Position ihre Führer:innen für sich in Anspruch nehmen. Man darf die Frage des Klassencharakters einer Bewegung nicht mit der Frage ihrer Massenbasis verwechseln.1 Stattdessen muss man sich fragen, welchen Klasseninhalt ihre Politik vertritt, von wessen Interessen die Bewegung geführt und geleitet wird. Dabei ist die Praxis und nicht die Rhetorik das entscheidende Kriterium. Um den Klassencharakter des Faschismus zu bestimmen, gilt es daher die Rolle, die er historisch in den Klassenkämpfen gespielt hat, genauer anzusehen:
Hierzu lohnt es sich zunächst auf den Entstehungsprozess des Faschismus, in die Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg, zu blicken. Die Fasci di combattimento rund um Mussolini haben in den damals besonders heftig tobenden Klassenkampf in Italien eingegriffen. Zu dieser Zeit fanden im industrialisierten Norditalien Fabrikbesetzungen durch Metallarbeiter statt, in Süditalien besetzten landwirtschaftliche Proletarier:innen, Kleinbürger:innen und Kleinpächter:innen die Güter der großen Landeigentümer:innen. Die Faschist:innen griffen in diese Kämpfe ein, indem sie ab 1920 sogenannte „Strafexpeditionen“ organisierten: Dabei handelte es sich um militärisch organisierte Überfälle auf Gebiete in denen die Sozialist:innen stark waren. In Lastwägen wurden die Mitglieder der faschistischen Kampfbünde angefahren, sie umzingelnden Gemeinden, besetzten zentrale Stellen, verprügelnden sogenannte „Rote“, folterten sie und steckten anschließend die Räume der Sozialistischen Partei, Genossenschaften und Gewerkschaften in Brand. Bis zum Oktober 1922 töteten die Faschist:innen so rund 3.000 Menschen und trugen ihren Teil dazu bei, die Welle an Arbeiter:innen-Aufständen in Italien zu zerschlagen. Die finanziellen und logistischen Mittel für ihre Terrorwelle wurden den Fasci dabei von lokalen Industriellen und Banken zur Verfügung gestellt. Staatliche Akteure ließen sie agieren und arbeiteten teilweise mit ihnen zusammen. Der Anfang der faschistischen Bewegung stellte also das Eingreifen der Faschist:innen in den Klassenkampf auf der Seite der herrschende Klasse dar. Ebenso wie in Italien verdienten sich auch zahlreiche spätere Aktivist:innen der NSDAP ihre ersten Sporen in der faschistischen Rechten durch ihre Rolle in den aus rechten Frontsoldaten bestehenden Freikorps und der brutalen Niederschlagung des revolutionären Proletariats in der Zeit zwischen 1917-1923.
Wie sich die Faschist:innen aller ihrer „antikapitalistischen“ Rhetorik zum Trotz in den Klassenkämpfen positionieren, kann man auch an der Haltung der NSDAP zu Streiks erkennen. So schuf sich die Nazi-Partei ab 1929 zwar eine Betriebsorganisation, die NSBO (Nationalsozialistische Betriebszellenorganisation). Diese unterstützte jedoch bis 1932 keine Streiks. Vielmehr definierte sie als ihre Aufgaben: „Jeder Nationalsozialist ist ferner verpflichtet im Betrieb jeden marxistischen Funktionär (…) festzustellen (…), ist der Arbeitgeber Parteigenosse, so steht demselben das Recht zu, fortwährend auf dem Laufenden gehalten zu werden (…). Wichtig ist noch, die Herren Parteigenossen Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass bei eventuell unerlässlichen Lohnsenkungsaktionen eine nationalsozialistische Belegschaft der wirtschaftlichen Lage immer ein anderes Verständnis entgegen brächte als eine marxistisch verhetzte.“2 Ab 1932 änderte die NSBO ihre Linie zwar und bekannte sich zu Streiks, jedoch lediglich die „eindeutig wirtschaftlichen“ und auch nur nach Genehmigung der oberen Parteiorgane.3 Die Stellung der Faschist:innen im betrieblichen Klassenkampf war also ganz klar die eines Verbündeten und Spitzels der Kapitalist:innen, der sich nur in Ausnahmefällen an Streiks beteiligte, um ihr Gesicht nicht ganz zu verlieren. Im akuten Klassenkampf bezogen die Faschist:innen also immer wieder Stellung als Gegner:innen der organisierten, für ihre Interessen kämpfenden Arbeiter:innenklasse. Teilweise wird versucht die Rolle der Faschist:innen als Gegner:innen der Arbeiter:innen dadurch zu erklären, dass sie eine originär kleinbürgerliche Protestbewegung seien. Die faschistische Paarung von Antisozialismus mit antikapitalistischer Demagogie wird dabei aus der zwiespältigen Klassennatur des Kleinbürger:innentums abgeleitet.
Zunächst einmal ist es richtig, dass das Kleinbürger:innentum politisch von Schwankungen zwischen Bourgeoisie und Proletariat gekennzeichnet ist. Auf der einen Seite muss es stets dagegen kämpfen von den Kapitalist:innen im Konkurrenzkampf geschlagen zu werden und so ins Proletariat herab zu sinken. Es bekämpft also die Auswirkungen des Kapitalismus. Auf der anderen Seite haben Kleinbürger:innen ein Interesse ihr Privateigentum zu erhalten. Auf dieser Grundlage entwickeln sich immer wieder Ideologien, die ein bisschen Sozialismus, jedoch mit allen Vorzügen des Kapitalismus anstreben. Karl Marx und Friedrich Engels charakterisierten diese Haltung im kommunistischen Manifest als „kleinbürgerlichen Sozialismus“. Ideologien und Bewegungen, die den Klassencharakter des Kleinbürger:innentums trugen, waren etwa die um Ferdinand Lassalle (1825-1864) und Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865).
Auch wenn der Faschismus teilweise ähnliche Positionen als Phrasen benutzt, ist es falsch ihn als eine Spielart des kleinbürgerlichen Sozialismus zu verstehen. Dies wird deutlich, wenn man sich das Wirken des Faschismus an der Macht anschaut. Dieses war keineswegs an den Interessen des Kleinbürger:innentums ausgerichtet. Vielmehr besaßen Vertreter:innen des großen deutschen Bank- und Industriekapitals wie die Vertreter:innen der Familiendynastien der Krupps, Siemens, Thyssens und von Fincks beste Beziehungen zu den Faschist:innen. Sie halfen diesen nicht nur an die Macht, sondern profitierten auch massiv von der wirtschaftlichen Politik der Nazis, in Form der Ausschaltung der Gewerkschaften und der Schaffung einer millionenstarken Armee von Sklavenarbeiter:innen in Form von KZ-Häftlingen und Kriegsgefangenen, die in der deutschen Industrie ohne Bezahlung arbeiten mussten und den deutschen Imperialist:innen Milliarden an Extraprofiten schufen.
Auch die Außenpolitik Nazideutschlands folgte dem Programm des deutschen Imperialismus, dass dieser bereits im 1. Weltkrieg verfolgte und das auch heute noch die Grundlage imperialistischer deutscher Außenpolitik bildet: Die Ausschaltung der imperialistischen Konkurrent:innen England und Frankreich im Westen und die Expansion in den Osten, um die chronische Ressourcenknappheit Deutschlands zu beheben.
Anhand dieses Blickes in die Geschichte des Faschismus ist klar erkennbar, dass der Faschismus in den Klassenkämpfen immer wieder unzweifelhaft auf der Seite des Kapitals steht. Sowohl als politische Bewegung als auch an der Macht setzt er die Interessen der imperialistischen Bourgeoisie durch. Somit kann man also festhalten, dass der Faschismus keineswegs eine kleinbürgerliche oder gar proletarische Bewegung ist und auch nicht über den Klassen steht. Vielmehr hat er einen bürgerlichen Klassencharakter.
Die Besonderheit des Faschismus, die ihn von anderen bürgerlichen, konterrevolutionären Bewegungen unterscheidet, ist die Tatsache, dass es ihm gelingt, gerade die Unzufriedenheit von Teilen der ausgebeuteten und unterdrückten Massen auszunutzen, um diese zu fanatischen Kämpfer:innen in seinen Reihen entgegen ihren objektiven Interessen zu machen. So schafft er für seine imperialistischen Inhalte eine Massenbasis im Kleinbürger:innentum und in Teilen des Proletariats. Eine wichtige Rolle dabei spielt die faschistische Ideologie.
Die faschistische Ideologie
Wie es mit der faschistischen Ideologie gelingt, Millionenmassen für die Interessen des Großkapitals und gegen ihre eigenen zu mobilisieren, ist eine entscheidende Frage für die Analyse des Faschismus. Oftmals – auch in der kommunistischen Weltbewegung – hat sich die Antwort darauf beschränkt, dass die faschistische Ideologie mit „Lügen“ und „Demagogie“ arbeitet. Dieser Ansatz kann den Erfolg der faschistischen Ideologie jedoch nicht erklären. Diese ist nämlich grundsätzlich frei von logischer Schlüssigkeit und ihre innere Widersprüchlichkeit ist offensichtlich und leicht durchschaubar. Es geht ihr nicht einfach darum, „rational“ durch verdrehte Fakten Anhänger:innen zu gewinnen. Die faschistische Ideologie arbeitet anders und ist damit erfolgreich. Sie spricht das Denken und Fühlen der Menschen auf der Grundlage des Irrationalismus und der Mystik an.
Der Irrationalismus als philosophische Strömung ist die Auffassung, dass der menschliche Verstand die objektive Realität nicht erkennen kann.4 An Stelle rationaler Erkenntnis treten mystische „höhere Erkenntnisformen“ – wie z. B. die „Intuition“ oder das „Erleben“. Sein Kern ist also die Ablehnung der Wissenschaftlichkeit, die Verneinung des Fortschritts und die Rückkehr zu idealistischen Mythen, nachdem in der bürgerlichen Aufklärung die Hegemonie der Religion in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern gebrochen wurde. Mystik ist ein Merkmal jeder Art von Religion. Sie bedeutet die Abkehr von der Sinneswelt und das Einswerden mit Übermenschlichem, Göttlichem. Sie ist nach Marx’ Religionskritik der ideologische Ausdruck verdrängter Emotionen. Das Ziel der Mystik besteht darin, nicht befriedigte Bedürfnisse des Menschen im Rausch der religiösen Fantasie ersatzmäßig zu „befriedigen“.
Ein gutes Beispiel für den Einsatz von Irrationalismus und Mythen zur Mobilisierung der Massen für die Ziele des Imperialismus ist die pseudowissenschaftliche Rassenlehre, die im deutschen völkischen Faschismus eine zentrale Rolle spielt. Ganz objektiv dient sie dazu, die (Klassen-)Widersprüche innerhalb der deutschen „Rasse“ zu verschleiern und die Wut der unterdrückten und ausgebeuteten deutschen Arbeiter:innen und Kleinbürger:innen gegen die inneren und äußeren Feinde des deutschen Imperialismus zu richten.
Breite Teile der unterdrückten Massen in Deutschland anzusprechen gelingt der Rassenlehre jedoch nur durch die Mythen, die in ihr enthalten sind. Diese adressieren geschickt die versteckten Ängste und Bedürfnisse auch von Teilen der Unterdrückten und Ausgebeuteten. Sie kommen in der Beschwörung von „Blut“, „Volk“, „Nation“, „Familie“ und „Rasse“ zum Ausdruck. Die eigene „Rasse“ ist in diesem mystischen Weltbild die Verkörperung der Reinheit, der Zivilisation, Kultur und Ordnung. Währenddessen werden alle Ängste, alle unterdrückten „schmutzigen“ und „niederen“ Bedürfnisse, alle verdrängten Gefühle auf die „niederen Rassen“ projiziert. So gelingt es also, die unbewussten Ängste in den Köpfen unterdrückter Massen gegen die inneren und äußeren Feinde des imperialistischen Staates zu mobilisieren.
Die Wirkung der Mystik und damit auch der faschistischen Ideologie erfordert also Persönlichkeiten und Charakterstrukturen, die verdrängte Emotionen und Bedürfnisse auszugleichen haben. Der Faschismus benötigt Menschen, die Angst haben: Angst vor der revolutionären Bedrohung durch die unterdrückten Massen (diese existiert in der Bourgeoisie, im Kleinbürger:innentum und auch in Teilen der Arbeiter:innenklasse selbst!); Angst vor der Zerstörung der eigenen Lebensweise, der bürgerlichen Gesellschaftsordnung, der Familie, der Kirche, der Nation, der Kultur usw.; Angst von Männern vor dem Verlust der gesellschaftlichen Macht über die Frauen.
Dies trifft besonders auf Menschen mit ausgeprägten autoritär-patriarchalen Charakterzügen zu. Diese sind gekennzeichnet durch die Verinnerlichung der Gewalt in der Familie; durch die Furcht vor der Macht und den Drang, selbst Macht auszuüben; durch die Unterdrückung der eigenen Sexualität und die Kompensation durch Sadismus; durch Ängstlichkeit, Irrationalität, Anfälligkeit für Religiosität und Mystik; durch die Anbetung starker Männer und die Tendenz zum eigenen Größenwahn.
Elemente dieser Persönlichkeitszüge verinnerlichen alle Menschen, die in der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft aufwachsen. Der Kapitalismus erzieht zu Konkurrenzdenken, zum Denken und Fühlen in sozialen Hierarchien, die durch bürgerliche Autorität aufrecht erhalten werden. Das Patriarchat prägt uns im Inneren in unseren Verhaltensweisen und erzieht uns in die gesellschaftliche Rolle der Unterdrücker oder der Unterdrückten hinein. Dies ist ein Grund, weshalb der Faschismus auch in allen Klassen Anhänger:innen finden kann. In einigen Klassensegmenten sind diese Persönlichkeiten jedoch besonders ausgeprägt, weshalb sie besonders dafür geeignet sind, zur Massenbasis des Faschismus zu werden. Historisch war dies gerade im 19. und 20. Jahrhundert das „ständische“ Kleinbürger:innentum in Deutschland. Hier wurden die autoritär-patriarchalen Charakterzüge in der Kleinfamilie als Spiegelbild und „Keimzelle“ des Staates heran gezüchtet und zwar durch emotionale Distanz zu den Eltern und körperliche Züchtigung bis hin zu sexualisierter Gewalt. Autoritär-patriarchale Charakterzüge waren auch deshalb im Kleinbürger:innentum besonders ausgeprägt, da es hier durch die Zwischenstellung zwischen Bourgeoisie und Proletariat einige klassenmäßige Besonderheiten gab und bis heute gibt: Einerseits die Abgrenzung nach unten bei gleichzeitiger Angst vor dem Absturz sowie andererseits die Identifikation und „buckeln“ nach oben bei der Konkurrenz mit dem anderen Kleinbürger:innen. Diese autoritär-patriarchalen Charakterzüge greift die faschistische Ideologie auf und radikalisiert sie. Sie gibt ihnen eine Projektionsfläche, wo die betreffenden Personen Gewalt und Macht ausleben können, vorzugsweise an „niederen“ Menschen, Kommunist:innen, Frauen, LGBTI+ Personen usw. In den Worten des italienischen Kommunisten Antionio Gramsci (1891-1937) entfesselt sie „unbändige Urkräfte“ im Interesse der Imperialist:innen.
Eben weil der Faschismus in die gesamte Persönlichkeit eindringt, gelingt es ihm auch faschistische Kader:innen als Konterrevolutionäre neuen Typs hervorzubringen: Sie kennen in der Bekämpfung der Revolution – und damit der Umwälzung von Familie, Staat, Eigentum – keinerlei legale, moralische oder sonstige Grenzen; sie sind bereit, selbst im Kampf zu sterben; sie sind bereit, Massaker zu verüben und Menschen industriell zu töten; sie haben die Konterrevolution zu einhundert Prozent verinnerlicht und sind somit ihr politisches Werkzeug geworden.
Es ist unschwer zu erkennen, dass der konkrete Inhalt der faschistischen Ideologie eine untergeordnete Rolle spielt. Objektiv geht es stets darum, Massen für die Verteidigung des Kapitalismus zu mobilisieren, was durch die Beschwörung von irrationalen Mythen, wie der Verteidigung von Familie, Nation, Rasse, Religion usw. gelingt. Wie genau das konkret aussieht, ist je nach den historischen, nationalen und sozialen Gegebenheiten unterschiedlich.
In den westlichen imperialistischen Ländern (Europa, USA) schufen ultrarechte Intellektuelle seit den 1960er Jahren mit der „Neuen Rechten” eine „modernisierte” Strömung des Faschismus, die heute vor allem den Kampf der „westlichen, weißen Zivilisation” gegen ihre Vernichtung durch Zuwanderung und „kulturelle Durchmischung” ins Zentrum stellt. In der Region West- und Zentralasien spielt derweil der islamische Fundamentalismus als eine Erscheinungsform des Faschismus die Rolle einer Mobilisierungsideologie für die Interessen regionaler Herrscherklassen bzw. für die Spaltung der unterdrückten Klassen entlang religiöser Grenzen. In anderen Ländern gibt es weitere Erscheinungsformen, wie z. B. den Hindutva-Faschismus in Indien, der sich auf einem hinduistischen Fundamentalismus gründet.
Die faschistischen Ideologien entstehen dabei nicht spontan. Vielmehr werden sie von reaktionären Intellektuellen unter Aufgreifen der bürgerlichen Philosophie entwickelt und durch bürgerliche Organisationen und Presse gezielt verbreitet.
Dies lässt sich an der Entwicklung der Rassenideologie und des völkischen Sozialismus, welche die Ideologie des Hitlerfaschismus bildeten, nachvollziehen: Im Zusammenhang mit der Entwicklung des Kapitalismus, seinem Übergang in sein imperialistisches Stadium und dem Versuch, die Arbeiter:innenbewegung niederzuhalten, entstanden ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aus den Reihen reaktionärer bürgerlicher Intellektueller einige philosophische Strömungen, die die Grundlage der völkischen Ideologie bildeten. Sie griffen das fortschrittliche Erbe der bürgerlichen Aufklärung an und versuchten es durch Irrationalismus,Mystik und Gewaltverherrlichung zu ersetzen. Einer der wichtigsten Vertreter:innen dieser reaktionär-idealistischen und menschenfeindlichen Philosophie war Friedrich Nietzsche (1844 – 1900). In denselben Zeitraum fallen die Erzeugnisse der Vordenker des Sozialdarwinismus5, des Antisemitismus und des Rassismus (u. a. Wilhelm Marr (1819 – 1904), Arthur de Gobineau (1816 – 1882)).
Es waren Ende des 19. Jahrhunderts wiederum Ideolog:innen des Monopolkapitals (u. a. Houston Stewart Chamberlain (1855 – 1927)), die diese rückschrittlichen philosophischen Ansätze und rassistischen Theorien radikalisierten und zu einer geschlossenen politischen Weltanschauung im Dienst des Imperialismus weiterentwickelten. Diese wurde organisiert und systematisch in die deutsche Bevölkerung getragen. Eine zentrale Rolle spielten hierbei etwa Organisationen wie der 1891 von Industriellen wie Alfred Hugenberg (1865 – 1951) gegründete Alldeutsche Verband. Um ihn herum entstand ein völkisches und antisemitisches Milieu mit einer Vielzahl von Zirkeln, Presseorganen und Organisationen. Aus diesem ging 1919 nach dem 1. Weltkrieg die NSDAP unter Führung des damaligen V-Manns des Militärgeheimdienstes, Adolf Hitler, hervor, die diese Ideologie zu ihrer grausamen Vollendung führen würde.
Die Widersprüchlichkeit des Faschismus
Anhand der bisherigen Ausführung können wir erkennen, wie stark der Faschismus von Widersprüchen geprägt ist. Schon seinem Wesen nach ist der Faschismus ganz grundlegend von dem Widerspruch zwischen seiner Massenbasis aus dem Kleinbürger:innentum und Teilen der Arbeiter:innen und seinem bürgerlichen Klassencharakter geprägt. Daraus ergibt sich das Spannungsfeld zwischen den rationalen ökonomischen Interessen des Kapitals und den „Urkräften“, die in der faschistischen Massenbasis wirken. Die Aktivist:innen der faschistischen Bewegung sehen sich nicht als die Verteidiger:innen der Interessen des Kapitals, die sie tatsächlich sind. Sie glauben vielmehr an die faschistischen Ideologien, sehen sich als „Idealisten“, als Vorkämpfer:innen eines mystischen Endkampfes.
Diese Eigendynamik der faschistischen Bewegunglässt sich beispielhaft an der Begründung des SS-Hauptamtes am 22. Juni 1942 für den Überfall auf die Sowjetunion zeigen. Objektiv brachte dieser die Interessen des deutschen Imperialismus nach Expansion nach Osten, nach Zugriff auf die Ressourcen und Arbeitskräfte Osteuropas, sowie die Zerschlagung der Sowjetunion als einzigen sozialistischen Staat zum Ausdruck. Die SS schrieb jedoch: „Was aber den Goten, den Warägern und allen einzelnen Wanderern aus germanischem Blut nicht gelang – das schaffen jetzt wir, ein neuer Germanenzug, das schafft unser Führer, der Führer aller Germanen. (…) Ein dreitausendjähriges Geschichtskapitel bekommt heute seinen glorreichen Schluß. Wieder reiten die Goten, seit dem 22. Juni 1941 – jeder von uns ein germanischer Kämpfer“6. Die deutschen Soldaten sahen sich also nicht als die Handlanger des Kapitals, die sie in Wirklichkeit waren, sondern als mythische Kämpfer in Tradition der Wikinger gegen „niedere Rassen“ und „jüdisch-bolschewistischen Verschwörungen“. Dies fand seinen Endpunkt dann letztlich nicht in der Eroberung der für das deutsche Kapital erstrebenswerten Ressourcen und Arbeitskräfte, sondern setzte sich zur Ermordung von mehr als 6 Millionen Jüd:innen sowie weiteren Millionen von Pol:innen, Sowjetbürger:innen, Kommunist:innen, Antifaschist:innen, LGBTI+ Personen, Sinti:zze und Rom:nja fort. Wir sehen, dass die Organisatoren der faschistischen Verbrechen weit über das hinausgingen, was man einfach als geostrategische Pläne des deutschen Kapitals bezeichnen kann.
Der Faschismus ist also keine reine Marionette in den Händen des Großkapitals, seine politische Wirkung und Funktionsweise lassen sich nicht allein durch ökonomische Faktoren erklären. Er kann nur durch das widersprüchliche Zusammenspiel eben dieser Monopolinteressen mit der Eigendynamik der Wirkung der faschistischen Ideologie in seiner Massenbasis und die Rückwirkung auf seine Führung verstanden werden. Dieser Widerspruch kann in blutigen Konflikten zwischen verschiedenen Elementen der faschistischen Bewegung zum Ausdruck kommen. Beispielhaft stehen dafür der Stennes-Putsch 19317 und die „Nacht der langen Messer“, die Ermordung Ernst Röhms und der SA-Spitze im Jahr 1934 sowie die Entmachtung der SA als Organisation. Damit entledigte sich die Führung der NSDAP derjenigen Elemente in der NSDAP und SA, die die Idee einer „nationalen Revolution“ auch gegen Teile des alteingesessenen Staats- und Militärapparats des deutschen Imperialismus vorantreiben wollten.
Man sieht, dass die faschistische Bewegung dementsprechend auch niemals ein organisatorisch und ideologisch einheitliches Ganzes sein kann. Dazu trägt bei, dass die faschistische Ideologie in sich gerade nicht widerspruchsfrei sein muss, sondern im Gegenteil die unterschiedlichsten Ideenansätze nebeneinanderstehen können. So kommen und wirken in den faschistischen Bewegungen letzten Endes die unterschiedlichsten Elemente mit den verschiedensten Motivationen und Hintergründen zusammen. Personennetzwerke aus Kapitalist:innen; Leute aus Kapitalorganisationen; Menschen aus dem Staatsapparat und den bürgerlichen Parteien; Soldat:innen und Offiziere der bürgerlichen Armee; rechte politische Aktivist:innen, Agitator:innen und Theoretiker:innen verschiedenster Couleur; idealistische „Rassenkämpfer:innen“ und kühl-pragmatische Strateg:innen der herrschenden Klasse; Parlamentspolitiker:innen faschistischer Wahlparteien; Intellektuelle in Verlagshäusern und Denkfabriken; politische Soldat:innen in verdeckt agierenden Terrorstrukturen. Dazwischen bewegen sich Netzwerker:innen, die Kontakte in all diese Ecken haben und zum richtigen Zeitpunkt zusammenbringen.
Einer der führenden Vordenker des modernen Faschismus in Deutschland, Armin Mohler (1920 –2003), benutzte für dieses Durcheinander den Begriff eines „Knäuels“. In diesem Knäuel ringen verschiedene Teile um die Durchsetzung ihrer Ideen und Interessen. Aber es ist eben dieses „Knäuel“, welches in seiner Gesamtheit die faschistische Bewegung ausmacht, welches verschiedene Teile der Gesellschaft anspricht und damit als Ganzes den Weg zur faschistischen Diktatur bereitet – in welcher Form auch immer sie sich letztendlich durchsetzt. Die faschistische Bewegung stellt somit doch ein Ganzes dar, nur eben kein einheitliches, sondern ein zutiefst widersprüchliches.
Immer wieder spielen in den verschiedenen Teilen des faschistischen „Knäuels“ die Geheimdienste eine zentrale Rolle. Hitler selbst kam durch seine Tätigkeit für den Militärgeheimdienst der Reichswehr in Kontakt mit der völkischen Bewegung; Die deutschen Geheimdienste wurden allesamt nach 1945 von führenden NS-Militärs aufgebaut; Bei den Morden des NSU in Deutschland spielte der Inlandsgeheimdienst in Form des Bundesamtes für Verfassungsschutz eine zentrale Rolle, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt werden konnte. Die zentrale Rolle der Geheimdienste lädt dazu ein, den Begriff des „Knäuels“ noch weiter zu denken – und zwar im Bezug auf das Verhältnis von Faschismus, Staat und Kapital. Diese drei Pole sind nicht identisch und durchaus in sich widersprüchlich, können jedoch nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Um die Widersprüchlichkeit des Verhältnisses von Staat und Kapital zu Faschismus zu verstehen, muss man die Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse in Betracht ziehen.
Auf der objektiven Grundlage der Interessenwidersprüche zwischen den verschiedenen Fraktionen des Monopolkapitals, ihrer Konkurrenz im Kampf um Mehrwert, ökonomische und politische Macht und ihrer unterschiedlichen strategischen Orientierungen (z. B. hinsichtlich einer engen imperialistischen Allianz mit den USA oder mit Russland) entwickeln sich die Widersprüche zwischen den bürgerlichen Parteien. Daher ist die Unterstützung der faschistischen Bewegung bei verschiedenen Teilen der herrschenden Klasse zu unterschiedlichen Zeiten ungleich stark ausgeprägt. Alle Elemente der herrschenden Klasse profitieren jedoch von der Existenz einer faschistischen Bewegung auch innerhalb der bürgerlichen Demokratie. Denn sie trägt Spaltung in die Arbeiter:innenklasse, dient als Gradmesser für gesellschaftliche Gärungspotenziale und geht besonders aggressiv gegen klassenkämpferische Kräfte vor. Sie haben jedoch unterschiedliche taktische Auffassungen, wie stark die faschistische Bewegung sein soll. Besonders deutlich wird das bei der Frage der Machtübernahme der faschistischen Bewegung.
Der Faschismus an der Macht
Der bulgarische Kommunist Georgi Dimitroff (1882 – 1949) erklärte zum Machtantritt der Faschist:innen, dass man sich diesen „nicht so glatt und einfach vorstellen” dürfe, „als fasste irgendein Komitee des Finanzkapitals den Beschluss, an dem und dem Tage die faschistische Diktatur aufzurichten. Tatsächlich gelangt der Faschismus gewöhnlich in gegenseitigem, zuweilen scharfem Kampf zwischen dem Faschismus und den alten bürgerlichen Parteien oder einem bestimmten Teil dieser Parteien zur Macht; im Kampf sogar innerhalb des faschistischen Lagers selbst, der manchmal bis zu bewaffneten Zusammenstößen führt.”8
Tatsächlich muss ein Teil des faschistischen Knäuels die anderen Teile hinter sich konsolidieren oder kaltstellen und die entscheidenden Teile der gesamten herrschenden Klasse von sich überzeugen. Wann genau dies der Fall ist, hängt von einer Vielzahl von Faktoren, wie der wirtschaftlichen Konjunktur, der Lage der zwischenimperialistischen Konkurrenzkämpfe, der Stärke der Arbeiter:innenbewegung, aber auch der Stärke der faschistischen Bewegung selbst, ab.
Darüber hinaus leisten auch bürgerlich-demokratische Parteien eine Vorarbeit zur Machtübergabe an die Faschist:innen, indem sie bürgerlich-demokratische Rechte abbauen und die Repressionsorgane aufbauen, die den Faschist:innen später wichtige Dienste leisten.
All dies lässt sich an dem Aufstieg der NSDAP unter Adolf Hitler nachzeichnen. Vor der Machtübergabe an Hitler hatten wichtige Teile des deutschen Kapitals zu Beginn der 1930er Jahre noch auf das autoritäre, aber moderatere Regime von Heinrich Brüning (1885 – 1970) gesetzt. Doch mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 änderte sich die Lage und die wichtigsten imperialistischen Länder stellten auf Handelskrieg um und bereiteten aggressiv einen neuen Krieg vor. Statt strategischen Bündnissen mit anderen imperialistischen Mächten setzte das deutsche Kapital nun auf einen zu schaffenden autarken deutschen Wirtschaftsraum in Großeuropa. Zudem war die kommunistische Bedrohung durch die KPD innerhalb Deutschlands zunehmend zu spüren. Auch war die NSDAP massiv gewachsen und stand aus Kapitalsicht zur Beseitigung dieses Problems – wenn auch als gefährliches Werkzeug – bereit. Anders gesagt: Die bisherige außenpolitische Strategie einer Anlehnung an den US-Imperialismus in der Phase der relativen Stabilisierung des Kapitalismus von 1924 bis 1928 war ebenso gescheitert wie alle Versuche einer Regierung ohne NSDAP. Eine neue Strategie war erarbeitet worden, die mit der NSDAP umgesetzt werden konnte. Dies setzte die Machtübergabe an Hitler auf die Tagesordnung. Damit war der Sieg des faschistischen „Knäuels“ erreicht, wenn gleich in einer Form, die zu Beginn der Bewegung nicht vorherbestimmt war und die weiter in sich widersprüchlich blieb.
Über den Faschismus nach der Machtübernahme stellte Dimitroff fest: „Der Faschismus an der Macht (…) ist (…) die offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.”9 Tatsächlich geht das Kapital zum ungezügelten Angriff auf die Arbeiter:innenklasse, die Bäuer:innenschaft und die anderen werktätigen Schichten über, dort, wo die faschistische Diktatur errichtet ist. Sie beginnt mit der Zerstörung der revolutionären Organisationen und Gewerkschaften und der Verwandlung der „Fabriken und Betriebe in Kasernen, in denen die zügellose Willkür der Kapitalisten”10 herrscht. Die faschistische Diktatur bedeutet die offene und aggressive Unterdrückung aller werktätigen Menschen: der Angestellten, der Bäuer:innenschaft, der kleinen Handwerker:innen, der Jugend und der Frauen.
Der Faschismus an der Macht muss also als etwas qualitativ anderes als die bürgerliche Demokratie verstanden werden. Er ist eine andere Herrschaftsform des Kapitals. Doch worin bestehen Gemeinsamkeiten, worin Unterschiede?
Beides sind Modi, die Reproduktion des Kapitalismus abzusichern, beides sind Formen der Klassendiktatur der Bourgeoisie. Während sich die bürgerliche Demokratie primär auf die Integration der Massen (vermittels Betrug, Ideologie, Kultur, Konsum und politischen und sozialen Zugeständnissen) versucht zu stützen, ist die faschistische Diktatur primär auf Repression und Unterdrückung aufgebaut. Allerdings ist diese Repression stark konzentriert auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen, die politisch und/oder ideologisch ausgegrenzt und unterdrückt und zudem in stärkerer Weise ausgebeutet werden.
Sowohl der bürgerlich-demokratische als auch der faschistische Staat sind im Imperialismus „ideeller Gesamtkapitalist“, jedoch unter Hegemonie der Monopolbourgeoisie. Der Staat hat die Aufgabe, die Herrschaft des Kapitals und insbesondere des Monopolkapitals zu organisieren und aufrechtzuerhalten. Das bedeutet, die Interessen des jeweiligen nationalen Kapitals im internationalen Konkurrenzkampf gegen ausländisches Kapital und seine Staaten durchzusetzen, die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse im Inneren aufrechtzuerhalten und die politische Bewegung der Arbeiter:innen niederzuhalten.
Hier stellen sich die entscheidenden Fragen: Wird die imperialistische Unterwerfung anderer Länder sowie der zwischenimperialistische Konkurrenzkampf im Wesentlichen durch Mittel der Diplomatie und der wirtschaftlichen Durchdringung geführt oder werden im Wesentlichen Krieg und offene Besatzung in der Auseinandersetzung eingesetzt? Wird der Schein von „Sozialpartnerschaft“ und „Sozialer Gerechtigkeit“ aufrechterhalten oder setzt man auf eine offene Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse im Inneren? Können die politischen Bewegungen der Arbeiter:innenklasse durch Integration und Betrug eingefangen werden oder benötigt man Terror gegen eine mächtige Arbeiter:innenbewegung, welche den Staat und die Herrschaft des Kapitals herausfordert?
Je nachdem, wie tief die gesellschaftliche Krise ist, kommen entscheidende Teile der Monopolbourgeoisie zu anderen Schlussfolgerungen, setzen auf die bürgerliche Demokratie oder eben,wenn das nicht mehr möglich ist, auf die faschistische Diktatur. Es ist wichtig zu betonen, dass auch bürgerlich-demokratische Staaten zu Einschränkungen, der demokratischen Rechte, zu Repression und Niederhaltung der Arbeiter:innenbewegung und zu grausamen Kriegen im imperialistischen Konkurrenzkampf in der Lage sind. Sie sind und bleiben Machtapparate der Kapitalist:innen. Zugleich ist die parlamentarische Demokratie eine bevorzugte Herrschaftsform der Bourgeoisie, da sie tendenziell stabiler ist, da integrative Schritte im Vordergrund stehen.
Erst wenn diese Elemente nicht mehr zur Aufrechterhaltung der Herrschaft ausreichen, tritt der Faschismus an deren Stelle. Der Faschismus stellt dabei eine maximale Radikalisierung immer schon vorhandener Elemente des imperialistischen Staatsapparats dar, die so weit geht, dass sie in ein anderes qualitatives Niveau umschlägt. Die offene Gewalt und der Terror nehmen gegenüber dem Betrug und der Integration die bestimmende Rolle ein.
Dabei muss beachtet werden, dass die Erscheinungsformen des faschistischen Staatswesens selbst recht unterschiedlich aussehen können. Auch in faschistischen Staaten kann es noch Überbleibsel des bürgerlich-demokratischen Herrschaftsmodells geben. Georgi Dimitroff führte dazu aus: „Die Entwicklung des Faschismus und die faschistische Diktatur nehmen in den verschiedenen Ländern verschiedene Formen an, je nach den historischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, je nach den nationalen Besonderheiten und der internationalen Stellung des betreffenden Landes. In gewissen Ländern, vor allem dort, wo der Faschismus keine breite Massenbasis besitzt und wo der Kampf zwischen den einzelnen Gruppierungen im Lager der faschistischen Bourgeoisie selbst ziemlich stark ist, entschließt er sich nicht sofort, das Parlament zu liquidieren, und belässt den anderen bürgerlichen Parteien und auch der Sozialdemokratie eine gewisse Legalität. In anderen Ländern, wo die herrschende Bourgeoisie einen nahen Ausbruch der Revolution befürchtet, errichtet der Faschismus seine schrankenlose politische Monopolherrschaft entweder mit einem Schlag oder aber durch immer größere Steigerung des Terrors und der blutigen Auseinandersetzung mit allen konkurrierenden Parteien und Gruppierungen. Das schließt jedoch nicht aus, dass der Faschismus in dem Augenblick einer besonderen Verschärfung seiner Lage Versuche macht, seine Basis zu erweitern, und ohne sein Klassenwesen zu ändern, die offene terroristische Diktatur mit einer groben Verfälschung des Parlamentarismus zu vereinigen.”11
Der Faschismus als Bewegung
Für jene Länder, in denen kein faschistisches Regime herrscht, ist zugleich die Untersuchung anderer Fragen von praktischer Bedeutung: Welche Funktionen erfüllt die faschistische Bewegung, wenn der Faschismus nicht an der Macht ist? In welcher Hinsicht ist die faschistische Bewegung heute in einem bürgerlich-demokratischen Staat in das politische System integriert?
Wie bereits dargestellt wurde, stellt die faschistische Bewegung ein Knäuel mit verschiedensten Bestandteilen, faschistischen Wahlparteien, Denkfabriken, militärischen Untergrundorganisationen und vielem mehr dar. Dieses ist über Geheimdienste und andere Verbindungslinien mit Teilen des Staatsapparats und der herrschenden Klasse verknüpft und bildet ein widersprüchliches Ganzes. Diese faschistische Bewegung stellt für die herrschenden Kräfte zum einen natürlich eine strategische Alternative dar. Sie ist die Keimzelle, um im Zweifelsfall zur offenen terroristischen Herrschaft überzugehen. Gleichzeitig hat die faschistische Bewegung in ihrer Vielfältigkeit für die herrschende Klasse auch als scheinbare Oppositionsbewegung in der bürgerlichen Demokratie unverzichtbare Funktionen:
Zunächst die Auffangfunktion: das Auffangen von gesellschaftlichen Gärungsprozessen und ihre Umleitung auf reaktionäre, pro-imperialistische Ziele. Die faschistische Ideologie umfasst oft einen Aspekt, der sich antikapitalistisch gibt. So können die Faschist:innen auch die Auswirkungen des Kapitalismus – niedrige Renten, geringe Löhne, wenig Geld für Infrastruktur etc. – anprangern. Dies wird dann aber nicht als Anknüpfungspunkt für den Kampf gegen den Kapitalismus genutzt, sondern zur Radikalisierung der patriarchal-autoritären Charakterzüge. So wird die Wut gegen Migrant:innen oder fortschrittliche gesellschaftliche Kräfte gerichtet. Dies dient dem Kapital, indem zum einen die Arbeiter:innenklasse gespalten wird und zum anderen die Wut gegen eben diese gerichtet wird. Nicht zuletzt werden Menschen, die sich enttäuscht vom bürgerlichen System abgewandt haben, wieder auf eine für den Kapitalismus ungefährliche Art und Weise organisiert.
Darüber hinaus ist die faschistische Bewegung ein Gradmesser dafür, inwieweit die Entwicklung gesellschaftlicher Widersprüche eine Basis für eine antiparlamentarische Massenbewegung bietet. Sie hat somit eine Barometerfunktion. Anhand des Wachsens und Schrumpfens der faschistischen Massenbewegungen und der Wahlerfolge faschistischer Wahlparteien kann die herrschende Klasse beobachten, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, aus dem sich eine mit dem System unzufriedene Massenbasis entwickeln kann. Gerade in unsicheren Zeiten ist dies eine wichtige Funktion zur strategischen Planung des deutschen Imperialismus.
Wie schon dargestellt, haben auch bürgerlich-demokratische Regierungen ein Interesse daran, die Repression im eigenen Land zu verstärken. Dafür leisten die Faschist:innen, auch wenn sie nicht an der Macht sind, unverzichtbare Dienste. Als Anschauungsbeispiel dafür kann das Wirken der AfD in den letzten Jahren dienen. Für den systematischen Abbau demokratischer Rechte durch neue Polizeigesetze, die massive Aufrüstung, sowie die völlige Auflösung des deutschen Asylsystems und massive Ausweitung der Repressionen gegen Migrant:innen, die in den letzten Jahren von bürgerlich-demokratischen Parteien durchgesetzt wurden, hat die faschistische AfD durch ihre Hetze jahrelange Vorarbeit geleistet. Darüber hinaus gibt sie den bürgerlich-demokratischen Parteien die Möglichkeit, ihr Vorgehen als „Nachgeben gegenüber dem Massendruck“ darzustellen und sich gegenüber den Faschist:innen als das „kleinere Übel“ zu inszenieren. So gelingt es ihnen immer wieder, auch bürgerlich-liberale Teile der Bevölkerung zur Tolerierung des Rechtsrucks zu bewegen.
Umgekehrt werden unter dem Banner des „Kampfes gegen Rechts“ weitere rückschrittliche Maßnahmen durchgesetzt, von denen klar ist, dass sie in der Praxis vor allem gegen die Arbeiter:innenbewegung und fortschrittliche Kräfte eingesetzt werden. So etwa die verstärkte Kontrolle und Zensur von Inhalten im Internet und auf sozialen Plattformen sowie die Aufstockung der Geheimdienste. Die faschistische Bewegung nimmt so eine Alibifunktion für reaktionäre Regierungspolitik ein.
Dabei kommt der faschistischen Bewegung auch eine tiefergehende Funktion zu. Letztlich verschieben sie systematisch über Jahre und Jahrzehnte hinweg die „Grenzen des Sagbaren“ nach rechts. Sie popularisiert Konzepte, die aus dem gesellschaftlichen Diskurs eigentlich verbannt waren. Angetrieben durch massive mediale Berichterstattung sickern diese Gedanken dann in die gesamte Bevölkerung ein und bieten dem Kapital die Möglichkeit, freier zu agieren. Sie nimmt hier eine langfristige ideologische Umorientierungsfunktion ein. Beispielhaft dafür steht etwa der „Stolz“ auf „1000 Jahre deutsche Geschichte“ und auf die Nazi-Wehrmacht, der vom AfD-Politiker Alexander Gauland in Umlauf gebracht wurde. Diese Aussagen sind dem deutschen Imperialismus unzweifelhaft eine Stütze dabei, seine erneuten Expansionsgelüste nach Osten ohne breiten Aufschrei aus der Gesellschaft voranzutreiben.
Vor allem die militanten und terroristischen Strukturen nehmen für die Repressionsorgane des bürgerlichen Staats letztlich eine Hilfspolizeirolle bei der Unterdrückung von Migrant:innen und fortschrittlichen politischen Bewegungen ein. Dabei haben sie den Vorteil, dass der Staat die Verantwortung für ihre Taten nicht übernehmen muss. Recht und Gesetz stellen somit für sie noch weniger eine Grenze dar als für die offiziellen Unterdrückungsapparate. Sie können daher mit Gewalt, Mordattacken und Terrorangriffen gegen Migrant:innen und Revolutionär:innen vorgehen, in dem Versuch, Angst bei ihnen zu schüren und sie zur Einstellung ihrer politischen Aktivität zu bewegen. Gerade Terrorangriffe auf die Zivilbevölkerung können – ob sie offen von Rechtsterrorist:innen begangen oder anderen Kräften in die Schuhe geschoben werden – im Rahmen einer sogenannten „Strategie der Spannung“ dazu genutzt werden, dass sich Teile der Bevölkerung schutzsuchend an den bürgerlichen Staat wenden. So wird dann der Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte weiter vorangetrieben.
Immer wieder zeigen Enthüllungen, dass solche Terror-Netzwerke auch heute bestehen und eng mit dem Staatsapparat verwoben sind, etwa das Kreuz-Netzwerk, welches 2019 aufflog. Das Netzwerk war eng mit dem Kommando Spezialkräfte (KSK), der Eliteeinheit der Bundeswehr, verbunden. Seine Protagonisten bereiteten sich mit Waffenlagern, Schießtrainings, sicheren Häusern, Leichensäcken und Ätzkalk auf einen Tag X vor. Dieser Tag X ist letztlich nichts anderes als der Tag des offenen Ausbruchs des Straßenkampfs und Bürgerkriegs zwischen der Arbeiter:innenbewegung und der Konterrevolution.
Das bisher Gesagte kann man so zusammenfassen, dass die faschistische Bewegung die Rolle einer konterrevolutionären Kampfpartei und Vorhut des Imperialismus einnimmt. In diesem Sinne ist sie das reaktionäre „Gegenstück” zur Kommunistischen Partei, die als „Partei neuen Typs“ die Vorhut der Arbeiter:innenklasse bildet. Die faschistische Bewegung bringt für den Imperialismus die entschlossensten antikommunistischen Kader:innen hervor. Diese kämpfen aus Überzeugung und mit totaler Leidenschaft auf ideologischer, politischer, organisatorischer und militärischer Ebene gegen die Revolution und letztlich für die Interessen der herrschenden Klasse.
Faschismus, Krieg und Krise
Auffällig ist, dass die Entwicklung der faschistischen Bewegung immer wieder mit der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft zusammenfällt. Gerät die kapitalistische Wirtschaft in eine tiefe Krise, haben faschistische Bewegungen „Hochkonjunktur“. Gemeint sind dabei insbesondere Krisen von solcher Tiefe und solchem Umfang, dass sie die Gesamtheit der jeweiligen Gesellschaft erfassen – von der Ökonomie über die Politik bis zur Kultur – und zu einer Zerrüttung der Klassenstruktur führen. Eine solche Situation gab es bereits in der Phase nach dem I. Weltkrieg, welche zum Aufstieg des italienischen Faschismus ab 1920 führte und von der Weltwirtschaftskrise 1929 vertieft wurde, welche zum Vorabend des Sieges des Hitlerfaschismus 1933 wurde. Historisch können wir die Zeit vom Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges als einen großen systemischen Krisenprozess des Kapitalismus begreifen. Nach 1945 begann eine Phase, in der nach der riesigen Kapitalvernichtung im Zweiten Weltkrieg der westliche Kapitalismus (trotz wiederkehrender einschneidender zyklischer Krisen) ein „goldenes Zeitalter“ in den imperialistischen Zentren, insbesondere den USA und Westeuropa, durchlebte. Mit dem Ende der Sowjetunion wurde die US-Hegemonie allumfassend.
Seit 2008 erleben wir jedoch erneut eine tiefe Krise des Kapitalismus, in deren Folge es zu einer verstärkten Rechtsentwicklung international, aber auch der gesamten politischen Landschaft Deutschlands gekommen ist. Im Zusammenhang mit diesen tiefen Krisen kommt es zu gesellschaftlichen Prozessen, welche die objektiven Faktoren für das Wachstum der faschistischen Bewegung bilden. Um das zu verstehen, müssen wir uns anschauen, wie sich die kapitalistische Krise auf die Arbeiter:innenklasse, aber vor allem auf das Kleinbürger:innentum auswirkt. Dabei dürfen nicht nur die Wirkungen auf ökonomischer Seite betrachtet werden, sondern auch auf die moralischen Werte, auf den ideologischen Überbau des Kapitalismus.
Ökonomisch bedeutet die Wirtschaftskrise für die gesamte Arbeiter:innenklasse eine Verschlechterung der Lebensumstände. Kurzarbeit, Betriebsschließungen, Massenarbeitslosigkeit usw. Die Krise ist aber darüber hinaus auch eine Zeit, in der sich die Zentralisierung des Kapitals besonders stark durchsetzt. Das bedeutet, dass große Kapitale kleinere und vor allem Kleinbürger:innen, die weniger Rücklagen haben, um die Krise zu überstehen, und aufgrund ihres geringeren Einflusses auf den bürgerlichen Staatsapparat nicht mit Subventionen und Rettungspaketen rechnen können, aus dem Markt drängen. Für das Kleinbürger:innentum ist die Wirtschaftskrise also eine Phase, in der ökonomisch ihre klassenmäßige Existenz in Frage gestellt wird. Ihnen droht der gesellschaftliche Abstieg ganz konkret. Ähnliches gilt für Schichten der Arbeiter:innenaristokratie. Dies liegt daran, dass die Imperialist:innen in den Zeiten der Krise weniger Geld für Bestechungsmaßnahmen übrig haben. Das klassische sozialdemokratische Versprechen, Klassenwidersprüche durch kleine Zugeständnisse an gewisse Teile der Arbeiter:innenklasse zuzukleistern, ist für die herrschende Klasse nicht mehr praktikabel. Das „herabfallende“ Kleinbürger:innentum und die Arbeiter:innenaristokratie versuchen, ihre bisherige Stellung in der Gesellschaft, im Moment ihrer Erschütterung, zunehmend radikaler zu verteidigen. Zugleich wird auch die Arbeiter:innenklasse aktiver und reagiert in der Folge von Angriffen von oben mit einer Verschärfung des spontanen Klassenkampfs. All dies bildet die ökonomische Grundlage für die Gärungspotenziale im Kleinbürger:innentum als Massenbasis des Faschismus, wie für die Notwendigkeit der Bourgeoisie, einen Umgang mit den Klassenkämpfen des Proletariats zu finden.
Doch in der tiefen Krise kommt es nicht nur zur Zerrüttung der Klassenstruktur und zur Zunahme der Klassenkämpfe im „Inneren“. Auch international nehmen die Widersprüche zu, verschieben sich die Kräfteverhältnisse zwischen den verschiedenen imperialistischen Mächten. Dies geschah im Zuge der Weltwirtschaftskrise 1929, als die deutsche Bourgeoisie zum Schluss kam, dass sie sich von einer Allianz mit den USA wegbewegen müsse und sich mehr auf ihre eigenen Kräfte zur Schaffung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsraums und „Lebensraum im Osten“ stützen müsse – wofür dann die NSDAP bereitstand. Spätestens seit 2008 sehen wir erneut eine internationale Zuspitzung, in der der Aufstieg des imperialistischen China und die Ansprüche Russlands die westliche Hegemonie herausfordern und die Weltkriegsgefahr steigt. Wo auch regionale Akteure immer stärker ihre eigenständigen Interessen durchsetzen wollen. Diese Zuspitzung der imperialistischen Widersprüche geht einher mit einer wachsenden Kriegsgefahr. Die Widersprüche können sich bis zu einem Punkt zuspitzen, wo die herrschende Klasse eines Landes die Notwendigkeit sieht, ihre imperialistischen Interessen gegen die anderer Länder mit Krieg durchzusetzen. Um Krieg zu führen, sind die imperialistischen Mächte darauf angewiesen, große Teile der Bevölkerung gegen die imperialistische Konkurrenz auf ihre Seite zu ziehen und zugleich jede mögliche Opposition im eigenen Land auszuschalten. Auch hier spielt der Faschismus eine Rolle. Zum einen, weil er dazu dient, die Kriegsvorbereitungen im Vorfeld voranzutreiben, durch ideologische Umorientierung zur Aufrüstung sowie bei der Erzeugung eines Feindbilds. Dabei kann beobachtet werden, wie sich in diesem Zuge auch selbsternannte „progressive“ „demokratische“ Parteien Bestandteile der faschistischen Ideologie zu eigen machen – wie etwa die Erzählung von den grausamen russischen Horden oder der islamischen Überfremdung – um die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren. Letztlich ist der Faschismus jedoch auch eine Herrschaftsform, die immer wieder in den offenen Krieg geführt hat. Hier spielen dann Einheiten, die mit faschistischen Strukturen verbunden oder mit faschistischer Ideologie durchdrungen sind, die Rolle von Vorhut- und Spezialeinheiten. Die Faschist:innen nehmen hier also in ganz besonderem Sinne die Rolle der Kampfpartei der Imperialist:innen ein.
Zuletzt macht es der Kapitalismus gerade in seinen tiefen Krisen für große Teile der Bevölkerung unmöglich, die moralischen Werte und Normenseines Überbaus tatsächlich umzusetzen. Zum einen weil sie in sich widersprüchlich sind – die bürgerliche Ehe soll etwa eine liebende Partnerschaft sein, gleichzeitig soll der Mann seinen patriarchalen Führungsanspruch durchsetzen – zum anderen, weil die ökonomischen Möglichkeiten nicht dafür gegeben sind. In der Krise verschärft sich diese Tendenz ungemein. Der Kapitalismus zersetzt sein eigenes moralisches Fundament. Dies bietet der faschistischen Bewegung riesige Möglichkeiten zur Gewinnung großer Teile der Bevölkerung: Kann der Vater seine Rolle als „Ernährer“ der bürgerlichen Kleinfamilie nicht mehr einnehmen, weil er in die industrielle Reservearmee geschleudert wurde, oder hört das Familienleben in großen Teilen der Bevölkerung faktisch auf, da alle Bestandteile der Familie gezwungen sind, immer größere Teile des Tages zu arbeiten, so gewinnt der faschistische Mythos von einem vom dunklen Mächten gesteuerten Angriff auf die Männlichkeit und die Familie an scheinbarer Plausibilität und Anziehungskraft. Sie kann dann einen rückwärtsgewandten reaktionär-utopischen „Ausweg“ in die „gute alte Zeit“ anbieten und damit ein idealisiertes Scheinbild erschaffen, welches anziehend wirken kann. So kann es der faschistischen Bewegung während der kapitalistischen Krise gelingen, Massen auf die Straße zu bringen und die Politik zu bestimmen, auch wenn sie nur von einem kleinen Teil der herrschenden Klasse unterstützt wird.
Fassen wir das Gesagte zusammen, so sieht man also die faschistische Bewegung als konterrevolutionäre Kraft neuen Typs,
- die sich im Wechselspiel zwischen den ökonomischen und politischen Interessen der Bourgeoisie und den ökonomischen, politischen und psychologischen Triebkräften vor allem in den kleinbürgerlichen Teilen der Massen, aber auch Teilen des Proletariats, entwickelt;
- die vor dem Hintergrund des Zerfalls der bürgerlichen Lebensweise „unbändige Urkräfte“ in den Köpfen ihrer Anhänger:innen freisetzt und diese für die Radikalisierung des bürgerlichen Staates nutzt; die diese Wirkung gerade durch den Einsatz von Irrationalismus und Mystik entfaltet, wodurch sie die unbewussten bürgerlich-patriarchalen Strukturen in den Persönlichkeiten ihrer Massenbasis anspricht;
- die damit in der Lage ist, den Typus der konterrevolutionären Kader:in heranzuzüchten, der als Werkzeug der Konterrevolution im Vernichtungskrieg gegen die Revolution handelt – welche Position im Knäuel der faschistischen Bewegung er oder sie auch einnimmt;
- die mit der Zuspitzung zwischenimperialistischer Widersprüche und in imperialistischen Kriegen in Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten und anderen Teilen des Staatsapparates und in Ergänzung staatlicher Maßnahmen die ideologische und praktische Mobilisierung der Arbeiter:innenklasse und unterdrückten Massen für die (Welt-)herrschaftspläne des Monopolkapitals sicherstellt.
Diese Bewegung erfüllt ihren politischen Zweck für die Bourgeoisie sowohl wenn ihr die Macht übertragen wird und sie eine faschistische Diktatur errichtet, um die Arbeiter:innenbewegung zu zerschlagen und die Gesellschaft zum Krieg zu mobilisieren, als auch unter den Bedingungen der bürgerlichen Demokratie.
Die antifaschistische Strategie
Auf Grundlage der Erkenntnis, dass die faschistische Bewegung ihre Funktion für die Bourgeoisie in der Demokratie wie auch in der Diktatur erfüllt, muss sich jede Überlegung für eine erfolgreiche antifaschistische Strategie bewegen. Hier wird zunächst klar, dass man sich auf keinen Bestandteil der Bourgeoisie im Kampf gegen den Faschismus verlassen kann. Dies gilt auch dann, wenn einige Teile der herrschenden Klasse dem Wachstum der faschistischen Bewegung oder gar der Machtübergabe an sie aktuell ablehnend gegenüberstehen. Es handelt sich dabei nur um vorübergehende Unstimmigkeiten in der herrschenden Klasse. Im Falle der Frage von Sieg oder Niederlage einer sozialistischen Revolution wird der tiefe Klassenantagonismus zwischen allen Teilen der Bourgeoisie und der Arbeiter:innenbewegung dazu führen, dass die faschistische Bewegung selbst für diese zu Beginn zögerlichen Teile der Bourgeoisie unverzichtbar wird.
Um den Faschismus an der Wurzel auszureißen, benötigt es also eine Überwindung des Kapitalismus und seines Staates. Das bedeutet den Sturz der Bourgeoisie und den Aufbau des Sozialismus. Nur so kann zum einen die ständige Unterstützungsarbeit für die faschistische Bewegung durch die Bourgeoisie und den Staat gestoppt werden. Nur so kann die Finanzierung für die faschistischen Denkfabriken trocken gelegt, die Verbreitung der faschistischen Ideologie durch die bürgerliche Presse gestoppt und die undurchsichtigen Netzwerke aus Geheimdiensten und faschistischen Terrorgruppen zerschlagen werden. Zum anderen kann auch nur so die patriarchal-kapitalistische Sozialisierung, die die Widersprüche in der Persönlichkeit der Menschen hervorbringt, an denen die faschistische Ideologie ansetzt, überwunden werden. An ihre Stelle tritt im Sozialismus die Erziehung zu bewussten kollektiven Individuen, die gegen die irrationalen Mythen des Faschismus starke Abwehrkräfte entfalten.
Um dies zu tun, muss eine revolutionäre sozialistische Strategie umgesetzt werden. Das heißt, die entscheidenden Teile der Arbeiter:innenklasse müssen ideologisch, politisch, organisatorisch und militärisch in der Lage sein, das revolutionäre Subjekt zu sein, das den imperialistischen Staatsapparat zerschlägt und die Diktatur des Proletariats errichtet. Hauptkettenglied ist dabei der Aufbau einer Kommunistischen Partei in Deutschland, die eine führende Rolle in einer klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung einnimmt. Zugleich muss der Kampf gegen den Faschismus bereits heute beginnen und zwar dementsprechend als eine Teilstrategie dieser sozialistischen Strategie. Der antifaschistische Kampf muss auf allen Ebenen in den Kampf um den Aufbau einer klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung und einer Kommunistischen Partei eingebettet werden.
Die allgemeine Hauptlinie des Kampfes besteht dabei darin, durch die Massenarbeit die Basis antifaschistischer Politik zu erweitern und die Massenbasis des Faschismus, soweit sie aus Angehörigen der unterdrückten Klassen besteht, ideologisch, politisch und organisatorisch zu zersetzen. Es gilt, diese Teile der Massen vom Faschismus zu lösen und für den Sozialismus zu gewinnen. Die antifaschistische Arbeit muss sich also auf eine langfristige, direkte Arbeit in den Massen stützen. Sie beinhaltet eine bewusste ideologische Gegenarbeit, die den Zusammenhang zwischen Staat, Kapital und Faschist:innen allen Betroffenen und auch den faschistisch beeinflussten Teilen der unterdrückten Massen offenlegt. Dies bezeichnen wir als den Kampf um die Köpfe. Notwendiges und unverzichtbares Gegenstück dazu ist der Kampf um die Straße. Dabei gilt es, den antifaschistischen Selbstschutz zu organisieren und die Faschist:innen in der direkten Konfrontation so weit zurückzudrängen, dass wir die je nach Etappe notwendige Bewegungsfreiheit für die kommunistische Politik erobern.
Nicht zuletzt muss Antifaschismus ein ständiger Bestandteil des allgemeinen politischen Kampfes der Arbeiter:innenklasse sein. Dieser besteht etwa im Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte, gegen den Ausbau des staatlichen Repressionsapparats und gegen die Verschärfung der Unterdrückung und Überwachung im Staat sowie in den Betrieben.
Die Frage der Bündnisarbeit wird in der antifaschistischen Bewegung immer wieder diskutiert. Wie bereits dargestellt, hat kein Teil der Bourgeoisie ein strategisches Interesse, gegen den Faschismus zu kämpfen. Daher machen – während taktische Bündnisse je nach Situation mit vielen Kräften denkbar sind – strategische Bündnisse nur als Einheitsfront der revolutionären Kräfte unter Einschluss aller ehrlichen Antifaschist:innen Sinn. Unter ehrlichen Antifaschist:innen sind dabei alle potenziell oder akut Betroffenen von faschistischer Gewalt und Terror zu verstehen, die deswegen unabhängig von ihrer Klassenlage und ihrem politischen Bewusstsein bereit sind, mit den Kommunist:innen konsequent gegen den Faschismus zu kämpfen.
Kampf um die Köpfe
Um den Kampf gegen den Faschismus zu führen, müssen sich die Kommunist:innen auf die breiten Massen aus der Arbeiter:innenklasse und Teile der Kleinbürger:innen stützen. Das erreichen sie durch Entwicklung einer umfassenden Massenarbeit im Betrieb, Stadtteil, Universität, Schule und allen weiteren Orten, an denen die Arbeiter:innenklasse zusammenkommt.
Dabei ist entscheidend, dass der antifaschistische Kampf kein von anderen Kampffeldern, wie dem betrieblichen oder Stadtteilkampf, isoliertes Kampffeld ist. Der antifaschistische Kampf ist vielmehr Teil des Kampfes um die alltäglichen Bedürfnisse der Arbeiter:innenklasse, welche im Kampf um den Sozialismus eingebettet werden. Das bedeutet etwa, im Betrieb Spaltungen zwischen Kolleg:innen nach Nationalitäten oder zwischen Stammbeschäftigten und Leiharbeiter:innen zu überwinden und gegen Standortchauvinismus einzutreten, um so den vereinigten Kampf aller Beschäftigten in der konkreten Auseinandersetzung vorzubereiten. Es heißt, in den Stadtteilen in Mietkämpfen die Distanz zwischen verschiedenen Communitys und sozialen Schichten aufzubrechen, Polizeiterror gegen Jugendliche und Migrant:innen zum Thema zu machen, die Isolation von Geflüchteten, die im Stadtteil untergebracht sind, zu durchbrechen und Kontakt auf Augenhöhe mit ihnen herzustellen.
Sowohl im Stadtteil als auch im Betrieb kann auch der Schutz vor faschistischen Angriffen auf Migrant:innen oder engagierte Demokrat:innen sowie die Solidaritätsarbeit mit den Betroffenen, zum konkreten Bedürfnis der Massen werden. Dabei gilt es nicht nur die klassischen deutschen Faschist:innen, sondern ebenso etwa die türkisch-faschistischen Grauen Wölfe, islamische Fundamentalist:innen und andere internationale Erscheinungsformen des Faschismus im Auge zu haben.
In die antifaschistische Massenarbeit sind außerdem bewusst die Teile der Massen einzubeziehen, die Angriffen durch den Faschismus besonders ausgesetzt sind: Das sind vor allem Migrant:innen, Geflüchtete, LGBTI+ Personen, Menschen mit Behinderung sowie Menschen, die aufgrund ihres demokratischen oder sozialen Engagements zur Zielscheibe der Faschist:innen werden.
Gleichzeitig dürfen die Kommunist:innen keine Berührungsängste mit Kolleg:innen und Nachbar:innen haben, die nationalistische oder rassistische Vorurteile haben. In ihrem Bericht, den sie 1923 auf dem erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale hielt, führte Clara Zektin dazu aus: „Wir müssen uns bewusst bleiben, dass […] der Faschismus eine Bewegung von Hungrigen, Notleidenden, Existenzlosen und Enttäuschten ist. Wir müssen danach trachten, dass wir die sozialen Schichten, die jetzt dem Faschismus verfallen, entweder unserem Kampf eingliedern oder sie zu mindestens für den Kampf neutralisieren. […] Ich lege dem die allergrößte Bedeutung bei, dass wir mit allem Zielbewusstsein, mit aller Konsequenz den ideologischen und politischen Kampf um die Seelen der Angehörigen dieser Schichten aufnehmen.“12 Unter diesem ideologischen Kampf ist keineswegs nur das Verteilen von Flugblättern, das Halten von Reden oder die Durchführung von Bildungsveranstaltungen zu verstehen. Vielmehr geht es um die Gesamtheit aller Maßnahmen, die Wirkung auf das Bewusstsein der Massen haben und geeignet sind, den Einfluss erstens des Faschismus selbst und zweitens der bürgerlichen Ideologie überhaupt zurückzudrängen.
Den Einfluss des Faschismus auf die Köpfe, den alltäglichen Nationalismus, Rassismus, Chauvinismus sowie den Untertanengeist gegenüber staatlichen Autoritäten zurückzudrängen, bedeutet dicke Bretter zu bohren. Um dabei erfolgreich zu sein, muss diese Arbeit auf den oben erarbeiteten Erkenntnissen der Faschismusanalyse aufbauen. Diese besagen, dass es sich bei den Persönlichkeitseigenschaften, die Menschen anfällig für die Agitation der Faschist:innen machen, keineswegs nur um Denkmuster und Vorurteile handelt, die einfach nur bequem sind. Es sind vielmehr die Verinnerlichungen der sozialen und emotionalen Beziehungen, die die Menschen in der patriarchalen Klassengesellschaft seit frühester Kindheit erfahren. Diese sind von sozialen Hierarchien geprägte Macht- und Unterordnungsverhältnisse. Im faschistischen Chauvinismus kommen somit unbewusst sowohl die erlernten Bedürfnisse nach Ausübung von Macht sowie „besser zu sein“ als andere und sich nach unten abzugrenzen als auch die Unsicherheit und die Scham aufgrund eines möglichen sozialen Abstiegs zum Ausdruck. Wenn die Arbeit dagegen nur auf rationalen Monologen oder gar moralischen Vorwürfen beruht, dass diese tief verwurzelten Denkmuster und Gefühle „falsch“ sind, wird dies die psychologischen Widerstände, Ängste, Hassgefühle und Scham mit hoher Wahrscheinlichkeit verstärken, anstatt sie zu überwinden.
Entscheidend für das Zurückdrängen der faschistischen Einflüsse auf die Persönlichkeit ist daher – neben den richtigen Formen der „rationalen Argumentation“ – das Schaffen einer antifaschistischen solidarischen Lebenswelt, in der Arbeitskolleg:innen, Nachbar:innen, Schüler:innen etc. verschiedener Nationalitäten gemeinsame positive Erfahrungen der Solidarität machen können. Es geht darum, immer wieder Momente zu organisieren, in denen Kolleg:innen und Nachbar:innen sich kennenlernen, gemeinsam für ihre Rechte und Interessen kämpfen und eine Dynamik der gegenseitigen Unterstützung entsteht.
Durch gegenseitige Unterstützung, gemeinsame Kultur, gemeinsame Kämpfe und Siege – sowohl für ökonomische Interessen als auch gegen den Abbau demokratischer Rechte, imperialistischen Krieg usw. – wird langfristig im Umfeld der revolutionären Bewegung, in Betrieben und Stadtvierteln eine Hegemonie für die Seite der Revolution geschaffen. Vorbild dafür kann die damals noch revolutionäre Sozialdemokratie im 19. Jahrhundert sein, die um ihre politischen Organisationen herum ein Mosaik von kulturellen, sportlichen und anderen Vorfeldorganisationen geschaffen hatte und der es somit gelang, hegemonial in der Arbeiter:innenklasse zu werden.
Darüber hinaus gilt es, die kommunistischen Antworten auf die Fragen, die die Faschist:innen aufgreifen, zu geben. Bei ihrer Verteidigung des Kapitalismus stellen die Faschist:innen nicht seine ökonomische Basis, sondern vielmehr seinen ideologischen Überbau in den Mittelpunkt. Angesichts dessen Verfalls durch die Verschärfung der kapitalistischen Widersprüche stellen sich die Faschist:innen als Verteidiger:innen von Ordnung, Stabilität, Familie, klaren Rollenbildern der Geschlechter, Nation, (Volks-)Gemeinschaft und so weiter dar. Sie erwecken damit den Anschein, als hätten sie einen Ausweg aus dem Zerfall und Chaos des kapitalistischen Systems. Den faschistischen Scheinantworten müssen wir die echte Alternative von Revolution, Sozialismus und Kommunismus entgegenstellen. Clara Zetkin führte dazu aus: „Wir müssen uns darüber klar sein, dass […] unstreitig wachsende Massen einen Ausweg aus den furchtbaren Nöten der Zeit suchen. Dabei geht es keineswegs nur darum, den Magen zu füllen, nein, die besten Elemente […] suchen einen Ausweg aus tiefer Seelennot. Sie begehren neue feste Hoffnung, neue unerschütterliche Ideale, eine Weltanschauung, auf Grund deren sie die Natur, die Gesellschaft, ihr eigenes Leben begreifen, eine Weltanschauung, die nicht unfruchtbare Formel ist, sondern schöpferisch, gestaltend wirkt. […] Wir müssen mit Ernst und mit Verständnis für ihre Lage und ihre brennende Sehnsucht darangehen, unter ihnen zu arbeiten und ihnen zu zeigen, dass der Ausweg für sie nicht rückwärts führt, vielmehr vorwärts, zum Kommunismus.“13
In der politisch-ideologischen Arbeit gegen den Faschismus ist also die Propaganda des Sozialismus und Kommunismus von entscheidender Bedeutung. Bei dieser dürfen nicht nur die ökonomischen Grundlagen dieser neuen Gesellschaftsformen in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern auch die Umgestaltung der Beziehung der Menschen auf dieser Basis. So muss etwa entgegen der Propagierung der bürgerlichen Kleinfamilie durch die Faschist:innen als Ausweg aus der moralischen Krise des modernen Kapitalismus der Kampf gegen das Patriarchat und für die Frauenrevolution sowie die Überwindung der bürgerlichen Kleinfamilie zugunsten wirklich freier persönlicher Beziehungen der Menschen auf der sozialen Grundlage der Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit als Alternative dargestellt und greifbar gemacht werden.
Diese umfassend verstandene ideologische Massenarbeit muss also in letzter Konsequenz darauf abzielen, dem Zerfall der bürgerlichen Weltanschauung mit ihren Werten und Moralvorstellungen etwas Neues, Positives, Revolutionäres entgegenzusetzen. Der „Kampf um die Köpfe“ ist somit der politische und ideologische Kampf um das Denken, Fühlen und Handeln der proletarischen Klasse sowie des Kleinbürger:innentums als strategischer Bündnispartner. Er zersetzt die Massenbasis des Faschismus, indem er die Wirkung der irrationalen Mythen auf das von den Widersprüchen des patriarchalen Kapitalismus geprägte Bewusstsein der Menschen neutralisiert und ihnen in den Worten Clara Zetkins „den gesamten hehren, inneren Gehalt des Kommunismus als Weltanschauung“14 entgegensetzt.
Kampf um die Straße
Der Faschismus wirkt jedoch nicht nur durch irrationale Mythen. Er nimmt – schon im bürgerlich-demokratischen Staat – eine Hilfspolizei- und Terrorfunktion für die herrschende Klasse ein. Fortschrittliche Aktivist:innen und Migrant:innen sind in der BRD schon heute Tag für Tag der Gefahr von Angriffen durch Faschist:innen ausgesetzt. Clara Zetkin betonte daher in ihrem Bericht: „Uns muss jedoch bewusst bleiben, dass die ideologische und politische Überwindung des Faschismus allein nicht genügt, um das kämpfende Proletariat vor der Gewalt und Tücke dieses Feindes zu schützen. Das Proletariat steht augenblicklich dem Faschismus gegenüber unter dem Zwang der Notwehr. Sein Selbstschutz, seine Selbstverteidigung gegen den faschistischen Terror darf nicht eine Minute vernachlässigt werden.“15
Somit stellt sich als Teil der antifaschistischen Strategie die Frage des antifaschistischen Selbstschutzes der Arbeiter:innenklasse, die Frage des „Kampfes um die Straße“. Diese Frage stellt sich immer konkret. Besonders natürlich in Regionen, wo die Faschist:innen stark sind, oder sogar die Hegemonie haben, wie es zum Teil in verschiedenen ländlichen Regionen der Fall ist, welche die Faschist:innen selber als „national-befreite Zonen“ bezeichnen. Hier ist der antifaschistische Selbstschutz Voraussetzung, dass die Kommunist:innen überhaupt eine politische Arbeit entfalten können.16 Auch in umkämpften Gebieten und sogar in multikulturellen Großstädten – in denen die faschistische Gefahr vielleicht noch fern erscheint – müssen die Kommunist:innen das Bewusstsein haben, dass direkte Konfrontationen mit Faschist:innen notwendiger Teil des Klassenkampfes sind. Überall gilt es daher auch heute den Kampf um die Straße auf die Tagesordnung zu setzen, denn die Fähigkeit zum Selbstschutz kann sich nicht allein spontan in der Reaktion auf faschistische Übergriffe entwickeln, sondern bedarf einer planmäßigen Vorbereitung.
Es ist offensichtlich, dass man sich zur Abwehr der faschistischen Gefahr kein Stück auf die sogenannten Sicherheitsorgane des bürgerlichen Staates verlassen kann. Diese sind in Wirklichkeit Repressionsorgane der Kapitalist:innen, die im Zweifelsfall in Kooperation mit den Faschist:innen agieren. Stattdessen steht fest, dass der Schutz gegen faschistische Angriffe nur durch die Klasse selber organisiert werden kann. Darüber hinaus ist klar, dass man dem konterrevolutionären Kadertypus, wie ihn der Faschismus hervorbringt, nicht mit Lichterketten entgegentreten kann. Vielmehr gilt nach Zetkin richtigerweise: „Gewalt gegen Gewalt! Nicht etwa Gewalt als individueller Terror – das bliebe erfolglos. Aber Gewalt als die Macht des revolutionären organisierten proletarischen Klassenkampfes.“17 Dabei kann nicht das bürgerliche Gesetzbuch, sondern muss das Gefahrenpotenzial der Faschist:innen und die allgemeine Entwicklung des Klassenkampfes die Richtschnur für das Aktionsniveau darstellen.
Für die antifaschistische Bewegung stellt sich also die Frage, wie die Arbeiter:innenklasse für den Schutz von Personen und Objekten vor den Faschist:innen ausgebildet und organisiert werden kann. Dafür gilt es einerseits die Massen selbst so breit wie möglich in den Selbstschutz einzubeziehen und andererseits Spezialist:innen auszubilden und organisatorische Strukturen für den Selbstschutz aufzubauen. Um den faschistischen konterrevolutionären Kader:innen etwas entgegenzusetzen, ist die Herausbildung und Schulung von ideologisch gefestigten, führenden Kader:innen für den Aufbau des antifaschistischen Selbstschutzes eine notwendige Voraussetzung.
Für die erfolgreiche Durchführung des antifaschistischen Selbstschutzes gilt es, nicht in taktische Fallen zu geraten. Das bedeutet zum einen, sich nicht in der Situation der physischen Übermacht der Faschist:innen eine Entscheidungsschlacht aufzwingen zu lassen, die man nur verlieren kann. Dazu gehört auch nicht in die Offensive zu gehen, wenn man nicht grundsätzlich über die Kräfte verfügt, um den Gegenschlag der staatlichen Repressionen sowie der Faschist:innen standzuhalten. Diese Ablehnung des linken Abenteurertums heißt auch, nicht in andere Städte zu fahren, die Faschist:innen dort anzugreifen und dann die Antifaschist:innen und Kommunist:innen, die dauerhaft vor Ort sind, mit den Konsequenzen alleine zu lassen.
Eine weitere Gefahr ist es, in eine rein reagierende Politik zu verfallen, in der man etwa jedem Nazi-Aufmarsch oder jeder Konferenz hinterherfährt und darüber die Schaffung einer eigenen Basis vernachlässigt. Damit gerät man in die Gefahr, sich in einer Nische festzufahren.
Gleichzeitig gilt es, auch in einer Phase der ungünstigen Kräfteverhältnisse dem Faschismus gegenüber den antifaschistischen Kampf nicht auf einen rein defensiven Kampf einzuengen. Dies kann wiederum mit Zugeständnissen an die Sozialdemokratie oder den bürgerlichen Staat einhergehen. Vielmehr müssen alle Möglichkeiten, um taktische Siege gegen den Faschismus zu erringen, genutzt werden und ihrem Wachstum und ihrer Ausbreitung muss Einhalt geboten werden. Jeder kleine Erfolg hilft dabei, den Faschismus zu entzaubern und seine mystische Anziehungskraft zu neutralisieren, eigene Ängste zu überwinden, die antifaschistischen Kräfte zu stärken und mehr Manövrierfähigkeit im antifaschistischen und Klassenkampf zu erhalten.
Allgemein politischer Kampf der Arbeiter:innen
Betrachtet man die Entstehungsgeschichte der bisherigen faschistischen Regime, so kann man erkennen, dass der Wechsel von der bürgerlichen Demokratie, die primär auf Integration setzt, zur offenen Terrorherrschaft im Faschismus keineswegs aus dem Nichts kommt. Die Machtübergabe an den Faschismus stellt einen qualitativen Sprung dar. Dieser wird jedoch zuvor durch eine quantitative Anhäufung in Form des Abbaus demokratischer Rechte, ökonomischer Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und des Aufbaus des staatlichen Repressionsapparats vorbereitet.
So erfolgte auch der Übergang zwischen der Weimarer Republik und der faschistischen Diktatur nicht von jetzt auf gleich, sondern begann mit der arbeiter:innenfeindlichen Krisenpolitik und Aushöhlung der bürgerlichen Demokratie durch die SPD-geführte Müller-Regierung. Auf sie folgte das autoritäre Notverordnungsregime Brünings, das die politischen Bewegungsspielräume der Arbeiter:innenklasse weiter einschränkte. Schließlich war es die Dynamik der Klassenkämpfe und der zwischenimperialistischen Auseinandersetzungen, welche in der Folge die Ausgangsbedingungen für die Errichtung der Hitler-Diktatur schufen.
Der Kampf um die demokratischen Rechte, gegen die Verkleinerung des politischen Spielraums der Arbeiter:innenklasse sowie gegen den Aufbau des staatlichen Repressions- und Überwachungsapparats sind somit ein entscheidender Bestandteil der antifaschistischen Strategie. Sie sind Teil des allgemeinen politischen Kampfes.
Ein weiterer Bestandteil des allgemeinen politischen Kampfes gegen das bürgerliche System ist der Kampf gegen den Krieg. Dieser ist eng mit dem Antifaschismus verbunden. Denn wie oben dargestellt, verschärft der Staat in Kriegszeiten die Angriffe und die Repressionen gegen die Arbeiter:innenklasse massiv und setzt dabei besonders auf faschistische Kräfte. Umgekehrt arbeitet die faschistische Bewegung daran, den bürgerlichen Staat zu radikalisieren und ihn in Richtung einer aggressiveren Politik nach außen und nach innen zu treiben.
Darüber hinaus äußert sich der Antifaschismus im allgemeinen politischen Kampf der Arbeiter:innenklasse gegen die staatliche Unterstützung der faschistischen Bewegung, etwa durch finanzielle Zuwendungen oder die Möglichkeit der freien Agitation und Propaganda. Dabei ist auch die Entlarvung der Polizei entscheidend, wenn sie die Faschist:innen vor der direkten antifaschistischen Arbeit schützt, ihre Versammlungen und Infostände gegen Störaktionen verteidigt oder faschistischen Aufmärschen den Weg durch antifaschistische Blockaden frei prügelt. Eine entscheidende Bedeutung im antifaschistischen Kampf nimmt darüber hinaus die Antirepressionsarbeit ein.
Auch in der derzeitigen Situation in der BRD werden eine Reihe solcher Kämpfe geführt. Hierbei gibt es die bizarre Situation, dass Faschist:innen versuchen, sich als die Verteidiger:innen der Meinungsfreiheit oder als Friedenskämpfer:innen darzustellen. Gleichzeitig wird von Seiten der jetzigen Regierenden versucht, den Abbau demokratischer Rechte mit dem Kampf gegen Rechts zu begründen und Bewegungen für den Erhalt der demokratischen Rechte oder für den Frieden als Rechts oder als Querfront darzustellen. Hier kommt die oben dargestellte Alibifunktion der faschistischen Bewegung in der bürgerlichen Demokratie voll zum Tragen. Die Kommunist:innen dürfen daraus keinesfalls den Schluss ziehen, sich deshalb von Bewegungen für den Frieden oder gegen den Abbau der demokratischen Rechte fernzuhalten, zu solcher Regierungspolitik still zu sein oder sie gar zu unterstützen. Das würde ihren politischen Bankrott bedeuten.
Vielmehr ist der Kampf gegen den Abbau demokratischer Rechte im bürgerlichen System immer und überall notwendig. Dabei kann es notwendig sein, in Massenbewegungen zu gehen, in denen auch Faschist:innen aktiv sind und der Irrationalismus umher schwirrt. In diesem Fall gilt es in der Bewegung, die irrationalen Mythen und die Demagogie der Faschist:innen konsequent zu entlarven, klarzustellen, wer „Faschist:in“ und wer „Antifaschist:in“ ist, und darum zu kämpfen, die faschistischen Kräfte in den Massen zu isolieren. Es muss darum gehen, kommunistische Positionen in die Bewegung zu tragen und unermüdlich daran zu arbeiten, das politische Bewusstsein der Massen zu heben.
Wenn wir das hier entwickelte Wesen des Faschismus als konterrevolutionäre Kampfpartei neuen Typs verstehen und die Dimension des antifaschistischen Kampfes als revolutionären Klassenkampf für den Sozialismus anerkennen, dann folgt daraus notwendig, dass dieser Kampf nicht ausschließlich ein „Teilbereich“ antikapitalistischer Politik, die Aufgabe einer besonderen Bewegung oder nur von speziellen „Antifa-Gruppen“ sein kann. Alle diese politischen Erscheinungen und jede antifaschistische Aktivität sind legitim und Teil einer gegen den Vormarsch des Faschismus gerichteten breiteren politischen Bewegung. Letztendlich erfolgreich kann der Antifaschismus aber, wie oben ausgeführt, nur sein, wenn er von einer Kommunistischen Partei geführt wird, da er seine Ziele nur mit der sozialistischen Revolution verwirklichen kann. Die Revolution gegen die Bourgeoisie in Deutschland zu vollziehen, heißt aber, einen Bürgerkrieg auf Leben und Tod zu gewinnen. Unorganisiert oder spontan in einen solchen Krieg zu ziehen, bedeutet zwangsläufig, zur Niederlage verurteilt zu sein.
Oder wie es in dem Text des Einheitsfrontlieds heißt: „Es kann die Befreiung der Arbeiter nur das Werk der Arbeiter sein“. Das wird aber niemals spontan oder im Selbstlauf geschehen. Notwendig ist also eine Führung, welche derart in der Arbeiter:innenklasse und den unterdrückten Massen und ihren Organisationen verankert ist, dass sie in der Lage ist, die verschiedensten Bewegungen der Massen in eine Richtung zu lenken und sie zu einem einheitlichen Strom gegen das System zusammenzuführen. Die Führung der revolutionären Bewegung muss die Kampferfahrungen verallgemeinern und Fehler erkennen und korrigieren. Dazu gehört u. a. auch, aus den Erfahrungen der gescheiterten Revolutionsanläufe in Deutschland von 1848/49 und 1917 bis 1923 zu lernen.
Die Führung, also eine Kommunistische Partei neuen Typs, entsteht nicht durch ihre Gründung oder durch die Proklamation ihrer Führungsrolle. Sie muss vielmehr durch ihre Entschlossenheit, ihre Kampferfahrung, ihre richtige Strategie und Taktik, ihre ideologische Reife usw. in der Praxis des Klassenkampfs beweisen, dass sie den selbst gesteckten Ansprüchen genügt. Nur so kann sie das Vertrauen immer größerer Teile der Arbeiter:innenklasse gewinnen und so auch ein grundlegendes Problem der revolutionären Strategie im Imperialismus lösen. Während die Kommunistische Partei einerseits die Organisation derjenigen Teile der Arbeiter:innenklasse ist, die sich ihrer Lage und ihrer Interessen als Klasse am meisten bewusst sind, also der kämpferischen Schichten und Teile der ganzen Klasse, muss sie andererseits im entscheidenden Moment imstande sein, eine ausreichend große Mehrheit der Arbeiter:innen und der unterdrückten Massen zu aktivieren und in den revolutionären Kampf einzubeziehen.
FRAGEN FÜR DAS SELBST- UND GRUPPENSTUDIUM
Das Wesen und die Funktionsweise des Faschismus
Was bestimmt den Klassencharakter einer politischen Bewegung?
Ist der Faschismus eine Spielart des „kleinbürgerlichen Sozialismus“?
Welchen Klassencharakter hat der Faschismus?
Auf welcher ideologischen Strömung und welchen gesellschaftlichen Erscheinungen baut die faschistische Ideologie auf?
Gibt es nur eine faschistische Ideologie?
Wieso kennzeichnen wir die faschistische Bewegung als „konterrevolutionäre Partei neuen Typs“? Was folgt daraus?
Was macht die Widersprüchlichkeit des Faschismus aus und warum kann die faschistische Bewegung als „Knäuel“ charakterisiert werden?
Was für eine Art von Herrschaft ist der Faschismus an der Macht?
Welche qualitativen Unterschiede gibt es zur bürgerlichen Demokratie?
Wie ist die Erscheinungsform des faschistischen Staates?
Welche Rollen und Funktionen nimmt der Faschismus als Bewegung in der bürgerlichen Demokratie ein?
Welcher Zusammenhang besteht zwischen Faschismus, Krieg und Krise?
Die antifaschistische Strategie
Was ist notwendig, um den Faschismus endgültig besiegen zu können, und warum ist das so?
Welche Teilbereiche umfasst die antifaschistische Strategie?
Was verstehen wir unter „Kampf um die Köpfe“? Wie und in welchen Bereichen müssen wir ihn organisieren?
Was verstehen wir unter „Kampf um die Straße“? Wie und in welchen Bereichen müssen wir ihn organisieren?
Welche Rolle spielt der allgemeine politische Kampf der Arbeiter:innenbewegung im Kampf gegen den Faschismus?
LITERATUREMPFEHLUNGEN
Georgi Dimitroff, „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus”, aus: Pieck, Dimitroff, Togliatti: „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus”, Dietz Verlag 1960; S. 85 – 178
Die klassische Faschismusanalyse der Kommunistischen Internationale aus marxistisch-leninistischer Sicht. Auch wenn der Text viel und oft zitiert wird, wenn es um die Analyse des Faschismus geht, bleibt die gesamte Lektüre des Originals natürlich notwendig.
Clara Zetkin, „Der Kampf gegen den Faschismus – Bericht auf dem Erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, 20. Juni 1923“, aus: Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Band II, S. 689 – 729
Leider völlig zu Unrecht viel weniger bekannt als Dimitroffs Text. Clara Zetkin entwickelt darin sehr wichtige, grundlegende Ausrichtungen für den antifaschistischen Kampf.
Faschismus – Terror, Funktion, Ideologie & antifaschistische Strategie, Verlag Leo Jogiches, 2023, 248 Seiten
In diesem Buch werden die historische Entstehung und Entwicklung des Faschismus seit dem Ersten Weltkrieg, der Hitlerfaschismus und die Einbindung der Nazis in den deutschen Staatsapparat seit 1945 beschrieben. Sowie die Strategie und Politik der Faschist:innen heute – von der AfD bis zum terroristischen Untergrund – und die psychologischen Quellen ihres Masseneinflusses untersucht. Am Ende folgen die Grundzüge einer antifaschistischen Strategie.
Kommunismus Nr. 6, 08/2016, „Der moderne Faschismus – Die AfD und ihre Funktion für das deutsche Kapital“, Verlag Leo Jogiches, 13 Seiten
Eine prägnante Einschätzung der „Neuen Rechten“ und ihres Versuchs, mittels des „Kampfs der Kulturen“ einen modernen Faschismus aufzubauen.
Kurt Gossweiler, „Faschismus und Arbeiterklasse“ aus: Eichholtz, Gossweiler (Hrsg.), „Faschismus-Forschung – Positionen, Probleme, Polemik“, Akademie-Verlag 1980, 459 Seiten
Ein wissenschaftliches Standardwerk zum Faschismus, das in den einzelnen Beiträgen zahlreiche Aspekte herausarbeitet. Dass es von den Revisionist:innen stammt, ist bei dem Thema kein Nachteil. Im Gegenteil sind die Revisionist:innen neben den Leninist:innen die einzigen, die den Zusammenhang zwischen Imperialismus und Faschismus zur Grundlage ihrer Analysen machen.
Reinhard Opitz, „Faschismus und Neofaschismus“, Pahl Rugenstein Verlag, 1996, 466 Seiten, Erstausgabe im Verlag Marxistische Blätter, 1984
Im ersten Teil zeichnet Opitz vertieft die Entstehungsgeschichte des deutschen Faschismus nach. Im zweiten Teil arbeitet er heraus, wie die Bundesrepublik mit Hilfe der Faschist:innen aufgebaut wurde und welche Rolle die „Neue Rechte“ ab Ende der 60er Jahre zu spielen begann.
1Vgl. Gossweiler, „Faschismus und Arbeiterklasse“ aus Eichenholtz, Gossweiler (Hrsg.), Faschismus-Forschung – Positionen, Probleme, Polemik, Akademie-Verlag 1980, S. 99ff, im Folgenden: Faschismus-Forschung
2Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus, Band 2, Pahl-Rugenstein, 1991
3Faschismus-Forschung 1980, Gossweiler, S. 121
4Irrationalismus: „Name für Weltanschauungen, die auf diese oder jene Weise das wissenschaftliche Denken für unfähig erklären, die bestimmenden Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität zu erkennen, und dieses durch andere – für den Irrationalismus höhere – Erkenntnisfunktionen wie Intuition, Erleben, Wesensschau ersetzen wollen. Dem Irrationalismus gelten die objektive Realität ihrem Wesen nach oder bestimmte ihrer Bereiche (…) als nicht von Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten bestimmt, als irrational. (…)”, aus: „Philosophisches Wörterbuch”, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1976, S. 586, im Folgenden: “Philosophisches Wörterbuch”.
5Sozialdarwinismus: „(…) Richtung der bürgerlichen Soziologie, die, an die Lehren Darwins anknüpfend, biologische Prinzipien, vor allem das Prinzip vom Kampf ums Dasein und der natürlichen Auslese, mechanistisch auf das soziale Gebiet übertrug.” Philosophisches Wörterbuch, ebd., S. 1113
6Hofer, Der Nationalsozialismus – Dokumente 1933 – 1945, Fischer 1957, S. 250
7Stennes-Putsch: 1931 erhoben sich Teile der Berliner SA gegen die Leitung der NSDAP in München. Sie besetzten ein Parteigebäude und erklärten Adolf Hitler als Führer der NSDAP abgesetzt. Hintergrund war, dass sie einen „revolutionäreren“ Kurs der NSDAP mit größerem Fokus auf die gewaltsame Machtübernahme forderten.
8Dimitroff, „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunistischen Internationale im Kampf für die Einheit der Arbeiterklasse gegen den Faschismus”, aus: Pieck, Dimitroff, Togliatti: „Die Offensive des Faschismus und die Aufgaben der Kommunisten im Kampf für die Volksfront gegen Krieg und Faschismus”, Dietz 1960, S. 85, im Folgenden: „Dimitroff”
9Dimitroff, ebd,, S. 87
10Dimitroff, ebd., S. 92
11Dimitroff, ebd., S. 88
12Clara Zetkin, „Der Kampf gegen den Faschismus – Bericht auf dem Erweiterten Plenum des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, 20. Juni 1923”, aus: Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Band II, S. 723f., im Folgenden: „Zetkin”.
13Zetkin, ebd., S. 724
14Zetkin, ebd., S. 725
15Zetkin, ebd., S. 727
16Vgl. Überleben in der Braunzone – Interview mit der Gruppe „Proletarische Autonomie“, https://komaufbau.org/uberleben-in-der-braunzone-interview-mit-der-gruppe-proletarische-autonomie
17Clara Zetkin, ebd., S. 727




