Heute werden alle Menschen im Kapitalismus und im bestehenden Patriarchat sozialisiert. Niemand kann sich einfach von den Eigenschaften, die uns anerzogen werden, freisprechen, egal wie weit das politische Bewusstsein reicht. Das Patriarchat ist ein Unterdrückungsverhältnis, welches seit Jahrtausenden existiert und so tief ist es auch in den Köpfen und dem Verhalten der Menschheit verankert. Im Patriarchat, das heißt bei der Unterdrückung der Frau auf Grund ihres Geschlechts, nimmt jeder Mann die gesellschaftliche Rolle des Unterdrückers ein, jede Frau die gesellschaftliche Rolle der Unterdrückten. Dieses Verhältnis besteht nicht nur in der gesamten bürgerlichen Gesellschaft, es spiegelt sich mit all seinen unterschiedlichen Facetten ebenso in unserer Klasse, der politischen Widerstandsbewegung und der revolutionären und kommunistischen Bewegung wider.

Unsere Aufgabe ist es, das Patriarchat überall wo es uns begegnet zu bekämpfen. Hierbei ist es jedoch notwendig, dass wir die verschiedenen Facetten des Patriarchats und die darauf aufbauenden Verhaltensweisen konkret betrachten, um richtig damit umgehen und dagegen kämpfen zu können.

Welche Rolle spielt Gewalt im Kapitalismus?

Jedes Unterdrückungsverhältnis wird durch eine Vielzahl an Methoden aufrechterhalten. Diese Methoden können integrativ sein, also zur scheinbar freiwilligen Unterwerfung führen, oder aber mit Gewalt eine Unterwerfung erzwingen. Besonders der Imperialismus hat eine große Vielfalt an solchen integrativen Methoden entwickelt. Dennoch spielt Gewalt in der ein oder anderen Form auch heute eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung sowohl der Klassengegensätze als auch der patriarchalen Unterdrückung. Patriarchale Gewalt dient also dazu, die Unterdrückung der Frau aufrecht zu erhalten und die Vormachtstellung des Mannes zu schützen. Gewalt führt dazu, dass Frauen klein gehalten werden und sie keinen Widerstand leisten.

Die Frauen verschiedener Klassen sind auf unterschiedliche Arten vom Patriarchat betroffen. Als Unterdrückungsverhältnis besteht es erst einmal klassenübergreifend. Auf Grund der Verwobenheit mit dem Kapitalismus profitieren die Frauen der Bourgeoisie jedoch indirekt durch die Aufrechterhaltung des Patriarchats und tragen genauso dazu bei. Der Kapitalismus profitiert von der Unterdrückung auf Grund des Geschlechts in verschiedenen Formen. Sein es die unbezahlte Reproduktionsarbeit, oder die schlechtere Bezahlung der Arbeiterinnen und „frauenspezifischen“ Berufe. Des Weiteren wird das Patriarchat, wie auch andere Unterdrückungsformen, genutzt, um die Arbeiter:innenklasse gezielt zu spalten und einen vereinten Kampf gegen das herrschende System zu verhindern. Patriarchale Gewalt kann jede Frau, egal welcher Klasse sie angehört, treffen. Hier haben die Frauen der Bourgeoisie teils andere Möglichkeiten dagegen vorzugehen oder einen Umgang damit zu finden. Beispielsweise ist der Wechsel des eigenen Wohnorts einfacher möglich und sie verfügen über andere finanzielle Mittel. Auch wenn ein „gesellschaftlicher Abstieg“ droht, droht ihnen nicht der Wegfall jeglicher Lebensgrundlage.

Wo beginnt patriarchale Gewalt?

Um einen richtigen Umgang mit patriarchaler Gewalt und patriarchalem Verhalten zu finden müssen wir beides auseinanderhalten. Hierbei dürfen verschiedene Fehler nicht gemacht werden. Etwas als patriarchales Verhalten oder patriarchale Gewalt zu definieren hat nichts damit zu tun,wie „schlimm“ es für die Betroffene war. Niemals darf die Diskussion allein so geführt werden, ob etwas „schlimm“ genug war, um als das eine oder das andere definiert zu werden. Die politische Einordnung und konkrete Definition ist vor allem für unseren Umgang und Entscheidungen, die wir als Kommunistinnen treffen und die Frage mit welchen Konsequenzen und Strafen die Täter rechnen müssen wichtig.

Jedoch ist die Frage, wann etwas Gewalt oder patriarchales Verhalten ist und wann nicht, nicht in jeder Situation so einfach zu beantworten. Die Grenze zwischen patriarchalem Verhalten und patriarchaler Gewalt verläuft fließend. Was in einer Situation eine patriarchale Verhaltensweise ist, kann sich in Zukunft zu Gewalt entwickeln. Ein Beispiel dafür ist das Unterbrechen von Frauen. Wenn das ab und zu geschieht, ist das ein klares Fehlverhalten und es muss daran gearbeitet werden, es hat jedoch eine ganz andere Qualität und es steht eine ganz andere Absicht dahinter, als wenn der Frau immer systematisch das Wort abgeschnitten wird, um ihr zu zeigen, dass sie in Anwesenheit des Mannes nichts zu sagen hat.

Folgendes kann bei der Diskussion helfen, ob es sich bei etwas um patriarchale Gewalt handelt und wie wir Situationen bewerten:

1. Eine Gewalttat wird nach dem definiert was der Täter tut, nicht danach wie die Betroffene reagiert, wie es sich anfühlt oder wie das Geschehene durch die Betroffene verarbeitet wird. Denn jeder Mensch ist unterschiedlich. Was der einen Person dem Anschein nach wenig schadet, kann für die nächste bereits traumatisierend oder retraumatisierend sein.

2. Die Ursache ist das Primäre, um zu untersuchen, ob es patriarchal ist. Nur weil sich ein Fehlverhalten oder Gewalt gegen eine Frau richtet, muss es nicht in allen Fällen patriarchalen Ursprungs sein. Ein Beispiel dafür wäre eine gewalttätige Auseinandersetzung mit Faschist:innen. Wird dabei eine Faschistin durch Antifaschisten verletzt, dann ist die Ursache dafür (in der Regel) kein patriarchales Verhaltensmuster, kann es aber je nach Motivation bzw. Hintergrund sein.

3. Mit welcher Häufigkeit und in welchem Kontext wurde die Verhaltensweise ausgeübt? Wie schon oben geschrieben kann auf Grund der Häufung von Fehlverhalten die Intention dahinter analysiert werden und unter Umständen andere Konsequenzen daraus gezogen werden.

Natürlich gibt es auch eindeutige Fälle. Die vorhergegangenen Punkte sind eine Hilfestellung für die ernsthafte Aufarbeitung solcher Fälle, sie können helfen wenn eine Situation unklar ist. Sie dürfen in keinem Fall genutzt werden, um dem Täter Verantwortung abzusprechen à la „Da war er einfach gereizt, das ist die Ursache für den Streit“.

Gewalt tritt in verschiedensten Formen auf

Gewalt kann unterschiedliche Formen annehmen, dabei muss man zum einen unterscheiden durch wen sie ausgeübt wird: Durch den Staat, einzelne Institutionen oder eine einzelne Person bzw. Personengruppe? Und in der Folge muss weiter unterschieden werden, in welcher speziellen Form sie sich ausdrückt. Handelt es sich um psychische oder physische Gewalt?

Staatliche und institutionelle Gewalt

In vielen bürgerlichen Texten zum Thema Gewalt an Frauen, aber auch in Texten zur Unterdrückung verschiedener Minderheiten, wird heute von „struktureller Gewalt“ gesprochen. Doch was steht hinter diesem Begriff?
Der Begriff strukturelle Gewalt wird sehr unterschiedlich genutzt. In einigen Texten wird damit jegliche Unterdrückung, die in der kapitalistischen Gesellschaft stattfindet, zu Gewalt gezählt. Formen, die in unserer Gewaltdefinition erst einmal nur ein Symptom der systematischen Unterdrückung des weiblichen Geschlechts sind, fallen dort unter Gewalt, z.b. die Tatsache, dass Frauen schlechter bezahlt werden. In anderen Texten wird noch weitergegangen. Dort zählt jede Form der Diskriminierung bereits als Gewalt, das Wort „Bonze“ könnte damit schon als psychische Gewalt gegen reiche Menschen gezählt werden.

Insgesamt verwischt der Begriff der strukturellen Gewalt die Unterdrückung auf Grund der Klassenzugehörigkeit und des Geschlechts. Es wird vermieden eine klare Ursache, also Kapitalismus und Patriarchat, zu benennen. Stattdessen wird nur über abstrakte Strukturen gesprochen, ohne diese näher zu betrachten. Außerdem wird nicht klargestellt wie Gewalt zu definieren ist, welche Handlungen also tatsächlich darunter fallen. Im Gegenteil, jede Form der Unterdrückung, Diskriminierung oder Ungleichbehandlung wird zu Gewalt. Zusätzlich dazu sind die bürgerlichen Gewaltdefinitionen häufig zu unspezifisch und haben eine falsche moralistische Haltung zu Gewalt, z.b. die pazifistische „Alle Gewalt ist schlecht“ oder eben die staatstreue Haltung, in der nur der kapitalistische Staat Gewalt ausüben darf und revolutionäre Gewalt verurteilt wird.

Mit dem Begriff der strukturellen Gewalt gibt es noch ein weiteres Problem, denn es gibt  in dieser Definition keinen Ausübenden. Gewalt ist dem System zwar in so fern tatsächlich immanent, dass die herrschende Klasse es ohne Gewalt nicht aufrecht erhalten kann, das bedeutet jedoch nicht, dass es keine direkten Täter:innen mehr gibt. Gewalt einfach als „strukturell“ zu bezeichnen nimmt die Möglichkeit konkrete Forderungen an Institutionen, Organisationen oder Personen zu stellen bzw. konkrete Kämpfe zu führen und Konsequenzen zu ziehen, was allerdings dringend notwendig ist,um die Täter:innen zur Rechenschaft zu ziehen und Gewalt somit zu verhindern. Aus diesen Gründen sprechen wir nicht von „struktureller Gewalt“, sondern von „staatlicher“ und „institutioneller Gewalt“.

Staatliche Gewalt ist Gewalt, die durch den Staat und seine Organe ausgeübt wird. Fehlende Bildung, Förderung usw. zählen nach unserem Gewaltbegriff nicht zu Gewalt, sondern sind Symptom einer Unterdrückung auf Grund der existierenden patriarchalen Klassengesellschaft. Beispielhaft für staatliche Gewalt wären verschiedene Formen der Repression, z.B. körperliche Gewalt auf Demonstrationen, bei Festnahmen, Abschiebungen, Freiheitsstrafen oder auch psychische Gewalt mit der Zeug:innen erpresst oder Menschen auf den Ämtern zu einem gewollten Verhalten genötigt werden.

Institutionelle Gewalt meint dann die Gewalt,die durch eine andere Institution als vom Staat ausgeübt wird. Als Beispiele können hier die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, Sekten, Kinderheimen, Frauenhäusern oder in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung genannt werden, sowie ihre systematische Vertuschung. Hier muss man schauen an welcher Stelle man von individueller und an welcher man von institutioneller Gewalt spricht. Ist es innerhalb einer Institution zunächst nur ein konkreter Fall, dann ist es individuelle Gewalt und noch keine institutionelle. Passiert es jedoch häufiger, ergibt sich ein bestimmtes Muster, wird es von der Institution gebilligt oder gar vertuscht, dann handelt es sich um institutionelle Gewalt.

Wird die Gewalt innerhalb einer Institution oder von einer oder mehreren Personen ausgehend zunächst nur in einem konkreten Fall angewandt, dann ist es individuelle Gewalt und keine institutionelle oder staatliche Gewalt. Die Kategorie der individuellen Gewalt nutzen wir also um einen Täter oder Täterkreis klar zu definieren. Wir lösen die Gewalt damit jedoch nicht aus ihrem gesamtgesellschaftlichen Kontext, denn nur weil die Gewalt von einem Individuum ausgegangen ist, ist sie kein Einzelfall.

Psychische und physische Gewalt

Psychische Gewalt wird in dieser Gesellschaft oft übersehen und noch viel öfter nicht ernst genommen. Es gibt keine blauen Flecken, keine nachzuweisenden Knochenbrüche oder sonstige sichtbare Wunden. Trotzdem ist diese Gewalt da und wird ausgeübt. Teils bewusst, teils unbewusst.
Es ist unsere Aufgabe, diese Gewalt als Gewalt anzuerkennen und sie nicht zu tolerieren, egal wo wir von ihr mitbekommen.

Physische Gewalt wird oftmals mehr wahrgenommen. Jedoch nur, wenn sie körperlich sichtbare Folgen hat. Es gibt aber auch bei physischer Gewalt verschiedene Formen, die zum Teil keine sichtbaren Spuren hinterlassen. So wird zum Beispiel das „Schubsen im Streit“ oftmals heruntergespielt und nicht als das betrachtet, was es für uns bedeutet, denn für uns bedeutet es klar Gewalt gegen Frauen.

Sexualisierte Gewalt

Das Primäre bei jeder Form von Gewalt ist der Aspekt der Machtausübung. Deshalb sprechen wir von sexualisierter und nicht von sexueller Gewalt. Der Begriff der sexuellen Gewalt stellt das Sexuelle in den Vordergrund und verschiebt den Fokus damit weg von dem eigentlichen Inhalt, der Gewalt. Sexualisierte Gewalt ist Gewalt, die sexualisiert ausgeführt wird. Ihr Ziel ist Machtausübung und der Erhalt bereits bestehender Macht über Menschen. Ihre Wurzel liegt nicht im Sexualtrieb von Männern, wie häufig suggeriert wird, sondern in der vom patriarchalen System anerzogenen Vorstellung von Rollenbildern und der mit ihr verbundenen Machtposition im Unterdrückungsverhältnis des Patriarchats.

Wie in vielen Bereichen verläuft auch hier die Grenze zwischen patriarchalem Verhalten und Gewalt fließend. Während Pfiffe und Bemerkungen über das Aussehen zwar äußerst unangenehm sein können, können wir sie jedoch nicht als Gewalt zählen. Sie sind erst Mal eine Auswirkung des Patriarchats und der Stellung der Frau im Kapitalismus. So lange Frauen eine weniger angesehen Stellung in der Gesellschaft zugewiesen wird, wird sich das auch in der Interaktion mit ihnen zeigen. Wird eine Frau allerdings von ihrem Partner so sehr auf ihr Aussehen reduziert und unter Druck gesetzt, dass sie deshalb eine Essstörung entwickelt oder in anderer Weise ihr Verhalten unter diesem Druck massiv verändert, dann zählt das zu psychischer Gewalt.

Grenzüberschreitungen verhindern!

Nur den Kampf führen, sobald falsches Verhalten aufgekommen ist oder Gewalt ausgeübt wurde, reicht nicht aus. Wir müssen einen allumfassenden Kampf gegen das Patriarchat führen. Das bedeutet für die Aufhebung des Patriarchats als erstes die Zerstörung, Zerschlagung und Aufhebung seiner grundlegenden materiellen und gesellschaftlichen Stützen. Es handelt sich dabei um das Privateigentum der Produktionsmittel und die politische und ökonomische Struktur des kapitalistischen Staates, der darauf aufbaut. Diesen langen Kampf für die sozialistische Revolution und die Frauenrevolution, die damit einhergehen muss, zu führen, darf jedoch keines Falls bedeuten, dass wir nicht heute schon überall mit diesem Kampf in der Gesellschaft beginnen müssen. Unser Ziel muss es sein, Übergriffe und Grenzüberschreitungen zu verhindern, bevor sie geschehen. Hierfür muss ein kontinuierlicher Kampf gegen das bürgerliche Bewusstsein, gegen bürgerliche und patriarchale Verhaltensweisen, für den Aufbau eines Geschlechtsbewusstseins geführt werden.

Um Grenzüberschreitungen zu verhindern, wird immer wieder darüber diskutiert, wie ein Konsens zwischen Personen gefunden und gehalten werden kann. Ein Konsens kann nie als gegeben angenommen werden. Es kommt auf die individuellen Grenzen und Bedürfnisse der Einzelnen an. Ein Einverständnis oder eine Ablehnung kann verbal ausgedrückt werden, kann aber auch nonverbal z.B. über Körpersprache ausgedrückt werden. Die Parole „Nein heißt Nein“ ist mittlerweile weit bekannt. Jedoch reicht diese nicht als Grundsatz für das zwischenmenschliche Handeln. Viel eher gilt „Nur ein freiwilliges, bewusstes Ja heißt auch Ja“. Oftmals ist es für Frauen eine große Hürde „Nein“ zu sagen oder einmal begonnene Handlungen zu stoppen, zudem liegt bei der Losung „Nein heißt Nein“ die Verantwortung bei der Frau. So darf es nicht sein. Zudem gibt es Situationen, in denen eine Person nicht ablehnen oder zustimmen kann, weil sie zum Beispiel unter starkem Alkohol oder Drogeneinfluss steht. Hier kann nicht von einer tatsächlichen Zustimmung ausgegangen werden.

Ein Konsens kann nie als gegeben angenommen werden, egal ob mit fremden Personen oder langfristigen Partner:innen. Es ist ein fortlaufender Prozess einen Konsens zu finden und zu halten, denn nur weil es an einem Tag Zustimmung zu etwas gibt, bedeutet das keinesfalls, dass es zwei Tage später immer noch so ist. Genauso bedeutet ein Einverständnis nicht, dass es nicht jeder Zeit zurückgezogen werden kann. Das bedeutet, dass es immer das Recht gibt, „Stopp“ zu sagen.

Konsens bedeutet sowohl meine persönlichen und sexuellen Grenzen zu kennen und zu reflektieren als auch die Grenzen meines Gegenübers zu kennen, sich dieser bewusst zu sein und diese zu respektieren. Das bedeutet auch, das jede:r in der Verantwortung ist jede Handlung unverzüglich zu stoppen, sobald er:sie merkt, oder vermutet, dass das Gegenüber etwas doch nicht möchte.

Verantwortung für die Gewalt

Die Verantwortung für Gewalt liegt immer beim Täter. Verschiedene Diskussionen und Ansätze, die ausschließlich oder hauptsächlich eine kollektive Verantwortungsübernahme in den Vordergrund stellen und dem Täter große Teile seiner individuellen Verantwortung abnehmen, lehnen wir klar ab. Unser Ziel muss es sein durch einen antipatriarchalen Kampf nach Innen und Außen die Bedingungen für patriarchales Verhalten und patriarchale Gewalt zu zerstören, genauso stehen alle Menschen in der Verantwortung einzugreifen, wenn sie von so etwas erfahren. Die Verantwortung für die Taten bleibt jedoch ganz klar und allein beim Täter. Sein Umfeld trägt die Verantwortung für das eigene Verhalten. Menschen haben einen eigenen Willen, können und müssen in jeder Situation Entscheidungen über ihr Verhalten treffen. Sie sind eben nicht ihren Trieben, Reizen oder Reflexen ausgeliefert. Niemals ist die Betroffene an irgendetwas selber Schuld. Jede Frau hat zu jedem Zeitpunkt das Recht, etwas nicht zu wollen oder etwas zu beenden, egal wie ihre Position vorher war.

Prinzipien im Umgang mit patriarchalem Verhalten und patriarchaler Gewalt

Wir stehen parteiisch auf der Seite der Frau

Die Betroffene entscheidet selbst, mit wem sie sprechen möchte, (und damit explizit auch: mit wem nicht) und wie viel oder wenig sie erzählt. Oberstes Prinzip ist dabei die Frauensolidarität. Grundsätzlich spielt „Diskretion“ eine besondere Rolle, denn unser Anspruch ist, Tratsch und Lästerei, sowie die daraus entstehenden Eigendynamiken zu verhindern und einen politischen Umgang mit patriarchalem Verhalten und patriarchaler Gewalt zu finden. Nur so können wir auch effektiv im Großen dagegen kämpfen, denn der Kampf allein auf Grund von „Einzelfällen“ ist nicht ausreichend.

Die Entscheidungsgewalt was passiert, muss bei den Frauen liegen

Männer und Frauen haben bedingt durch die Sozialisierung und Erziehung im Kapitalismus und Patriarchat ungleiche Voraussetzungen im Leben. Wenn ungleiche Voraussetzungen mit gleichen Mitteln behandelt werden, werden Menschen automatisch ungleich behandelt. In Bezug auf das Unterdrückungsverhältnis des Patriarchats haben Frauen die Sichtweise und Position der Unterdrückten, die Männer die der Unterdrücker. Hier ist es wichtig und notwendig, dass die Frauen im Kampf gegen das Patriarchat überall eine führende Rolle einnehmen.

Im bürgerlichen und spezifischer im postmodernen Queerfeminismus nimmt die Frage der Definitionsmacht häufig eine besondere Rolle ein. In vielen Fällen wird die Definitionsmacht, also die Antwort auf die Frage was das Wesen einer Tat ist, ob sie als patriarchale Gewalt oder als patriarchale Verhaltensweise einzuordnen ist, alleine der Betroffenen überlassen. Es wird typisch für den postmodernen Intersektionalismusansatz argumentiert, dass es die Betroffenen „empowered“ und mündig macht, wenn sie alleine entscheiden, wie die Tat einzuordnen ist. Man kann den Fokus dieses Ansatzes vor allem auf das Wort „allein“ beschränken. Die Tat wird aus ihrem gesellschaftlichen Kontext gerissen und es bleibt nur noch die Option diese wie einen Einzelfall zu behandeln. Als Kommunist:innen kann das nicht die Politik sein, die wir machen, denn es bedeutet die Frauen unserer Klasse, die von Gewalt betroffen sind, alleine zu lassen mit der Aufgabe die Tat einzuordnen, ihr Wesen zu definieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. In einer patriarchalen kapitalistischen Gesellschaft ist ein Großteil der Sozialisierung von Frauen darauf ausgelegt, dass diese unmündig bleiben und sich nicht gegen das Patriarchat zusammenschließen. Das müssen wir bekämpfen, indem wir gemeinsam mit den Betroffenen die Situation auf einer dialektisch materialistischen Grundlage analysieren. Nur so können wir eine zielgerichtete Arbeit zu Gewalt machen, die nicht auf reine Symptombehandlung hinaus läuft.

Auch der Beschuldigte hat das Recht dazu sich zu äußern. Auf der Seite der Betroffenen stehen und ihr zu glauben bedeutet jedoch, dass umgekehrt zur bürgerlichen Rechtsprechung nicht die Frau beweisen muss, was passiert ist, sondern der Mann glaubhaft darlegen muss, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht stimmen. Würden wir hier anders vorgehen, würde wohl fast kein Täter je für seine Taten Konsequenzen befürchten müssen, so wie es vor bürgerlichen Gerichten der Fall ist.

Es kann unter den Frauen über jegliche durchzusetzenden Strafen, Konsequenzen für den Täter und den Beginn von einer besonderen „Täterarbeit“ diskutiert und durch die Organisation entschieden werden. Dabei ist es wichtig die Täter an ihrem Bewusstsein zu messen. Häufig erfahren Täter, die schon Lange Teil der politischen Widerstandsbewegung oder revolutionärer Organisationen sind, weniger oder gar keine Konsequenzen für ihr Verhalten, da sie ansonsten „eine gute Arbeit machen“ oder jedes Jahr am 8. März auf die Demonstrationen der Frauen gehen. Hier sehen wir ein großes Problem. Je fortgeschrittener und größer das Bewusstsein des Täters und sein eigener Anspruch ist oder sein sollte, umso härter müssen die Konsequenzen für ihn sein.

Politische Diskussionen und politische Entscheidungen

Unser Anspruch ist, keine emotionale Diskussion, sondern eine politische Diskussion zu führen. Gefühle und Emotionen dürfen auch bei diesem Thema nicht im Vordergrund stehen, denn sie verhindern eine möglichst objektive Bewertung des Geschehenen und einen entsprechenden Umgang. Daraus ergibt sich zum einen, dass Gefühle wie Loyalität, Freundschaft, Solidarität mit Tätern in keiner Weise in der Diskussion einen Platz haben dürfen, sondern bekämpft werden müssen, sobald sie aufkeimen. Genauso darf es keinen Unterschied im Umgang geben, ob die Betroffene eine Freundin ist, oder man sie vielleicht persönlich nicht mag. All das bedeutet aber nicht, dass es keinen Raum für die Sorgen, Ängste, Traumata, Wut, oder ähnliches gibt. Vielmehr müssen wir in der Arbeit zu diesem Thema bewusst besondere Räume und Zeiten schaffen, in denen Frauen über genau diese Gefühle sprechen können. Sie dürfen jedoch die politische Diskussion nicht überlagern oder gar leiten.

Was bedeutet das für uns?

Für uns ist klar, dass wir es ernst nehmen, wenn sich eine Frau uns gegenüber äußert und patriarchales Verhalten offenlegt. Wir spielen Situationen nicht herunter und werden solidarisch hinter der Frau stehen. Mit der Betroffenen werden gemeinsam ein Umgang und Forderungen diskutiert, welche anschließend umgesetzt werden, wobei die Entscheidung darüber, was nach außen getragen wird, bei der Betroffenen liegt. Die Betroffene hat immer das Recht, selbst zu entscheiden mit wem sie spricht.

Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der Frauen ihre Ängste und Erlebnisse äußern können, ohne Angst haben zu müssen, dass ihre Gefühle und ihre Erfahrungen angezweifelt werden. Hier ist es unsere Aufgabe die Diskussion von einer oftmals emotional geführten Diskussion auf eine politische Ebene zu heben.

Für uns ist klar, dass wir Menschen an ihrer Praxis messen. Ja, es muss einen anderen Umgang mit patriarchaler Gewalt geben, wenn ein bewusster, seit vielen Jahren aktiver Genosse patriarchales Verhalten an den Tag legt, als wenn ein unpolitischer Mann das tut. In beiden Fällen muss es dem Verhalten entsprechende Konsequenzen geben, jedoch muss es bei dem bewussten, seit vielen Jahren organisierten Genossen einen konsequenteren und härteren Umgang geben, da wir ihn mit einem anderen, ihm angepassten Maßstab messen.

Das führt zu einer besonderen Schwierigkeit im Umgang mit patriarchaler Gewalt. Denn so kommt es, dass jeder Vorfall neu analysiert und diskutiert werden muss. Es ist nicht möglich, eine Liste mit Verhaltensweisen und Gewaltformen zu schreiben und einen entsprechenden Umgang dazu festzulegen, in der immer nachgeschaut werden kann, wie sich jetzt verhalten werden soll.

Es ist aber nicht nur unsere Aufgabe als Frauen die Betroffene und die Forderungen ernst zu nehmen und dahinter zu stehen. Es ist die Aufgabe von Jeder und Jedem, das zu tun. Dabei ist es immer wichtig, einen politischen, keinen emotional motivierten Umgang zu haben und diesen einheitlich zu vertreten.

Im Umgang mit patriarchaler Gewalt und Konflikten im Allgemeinen ist es außerdem wichtig, dass nicht überall und von jeder/m darüber gesprochen wird. Unser Anspruch ist eine politische, ideologische Diskussion und kein Lästern hinter dem Rücken. Diesem Anspruch können wir nur gerecht werden, indem wir einen organisierten Umgang fokussieren und auch aufkommende Diskussionen im Zweifel unterbinden und an die Personen weiterleiten, die bestimmt wurden, um diese Diskussionen zu führen.