Ivana trägt die Revolution, die unsere Genossinnen und Genossen in Kurdistan Tag für Tag erkämpfen, zu uns nach Europa. In Ivana lebt der Internationalismus, der Frauenbefreiungskampf, die Militanz, die Vielseitigkeit, der Antifaschismus.

Wo sie es erkannte, ist Ivana schon früh gegen Unrecht vorgegangen. Eigene Unterdrückungs- und Diskriminierungserfahrungen prägten die junge lesbische Frau mit afrikanischen Wurzeln und stärkten sie in ihrem Willen und Kampfgeist. Geboren wurde Ivana am 1. September 1995 in Emmerich und ihre ersten politischen Schritte machte sie als Schülerin in der  Bildungsstreikbewegung 2009. Mit ihrer Überzeugung für den politischen Streik aktivierte sie viele Schülerinnen und Schüler ihrer Heimatstadt Duisburg zur Teilnahme an den Protesten. Die fröhliche, aufgeweckte junge Frau wurde wegen ihres ausgeprägten Einfühlungsvermögens und ihrer herzlichen, einladenden Art zur Pressesprecherin der Bewegung gewählt. Als Ivana sich 2011 der sozialistischen Jugendorganisation Young Struggle anschloss,  entwickelte sie sich schnell in ihren Fähigkeiten und ihrem Bewusstsein für ihre Klasse. Sie begann bestehende gesellschaftliche Verhältnisse in Frage zu stellen, übernahm Verantwortung, wo es ihr möglich war, bildete und organisierte sich für den Kampf um Gerechtigkeit. Ivana suchte eine Antwort auf ihre Fragen und fand diese im Aufbau einer befreiten und gerechten Welt; frei von Ausbeutung und Unterdrückung; frei von Kriegen und Krisen; frei von Patriarchat und Rassismus. Eine Gesellschaft, in der nicht auf Kosten von Mensch und Natur gewirtschaftet wird. Jeden Tag kämpfte sie dafür, diese Vorstellung einer Welt, in der jeder Mensch mit seinen Fähigkeiten und nach seinen Bedürfnissen leben kann, zu  verwirklichen.

So vielseitig wie unsere Genossin Ivana war, so vielseitig führte sie auch den Kampf. Sie bestreikte die Schule, um das Recht auf Bildung zu  wahren, wies mit militanten Blockaden Faschisten in die Grenzen, stritt entschlossen für die Befreiung der Frau, machte sich stark für den Schutz von Geflüchteten, setzte sich für Bewahrung unserer Umwelt ein und für die Freiheit der politischen Gefangenen trat sie in den Hungerstreik.

Wie keine andere Frau zeigt Ivana uns heute, dass die Revolution nicht erst beginnt, wenn wir die Waffe zur Hand nehmen. Unsere Genossin führte den Kampf auf den Straßen Duisburgs. In dieser Stadt, in der sie aufwuchs, konnte sie nicht durch die Viertel ziehen, ohne von allen Seiten erkannt zu werden. Ivana pflegte eine tiefe Verbindung zu den Menschen in ihrem Wohnort und steckte sie mit ihrer Begeisterung für den politischen Kampf an.

Ihre Fähigkeit sich dem, was sie begeistert, ganz zu widmen und hinzugeben, zeichnete die Genossin aus. Damit fesselte sie nicht nur ihr Umfeld, sondern wurde auch selber in den Bann gezogen. Es konnte schon vorkommen, dass Ivana nächtelang nicht schlief, weil sie dieses Buch zum Aufbau der Frauenguerilla nicht aus der Hand legen konnte. Die Lektüre zum  internationalistischen Bataillon im spanischen Bürgerkrieg drängte sie mehr als das Bedürfnis nach Schlaf.

Ivana strebte nach der Lebensweise einer Guerillakämpferin. Sie war für alle Kulturen der Welt offen, doch ihr Blick glitt voller Sehnsucht zu den Bergen Kurdistans. Das Leid der unterdrückten Völker war ihr Leid. Der Kampf der unterdrückten Völker war ihr Kampf. Ivanas unerschütterliche Verbundenheit zu ihren kurdischen Schwestern und Brüdern weckte ihn ihr den Wunsch, sich den internationalen Brigaden in Rojava  anzuschließen, die Revolution zu erleben und Schulter an Schulter mit den KämpferInnen der YPJ und YPG die Waffe zu ergreifen. Für ihre Überzeugung als Kommunistin den Klassenkampf und den Frauenbefreiungskampf zu führen, organisierte Ivana sich in der KGÖ, der Jugendorganisation der Marxistischen Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP), was eine wichtige Rolle für die ständige und dauerhafte Revolutionierung ihrer Persönlichkeit spielte. Viel Einfluss auf Ivanas Entwicklung hatte der Bericht der Genossin Yasemin Cifci. Die Genossin der MLKP, die 2012 in Istanbul unsterblich wurde, verfasste ihren letzten Brief über ihre Schwächen und Rückschläge. Tief beeindruckt von der Entschlossenheit, mit der sich Yasemin ihren bürgerlichen Eigenschaften stellte, nahm Ivana sich die Genossin zum Vorbild. Nachdem Ivana 2013 auf einer Delegationsreise in die Türkei vielen neuen Genossinnen und Genossen begegnet war und diese schnell lieb gewonnen hatte, stand im Frühjahr 2014 ihre Entscheidung fest, als Internationalistin, als  Frauenrevolutionärin, als Kommunistin, als Freiheitskämpferin in die Revolution des kurdischen Volkes zu ziehen. Ihr Drang war es, die Frauenrevolution zu ihrer Praxis zu machen; nicht mehr auf den Straßen deutscher Städte, sondern im strahlenden Sonnenlicht Kurdistans.

Unsere Genossin hat mit ihrem bürgerlichen Leben gebrochen, ihre individualistische, beschränkte Haltung aufgegeben, sämtliche innere Grenzen und Schwächen überwunden, und sich für das risikoreiche aber erfüllende Leben einer Guerillakämpferin entschieden. Diese Konsequenz, mit der sie Entscheidungen traf, das Verantwortungsgefühl, das Bewusstsein und die Pflicht gegenüber ihrer Klasse und ihrem  Geschlecht, sind besondere Eigenschaften, die Ivana ausmachten. Diese Fähigkeiten bringt sie zurück nach Europa und prägen heute unsere revolutionäre Praxis.

Nach einer Zeit der Vorbereitung auf den bewaffneten Kampf, stand Ivana sechs Monate an vorderster Front, um sich gemeinsam mit der  Bevölkerung vor Ort gegen Angriffe, Massaker undVergewaltigungen der religiösen Fundamentalisten und Faschisten des IS zu wehren. Sie  sprengte künstliche nationale Grenzen, lebte den Internationalismus der MLKP und stand der Partei in schweren Stunden der Verteidigung Kobanes beiseite. In ihrer Zeit vor Ort beteiligte sie sich daher voller Leidenschaft am Aufbau des internationalistischen Bataillons. Trotz der neuen Umgebung und der bewaffneten Kämpfe blieb Ivana sich immer treu; ihrer Überzeugung als Kommunistin, selbstlos in den Kampf zu ziehen, um eine neue Welt zu gestalten, aber auch ihrem lustigen und frechen Charakter. Als sie einmal auf einer Patrouille Steine auf dem Boden sah, die ihr gefielen, ihr Kommandant jedoch verbot, diese mitzunehmen, scheute sie sich nicht, diese heimlich in die Tasche des Kommandanten zu legen und ihn frech anzugrinsen, als er am Ende des Tages die Steine aus dem Gepäck holte.

Als Genossin Ivana am 7. März 2015 in die Unendlichkeit verabschiedet wurde, traf das ihre Freundinnen und Freunde in Deutschland ebenso wie ihre Genossinnen und Genossen an der Front. In ihrem letzten Gefecht verteidigte sie mit GenossInnen der MLKP und der YPG/YPJ das Dorf Til Nasir bei der Stadt Til Temir vor einem Übergriff der IS-Banden. In der von den Feinden eingekreisten Stellung wehrte die Revolutionärin sich entschlossen und mutig. Als der Genosse Coskun Ince vor ihren Augen von einer feinlichen Kugel getroffen wurde, war sie zunächst sehr bestürzt, nahm ihre Position jedoch wieder ein und schoss mit dem Gewehr des Unsterblichen weiter auf den Feind. Ivana wurde an diesem Tag zusammen mit unserem Genossen Coskun und dem YPG Kämpfer Cudî durch den feindlichen Beschuss unsterblich.

Mit dem Kampfnamen Avasin Tekosin Günes, den Ivana sich ausgesucht hatte, reihte sie sich in die Frauenrevolution ein, für die ihre Genossin Sengül Boran (Kampfname Günes), bereits 1995 unsterblich geworden war. Ivana wusste, dass sie ihr Ziel, ein Leben in Freiheit, nur dann  erreichen kann, wenn sie nicht nur der kapitalistischen Ausbeutung ein Ende setzte, sondern auch dem Patriarchat den Kampf ansagte. Der Frauenbefreiungskampf nahm daher in Ivanas Leben einen hohen Stellenwert ein. Schon in Deutschland kritisierte sie ihre Genossen hart für patriarchale Verhaltensweisen und forderte alle Frauen auf, sich in eine aktive Auseinandersetzung mit sich selbst zu begeben, um sich aus der Einengung der weiblichen Geschlechtsrolle zu lösen. Wegen ihres ausgeprägten Geschlechtsbewusstsein kochte sie vor Wut, wenn sie patriarchales Auftreten erlebte. Die Genossin, die immer für ihre lustige und fröhliche Art bekannt war, wurde schlagartig rasend vor Zorn, als bei dem Young Struggle Kongress nur Männer sprachen. Sie fragte aufgebracht, warum nur Männer zu Wort kamen und weinte vor Wut.

Rojava war für Ivana nicht nur die Revolution des kurdischen Volkes oder die Befreiung von den IS Banden. Rojava, das ist die Frauenrevolution; der Ort, an dem die Grundlage geschaffen werden soll, in einer befreiten Gesellschaft das Patriarchat endgültig zu zerschlagen.

Für uns stellt Ivana als Vorkämpferin der Frauenrevolution die Brücke der Schwesterlichkeit dar, die Frauen über alle Nationen hinweg in ihrer Solidarität miteinander verbindet. Ivana war mutig, entschlossen und militant. Es ist das Ergebnis der ständigen Bekämpfung ihrer weiblichen Geschlechtsrolle. Selbstbewusstsein und Stärke sind keine  Eigenschaften, die angeboren sind. Sie sind das Produkt der Freisetzung unserer Persönlichkeit und stecken in allen Frauen.

Ivana ist heute für viele junge Genossinnen und Genossen zum Vorbild geworden. Als Jugendliche suchen wir nach einem Ausweg aus der Perspektivlosigkeit, die der Kapitalismus uns bietet. Ivana ließ sich nicht so leicht kaputt bekommen. Im Gegenteil hat sie durch den Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat neue Seiten an sich entdecken und Grenzen überwinden können.