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In unserer bisherigen Klassenanalyse sind wir unter anderem auf junge Arbeiter:innen eingegangen, welche wir als einen besonders unterdrückten und ausgebeuteten Teil der Arbeiter:innenklasse charakterisiert haben. Dennoch ist klar, dass unsere bisherige Analyse der Lebens- und Kampfbedingungen der Jugend in Deutschland sehr begrenzt war.

Das führt uns dazu, an die bisherige Ausarbeitung anzuknüpfen und die Situation der Jugend in der BRD einer gesonderten Analyse zu unterziehen.

Des Weiteren ist die Kommunistische Weltbewegung seit jeher davon ausgegangen, dass die Jugend eine besonders revolutionäre Rolle im Kampf für die Überwindung des Kapitalismus spielt. Der Ausspruch Karl Liebknechts „Die Jugend ist die reinste Flamme der Revolution“ ist den meisten jungen Kommunist:innen geläufig. Ob und in welcher Form diese besondere revolutionäre Rolle der Jugend heute in Deutschland fortbesteht, wollen wir ebenso in dieser Analyse klären.

Wir hoffen auf eine angeregte Diskussion und freuen uns über Kritiken, die zur weiteren Vervollständigung unserer Klassenanalyse beitragen.

Zur Klassenanalyse

Die Analyse der Lebensbedingungen der Jugend im imperialistischen Deutschland ist Bestandteil unserer Klassenanalyse. Wie wir bereits in Ausgabe 13 der Kommunismus dargelegt haben, ist diese nötig, um klassenmäßige Kräfteverhältnisse in der Gesellschaft bestimmen zu können. Dies wiederum ist sowohl heute beim Aufbau einer Kampfpartei neuen Typs sowie einer kommunistischen Massenarbeit auf der Höhe der Zeit von entscheidender Bedeutung, als auch zukünftig bei der konkreten Organisierung der sozialistischen Revolution.

Eine Klassenanalyse ist dabei nicht ein einfaches Abschreiben statistischer Daten von bürgerlichen Gesellschaftswissenschaftler:innen. Vielmehr gilt es, durch die Analyse verschiedener Teile der Gesellschaft und ihrer Rolle im Produktionsprozess, ihre Stellung zur sozialistischen Revolution herauszuarbeiten. Sind sie Hauptkräfte, unterstützende Kräfte oder Feinde des Sozialismus? Welche Hindernisse finden wir bei dem Ziel vor, die Arbeiter:innenklasse und die Jugend zum revolutionären Kampf zu mobilisieren? In diesem Beitrag wollen wir erste Schritte dahin gehen, diese Fragen bezogen auf die Jugend zu beantworten.

Zur Methode und Aussagekraft

Dabei stehen wir vor dem Problem, dass wir uns auf die Daten und Zahlen der bürgerlichen Wissenschaft stützen müssen, da wir heute noch nicht die Möglichkeit haben, selbst genaue quantitative Analysen der Gesellschaft anzustellen.

Bürgerliche Studien bringen hierbei, auch in Bezug auf die Jugend, einige Probleme mit sich. So werden sie oft von Monopolen wie Shell oder McDonald‘s in Auftrag gegeben und finanziert. Die Kapitalist:innen wollen jedoch möglichst günstige Ausbeutungsbedingungen schaffen und die Jugend an die bürgerliche Gesellschaft binden. Wir dagegen wollen die Jugend für ihre Befreiung in der sozialistischen Revolution organisieren. Unserer Beschäftigung mit dem Thema und den Studien, die zum Teil unsere Datengrundlage liefern, liegen also grundsätzlich entgegengesetzte Ziele zugrunde.

Des Weiteren arbeitet die bürgerliche Wissenschaft in ihren Arbeiten zur Jugend insbesondere bei Altersspannweiten nicht mit einheitlichen Kriterien. Mal untersucht sie 16- bis 25-Jährige, mal 14- bis 29-Jährige, mal 14- bis 25-Jbeährige. Bei Tabellen und Studien, in denen auf Unterschiede nach Geschlecht eingegangen wird, gibt es für die kapitalistisch-patriarchale Statistik außerdem nur Männer und Frauen. Uns ist bewusst, dass es nicht nur zwei Geschlechter gibt. Dennoch beschränkt sich die bürgerliche Wissenschaft, wenn überhaupt unterschiedliche Daten für Geschlechter separat aufgeführt werden, eben genau auf zwei, was wiederum unsere Möglichkeiten, in diesem Bereich zu genauen Erkenntnissen zu kommen, Grenzen setzt.

Es ist dabei klar, dass die Studien, auf die wir uns stützen können, gar nicht das Ziel verfolgen, eine klassenmäßige Einordnung der Jugend vorzunehmen. Vielmehr werden meist die gleichen statistischen Kriterien sehr schematisch auf eine ihrer Lebenslage nach extrem vielfältige Gruppe der Bevölkerung angewendet, die sich aus Angehörigen verschiedener Klassen zusammensetzt, das Einzige, was sie eint, ist ein bestimmtes Lebensalter. Dennoch können uns die Zahlen zumindest wichtige Hinweise darauf geben, wie sich die gesellschaftliche Situation der Jugend darstellt und vor allem welche Veränderungstendenzen es hier gibt.

Dabei sind auch bereits gemachte Erfahrungen in der politischen Jugendarbeit eine hilfreiche Unterstützung für diese Analyse und werden sie auch in Zukunft bereichern, wenn es darum geht, die Klassenanalyse zu aktualisieren, neue Aspekte und Untersuchungen hinzuzufügen und sie qualitativ zu vertiefen.

Die behandelten Aspekte müssen in künftigen Analysen einer tieferen Betrachtung unterzogen werden. Dabei ist für die politische Praxis insbesondere eine ausführlichere Analyse des deutschen Bildungssystems erforderlich.

Zur Jugend

Was ist die Jugend?

Der Begriff der Jugend entstand erst in der bürgerlichen Gesellschaft. So bezog er sich früher auf junge bürgerliche Menschen, da diese sich eine Phase des Nicht-Arbeitens leisten konnten.1 Heute werden ihr vor allem bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Im Allgemeinen jedoch können wir die Jugend als Phase bezeichnen, in der ein Kind zum Erwachsenen wird.

Für uns als Marxisten-Leninist:innen ist jedoch die Stellung im Produktionsprozess entscheidend für das Verständnis dessen, was die Jugend ausmacht. Zwar ist das Alter statistisch fassbar, doch bei der Frage, ob eine Person jugendlich ist, ist das eher ein Indiz als ein klares Kriterium. So würden wir einen 21-jährigen Industriemechaniker, der mit einer Partnerin und einem ersten Kind in einer eigenen Wohnung lebt, vermutlich nicht als Jugendlichen wahrnehmen, eine 21-jährige Studentin, die allenfalls in einem Minijob arbeitet und von Eltern und Bafög abhängig ist, wahrscheinlich schon.

Wir können die Jugend daher nicht schematisch als eine bestimmte Altersspanne definieren. Vielmehr verstehen wir sie vor allem als die Phase, in der Menschen auf ihre spätere Rolle in der bürgerlichen Gesellschaft vorbereitet werden, indem ihre Arbeitskraft ausgebildet wird (Schule, Universität, Ausbildung). Diese Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft wird angetrieben von der Eingliederung in den Produktionsprozess, wobei diese in enger Wechselwirkung mit Aufbau einer eigenen Existenz, Familiengründung, Unabhängigkeit von den Eltern usw. steht.

Die Jugend hat also gewissermaßen zwei Seiten: Als objektive Seite die stückweise Eingliederung in den kapitalistischen Produktionsprozess, und als subjektive das Alter und die Lebenslage (bspw. eigenes Einkommen, eigene Kinder, eigenen Haushalt oder Wohnen bei den Eltern) der einzelnen Person. Für eine aussagekräftige Analyse ist es wichtig, beide Seiten zu betrachten, da es aufgrund des fließenden Übergangs von Jugendlichen in das Erwachsenenleben zahlreiche Übergangsformen gibt. Dabei kann beispielsweise ein Jugendlicher relativ „alt“ sein, aber dennoch studieren, in Ausbildung sein oder zur Schule gehen. Andersherum kann ein Jugendlicher vergleichsweise jung sein und noch bei seinen Eltern wohnen, aber dennoch fertig ausgebildet und fest angestellt sein. Bei beiden kann es jedoch richtig sein, sie noch als Teil der Jugend zu begreifen und sie auch in der politischen Arbeit entsprechend einzubinden.

In dieser Phase der Eingliederung in das System erfolgt auch eine verstärkte Einwirkung der bürgerlichen Ideologie, da Jugendliche noch für das kapitalistische System geformt werden müssen. Gleichzeitig heißt das, dass sie ideologisch noch nicht gefestigt und in der Zeit vom Kind zum Erwachsenen in einer Periode zahlreicher Umbrüche sind und auch materiell noch nicht so stark an das System gefesselt sind (Familie oder andere Verpflichtungen, möglicherweise privilegierte Positionen im gesellschaftlichen Produktionsprozess). Das macht die Jugend keinesfalls automatisch revoluionär oder gar zu einer eigenen Klasse, aber es sind Faktoren, die den radikalen Bruch mit dem kapitalistischen System erleichtern können.

Zu welcher Klasse gehört die Jugend?

Wladimir Iljitsch Lenin definiert Klassen wie folgt: „Als Klassen bezeichnet man große Menschengruppen, die sich voneinander unterscheiden nach ihrem Platz in einem geschichtlich bestimmten System der gesellschaftlichen Produktion, nach ihren (größtenteils in Gesetzen fixierten und formulierten) Verhältnis zu den Produktionsmitteln, nach ihrer Rolle in Pder gesellschaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaftlichen Reichtum, über den sie verfügen. Klassen sind Gruppen von Menschen, von denen die eine sich die Arbeit einer anderen aneignen kann infolge der Verschiedenheit ihres Platzes in einem bestimmten System der gesellschaftlichen Wirtschaft.“2

Lenins Definition schreibt drei Ebenen fest, über die wir eine Klasse definieren können. Diese Ebenen stehen dabei im Zusammenhang miteinander und bauen aufeinander auf. Aus dem Verhältnis zu den Produktionsmitteln eines Menschen (Eigentümer von Produktionsmitteln oder nicht), seiner Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit (leitende/ausführende Tätigkeiten), ebenso wie aus der Größe seines Anteils am gesellschaftlichen Reichtum und die Art wie er ihn erlangt (nämlich über Lohn oder beispielsweise als Unternehmensgewinn bzw. in Form von Aktienrenditen) ergibt sich seine Klassenzugehörigkeit.

Verhältnis zu den Produktionsmitteln

Um die Jugend klassenmäßig einordnen zu können, können wir uns diese Ebenen nacheinander ansehen. Zunächst das Verhältnis zu den Produktionsmitteln.

Auf dieser Ebene ist klar, dass nur ein verschwindend kleiner Teil junger Menschen tatsächlich eigene Produktionsmittel besitzt, was zunächst schon logisch daraus folgt, dass allgemein nur ein kleiner Teil der Gesellschaft als Kapitalist:in oder Kleinbürger:in Produktionsmittel besitzt. In der Regel sind bei Jugendlichen aber die eigenen Eltern noch am Leben und entsprechend die Eigentümer:innen eventuell vorhandener Produktionsmittel.

Die übliche Herangehensweise kapitalistischer Familien ist es zu versuchen, ihre Kinder zu würdigen Erb:innen heranzuziehen, die den Reichtum der Familie verwalten können. In großen Familienclans stellt sich dabei das Problem, dass eine Zersplitterung des Eigentums verhindert werden soll, weswegen die Eheschließung dort teilweise nur als Wiederaufleben der politisch motivierten Eheschließung im mittelalterlichen Adel bezeichnet werden kann: „Ehen entstanden vorzugsweise zwischen Unternehmerfamilien mit angrenzenden Geschäftsinteressen. Oft heiraten Cousins Cousinen, um der Zersplitterung der Familienvermögen und daraus entstehenden geschäftlichen Komplikationen entgegenzuwirken.“3

Tatsächlich spielt hier das Erbrecht bezeichnenderweise eine gewisse Sonderrolle im deutschen Rechtssystem und auch wenn befruchtete Eizellen allgemein keine Rechtssubjekte sind, hat ein Kind ab dem Zeitpunkt seiner Zeugung Rechtsanspruch auf einen Erbanteil, selbst wenn der Vater zum Beispiel kurz danach plötzlich verstirbt.

Ab einer bestimmten Größe des elterlichen Eigentums ist es also gar nicht so einfach zu verhindern, dass das Kind einen so beträchtlichen Teil des Kapitals erbt, dass es selbst zur Kapitalist:in wird; insbesondere da es nicht vollständig enterbt werden kann, sondern immer einen bestimmten Anspruch auf einen Pflichterbanteil erhält.

Besitzen die Eltern keine Produktionsmittel, tun das ihre Kinder logischerweise auch nicht. Ob die Eltern in einem Haus leben, dass sie über Jahrzehnte abbezahlen oder sogar selbst schon von ihren Eltern geerbt haben, spielt dabei keine Rolle für die Klassenzugehörigkeit, denn dabei handelt es sich nicht um ein Produktionsmittel. Anders verhält es sich nur dann, wenn durch die Vermietung des Hauses Einkommen generiert wird, von dem die Familie (teilweise) leben kann.

Betrachten wir das erste Kriterium (Verhältnis zu den Produktionsmitteln) lässt sich also festhalten, dass die Stellung von Kindern und Jugendlichen zu den Produktionsmitteln sich vollständig aus der ihrer Eltern ergibt.

Es wäre ebenfalls oberflächlich hier den Schluss zu ziehen, dass sich das Verhältnis zu den Produktionsmitteln am Ende der Jugend schlagartig ändern könnte, zum Beispiel, in dem das Kind einer Arbeiter:innenfamilie, nach der Ausbildung einen Kredit aufnimmt und sich formell selbstständig macht. Ökonomisch steht das Kind hochverschuldet und mit einem kleinen eigenen Betrieb, der aber fast vollständig der Bank gehört, der Arbeiter:innenklasse noch näher als dem Bürger:innentum. Ob es sich dauerhaft als Kleinbürger:in halten kann und tatsächlich ein bescheidendes Eigentum an Produktionsmitteln erlangen kann, muss sich erst noch erweisen. Ganz abgesehen davon, dass äußerst zweifelhaft ist, ob es überhaupt einen größeren Kredit bekommt, wenn es das Kind relativ mittelloser Eltern ist und auch sonst keine Garantien für die Unternehmensgründung vorweisen kann.

Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit

Die Rolle in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit jedoch ist für den größten Teil der Jugend und in der gesamten Kindheit eine besondere und andere, als die der Eltern. Dies gilt für Kinder aus allen Klassen.

Die Kinder und Jugendlichen werden in Schule, Ausbildungsstätten und Universitäten vor allem auf ihre spätere Rolle im gesellschaftlichen Produktionsprozess vorbereitet. Dies ist eine notwendige Phase des Lebens, sowohl für die:den Einzelne:n, der:die im Kapitalismus überleben will, als auch weil nur so die Klassen auf Dauer bestehen können.

Die Arbeiter:innenklasse muss nicht nur Tag für Tag ihre Arbeitskraft reproduzieren. Die Arbeitskraft wird auch gesamtgesellschaftlich reproduziert, indem Nachwuchs gezeugt, großgezogen und ausgebildet wird. Deshalb sind auch Arbeiter:innenjugendliche, unabhängig davon ob sie bereits arbeiten oder nur die Schule oder eine Universität besuchen, Teil des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses des Kapitals.

Dass das Kapital diesen Bereich des gesellschaftlichen Lebens allenfalls kurzzeitig ignorieren kann, kam unter anderem in der Corona-Pandemie in den ernsthaften Sorgen um eine „verlorene Generation“ zum Ausdruck.

Des Weiteren gehen viele ärmere Jugendliche einer beruflichen Tätigkeit auf Minijob- oder Teilzeitbasis nach. Sie sind dabei, vollständig in den Produktionsprozess überzugehen. Aus ihrer Rolle als Schüler:innen und Studierende ergeben sich jedoch einige Unterschiede zu ihren erwachsenen Kolleg:innen, da ihre Ausbildung noch nicht abgeschlossen (im Falle von späteren Arbeiter:innen somit die Arbeitskraft noch nicht voll „entwickelt“ ist) und die Stellung in der gesellschaftlichen Produktion (noch) nicht der Dreh- und Angelpunkt ihrer Stellung in der Gesellschaft ist. So unterscheidet sich das Bewusstsein von Studierenden, die auf Nebentätigkeiten angewiesen sind, oft qualitativ von dem Bewusstsein ihrer Kolleg:innen, weil sie mit dem Abschluss ihres Studiums die Hoffnung auf eine besser bezahlte Stelle verbinden.

Zuletzt gibt es Jugendliche, die vorrangig einer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Dazu zählen auch Auszubildende, die meist ab einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Ausbildung genau die gleiche Arbeit wie ihre Kolleg:innen leisten – bloß für deutlich weniger Lohn. Diese Jugendlichen sind aufgrund ihres Alters und ihrer familiären Lage noch jung. Gleichzeitig sind diese jugendlichen Proletarier:innen auch im engeren Sinne Teil der Arbeiter:innenklasse. Dort zählen sie zu den besonders ausgebeuteten Bestandteilen. Dabei bekommen Jugendliche oft als Erste die verschärften Klassengegensätze von Morgen zu spüren. So bekommen sie schlechtere Löhne, während die besser bezahlten Arbeiter:innen mit alten Arbeitsverträgen im Zuge von Umstrukturierungsprogrammen in Rente gehen. Sie sind ebenfalls viel öfter atypisch beschäftigt, wobei atypische Arbeitsverhältnisse in immer mehr Bereichen über kurz oder lang zu den neuen Normalverhältnissen werden, wenn sie nicht durch den Widerstand der Beschäftigten abgewehrt werden.

Anteil der Jugendlichen am gesellschaftlichen Reichtum

Betrachten wir zuletzt den Anteil der Jugendlichen am gesellschaftlichen Reichtum. Im Falle von Arbeiter:innen gehen die Kosten für das Großziehen von Kindern in den Wert der Ware Arbeitskraft ein, denn auch sie sind notwendig, um die Arbeitskraft auf Dauer zu reproduzieren.

Der Anteil der Jugendlichen am gesellschaftlichen Reichtum und seiner Verteilung hängt also direkt von dem ihrer Eltern ab.

Statistiken zur Jugendarmut zeigen, dass Jugendliche in erhöhtem Maße von Armut gefährdet sind. 2018 waren es selbst nach bürgerlichen Statistiken 29,5 Prozent der 18- bis 24-Jährigen.4 Dies steht einem Anteil von 24 Prozent im gleichen Jahr in der Gesamtbevölkerung gegenüber.

Diese Statistik spiegelt einerseits die Tatsache wider, dass wer Kinder hat, mehr Mäuler zu stopfen hat, als andere Erwachsene, die keine haben, und deswegen pro Person in einem typischen Kleinfamilien-Haushalt tendenziell weniger Einkommen übrig bleibt, je mehr Kinder es gibt.

Die Löhne werden in den seltensten Fällen individuell von den Kapitalist:innen angepasst, um dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Viel mehr sind die Kapitalist:innen ständig bemüht, die Löhne weiter unter den Wert der Arbeitskraft zu drücken, weswegen auch mit dem Kindergeld eine staatliche (aus den Steuern der Arbeiter:innenklasse finanzierte) Subvention der Löhne notwendig wurde.

Zum anderen lebt auch ein bedeutender Teil der Jugendlichen in diesem Alter nicht mehr zu Hause, sondern muss wahlweise mit einer Ausbildungsvergütung, niedrigen Löhnen, BaföG oder Unterhalt über die Runden kommen.

Kinder von Eltern, die zur Kapitalist:innenklasse oder zu bestimmten gesellschaftlichen Zwischenschichten gehören (Teile des Kleinbürger:innentums, Beamt:innen, Arbeiter:innenaristokratie) erhalten somit über ihre Eltern ebenfalls Zugang zu einem größeren Anteil des gesellschaftlichen Reichtums.

Nachhilfe, Privatschulen und -universitäten, sowie zahlreiche teure Freizeitaktivitäten sind für diese Kinder und Jugendliche verfügbar und verschaffen ihnen auf der kapitalistischen Karriereleiter ab dem Kindergartenalter handfeste Vorteile.

Die Jugend ist also insgesamt keine eigene Klasse oder gesellschaftliche Schicht. Jugendliche gehören vielmehr der Klasse ihrer Eltern an. Zwar ist es theoretisch denkbar, dass Jugendliche später im Leben eine andere Klassenzugehörigkeit als ihre Eltern erlangen. Dies ist aber die statistische Ausnahme. Wenn es geschieht, dann am häufigsten weil Kinder von Arbeiter:innen in andere Zwischenschichten aufsteigen oder Kinder aus kleinbürgerlichen Familien die elterlichen Betriebe eben nicht übernehmen und somit Teil der Arbeiter:innenklasse werden.

Das deutsche Bildungssystem ist für seine sogenannte geringe „soziale Mobilität“ ohnehin berüchtigt, das heißt, Jugendliche haben eine im internationalen Vergleich besonders schlechte Chance „aufzusteigen“, wobei sich dies aber meist sowieso nur auf den Aufstieg innerhalb der eigenen Klasse bezieht.

Es ist allerdings wichtig darauf hinzuweisen, dass eine höhere soziale Mobilität die Klassengesellschaft an sich keinen Deut besser macht. Ein durchlässigeres Bildungssystem würde höchstens zu mehr höheren Schulabschlüssen und Studienabschlüssen führen. Dies würde aber noch lange nicht bedeuten, dass es in der Wirtschaft eines Landes auch entsprechend mehr besser bezahlte Jobs gibt oder mehr Kleinbürger:innen gleichzeitig im knallharten Konkurrenzkampf überleben könnten.

Jugend in der BRD heute

Im folgenden Abschnitt wird es darum gehen, eine Analyse der Jugend in der heutigen Bundesrepublik Deutschland vorzulegen. Dabei wollen wir zunächst ungefähre Größenverhältnisse umreißen, also platt gesagt der Frage „Wer macht was?“ nachgehen und die verschiedenen Untergruppen der Jugend quantitativ voneinander abgrenzen.

Danach sollen die Lebensbedingungen dieser Untergruppen untersucht, also eine qualitative Abgrenzung vorgenommen werden.

Ungefähre Größenverhältnisse

2021 lebten in Deutschland rund 8,11 Millionen 14- bis 24-Jährige. Dies entspricht einem Anteil von genau 10 Prozent an der Bevölkerung.5 Die Größe dieser Bevölkerungsgruppe nimmt hierbei mit kleinen Ausreißern seit einigen Jahren stetig ab. Demgegenüber stehen eine wachsende Gesamtbevölkerung (wobei in Zukunft mit deren Absinken bzw. Verharren auf einem ungefähr gleichen Niveau ausgegangen wird6) und ein konstantes Anwachsen der älteren Bevölkerungsteile.7

Damit sinkt die absolute und relative Bedeutung der Jugend in der Gesamtbevölkerung zumindest in Zahlen. Einige bürgerliche Soziolog:innen gehen deshalb davon aus, dass in Zukunft nur noch für ältere Menschen Politik gemacht werde und auch die politische Bedeutung der Jugend sinke. Im Laufe dieses Artikels werden auch wir unseren Standpunkt hierzu darlegen.

Unter den 15- bis 25-Jährigen in Deutschland sind hierbei 29,5 Prozent Schüler:innen, wobei logischerweise von einem weit höheren Anteil unter den jüngeren Jahrgängen und einem weit niedrigeren unter den älteren Jahrgängen ausgegangen werden kann.

Unter den 16- bis 24-Jährigen erhalten 76,3 Prozent ein eigenes Einkommen. Auch unter den 16- bis 17-Jährigen sind es immerhin schon 28,7 Prozent. Das Einkommen kommt hierbei mehrheitlich aus einer Form der Erwerbstätigkeit und nur untergeordnet aus Arbeitslosengeld oder einer Rentenleistung. Fast vier Millionen der 8,43 Millionen 15- bis 25-Jährigen arbeiten mindestens eine Stunde pro Woche.8

Hieraus lässt sich ableiten, dass Jugendliche mit zunehmendem Alter in höherem Maße erwerbstätig werden und sich ihr Lebensschwerpunkt mehr und mehr vom Lernen zum Arbeiten verlagert. Dabei sind fast 5,7 Millionen der 15- bis 25-Jährigen in beruflicher oder schulischer Ausbildung, also Schüler:innen, Studierende und Auszubildende.9 Die restlichen 2,7 Millionen sind also entweder voll erwerbstätig in dem Sinne, dass sie sich nicht in Ausbildung befinden, oder arbeitslos (Teil der industriellen Reservearmee10). Rund zwei Drittel der Jugend in der BRD befinden sich damit in irgendeiner Form der Ausbildung und rund ein Drittel nicht.

Dabei ist sowohl die Anzahl der Schüler:innen an allgemeinbildenden Schulen als auch die der Auszubildenden rückläufig. Die Zahl der Studierenden steigt an, während die Anzahl der Schüler:innen an Berufsschulen relativ gleichbleibend ist.11

Jugendliche in Ausbildung

In diesem Teil wird es um jene Jugendliche gehen, die sich in einer Form der Ausbildung (in Schule, Uni, Betrieb) befinden. Schüler:innen, Auszubildende und Studierende sollen hier anhand ihrer Lebenssituation in der BRD voneinander abgegrenzt werden.

Schüler:innen

Wie bereits festgestellt befindet sich knapp unter ein Drittel der 15- bis 25-Jährigen in schulischer Ausbildung (2,49 Millionen). Von den Menschen in dieser Altersgruppe, die sich nicht mehr in schulischer Ausbildung befinden, hatten 2018 47,5 Prozent eine Fachhochschul- oder Hochschulreife (also Abitur oder Fachabitur), 32,2 Prozent einen mittleren Schulabschluss, 15,0 Prozent einen Hauptschulabschluss und 5,0 Prozent keinen Schulabschluss.

Anteil unter den 15-25 Jährige, die nicht mehr in schulischer Ausbildung sind
Hauptschulabschluss 15,0 %
Mittlerer Abschluss (Fachoberschulabschluss) 32,2 %
Fachhochschul/Hochschulreife 47,5 %
Ohne Angabe der Art des Abschlusses 0,3 %
Ohne Abschluss 5,0 %

Die Zahl der Schulabbrecher:innen ist dabei pro Jahrgang durchaus höher, sie lag in den letzten Jahren insgesamt bei über 6 Prozent, bei Nicht-Deutschen sogar bei über 18 Prozent. Viele der „Abbrecher:innen“ bemühen sich jedoch später darum, einen Abschluss nachzuholen.12 Die BRD zeichnet sich hier zudem dadurch aus, dass es ohne einen Schulabschluss quasi gar keine beruflichen Perspektiven mehr gibt, da selbst viele Ausbildungsberufe, wie zum Beispiel Krankenpfleger:in, einen Fachoberschulabschluss benötigen.

Dennoch werden pro Jahrgang ungefähr 15 Prozent der Jugendlichen zunächst ohne berufliche Ausbildung, also ohne Hochschul- oder Ausbildungsabschluss, auf den Arbeitsmarkt geworfen.13

Mehrgliedriges Bildungssystem

Eine weitere Besonderheit des Bildungssystems der BRD ist seine Mehrgliedrigkeit, das heißt, dass es nach der Grundschule, welche je nach Bundesland nach der vierten oder sechsten Klasse endet, mehrere Möglichkeiten des weiteren Schulbesuchs gibt, wie etwa Hauptschulen, Realschulen, Oberschulen, Gymnasien und nach der zehnten Klasse Oberstufenzentren. Hier ergeben sich aus dem föderalen Aufbau der BRD einige feine Unterschiede, da Bildung „Ländersache“ ist. Das mehrgliedrige Bildungssystem in der BRD entspricht dem Bedürfnis des Kapitals nach verschieden qualifizierter Arbeitskraft. Dabei war das Gymnasium anfangs vor allem für Ingenieur:innen, Ärzt:innen oder Stellen im Staatsapparat geschaffen worden. Heute umfasst es auch einen immer größeren Anteil späterer Arbeiter:innen. Gleichzeitig zeigen sich aber auch Tendenzen in Richtung einer Reform der starren Schulformen. Die schrittweise Abschaffung der Hauptschulen beispielsweise ist schon seit langem beschlossene Sache und setzt sich Stück für Stück durch. Auch werden in einzelnen Bundesländern mehr Gesamtschulen eingeführt, an denen man alle möglichen Abschlüsse machen kann. Eine detaillierte Analyse des deutschen Bildungssystems steht für uns noch aus. Dennoch wollen wir hier die Zusammenhänge zwischen den Schulformen und der Zusammensetzung der deutschen Arbeiter:innenklasse aufzeigen.

Je nach Abschluss steht den Absolvent:innen dann auch eine mehr oder weniger begrenzte Auswahl an Berufs- bzw. Ausbildungswegen offen. So sind fast alle Ausbildungsberufe an bestimmte Schulabschlüsse geknüpft und wer studieren möchte, benötigt ein Abitur oder Fachabitur.

Absolvent:innen von Hauptschulen haben so wenige Perspektiven im Leben. Hier ist es Alltag, den Schüler:innen das Ausfüllen von Anträgen auf Arbeitslosengeld beizubringen. Sie werden so darauf vorbereitet, einen großen Teil ihres Lebens in der industriellen Reservearmee oder in Gelegenheits- und Hilfsjobs zu verbringen.

Die Schulformen in der imperialistischen BRD entsprechen einer ausdifferenzierten Arbeiter:innenklasse, wie wir sie in unserer bisherigen Klassenanalyse dargelegt haben.14 Die Schüler:innen, die später Kapitalist:innen werden, sind klar in der Unterzahl und in den meisten öffentlichen Schulen findet man nicht viele von ihnen.

Vielmehr werden in den Gymnasien qualifiziertere Arbeitskräfte herangezogen, wie sie mit zunehmender Produktivkraftentwicklung immer notwendiger geworden sind, wohingegen in „niedrigeren“ Schulformen vor allem spätere Arbeiter:innen erzogen werden, die eher auf ausführende Tätigkeiten spezialisiert sind. Auch die Unterrichtsinhalte spiegeln das wider.

Das heißt, die Mehrheit der Schüler:innen werden später zu Arbeiter:innen, egal welche Schulform sie besuchen. Dennoch hat ihr Schulabschluss eine gewisse Aussagekraft über ihre spätere Stellung in der Arbeiter:innenklasse. So steigt mit dem Grad des Abschlusses auch die Wahrscheinlichkeit, einmal einen unbefristeten und gut bezahlten Arbeitsvertrag zu erhalten, wenngleich auch Akademiker:innen immer öfter zunächst in befristeten Verhältnissen arbeiten.15

Die Spaltung zwischen den verschiedenen Schichten der Arbeiter:innenklasse wird auch hier schon durch Lehrer:innen als Spaltung zwischen den verschiedenen Schulformen, zwischen den „Dummen“ und den „Schlauen“ gesät und muss in unserer politischen Arbeit überwunden werden.

Gleichzeitig ist es wichtig festzuhalten, dass proletarischen Kindern und Jugendlichen mit abnehmender Qualifizierung der Eltern auch immer weniger Türen im Leben offen stehen. So stellte 2019 lediglich bei 5,9 Prozent der Gymnasiast:innen der Hauptschulabschluss den höchsten Schulabschluss der Eltern dar, während es bei über 67 Prozent die Fachhochschul- oder Hochschulreife war.16 Da der Anteil der Gymnasiast:innen in der Bevölkerung ohnehin ständig wächst, müssen diese Zahlen ins Verhältnis zu den Bildungsabschlüssen der Eltern gesetzt werden, dies können wir hier nur näherungsweise leisten. Für das Jahr 2021 kann jedoch für die Alterskohorte der 35 bis 44-Jährigen, die zumindest einen statistischen Schwerpunkt der Elterngeneration heutiger Schüler:innen darstellen dürfte, gesagt werden, dass der Anteil der Menschen, deren höchster Schulabschluss ein Haupt- oder Volksschulabschluss war, bei 16,7 Prozent lag. Für ältere Generationen ist dieser Anteil sogar noch höher.17

Diese Bildungsungerechtigkeit gilt es in der bildungspolitischen Arbeit aufzugreifen, um das Märchen des deutschen Imperialismus von der gleichen Bildung und gleichen Chancen für alle zu entlarven.

Situation von Schüler:innen und Schulen

So verschieden die unterschiedlichen Schultypen auch sind, so ähnlich sind sich doch die Probleme, denen Schüler:innen während ihrer Schulzeit begegnen. So sind viele Schulen in marodem Zustand, Turnhallen sind nicht nutzbar, Wände schimmeln, Decken stürzen ein. Im April 2021 schätzte die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), dass sich die Gesamtkosten für die Instandsetzung deutscher Schulen auf 34 Milliarden Euro belaufen würden.18

Hinzu kommen gesundheitliche Schäden, die Leistungsdruck und Hetze in den Schulen hinterlassen. Laut einer Studie der DAK aus dem November 2019 leiden rund zwei Prozent der Schüler:innen in Deutschland an Depressionen, wobei Ärzt:innen von einer deutlich höheren Dunkelziffer ausgehen. Darüber hinaus leide jedes vierte Schulkind unter psychischen Problemen.19 Mehr als weitere zwei Prozent leiden an einer Angststörung.20 In der Corona-Pandemie war dieses Thema erneut in aller Munde. Während der Maßnahmen wurde durch Studien ein Anstieg an depressiven Symptomen unter Jugendlichen um 75 Prozent nachgewiesen.21 Des Weiteren leidet ein Drittel der deutschen Schüler:innen unter Schlafstörungen, da die Last an Hausaufgaben und der Lernaufwand an den meisten Schulen für viele Schüler:innen keinen normalen Schlafrhythmus zulässt.

Politisch können wir hieraus die Konsequenz ziehen, dass es nicht nur in Betrieben Druck und Arbeitshetze gibt und dass wir auch um die Ausgestaltung des Unterrichts und die Arbeitsbelastung an Schulen Kämpfe führen müssen. Diese müssen jedoch immer auch über den Rahmen einer einzelnen Schule hinaus entwickelt werden, da ihr lokales Potenzial ebenso wie das Potenzial von isolierten Betriebskämpfen begrenzt bleibt.

Die Schule ist ebenso ein Ort, an dem Schüler:innen politische Arbeit machen können, ohne dass ihnen der Schulbesuch verboten wird und es für einen Rauswurf deutlich höhere Hürden als in einem Lohnarbeitsverhältnis gibt. Ähnlich wie im Betrieb kommen Schüler:innen in der Schule auch regelmäßig zusammen und diskutieren miteinander. Hier ist der Ort an dem wir einen besonderen Schwerpunkt unserer Arbeit unter Jugendlichen setzen müssen. Trotzdem ruft natürlich auch an den Schulen die politische Arbeit eine gewisse Repression durch Lehrer:innen, Sozialarbeiter:innen und dem Staatsschutz hervor.

Auszubildende

2017 gab es in Deutschland rund 1,3 Millionen berufliche Auszubildende, 63 Prozent davon Männer und 37 Prozent Frauen. Hierbei waren die meisten Auszubildenden in den Sektoren Verkauf (98.169 Azubis, 47 Prozent Männer, 53 Prozent Frauen) Fahrzeug-, Luft-, Raumfahrt- und Schiffbautechnik (83.520 Azubis, 95,9 Prozent Männer, 4,1 Prozent Frauen), Arzt- und Praxishilfe (77.289 Azubis, 2,2 Prozent Männer, 97,8 Prozent Frauen) und Büro und Sekretariat (72.219 Azubis, 26,8 Prozent Männer, 73,2 Prozent Frauen) tätig.22

Bereits hier zeigen sich sehr krasse Unterschiede bei der Wahl des Ausbildungsberufs nach Geschlecht, wobei die häufiger von Frauen gewählten Berufe in den meisten Fällen schlechter bezahlt sind.

Im Jahr 2020 ist die Zahl der angebotenen und abgeschlossenen Ausbildungsverträge gegenüber 2019 massiv abgesackt. Sie betrug mit etwa 467.000 rund 57.000 weniger als 2019. Seitdem hat sich diese Zahl nicht in nennenswerter Weise erholt: 2021 wurden etwa 473.000 und 2022 475.000 Ausbildungsverträge abgeschlossen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Sondereffekt der Corona-Pandemie, schon in einer der letzten großen Wirtschaftskrisen 2008/2009 war die Zahl der Ausbildungsverträge von einem Jahr aufs andere um 52.000 abgesunken.23

Der Ausbildungsmarkt ist also sehr stark an die konjunkturellen Schwankungen gebunden. Zumindest nach den offiziellen Statistiken war die Zahl der Jugendlichen, die ohne Ausbildungsplatz blieben, in den vergangenen 15 Jahren oft auch sehr gering und schwankte laut offiziellen Statistiken um 10.000 Personen.

Zu Beginn des Ausbildungsjahres 2019/2020 im September 2019 beispielsweise blieben jedoch 53.100 Lehrstellen frei, obwohl ein Nachfrageüberschuss bestand.24 Dies erklärt sich zum einen daraus, dass die Ausbildungsgehälter oft keinen Umzug erlauben und somit Jugendliche aus unterentwickelten und zunehmend deindustrialisierten Regionen in die Röhre schauen. Zum anderen steigt bei den Kapitalist:innen die Unzufriedenheit mit den Vorqualifikationen aus der Schule.25

Ausbildungsgehälter und Klassenkampf von oben

Auszubildende verdienen meist lediglich einen Bruchteil dessen, was die restliche Belegschaft im Betrieb bekommt. Die Ausbildungsgehälter reichen in vielen Fällen nicht dafür, unabhängig von den eigenen Eltern zu werden. Dennoch erheben die Kapitalist:innen immer wieder ein schrecklich wehleidiges Gejaule darüber, was für ein riesiges Verlustgeschäft Auszubildende doch angeblich seien.

Natürlich entspricht das nicht der Wahrheit. Auszubildende zählen zu den im Betrieb besonders ausgebeuteten Arbeiter:innen. Ihnen obliegt es oft, die Drecksarbeit zu übernehmen. Dabei kommt das Unternehmen billiger weg, als wenn es etwa noch eine zusätzliche Reinigungs- oder Bürokraft ausbeuten würde. Des Weiteren erhöht es sowohl Produktivität der anderen Arbeiter:innen als auch die Spaltung im Betrieb, wenn die Auszubildenden Aufgaben für diese erledigen, ihnen zuarbeiten. Mit Fortschreiten der Ausbildung erledigen die Lehrlinge dann in zunehmendem Maße die gleiche Arbeit wie die älteren Kolleg:innen – bloß für viel weniger Geld. Wie bereits gesagt, sind sie ganz selbstverständlich ebenfalls Teil der Arbeiter:innenklasse.

Dennoch arbeiten die Kapitalist:innen darauf hin, auch aus den Auszubildenden einen höheren Mehrwert zu quetschen. Sie arbeiten deshalb vor allem in zwei Richtungen: 1. Die Verkürzung der Zeit in der Berufsschule und 2. die Übernahme der Ausbildungsgehälter durch den Staat, also in letzter Konsequenz durch die Arbeiter:innenklasse selbst. Ebenso wurden 2016 nur rund zwei Drittel der Azubis direkt übernommen.26

Dazu müssen wir aber ebenfalls anmerken, dass sich Gehälter in der Ausbildung sehr unterschiedlich gestalten können. In Ausbildungen, mit denen man später zur Stammbelegschaft großer Monopole zählt, beispielsweise bei VW oder der Bahn, kann man durchaus hohe Ausbildungsgehälter erhalten, die mit Einstiegsgehältern in ähnlichen Berufen bei kleineren Betrieben vergleichbar sind.

Für uns muss es darum gehen, gegen diese Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen der Arbeiter:innenklasse in der Betriebsarbeit anzukämpfen. Diese sind letztendlich ein Angriff auf die gesamte Klasse, da sie auch den Druck auf die restliche Belegschaft erhöhen.

Ebenso müssen wir gegen die Spaltung nach Generationen im Betrieb ankämpfen und die Kolleg:innen über juristische Grenzen hinweg, unabhängig von ihrem Alter und Beruf gemeinsam organisieren.

Studierende

Im Wintersemester 2022/23 studierten in Deutschland knapp 2,92 Millionen Menschen an Hochschulen und Fachhochschulen – nachdem über mehr als ein Jahrzehnt die Zahl der Studierenden beständig angewachsen war, ist diese Zahl nun erstmalig leicht zurückgegangen.27 Der Anstieg seit 1991 liegt dennoch bei gut 60 Prozent. Heute beginnt mehr als jeder zweite Jugendliche nach der Schule ein Studium. Damit sind die Studierenden die am schnellsten wachsende Gruppe innerhalb der Jugend. 2022 lag die Studienanfänger:innenquote bei 54,7 Prozent, auch hier scheint gegenüber dem Spitzenwert von 2019 mit 57,6 Prozent ein gewisses Plateau erreicht zu sein. Die Studienanfängerquote gibt den Anteil eines Jahrgangs an, der ein Studium aufnimmt28.

Wie bereits in unserer bisherigen Klassenanalyse ausgeführt, bedeutet dieser Anstieg der Anzahl an Studierenden keineswegs ein Schrumpfen der Arbeiter:innenklasse. Vielmehr rührt diese Entwicklung daher, dass die Arbeiter:innenklasse wächst und in ihrer Breite immer mehr und verschiedene Qualifikationen benötigt werden, um den Bedürfnissen der kapitalistischen Produktion gerechtzuwerden. Zentrale Ursachen hierfür sind die Entwicklung der Produktivkräfte in der industriellen Produktion, der wachsende Anteil von „immateriellen Waren“, wie Software oder IT-Dienstleistungen, und der wachsende Finanz- und Dienstleistungssektor. Das bringt ebenso Proletarisierungstendenzen in den vormals eher kleinbürgerlich geprägten Intellektuellen-Zwischenschichten mit sich.

Diese Proletarisierungstendenzen zeigen sich auch bei den Studierenden, die während ihres Studiums arbeiten. So ergab eine Studie aus dem Jahr 2023 von ver.di, der GEW und der bundesweiten Vernetzung der Initiativen für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (TV Stud), dass für studentische Beschäftige an Hochschulen und Forschungseinrichtungen Kettenbefristungen und Dumping-Löhne zum Alltag gehören. 16,7 Prozent der 11.000 Befragten gaben sogar an, im Durchschnitt 4,9 Wochen vor oder nach dem Vertragsbeginn ohne Bezahlung zu arbeiten. 39 Prozent sagten, monatlich unbezahlte Überstunden zu leisten.29 Darüber hinaus sind Praktika in zahlreichen Studiengängen Pflicht und „freiwillige“ Praktika gehören in zahlreichen Studienfächern zum Standard eines „vollständigen Lebenslaufs“. Für verpflichtende Praktika besteht keine Pflicht zur Vergütung, bei „freiwilligen“ Praktika erst ab einer Dauer von 3 Monaten.30 Dabei arbeiten Praktikant:innen an ihren Stellen oft voll. Nicht zu Unrecht sprechen selbst bürgerliche Kommentatoren von der „Generation Praktikum“.

An schlecht bezahlte und unsichere Arbeitsbedingungen werden Studierende also bereits während des Studiums gewöhnt. Viele von ihnen können sich aber mit dem daraus entspringenden geringen Verdienst nicht von ihren Eltern komplett unabhängig machen. In der Wirtschaftskrise konnte man bisher außerdem besonders anschaulich sehen, dass vor allem Jugendliche (und damit auch und in dieser Krise gerade Studierende) zu den Ersten zählten, die von Massenentlassungen betroffen sind. Das war insbesondere eine Folge der staatlichen Lockdown-Maßnahmen.

Es sind also insbesondere junge Akademiker:innen, die in derartigen unsicheren Beschäftigungsverhältnissen stecken. Sie werden besonders stark von den Proletarisierungstendenzen getroffen, die infolge des Anwachsens der Arbeiter:innenklasse auftreten. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung und der Notwendigkeit einer wissenschaftlich mehr und mehr und so schnell wie möglich qualifizierten Arbeiter:innenklasse richtet die herrschende Klasse auch ihre Bildungspolitik im Bereich der Universitäten aus. Ziel ist dabei vor allem die Verkürzung der Studienzeit und die schnellere Schaffung brauchbarer Arbeitskräfte. Die Studierenden sollen das Gleiche oder mehr in geringerer Zeit lernen, um möglichst schnell ausgebeutet werden zu können. Ein Beispiel hierfür sind die Bologna-Reformen, gegen die die Bildungsstreikbewegung 2008/2009 ankämpfte. Damals wurde das System der Bachelor- und Masterabschlüsse in Deutschland eingeführt. Dies passierte unter anderem, um die neu ausgebildeten Arbeitskräfte mit einheitlichen europäischen Universitätsabschlüssen auszustatten, um sie nach den Notwendigkeiten des Kapitals frei in Europa einsetzen zu können.

Andererseits wurde vor über 50 Jahren auch das Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) von der sozialliberalen Koalition in den 70ern eingeführt, um Arbeiter:innen die Möglichkeit zu geben, zu studieren. Dies war jedoch keine Wohltat der Bourgeoisie, sondern zwingend notwendig, um die Arbeiter:innenklasse auf das für die kapitalistische Produktion nötige Qualifikationsniveau zu bringen und zugleich eine sozialstaatliche Maßnahme, um die Jugendbewegung im Nachgang der 68er zu beschwichtigen. Bis zu 10.000€ müssen dabei ohnehin nach Abschluss des Studiums zurückgezahlt werden.

Die Studierenden als besonders stark gewachsende Gruppe, die zu großen Teilen in die Arbeiter:innenklasse übergehen wird und auch historisch immer wieder eine politisch vorantreibende Rolle gespielt hat, muss somit stärker in den Fokus unserer Aufmerksamkeit als Kommunist:innen rücken und darf nicht allein der Bourgeoisie und ihren bürgerlich-idealistischen Theorien überlassen werden.

Unabhängig von ihren Zukunftsaussichten ist die relative Armutsquote unter Studierenden traditionell jedenfalls sehr hoch. Im Jahr 2021 galten 37,9 Prozent der Studierenden als armutsgefährdet, das heißt, ihr Einkommen lag bei weniger als 60 Prozent des gesellschaftlich mittleren Einkommens. Unter denjenigen, die allein oder ausschließlich mit anderen Studierenden zusammenlebten, lag diese Zahl mit 76,1 Prozent sogar noch deutlich höher.31

Eine detailliertere Analyse der Lage der Studierenden wird im Zuge einer Analyse des Bildungssystems der Bundesrepublik Deutschland noch erfolgen müssen.

Voll erwerbstätige Jugendliche

Als besonders flexibler und gedanklich offener Teil der Arbeiter:innenklasse ist das junge Proletariat für uns Kommunist:innen von großer Wichtigkeit. Jugendliche Arbeiter:innen besitzen keine Produktionsmittel, sie gehen fast ausschließlich einer hauptsächlich ausführenden Tätigkeit nach und ihr Anteil am gesellschaftlichen Reichtum entspricht im Wesentlichen den Kosten der Reproduktion ihrer Arbeitskraft. Auch wenn wir bereits gesehen haben, dass neben dem Alter noch weitere Faktoren berücksichtigt werden müssen, bevor wir eine:n Arbeiter:in auf der Skala zwischen „Jugend“ und „Erwachsen“ einordnen können, so bleiben uns dennoch nur Statistiken, die zwischen diesen beiden Polen eine mechanische Trennung vollziehen, je nach Erhebung mit der Vollendung des 24., 25. oder 27. Lebensjahrs. Zu diesem Problem treten noch weitere Mängel der bürgerlichen Statistik hinzu, die bereits in den früheren Artikeln zur Klassenanalyse in Kommunismus #13 und #14 umrissen wurden. Die Frage, wie viele jugendliche Arbeiter:innen es denn nun gibt, kann hier also nur ansatzweise beantwortet werden.

Mit 4,3 Millionen zählen über die Hälfte der 8,4 Millionen 15- bis 24-Jährigen zur Erwerbsbevölkerung, das heißt sie sind für den Arbeitsmarkt verfügbar. Darunter ist etwa eine Viertelmillion arbeitslos und die übrigen erwerbstätig. „Erwerbstätig“ bedeutet jedoch lediglich die Ausübung von mindestens einer Stunde bezahlter Arbeit pro Woche und keineswegs, dass durch die eigene Erwerbstätigkeit der ganze Lebensunterhalt bestritten werden kann. In dieser Zahl inbegriffen sind also auch z.B. Schüler:innen und Studierende mit Minijobs, auch wenn diese zum Beispiel ansonsten von Unterstützung ihrer Eltern leben. Unter den erwerbstätigen 15- bis 24-Jährigen sind nur etwa 64.000 „selbstständig“ oder scheinselbstständig.32

Insgesamt galt im Jahr 2022, dass unter den 15- bis 24-Jährigen 50,5 Prozent ihr Auskommen vor allem durch Unterstützung von Angehörigen bezogen, 38,3 Prozent lebten hauptsächlich von ihrer eigenen Erwerbstätigkeit und 10,4 Prozent von staatlichen Transferleistungen oder öffentlichen Geldern. Gut 1,6 Millionen Menschen in dieser Alterskohorte galten laut dem statistischen Bundesamt als „kernerwerbstätig“, das heißt, sie befanden sich nicht in der Ausbildung oder in einem freiwilligen Dienstjahr.33

Wie viele Jugendliche also bereits hauptsächlich Teil des Produktionsprozesses sind, ist für uns aus den zur Verfügung stehenden Statistiken nicht exakt festzustellen.

In den folgenden Abschnitten wollen wir auf die Lebensbedingungen der jugendlichen Arbeiter:innen eingehen, mit Fokus auf Jugendliche, die sich nicht mehr in irgendeiner Form der Ausbildung befinden.

Löhne und Arbeitszeit

Geht man vom sogenannten normierten Standardeinkommen aus dem Jahr 2015 aus, bei dem der Lohn auf vierzig Stunden hochgerechnet wird, verdienten 15- bis 25-Jährige laut DGB damals 1.491 Euro Brutto monatlich.34 Bei diesem statistischen Wert wird der durchschnittliche Stundenverdienst auf 160 Arbeitsstunden im Monat hochgerechnet, um die Entlohnung auch bei unterschiedlichen Arbeitszeiten vergleichbar zu machen. 2015 betrug also das durchschnittliche Stundeneinkommen von Jugendlichen in diesem Alter 9,31 Euro. Dies liegt lediglich 81 Cent über dem damaligen Mindestlohn von 8,50 €.

Wie wir später sehen werden, sind Jugendliche öfter in Teilzeit oder atypisch beschäftigt, weswegen das tatsächlich durchschnittliche Einkommen in Wirklichkeit wohl um einiges darunter liegt. Dazu passt, dass 2010 ein Drittel der deutschen Erwerbstätigen im Niedriglohnsektor35 beschäftigt war, wobei darunter 715 000 Jugendliche waren. Zum damaligen Zeitpunkt war das die Hälfte der Jugendlichen, die sich nicht in irgendeiner Form der Ausbildung befanden.36

Je nach Verdienst ergibt sich bei vielen Jugendlichen eine große Unzufriedenheit über den eigenen Lohn. So gaben in der besagten DGB-Studie fast 40 Prozent der Jugendlichen, die bis zu 800 Euro verdienen, an, Belastungen aufgrund ihres Einkommens zu empfinden. Unter denen, die zwischen 801 und 1500 Euro verdienen, sind es sogar mehr als die Hälfte. Dieses auf den ersten Blick paradoxe Ergebnis ist so zu erklären, dass in die Gruppe der Jugendlichen mit einem Einkommen bis 800 Euro auch zahlreiche Jugendliche fallen, die nur als Nebentätigkeit arbeiten, also durch Eltern oder BAföG noch andere Einnahmequellen haben.

Dabei gaben fast 16 Prozent der jungen Beschäftigten an, außerhalb der regulären Arbeitszeit unbezahlt für ihren Betrieb zu arbeiten. Bei nur 39,1 Prozent der jungen Beschäftigten stimmte die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überhaupt mit der tatsächlichen Arbeitszeit überein. Der Rest leistet also regelmäßig Überstunden.

Atypische Beschäftigung

Wie aus unserer bisherigen Klassenanalyse hervorgeht, sind die atypischen Arbeitsverhältnisse auf bestem Wege, die künftigen normalen Arbeitsverhältnisse zu werden. So bekommen heute 44 Prozent der neu eingestellten Arbeiter:innen nur noch einen befristeten Arbeitsvertrag.

Unter den Jugendlichen als besonders ausgebeuteter und unterdrückter Teil der Arbeiter:innenklasse sind atypische Beschäftigungsverhältnisse besonders stark verbreitet. So sind fast die Hälfte der 15- bis 25-Jährigen atypisch beschäftigt, während diese Zahl in den darüber liegenden Altersklassen auf rund 20 Prozent zurückgeht.37 Von den atypisch beschäftigten 15- bis 25-Jährigen arbeiten hierbei mehr als 90 Prozent länger als zwanzig Stunden in der Woche. Rund ein Viertel der Arbeiter:innen unter 35 war im bisherigen Berufsleben ausschließlich befristet beschäftigt.38

Proletarisierungstendenzen

Auch heute wird noch immer das Märchen verbreitet, mit der richtigen Idee oder der richtigen Arbeitseinstellung könnte man es als Selbstständige:r oder Kleinunternehmer:in in Deutschland durchaus zu etwas bringen. Gerade diejenigen, die die Lebensrealität der Kleinbürger:innen von klein auf miterlebt haben, scheinen dieser Perspektive jedoch keinen rechten Glauben schenken zu wollen.

So ist es auch kaum verwunderlich, dass die Selbstrekrutierungsrate bei kleineren Unternehmen, die meist in der Hand von Kleinbürger:innen sind, seit 1976 drastisch zurückgegangen ist. Dieser Wert gibt an, wie hoch der Anteil der in einer bestimmten Position aktiven Menschen ist, deren Eltern die gleiche Position innehatten. Bei männlichen Unternehmern ist diese Selbstrekrutierungsrate von 1976 bis 2018 von 36 auf 19 Prozent gefallen, bei Frauen von 21 auf 15 Prozent.39

Da diese kleinen Betriebe zwischen den großen Weltmonopolen in der BRD aufgerieben werden, nimmt auch ihre Überlebensfähigkeit ab. Die Chance, einen intakten Betrieb zu übernehmen, sinkt für die Kinder des Kleinbürger:innentums. Die Proletarisierung schreitet auch hier voran und viele Kinder von Kleinbürger:innen gehen nach Abschluss ihrer Ausbildung in die Arbeiter:innenklasse über. Wohl aber nehmen sie bei ihrer Proletarisierung kleinbürgerliche Einflüsse mit in die Klasse und gegebenenfalls auch einige zehntausend Euro Starthilfe aus dem ehemaligen elterlichen Geschäft. Beides verschwindet erst allmählich.40

Jugendarbeitslosigkeit

Auch in Deutschland ist die Jugend stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als die restlichen Bevölkerungsteile. So sind die 15- bis 20-Jährigen (2018: 7,5 Prozent) die am stärksten und die 20- bis 25-Jährigen (2018: 5,7 Prozent) die am zweitstärksten von Erwerbslosigkeit betroffene Altersgruppe.41 Dennoch ist die Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich zu anderen Ländern in Europa, wie zum Beispiel Spanien oder Griechenland, sehr gering. Das hat mehrere Gründe. So ist Deutschland als starke imperialistische Macht krisenfester und konnte einen drastischen Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit bisher vermeiden. Dazu kommen diverse Tricksereien des Arbeitsamtes, die eine verdeckte Jugendarbeitslosigkeit entstehen lassen, die nicht von den offiziellen Statistiken erfasst wird. So zählen zum Beispiel Jugendliche, die eine Ausbildung suchen, nicht als arbeitslos.42

Ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist hierbei auch das deutsche Ausbildungssystem, in welchem Jugendliche viel längere Zeiträume verbringen als in anderen Ländern. Sogar zwischen Schule und Ausbildung gibt es sogenannte „ausbildungsvorbereitende Maßnahmen“ an deren Ende eine „Qualifikation“ steht, mit der man in keinem Betrieb seine Chancen auf Anstellung verbessert. Auf diese Weise wird die Jugendarbeitslosigkeit verdeckt und über die verschiedenen Altersgruppen gestreckt.43 Dabei gelten unter 25-Jährige als besondere Zielgruppe, die verstärkt in verschiedene Maßnahmen des Arbeitsamtes gesteckt wird.

Dies hat zum Beispiel dazu geführt, dass 2008 nur 18,3 Prozent der unter 25-jährigen Leistungsbezieher:innen als arbeitslos erfasst waren. Zu den Nicht-Erfassten zählen neben Schüler:innen und Azubis, die Zusatzleistungen brauchen, auch Jugendliche in Integrationsmaßnahmen wie 1-Euro-Jobs oder mit Jobs, die nicht ihr Existenzminimum sichern.

Es ist also klar, dass der Schein der zurückgehenden und niedrigen Jugendarbeitslosigkeit in der BRD trügt, obwohl sie auch unverdeckt nicht so hoch wäre wie in Südeuropa. Schaut man auf Statistiken zu jungen Leistungsbezieher:innen, springt der Unterschied zu den offiziellen Arbeitslosenzahlen klar ins Auge. Im Juli 2017 waren 420.000 Leistungsbezieher:innen in Ausbildung, Schule oder Studium und tauchten deswegen nicht in der offiziellen Arbeitslosenstatistik auf.44 Dem gegenüber waren im Januar 2018 290.000 Jugendliche unter 25 offiziell erwerbslos.45

Ebenso hat sich während der Wirtschaftskrise gezeigt, dass vor allem die Zahl der jungen Arbeitslosen sehr abrupt in die Höhe schnellen kann. Sie stieg in der Wirtschaftskrise von 242.832 (August 2019) auf über 324.139 (August 2020), den bisherigen Höhepunkt in dieser Krise, und sank bis August 2022 wieder auf 248.395, was fast genauso hoch wie im August 2021 ist.46 Insbesondere in ohnehin schon stark deindustrialisierten Regionen wird die Lage sich besonders verschärfen. Bereits jetzt liegt die Jugendarbeitslosenquote in Ostdeutschland, wo es viele dieser Regionen gibt, mit 8,4 Prozent deutlich über der im Westen (4,6 Prozent).47 Solche Regionen, in denen sich die Perspektivlosigkeit der Jugend ballt, gibt es aber nicht nur im Osten: Das Bundesland mit der höchsten Arbeitslosenquote war im August 2021 Bremen.

Unterschiede nach Geschlecht

Bereits in der Jugend machen sich deutliche Unterschiede zwischen den Arbeitsbedingungen der Geschlechter bemerkbar. Aufgrund der Schranken, die unserer Erkenntnis durch die bürgerliche Wissenschaft gesetzt werden, können wir hier nur auf die Unterschiede zwischen Männern und Frauen eingehen.

Der Gender Pay Gap, also der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen, fällt zwar geringer aus als bei älteren Beschäftigten. So liegt er bei unter 35-Jährigen bei „nur“ rund sechs Prozent, darüber bei etwa 23 Prozent.48 Jedoch lässt sich platt sagen, dass man von einem eh schon viel zu geringen Lohn nicht soviel weg nehmen kann. Schließlich ist die Kapitalist:in darauf angewiesen, dass auch die junge Arbeiterin ihre Arbeitskraft reproduzieren kann. Auch werden einige typische „Frauenberufe“ in der Ausbildung noch vergleichsweise gut entlohnt (bsp. Pflegeberufe). Vor allem stützt sich der spätere statistisch nachweisbare Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern zu einem guten Teil darauf, dass Männer häufiger und schneller in höhere Positionen aufsteigen.

Wie wir bereits im Kapitel zu Auszubildenden gesehen haben, gibt es in vielen Ausbildungsberufen sehr große Unterschiede zwischen der prozentualen Aufteilung der Ausbildungsstellen unter die Geschlechter. Nach der Ausbildung landen Frauen dann mit einer um neun Prozent höheren Wahrscheinlichkeit im Niedriglohnsektor. Ihre Chance, in ein höheres Einkommenssegment „aufzusteigen“, ist dabei um rund 40 Prozent geringer. Frauen absolvieren ebenfalls weniger Fortbildungs- und Meisterprüfungen als Männer. Letztere absolvierten 2017 rund zwei Drittel dieser Prüfungen, im Handwerk sogar vier Fünftel.49

Dass proletarische Frauen aufgrund ihrer mehrfachen Unterdrückung verhältnismäßig öfter in Teilzeit arbeiten, um die Reproduktionsarbeit zu bewältigen, macht sich ebenfalls unter jungen Arbeiter:innen bemerkbar. Von den Erwerbstätigen unter 35 sind nur vier Prozent der Männer in Teilzeit beschäftigt. Unter den Frauen sind es neun Mal so viele. Besonders krass ausgeprägt ist diese Tendenz in Westdeutschland, wo nur 59 Prozent der arbeitenden Frauen in dieser Altersgruppe eine Vollzeitstelle haben. In Ostdeutschland sind es dagegen 86 Prozent. Die Zahlen der Männer sind in Ost und West gleich.

Wir sehen also, dass wir auch unter jugendlichen Arbeiter:innen den Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit führen müssen. Ebenso muss auch hier der patriarchalen Unterdrückung und der Spaltung der Arbeiter:innen nach Geschlecht entgegen getreten werden.

Migrantische Jugendliche

Je jünger der Jahrgang, desto höher ist der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Deutschland. Hatten 2020 in der ganzen BRD 26,7 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, waren es bei den Menschen unter 5 Jahren 40,3 Prozent. Für diese Statistiken wird „Migrationshintergrund“ so definiert, dass eine Person oder mindestens ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt.

Nach dieser Definition ist insbesondere in vielen Großstädten ein großer Teil der Jugend migrantisch. So hatten 2020 in Bremen 64,3 Prozent der Jugendlichen einen Migrationshintergrund, in Hessen 51,5 Prozent und in Berlin 50,7 Prozent.50

Berücksichtigt werden muss bei diesen Zahlen jedoch, dass es einen deutlichen Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland gibt. So lag die Zahl der Migrant:innen nach obiger Definition im Westen bei 31,9 Prozent, im Osten hingegen bei lediglich 10,3 Prozent.

Nach einer Befragung unter Ausbildungsbewerber:innen im Jahr 2021 erreichten deutlich mehr Bewerber:innen ohne Migrationshintergrund zum Jahresende einen Ausbildungsplatz (43 %) als solche mit Migrationshintergrund (29 %), besonders benachteiligt waren in dieser Gruppe die Jugendlichen, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind (26 %).51

Wir sehen also, dass bei migrantischen Jugendlichen zwei besondere Formen der Unterdrückung zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken. Ihr wachsender Anteil an der Bevölkerung macht sie außerdem zu einer bedeutsamen Kraft. Für die kommunistische Jugendarbeit ist es unerlässlich, sich in Zukunft stärker auf diese Bevölkerungsgruppe zu stützen. Hier gibt es großen Nachholbedarf! Neben ökonomischen Kämpfen für den gleichen Lohn sind migrantische Jugendliche auch eine bedeutsame Kraft im Kampf gegen den Aufschwung des Faschismus und rassistische Demagogie.

Jugend auf dem Land

Unsere politische Arbeit findet derzeit vor allem in Großstädten statt. Die Lage der Jugend auf dem Land, das es strategisch ebenfalls zu erobern gilt, kommt dabei oft zu kurz. Deshalb wollen wir hier noch einmal kurz auf den Stadt-Land-Widerspruch eingehen, und wie dieser sich auf das Leben der Jugend auswirkt, welche Unterschiede er hervorbringt.

Grundsätzlich gilt auch hier das, was wir bereits in unserer Klassenanalyse der BRD zu diesem grundlegenden Widerspruch in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung herausgearbeitet haben.52

Zusammenfassend lässt sich dazu sagen:

  • Durch die Grundrente bleibt die Landwirtschaft hinter der Industrie und damit das Land hinter der Stadt zurück. Das Land wird durch die Städte ausgebeutet.

  • Auf dem Land werden durch die Dorfgemeinschaft eigentlich überkommene gesellschaftliche Verhältnisse, Traditionen etc. konserviert. Die klassenübergreifende Dorfgemeinschaft ist ein Hindernis bei der kommunistischen Arbeit auf dem Dorf. Dabei bewegt sich die Dorfgemeinschaft in einem Widerspruch von Zerfall und Selbstkonservierung.

  • Die BRD zeichnet sich gegenüber anderen imperialistischen Ländern unter anderem durch eine relativ ausgeglichene Bevölkerungsverteilung aus. Die Bevölkerung ist nicht allein in Großstädten konzentriert und schon gar nicht in wenigen Metropolen. Deshalb hat die Gewinnung von Provinzstädten und Dörfern hier eine besondere Bedeutung für den Erfolg des revolutionären Klassenkriegs.

Dementsprechend ist auch das Leben der Jugend auf dem Land ein anderes als in der Stadt. Das wollen wir hier analysieren.

Klassengesellschaft und Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft

Wie oben beschrieben gehen wir davon aus, dass die Jugend vor allem eine Phase der Eingliederung in die bürgerliche Gesellschaft ist. Aber wie sieht diese Eingliederung auf dem Land aus?

Zunächst einmal gehen wir davon aus, dass auch auf dem Land der Großteil der Bevölkerung zur Arbeiter:innenklasse zählt. Allerdings gibt es hier auch verhältnismäßig viel kleine Warenproduktion und klassenmäßige Zwischenformen. Beispielsweise ist in ostdeutschen Dörfern das landwirtschaftliche Halbproletariat eine sehr bedeutende Kraft, also Arbeiter:innen in Agrarunternehmen, die nebenbei auch selbst noch landwirtschaftlich tätig sind, was wiederum den Wert der Ware Arbeitskraft senkt.

Wenn Jugendliche hier in die Produktion eingegliedert werden, dann eben auch vor allem in die kleine Warenproduktion. Man beginnt beispielsweise auf dem Bauernhof der Nachbar:innen oder im Kleinbetrieb der Eltern zu arbeiten – und das meist nur durch Versorgung oder sehr gering vergütet. Auch das stärkt die klassenübergreifende Dorfgemeinschaft.

Auf der ideologisch-kulturellen Ebene ist man dann vor allem konservativeren Wertvorstellungen ausgesetzt, deren Einhaltung durch die Eltern oder die Dorfgemeinschaft durchgesetzt wird.

Freizeitangebote

Auf dem Land gibt es wenige Freizeitangebote – Tendenz weiter abnehmend. Die wichtigste Rolle spielen hier wohl Sportvereine und die Freiwillige Feuerwehr53. Vor allem im Osten gibt es noch Jugendklubs in einigen Dörfern, wobei auch hier die meisten seit der Annektion der DDR platt gemacht wurden.

Die Zahl der Vereine steigt dabei in den Städten an, während sich zwischen 2006 und 2017 mehr als 15.000 Vereine im ländlichen Raum aufgelöst haben.54

Auch die Jugendklubs sterben aus. Wenn sie existieren sind sie oft schlecht zu erreichen, da es auf dem Land einen deutlich schlechteren öffentlichen Nahverkehr gibt, gleichzeitig Jugendliche noch mehr auf ihn angewiesen sind.55

Abwanderung

Vor allem die Perspektivlosigkeit in vielen Regionen zwingt Jugendliche zur Abwanderung in die Städte, was wiederum zum Zerfall von Dorfgemeinschaften führt. Ausnahmen bilden hier Süddeutschland und die Dörfer im „Speckgürtel“ von Großstädten, in die viele Menschen aus der Stadt wegen der hohen Mieten abwandern und die faktisch ins Stadtgebiet eingegliedert sind.

Allerdings haben auch nicht alle Jugendlichen die Möglichkeit, das Land zu verlassen und sich eine eigene Wohnung zu suchen. Sie bleiben auf dem Land und reproduzieren die Dorfgemeinschaften.

Die Tendenz zeigt jedoch klar in Richtung der Abwanderung in die Städte. So sind zwischen 2014 und 2019 eine Viertelmillion mehr Menschen in die Städte gezogen, als von dort weg gezogen sind. Unter den 18- bis 29-Jährigen waren es sogar 460.000 Menschen.56 Wichtige Faktoren sind dabei höhere Löhne bzw. Arbeitsplätze. Wohnkosten spielen vor allem für 30- bis 49-Jährige eine Rolle, die größeren Wohnraum für ihre Familie brauchen.

Besonders von Abwanderung betroffen sind ländliche Regionen in Ostdeutschland mit Ausnahme des Berliner Speckgürtels, aber auch Regionen in Nordrhein-Westfalen, wie der Hochsauerlandkreis. Süddeutschland ist davon dagegen weitgehend unberührt bzw. verzeichnet sogar Zuzüge.

Die politische Ebene

Die politische Widerstandsbewegung in Deutschland interessiert sich für das Land wenig bis gar nicht. Andersherum sind auch die Menschen auf dem Land selten mit ihren Inhalten vertraut. Gleichzeitig haben auch die bürgerlichen Parteien hier Probleme, ihren Nachwuchs zu rekrutieren.57

Das begünstigt den Vormarsch der Faschist:innen, die diese Umstände ausnutzen und immer mehr in die Provinz vorstoßen, ihre Strukturen aufbauen und auch Angebote für Jugendliche schaffen. Das wird für uns ein Problem werden, wenn wir ins Land vorstoßen.

Für die kommunistische Jugendarbeit auf dem Land und in den Kleinstädten können wir noch festhalten, dass es sehr wichtig werden wird, in den Schulen und auch an den wenigen Orten, wo Jugendliche ihre Freizeit verbringen können, zu arbeiten. Dazu zählen Jugendklubs, die freiwillige Feuerwehr, Sportvereine etc.

Zusammenfassung

Fassen wir also die bisherigen Ergebnisse der Analyse der Stellung der Jugend noch einmal in gedrängter Form zusammen. Die jungen Arbeiter:innen (Auszubildende und junge Erwerbstätige) sind besonders ausgebeutete Bestandteile der Arbeiter:innenklasse. Die anderen Bestandteile der Jugend, wie die Schüler:innen und Studierenden, können den Klassen ihrer Eltern zugeordnet werden. Sie gehören also, wenn sie Kinder von Arbeiter:innen sind, ebenfalls dieser Klasse an.

Wie wir festgestellt haben, ist die Jugendarbeitslosigkeit zwar nicht so hoch wie in Griechenland oder Spanien. Sie ist aber definitiv um einiges höher, als vom Staat offiziell angegeben und wird durch die massive Arbeits- und Ausbildungsplatzvernichtung in der laufenden Wirtschaftskrise ansteigen.

Die Jugend ist dabei umso stärker den Angriffen der herrschenden Klasse ausgesetzt, ihr Lebensstandard verschlechtert sich ebenso. In vielen europäischen Ländern gelten die sogenannten „Millenials“ (Geburtsjahrgänge 1980-1999) als die erste Generation, der es schlechter geht, als ihren Eltern. Insbesondere steigende Lebenshaltungskosten, zum Beispiel bei Wohnungsmieten, werden von den stagnierenden Löhnen nicht ausgeglichen.58 Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, in Form von befristeten Verträgen, Praktika etc. sollen zuerst bei der Jugend zur Normalität gemacht werden. Wie der Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen in einigen Jahren in Deutschland aussehen, hängt also auch zu einem guten Teil davon ab, ob sich bei den Arbeiter:innen, die in neue schlechte Beschäftigungsverhältnisse gesteckt werden, Widerstand regt oder nicht.

Die bürgerliche Soziologie versucht diese Angriffe mit ihren Generationentheorien zu rechtfertigen. Heutzutage, meinen sie, sei die Jugend einfach mit weniger zufrieden. Sie sei eine Generation von Hedonist:innen und nur noch an „Freiheit“, Party und Drogen, nicht an einem guten Auskommen interessiert. Angeblich interessiert sich diese Generation nicht mehr für den Lohn und die Arbeitsbedingungen, wenn sie die Arbeit nur als interessant und „erfüllend“ empfinden kann.

Diese angebliche „Wissenschaft“ müssen wir als das entlarven, was es ist: Eine besonders geschickte Methode, die Interessen der herrschenden Klasse als die natürlichen Interessen einer neuen Generation von Arbeiter:innen auszugeben.

Klassenbewusstsein vs. Generationenkonflikt

Unter proletarischem Klassenbewusstsein verstehen wir im marxistisch-leninistischen Sinn das Bewusstsein über die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse in der kapitalistischen Klassengesellschaft und die historische Notwendigkeit, diese in der sozialistischen Revolution, geführt vom Proletariat und seiner Partei, zu beseitigen. Es ist klar, dass die Jugend dieses Bewusstsein nicht spontan aus sich selbst heraus entwickelt. So nehmen proletarische Jugendliche zwar unter Umständen auch Kampferfahrungen der Eltern und das daraus gewachsene Bewusstsein mit. Andererseits sind auch sie anfällig für die bürgerliche Ideologie, beispielsweise in Form des „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Märchens, welches zum Beispiel im Hip-Hop oder in Form von Youtuber:innen gerade seine Renaissance erlebt.

Ein weiteres Problem, vor das wir beim Herausbilden von Klassenbewusstsein gestellt werden, ist die Spaltung der Massen nach Alter in Form des sogenannten „Generationenkonflikts“ oder „Generationenkampfs“. Insbesondere in der Klimabewegung konnte man erleben, dass viele Jugendlichen einfach wütend auf die „Alten“ waren, die ihnen durch ihre angeblich unökologische Lebensweise die Zukunft geklaut hätten. Die Herrschenden geben sich ebenso Mühe, der Bevölkerung zu vermitteln, dass es den jungen Menschen gegenüber ungerecht sei, den älteren eine gute Rente zu zahlen. Ebenso mag es für viele junge Arbeiter:innen so scheinen, als seien die älteren Kolleg:innen die letztendlichen Nutznießer:innen und Schuldigen an ihrer besonderen Ausbeutung. An all diesen Konfliktherden müssen wir der Spaltung nach Generationen konsequent entgegentreten. Wir müssen der Jugend klar machen, dass die Kapitalist:innen es sind, die von ihrem Elend profitieren, dass sie unsere Zukunft klauen, und dass sie gefälligst einen ausreichenden Lohn zu zahlen haben, dass jede Generation noch eine Rente erhält. Die älteren Teile unserer Klasse und wir haben einen gemeinsamen Feind, die Kapitalist:innen. Wenn die Jugend ein sozialistisches Klassenbewusstsein erlangt, wird sie das umso besser erkennen und die Arbeiter:innenklasse wird sich nicht spalten lassen.

Auch sind die deutlich schlechteren materiellen Lebensbedingungen vieler jugendlicher Arbeiter:innen auf keinen Fall ausschließlich damit zu erklären, dass die Jugend eben besonders unterdrückt würde und in schlechte Arbeitsverhältnisse gedrängt wird, weil sie jung und unerfahren ist. Viel mehr sind diese Veränderungen als Ausdruck von langfristig geplanten Angriffen der Bourgeoisie auf die ganze Arbeiter:innenklasse zu betrachten. Entwickeln wir als Klasse keinen Widerstand, so werden die Niedriglöhne und unsicheren Arbeitsverhältnisse, die heute hauptsächlich der Jugend aufgezwungen werden, in ein paar Jahren die „normalen“ Arbeitsverhältnisse in der ganzen Klasse sein.

Wir Kommunist:innen müssen dieses Bewusstsein in die Jugendmassen tragen. Die Frage ist, wo wir ansetzen. Dabei können wir sowohl an die unterschwellig existierende Unzufriedenheit über die eigenen Lebensbedingungen als auch an spontane Jugendbewegungen (Lenin bezeichnete die spontane Bewegung in seinem Werk „Was tun?“ als die Keimform der Bewusstheit) anknüpfen.

Belastungen der Jugend

Oben sind wir bereits darauf eingegangen, dass sich in bestimmten Gruppen mit eher geringen Einkommen bis zu 56 Prozent der jungen Proletarier:innen durch ihre niedrigen Löhne belastet fühlen. In derselben Studie des DGB lässt sich ebenfalls erkennen, dass mehr als 60 Prozent der jungen Beschäftigten sich aufgrund der wahrscheinlich gering ausfallenden Rente psychisch belastet fühlen. Nach dem geringen Lohn rangieren Arbeitshetze und Zeitdruck auf den folgenden Plätzen der Belastungen ganz weit oben, die junge Beschäftigte vor allem im Gesundheitswesen und auf dem Bau erleben.

Ebenso wachsen in den letzten Jahren spürbar die Sorgen, die viele Jugendliche in Anbetracht globaler politischer Probleme empfinden. Insbesondere in puncto Klimawandel fühlen sich viele Jugendliche von der herrschenden Politik übergangen. Auch während der Corona-Pandemie konnte man das merken.

Gleichzeitig ging zwischen 1983 und 2010 die Wahlbeteiligung junger Erwachsener um 20 Prozent zurück. Auch bei der Bundestagswahl 2021 war die Wahlbeteiligung der 18- bis 20-Jährigen rund 10 Prozent niedriger als der Durchschnitt. Dies bringt sicherlich das besonders in der Jugend um sich greifende, richtige Gefühl zum Ausdruck, dass es keinen großen Unterschied macht, welche Partei die nächste Regierung bildet. Die Realität zeigt aber immer wieder, dass eine sinkende Wahlbeteiligung bei den bürgerlichen Parlamentswahlen eben gerade nicht mit politischem Desinteresse gleichgesetzt werden darf. Im folgenden Unterkapitel werden wir darauf eingehen, dass es wichtig ist, dass diese Gefühle nicht in die falschen Bahnen (z.B. Spontaneismus oder Generationenkampf) gelenkt werden.

Wie bereits angemerkt, sind des Weiteren junge Frauen, Migrant:innen und LGBTI+-Personen mehrfach von besonderer Unterdrückung und Ausbeutung betroffen.

Jugendbewegungen in Deutschland

In den letzten zwei Jahrzehnten gab es vor allem zwei Arten von Jugendprotesten und Bewegungen.59 Zum einen gab es Protestbewegungen mit klaren politischen Zielen, wie Fridays For Future oder die Bildungsstreikbewegung. Diese wurden vor allem von Jugendlichen aus dem Kleinbürger:innentum und besser gestellten Schichten der Arbeiter:innenklasse getragen, wie auch Umfragen unter Teilnehmer:innen an FFF-Veranstaltungen nahelegten. Jedoch gibt es hier dennoch qualitative Unterschiede. Während die Führung der FFF-Bewegung schnell durchsetzen konnte, dass Forderungen gestellt werden, die ohnehin auf der strategischen Linie des deutschen Staates liegen, wie eine neue Massensteuer auf CO2 oder ein Verbot von Verbrennermotoren, um der deutschen Autoindustrie Planungssicherheit zu geben; hat die Bildungsstreikbewegung immerhin mit dem Kampf gegen Studiengebühren oder gegen die gymnasiale Schulzeitverkürzung sehr klar die objektiven Interessen der Jugend gegenüber geplanten Reformen verteidigt.

Auf der anderen Seite gab es vor allem in anderen europäischen Ländern spontane, scheinbar unpolitische Aufstände von Jugendlichen in Großstädten, die Erfahrungen mit Armut, Chancen- und Perspektivlosigkeit, Rassismus und Unterdrückung im Allgemeinen gemacht haben. Beispiele hierfür gibt es immer wieder in den französischen Banlieus. 2020 sind diese Riots in Stuttgart und Frankfurt am Main nach Deutschland gekommen. Im Fokus stand dabei die Polizei. Jedoch fehlte eine politische Kraft, die die Proteste hätte bündeln und in eine dauerhafte organisierte Bewegung verwandeln können.

Beide Formen der Jugendproteste resultieren letztendlich aus einem Gefühl verschiedener Schichten der Jugend, übergangen zu werden und abgehängt zu sein. Die Gefahren des Generationenkonflikts und des Spontaneismus müssen jedoch durch eine systematische kommunistische Arbeit in beiden Formen der Jugendbewegung überwunden werden. Letztendlich muss das Ziel sein, aus beiden Protestformen Jugendliche für die sozialistische Revolution zu gewinnen und ebenso beide Protestformen durch das Aufstellen der richtigen Forderungen (z.B. Weltmonopole für Klimawandel zur Kasse bitten, Selbstschutz gegen Faschist:innen und Polizei aufbauen…) gegen den Kapitalismus zu richten.

Fazit

Revolutionäre Rolle der Jugend

Aus den von uns analysierten Zuständen folgt, dass die Jugend trotz ihres quantitativen Schrumpfens in Deutschland weiterhin eine besonders revolutionäre Rolle spielen kann. Dafür gibt es nach unserer Auffassung mehrere Ursachen:

Erstens werden jugendliche Arbeiter:innen besonders stark ausgebeutet. Die Angriffe auf die Arbeiter:innen erfolgen dabei unter anderem Generation für Generation, weshalb die Lebensbedingungen der Jugend sich in Anbetracht der verschärften Klassengegensätze verschärfen. Diese Position der Jugend in der Gesellschaft lässt Wut und Frust entstehen, fördert aber auch das Suchen nach Alternativen. Die Jugend hat ebenso weniger zu verlieren, wenn sie rebelliert.

Zweitens ist die Jugend ideologisch noch nicht in solch hohem Maße im Sinne des Imperialismus gefestigt, wie die älteren Bevölkerungsteile. Ihr fällt es verhältnismäßig einfacher, sich auch von gesellschaftlichen Verpflichtungen und Regeln zu lösen.

Zuletzt zeigt die Erfahrung, dass die Jugend auch in den letzten Jahren die Fähigkeit hatte, eigene Bewegungen hervorzubringen, eine eigene politische Kraft mit eigenen Forderungen zu sein.

Damit die Jugend diese revolutionäre Rolle aber spielen kann, muss sie von reaktionären Einflüssen gelöst werden, müssen die Kommunist:innen die Führung in den Jugendbewegungen erobern, Generationenkonflikt-Denken und andere bürgerliche Einflüsse (Beispiele sind hierfür das liberale Abfeiern der EU oder die Massensteuer auf C02, die in der FFF-Bewegung gefordert wurde) zurückdrängen und der Jugend in der alltäglichen Massenarbeit Klassenbewusstsein vermitteln. Doch wie geht das?

Schlussfolgerungen für die Jugendmassenarbeit – Thesen

Ziel unserer Massenarbeit ist es, die Massen zu aktivieren, zu politisieren und zu organisieren.60 Taktisch zielen wir dabei gerade auf die fortschrittlichen Teile der Massen ab. Diese wollen wir für den Kampf gegen den Kapitalismus, als sozialistische Aktivist:innen und letztendlich als Kader:innen für die Revolution und den Wiederaufbau der KPD als revolutionäre Kampfpartei gewinnen. Dafür wollen wir unter anderem möglichst ansprechende und niedrigschwellige Formen der Massenorganisation schaffen, die in Verbindung mit den Organisationsformen der Kommunist:innen stehen. Dies muss natürlich auch in der Jugend und ihren verschiedenen Bestandteilen, wie sie oben analysiert wurden, einen bestimmten Charakter einnehmen.

Allgemein

Auch heute noch ist die überwiegende Mehrheit der Jugend in der Bundesrepublik Deutschland ein Bestandteil der Arbeiter:innenklasse, mit besonderen Lebensumständen und psychischen Eigenheiten. Sie muss als solche in geeigneten Formen der kommunistischen Massenarbeit erfasst werden.

In Deutschland bilden sich immer wieder Jugendbewegungen, die vor allem von Schüler:innen und Studierenden getragen werden. In diesen müssen wir die bürgerliche Ideologie bekämpfen, sie mit den Kämpfen der Arbeiter:innen verbinden und die Spaltung überwinden sowie eine antikapitalistische Perspektive verbreiten. Hier gilt es ebenso, Aktivist:innen für Formen der Jugendmassenarbeit zu gewinnen, die möglichst allen Jugendlichen offenstehen.

Insbesondere der Generationenkonflikt, aber auch Märchen wie das des Tellerwäschers, der durch harte Arbeit zum Millionär wird, oder arbeiter:innenfeindliche Ansätze in gesellschaftlichen Bewegungen haben großen Einfluss auf Jugendliche. Gegen diese müssen wir eine besondere Propaganda entwickeln. Das Schüren des Generationenkonflikts und das Verharren im Antiautoritarismus sind die Hauptgefahren in der politischen Jugendarbeit und müssen durch Aufklärung und die Einheit der Arbeiter:innenklasse bekämpft werden.

Wie wir immer wieder sehen, kann es auch in Deutschland zu angeblich unpolitischen massenhaften Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen, bei denen sich der Frust der Jugend vor allem an den staatlichen Repressionsbehörden entlädt. Als Kommunist:innen müssen wir in diese Aufstände politische Forderungen tragen, die der konkreten Situation angepasst sind. International hat es solche Aufstände wiederholt auch in Europa gegeben. Es ist damit zu rechnen, dass sie auch in Deutschland wieder vorkommen. Sie sollten nicht ins Leere laufen.

Migrantische Jugendliche bilden einen Großteil der Jugend und müssen je nach Situation in Schule, Uni und Betrieb organisiert werden. Gleichzeitig kommt ihnen eine entscheidende Rolle beim Kampf gegen Rassismus und die staatlichen Repressionsbehörden und ihre alltägliche Schikane gegen die Jugend zu. Bei der Organisierung migrantischer Jugendlicher hat die kommunistische Bewegung in Deutschland großen Nachholbedarf. Gerade in den Großstädten ist diese jedoch für die kommunistische Jugendarbeit unerlässlich.

Auch der Kampf gegen das Patriarchat muss in unserer Jugendarbeit besonders stark in den Fokus genommen werden, immerhin ist die Jugend einer der Lebensabschnitte, in dem sich Persönlichkeitsmerkmale und Sexualität am stärksten verändern und ausprägen. So wie der ideologische Bruch mit dem Kapitalismus in diesem Alter oft leichter fällt, stehen auch hier die Chancen besser, die vom Patriarchat je nach Geschlecht vorgesehene gesellschaftliche Rolle erfolgreich und nachhaltig in Frage zu stellen.

Wie wir in den folgenden Thesen feststellen werden, müssen Jugendliche perspektivisch in Betriebs- (mit den anderen Arbeiter:innen zusammen), Universitäts- und Schulstrukturen organisiert werden. Gleichzeitig ist es notwendig, diese Kämpfe zu verbinden und ihnen ein gemeinsames organisatorisches Dach zu geben.

Auch wenn der Anteil der Jugend an der Gesamtbevölkerung in Deutschland quantitativ sinkt, heißt das nicht, dass die Jugend als besonderer für die Organisierung jeder revolutionären Bewegung wichtiger Sektor der Gesellschaft an Bedeutung einbüßt.

Schüler:innen

Historisch haben Schüler:innen immer wieder zeitweise eine wichtige gesamtgesellschaftliche Rolle gespielt und Schüler:innenbewegungen haben sich oft als ergiebige Ausbildungsstätte für junge Revolutionär:innen erwiesen.

Auch an Schulen können Kämpfe um die konkreten Lehr- und Lernbedingungen geführt werden, bei denen die Kommunist:innen in erster Reihe stehen und diese mit politischen Forderungen verbinden sollten. (Zum Beispiel im Kampf gegen konkreten Leistungsdruck mit der Forderung nach Durchschnittsabschlüssen und Rückkehr zu G9 oder Kampf für eine Sanierung des Schulgebäudes mit der Forderung des Zusammenstreichens des Militäretats zugunsten der Bildung.) Hierbei muss stets die Erkämpfung einzelner Verbesserungen an einer Schule mit dem Kampf gegen das ganze Schulsystem in seiner heutigen Form verbunden werden.

Da die Schule neben der Produktion neuer Arbeitskräfte für die kapitalistische Produktion auch die Funktion erfüllen soll, die bürgerliche Ideologie tief in den Köpfen der Schüler:innen zu verankern, sind wir ständig mit ihr konfrontiert. Andererseits bietet dies aber auch einen ständigen Anlass zur grundlegenden Diskussion und Kritik wichtiger Eckpfeiler der bürgerlichen Ideologie. Erfahrungsgemäß sind viele Schüler:innen für solche Diskussionen noch verhältnismäßig offen.

Im Vergleich zu Betrieben droht in Schulen verhältnismäßig begrenzte Repression. Diese Freiräume müssen restlos ausgenutzt werden. (Nutzung von Räumlichkeiten, Halten von Vorträgen, etc.)

Durch das tägliche Zusammenkommen sind Schulen für eine langfristig angelegte Massenarbeit außerordentlich gut geeignet. Es steht an, in Zukunft Schulgruppen der Massenorganisationen sowie kommunistische Schulzellen zu bilden, die den politischen Kampf an den Schulen führen und planen können und dabei von Generation zu Generation an der Schule erhalten bleiben.

Studierende

Studierende sind historisch gesehen ein wichtiger Bündnispartner der Arbeiter:innen gewesen. Wie wir oben herausgearbeitet haben, gehören heute große Teile von ihnen selbst zur Arbeiter:innenklasse und sind mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen konfrontiert. Hier gilt bezüglich ökonomischer Kämpfe und dem Aufbau politischer Organisationen in der Uni grundsätzlich das Gleiche wie für Schüler:innen. Eine Hauptrichtung des politischen Kampfes an den Universitäten wird sich in Zukunft gegen die weiteren Versuche der Kapitalist:innen richten, die Zeit bis zur Nutzbarmachung der Arbeitskraft weiter zu verkürzen. Neue Bologna-Reformen müssen verhindert werden.

Da die modernen Universitäten die Orte sind, an denen die bürgerliche Ideologie in ihrer akademischen Form ausgearbeitet wird, bergen sie zugleich das Potenzial, Schauplätze des ideologischen Klassenkampfes zu werden. Wenn sich die Marxisten-Leninist:innen aber für eine solche Arbeit nicht organisieren und zusammenschließen, werden sie unweigerlich umzingelt von der bürgerlichen Ideologie unterliegen.

Neben der in sehr konzentrierter Form vermittelten bürgerlichen Ideologie stellen insbesondere die zersplitterter Struktur des Studiums und die längeren regelmäßigen Unterbrechungen des Unialltags zu lösende Herausforderungen beim Aufbau einer kontinuierlichen Studierendenarbeit dar.

Junge Arbeiter:innen

Junge Arbeiter:innen müssen, egal ob in Ausbildung oder nicht, gemeinsam mit den anderen Arbeiter:innen in ihrem Betrieb organisiert werden. Organisationsformen für Auszubildende nach dem Vorbild der historischen Lehrlingsbewegung in den 1970er Jahren können jedoch eine Ergänzung hierzu darstellen.

Der sogenannte „Generationenkonflikt“ in allen Erscheinungsformen muss überwunden werden, indem gemeinsame Kämpfe geführt werden. Zentrale Forderungen müssen sein, dass gleiche Arbeit gleich bezahlt wird, dass Auszubildende übernommen werden, unbefristete Verträge bekommen und dass die Berufsschulzeit nicht weiter verkürzt wird. Diese Forderungen müssen aber auch mit konkreten, an die Situation angepassten, politischen Forderungen verbunden werden.

Schluss

In den vorliegenden Ausarbeitungen haben wir dargestellt dargestellt, was Jugend eigentlich ist – der Lebensabschnitt der Eingliederung in die kapitalistische Produktion – und wieso Jugendliche eine Klasse haben. Anschließend haben wir uns mit den tatsächlichen Lebensbedingungen der, sich in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit befindlichen, Jugendlichen beschäftigt und konnten daran nachweisen, weshalb es tatsächlich ein Potenzial der proletarischen Jugend gibt, eine besonders revolutionäre Rolle zu spielen. Nämlich deshalb, weil Jugendliche zum einen einen besonders ausgebeuteten Teil der Arbeiter:innenklasse darstellen, zum anderen weil die bürgerliche Ideologie noch nicht so fest in ihrer Persönlichkeit verankert ist. Wir haben aber auch dargestellt, dass sie diese Rolle nicht spontan einnehmen werden, sondern es eine besondere Arbeit unter Jugendlichen braucht, um sie von bürgerlichen Einflüssen loszureißen und für die Revolution zu gewinnen. Für eine solche Arbeit unter Schüler:innen, Studierenden und jungen Arbeiter:innen haben wir erste Ansatzpunkte benannt.. Nun gilt es diese Ausführungen zur Praxis werden zu lassen.

Das heißt ganz konkret, die Kämpfe für die drängendsten Bedürfnisse der proletarischen Jugendlichen an ihren Ausbildungs- und Arbeitsplätzen zu entfalten, unsere jugendlichen Klassengeschwister durch diese zu aktivieren, zu politisieren und zu organisieren und anhand praktischer Erfahrungen aufzuzeigen, wieso die einzige Lösung für die Probleme der Jugend die proletarische Revolution und der Sozialismus sein kann. Nehmen wir die Erkenntnisse dieser Ausarbeitung also als Basis, um das berühmte Zitat Karl Liebknechts zur Realität werden zu lassen und durch unermüdliche Arbeit die Jugend tatsächlich zur reinsten Flamme der Revolution heranzuziehen.

1vgl. Liebel, Manfred; Jugend in der Klassengesellschaft , Kapitel: Jugend als Gegenstand bürgerlicher Soziologie

2Zitiert nach: Lenin, W.I.: Die große Initiative, Dietz Verlag 1979, S. 34

3Stiftung Familienunternehmen: Familienunternehmen in Deutschland und den USA seit der Industrialisierung. S. 147

4Vgl. Monitor Jugendarmut in Deutschland 2020. Herausgegeben von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit

5Statista Research Departement. 2.2.2022

6Statistisches Jahrbuch 2019, S. 57

7Ebd. S. 31

8Statistisches Jahrbuch 2019, S. 366

9Ebd.

10Die industrielle Reservearmee bezeichnet in der marxistischen Ökonomie die Masse der arbeitslosen Arbeiter:innen, da sie tatsächlich wenn die Konjunktur besonders gut läuft in die Produktion hineingezogen werden und in Krisenzeiten wieder abgestoßen werden.

11Statistisches Jahrbuch 2019, S.87

12INSM-Bildungsmonitor

13Dietrich, Hans: Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit Jugendlicher, S. 3, 2017

14Vgl. Kommunismus #13 Struktur der ArbeiterInnenklasse

15Fußnote 15: Dietrich, Hans: Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit Jugendlicher, S. 22, 2017

16Schüler nach Schulabschluss der Eltern. Bundeszentrale für politische Bildung. 5.6.22

17Bildungsstand der Bevölkerung in Deutschland nach Alter und Schulabschluss 2022. Bundeszentrale für politische Bildung.

18Vgl. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/viele-schulen-in-deutschland-in-schlechtem-zustand

19Vgl. deutschlandfunkkultur.de/dak-studie-zu-psychischen-krankheiten-jeder-vierte-schueler-100.html

20Vgl.https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-11/psychische-erkrankung-depression-jugendliche-dak-krankenkasse-studie

21Vgl. spiegel.de/panorama/bildung/corona-mehr-depresionen-bei-jugendlichen-durch-schulschliessungen-a-2d9fcd20-7740-4060-93c2-46775f33cfad

22Vgl. Statistisches Jahrbuch 2019, S. 101

23 Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung Jugendarbeitshilfe

24Berufsbilundgsbericht der Bundesregierung, Mittwoch 6. Mai 2020

25Vgl. Eichhorst, Thode: Erwerbstätigkeit im Lebenszyklus, S. 15

26Dietrich, Hans: Erwerbsarbeit und Arbeitslosigkeit Jugendlicher, Seite 2

27Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts vom 30. November 2022

28Schnellmeldungsergebnisse der Hochschulstatistik zu Studierenden und Studiumsanfänger/-innen zum WiSe 2022/2023

29Hopp, Hoffmann, Zielke, Leslie, Seeliger – Jung, akademisch, prekär. Januar 2023

30Unicum.de/de/studendenleben/jobben/praktikum-waehrend-des-studium

31Pressemitteilung Nr. N066 des Statistischen Bundesamts vom 16. November 2022

32Zur Kritik an den „Selbstständigen“ in bürgerlichen Statistiken siehe Kommunismus #13 S. 48.

33Pressemitteilung Nr. N051 des Statistischen Bundesamts vom 11. August 2022

34DGB Studie Gute Arbeit 2015, S. 8

35Im Niedriglohnsektor befindet man sich, wenn man weniger als zwei Drittel des Durchschnittslohns verdient. In Deutschland gibt es einen der größten Niedriglohnsektoren in Europa.

36Vgl. Yvonne Ploetz, Jugendarmut – Beiträge zur Lage in Deutschland, „Jugendarmut – ein Problem neben vielen?“

37Vgl. DGB

38Vgl. Yvonne Ploetz, Jugendarmut – Beiträge zur Lage in Deutschland, „Jugendarmut im flexibilisierten Kapitalismus“

39Besetzung von Klassenpositionen nach sozialer Herkunft. Bundeszentrale für Politische Bildung. 10.3.21.

40Zur Frage des Bewusstseins bei der Proletarisierung des Kleinbürger:innentums ist J.W. Stalins „Anarchismus oder Sozialismus?“ zu empfehlen, in welchem er den philosophischen Leitsatz des Marxismus „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ auf dieses Beispiel anwendet.

41Vgl. Statistisches Jahrbuch, S.367

42Vgl.Roth: Nebensache Mensch

43Vgl. Erwerbstätigkeit im Lebenszyklus, Seite 4

44O-Ton Arbeitsmarkt: Hartz-IV-Empfänger: Nicht einmal jeder Zweite ist offiziell arbeitslos. 8. Dezember 2017

45Monitor Jugendrmut 2018. Bundesgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit

46Zahlen aus den Monatsberichten der Bundesagentur für Arbeit. Personen zwischen 15 und 25 Jahren.

47Joscha Wagner: Jugendarbeitslosigkeit – Die Krise hält an. 05.05. 2021. jugend.dgb.de

48Vgl. DGB Gute Arbeit, Kapitel 3, Geschlechtsspezifische Unterschiede

49Vgl. Statistisches Jahrbuch 2019, S. 109

50Bundeszentrale für politische Bildung: Bevölkerung mit Migrationshintergrund nach Alter. 01.01.2022

51Bundesinstitut für Berufsbildung: Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2022. S. 296

52Siehe Kommunismus 19, Seite … ff.: Der Widerspruch zwischen Stadt und Land und Kommunimus 14 „Die räumliche Struktur der Klassengesellschaft in Deutschland“

53Die Freiwillige Feuerwehr auf dem Land https://www.lebensguthessen.de/2021/10/22/die-freiwillige-feuerwehr-auf-dem-land/

54Deutschlands Vereine sind auf Landflucht, ZEIT Online, 5. September 2018 https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-09/vereinssterben-vereine-land-laendlicher-raum-statistik

55Jugend auf dem Land: Vergessen, abgeschnitten, nicht geduldet, MDR, 5. Dezember 2021 https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/sued-thueringen/ilmenau-ilmkreis/jugend-auf-dem-land-100.html

56Die Landflucht der jungen Deutschen, Spiegel Online, 24. Oktober 2019 https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/deutschland-die-extreme-landflucht-der-jungen-und-ihre-gruende-a-1292981.html

57Die bürgerlichen Parteien haben im Allgemeinen ein Nachwuchsproblem. Auf dem Land sehen Politikwissenschafler:innen jedoch einen konkreten „Bewerbermangel“ auf Bürgermeisterposten, siehe „Niemand will mehr Bürgermeister werden – woran liegt das?“, Stuttgarter Zeitung, 2. Dezember 2019 https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.amt-in-baden-wuerttemberg-niemand-will-mehr-buergermeister-werden-woran-liegt-das.a686fda7-b0a0-401c-a0ae-f9c6a123928b.html

58OECD: Under Pressure: The Squeezed Middle Class

59Suterlüty: Jugendproteste, Handbuch Kindheits- und Jugendsoziologie, S. 749-760

60Dazu zu empfehlen: Unser Artikel zur kommunistischen Massenarbeit im Buch „Die Grundlagen kommunistischer Arbeit“