Einleitung
In der vorliegenden Schulung wollen wir uns mit der nationalen und kolonialen Frage beschäftigen. Diese Frage bildet einen wichtigen Bestandteil des Kampfes um die proletarische Weltrevolution. Bereits in unserer Schulung zum Imperialismus haben wir einen ersten Eindruck davon bekommen können, warum das so ist: Der Imperialismus ist von der Aufteilung der Weltproduktion und des Weltmarktes unter die kapitalistischen Monopole gekennzeichnet. Auf dieser Grundlage ist das gesamte Territorium der Erde politisch in Machtgebiete der imperialistischen Staaten aufgeteilt. Diese Aufteilung hatte bei der Entstehung des Imperialismus im frühen 20. Jahrhundert vor allem die Form des klassischen Kolonialismus. Damals war es vor allem eine Handvoll imperialistischer Länder wie England und Frankreich, die große Kolonialreiche unterhielten. Die Kolonien standen überwiegend unter der unmittelbaren politischen Kontrolle der imperialistischen Länder, die vor allem militärisch aufrecht erhalten wurde. Im Zuge des weltweiten Klassenkampfes des 20. Jahrhunderts hat sich diese Form der Unterwerfung der Welt geändert. Angeführt von den siegreichen Revolutionen in Russland und China befreiten sich zahlreiche Völker der Welt in nationalen Befreiungskämpfen vom kolonialen Joch und errichteten eigene Nationalstaaten. Der Imperialismus ging aus dieser ersten „historischen Schlacht“ des 20. Jahrhunderts um die Revolution jedoch vorläufig siegreich hervor und das Weltkapital konnte nach und nach erneut in alle Staaten der Welt eindringen. Die koloniale Unterdrückung der Welt hat seitdem vorwiegend eine neue – neokoloniale – Form angenommen, bei der die formale Unabhängigkeit der Nationalstaaten gewahrt bleibt, die faktische Macht jedoch nach wie vor bei den imperialistischen Staaten liegt. Häufig sind die Neokolonien dabei nicht mehr nur Anhängsel eines einzigen imperialistischen Staates, sondern eines ganzen Staatenverbands. Zudem hat sich eine Herrschaftspyramide unter den Staaten herausgebildet: Ein Staat kann heute z.B. eine begrenzte Hegemonie in einer Weltregion ausüben und dabei selbst stärkeren imperialistischen Ländern unterworfen sein.
Neben dieser Form des Neokolonialismus besteht der klassische Kolonialismus, die direkte militärische Unterjochung von Völkern, jedoch bis heute weiter, z.B. als Folge von kriegerischen Überfällen und der Errichtung von Besatzungsregimes wie in Afghanistan und im Irak.
Anderen Völkern wiederum verweigert der Imperialismus bis heute auch nur die formale Unabhängigkeit und die Schaffung eigener Nationalstaaten. Entweder wurde ihr Gebiet im Rahmen imperialistischer Verträge auf andere Staaten aufgeteilt, wie es im Falle der Kurd:innen geschehen ist. Oder sie wurden aus ihren Lebensgebieten vertrieben und einer militärischen Unterdrückung durch einen anderen Staat unterworfen, wie es bei den Palästinenser:innen der Fall ist. In einigen Fällen reicht die Unterdrückung einer Nation Jahrhunderte zurück und wurde vom Kapitalismus übernommen, wie etwa bei den Ir:innen durch England.
In all diesen Fällen bildet die Unterdrückung von Nationen eine wichtige ökonomische, politische und geostrategische Grundlage für die internationale Machtstellung imperialistischer Staaten und der dahinter stehenden monopolistischen Verbände. Nicht zuletzt dienen der Nationalismus und Chauvinismus dem Imperialismus auch als ideologisches Herrschaftsinstrument, das der Spaltung der unterdrückten Klassen dient. Demgegenüber ist der nationale und antikoloniale Befreiungskampf der unterdrückten Völker ein wichtiger Bestandteil des Kampfes gegen das imperialistische Weltsystem. Die unterdrückten Völker sind entscheidende Verbündete des Proletariats im Kampf um die Weltrevolution.
Im folgenden wollen wir diese Zusammenhänge genauer verstehen. Deshalb wollen wir zunächst betrachten, was eine Nation ist, wie Nationen geschichtlich entstanden sind und wie sie mit der Entwicklung des Kapitalismus zusammenhängen. Danach widmen wir uns konkret der Entwicklung des Kolonialismus und Neokolonialismus im Imperialismus. Schließlich fragen wir uns, welchen Standpunkt die Kommunist:innen gegenüber den verschiedenen nationalen Befreiungsbewegungen der Welt einnehmen müssen.
Der marxistisch-leninistische Standpunkt zur Nation
Definition der Nation
Die „Nation“ gehört heute zweifellos zu den gesellschaftlich und politisch umstrittenen Begriffen, bis hinein in die politische Widerstandsbewegung. Sind Nationen etwas, das objektiv besteht, oder handelt es sich um ein künstliches gesellschaftliches Konstrukt? Hat es sie schon immer gegeben? Welche Stellung muss man als Kommunist:in gegenüber Nationen einnehmen? Ganz platt machen sich diese Fragen etwa auf Demos in der Gegenüberstellung „internationale“ vs. „antinationale“ Solidarität bemerkbar.
Diese Verwirrung über den Begriff der Nation ist in der revolutionären und politischen Widerstandsbewegung tatsächlich nichts Neues. So gab es etwa in Russland nach der Revolution von 1905 eine Welle des Nationalismus und Chauvinismus, die sich teilweise bis in die Reihen der revolutionären Bewegung erstreckte. Damals war es Stalin, der in seiner Schrift „Marxismus und nationale Frage“ von 1912 eine systematische Untersuchung der nationalen Frage vorlegte und die kommunistische Position hierzu darstellte. In dieser Schrift entwickelte er seine bekannte Definition der Nation: „Die Nation ist eine historisch entstandene, stabile Gemeinschaft der Sprache, des Territoriums, des Wirtschaftslebens und der in der Kulturgemeinschaft zum Ausdruck kommenden Geistesart.“ 1
Die Nation bezeichnet also in der Tat eine objektiv existierende Gemeinschaft von Menschen – was eine notwendige Abgrenzung von idealistischen Theorien ist, die jegliche Existenz solcher Gemeinschaften leugnen.
Die Nation bezeichnet eine historisch entstandene Gemeinschaft, womit sie sich etwa von Abstammungsgemeinschaften unterscheidet: „Die heutige italienische Nation hat sich aus Römern, Germanen, Etruskern, Griechen, Arabern usw. gebildet. Die französische Nation ist aus Galliern, Römern, Briten, Germanen usw. entstanden.“ 2 Wir werden weiter unten sehen, dass Nationen geschichtlich mit der Herausbildung des Kapitalismus entstanden sind und der Begriff damit dieser Gesellschaftsformation zuzuordnen ist. Als solch präzise geschichtliche Kategorie unterscheidet sich die Nation z.B. vom „Volk“ oder der „Ethnie“, für die nach den gängigen (uneinheitlichen) Auffassungen sowohl Abstammungs- als auch geschichtliche, soziale, kulturelle und religiöse Verbindungen zwischen Menschen angeführt werden. Ganz besonders unterscheidet sich der Begriff der „Nationen“ von dem der „Rasse“ zur Bezeichnung vermeintlicher biologischer Unterschiede zwischen Gruppen von Menschen. Er wurde noch bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts auch in der kommunistischen Literatur verwendet und ist heute wissenschaftlich überholt.3
Die Nation bezeichnet eine stabile Gemeinschaft. Sie unterscheidet sich damit von kurzzeitigen losen Zusammenschlüssen z.B. von eroberten Gebieten, die kurz darauf wieder zerfallen.
Stalin nennt in seiner Definition vier Merkmale, die eine Nation kennzeichnen. Fehlt nur eines dieser Merkmale, kann man nicht von einer Nation sprechen. Diese Merkmale sind:
die Gemeinschaft der Sprache: Eine gemeinsam gesprochene Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung, um von einer Nation sprechen zu können. Nationen sind deshalb nicht mit Staaten identisch, denn in diesen können verschiedene Sprachen gesprochen werden (wie z.B. in der Schweiz oder in Belgien). Es geht hierbei nicht um eine formale Amtssprache, sondern um die tatsächlich im Alltag gesprochene Sprache der Bevölkerung.
die Gemeinschaft des Territoriums: Eine Nation bildet sich „nur im Ergebnis eines lang andauernden und regelmäßigen Verkehrs, im Ergebnis eines Zusammenlebens der Menschen von Generation zu Generation.“4 Ein solches Zusammenleben setzt ein gemeinsames Territorium voraus. Die US-amerikanische Nation etwa entstand, als Siedler:innen aus Europa, vorwiegend England, in ein neues Territorium übersiedelten. Die englische und die US-amerikanische Nation sprechen noch heute dieselbe Sprache, nämlich Englisch, sind aber schon seit langem unterschiedliche Nationen. Ähnlich ist es mit Deutschland und Österreich: Die deutsche Nation entstand erst relativ spät im 19. Jahrhundert, nachdem Preußen im Krieg gegen Österreich die Vorherrschaft über die deutschen Fürstentümer erlangt hatte. In der Folge bildeten sich die deutsche und die österreichische Nation als zwei unterschiedliche Nationen deutscher Sprache heraus, im Falle der Österreicher:innen zunächst im Rahmen des Nationalitätenstaates Österreich-Ungarn. Trotzdem betrachteten sich auch österreichische Sozialdemokrat:innen und Kommunist:innen noch bis weit in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein als Angehörige der deutschen Nation. Die theoretische Klärung der Existenz der österreichischen Nation durch die Kommunist:innen des Landes fand schließlich in den 1930er Jahren statt.5
die Gemeinschaft des Wirtschaftslebens: Nationen sind darüber hinaus erst mit der Vereinheitlichung des Wirtschaftslebens in einem bestimmten Territorium entstanden. Stalin führt als Beispiel die Georgier:innen an, die zwar schon seit Jahrhunderten in einem gemeinsamen Gebiet gelebt und eine gemeinsame Sprache gesprochen hatten. Sie blieben jedoch – ähnlich wie die Deutschen oder die Italiener:innen – lange Zeit in eine große Zahl voneinander getrennter Fürstentümer aufgespalten und führten dementsprechend kein gemeinsames Wirtschaftsleben: „Georgien trat als Nation erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Erscheinung, als die Aufhebung der Leibeigenschaft und die Entfaltung des Wirtschaftslebens des Landes, die Entwicklung der Verkehrswege und das Aufkommen des Kapitalismus eine Arbeitsteilung unter den einzelnen Gebieten Georgiens herbeiführten, die wirtschaftliche Abgeschlossenheit der Fürstentümer endgültig durchbrachen und sie zu einem Ganzen zusammenführten.“ 6
die Gemeinschaft der psychischen Wesensart: Auf der Grundlage der genannten Gemeinsamkeiten bilden Nationen eine gemeinsame Wesensart, einen „Nationalcharakter“ heraus, der sich z.B. in der Eigenart der nationalen Kultur widerspiegelt. Diese Wesensart ist nichts ein für alle Mal Festes, sondern ändert sich geschichtlich mit der Entwicklung der Lebensbedingungen der Nation. Sie ist auch keine Eigenschaft, welche für die gesamte Nation einheitlich ist, sondern äußert sich in verschiedenen Klassen der Nation unterschiedlich. Ein Beispiel für eine typische nationale Wesensart ist die in Deutschland stark verankerte Obrigkeitshörigkeit, die klassenmäßig am stärksten von Bürger:innentum und Kleinbürger:innentum verkörpert wird, jedoch auch das Bewusstsein der Arbeiter:innenklasse hierzulande prägt. Ein Sprichwort bringt diese Mentalität im Unterschied zu anderen Nationen gut auf den Punkt: „In Deutschland ist alles verboten, was nicht erlaubt ist. In England ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Und in Frankreich ist alles erlaubt, auch wenn es verboten ist.“
Die Entstehung von Nationen und nationalen Bewegungen im frühen Kapitalismus
Wie Stalin am Beispiel Georgiens dargestellt hat, war der Feudalismus als Gesellschaftsformation von der Existenz einer Vielzahl getrennter Fürstentümer gekennzeichnet. Es bestand noch kein entwickeltes Wirtschaftsleben, das über die einzelnen Fürstentümer hinausgegangen wäre. Es war erst die von den Städten ausgehende Entstehung des Kapitalismus – die Entwicklung des Handwerks, der Manufakturen und des Handels – welche die Flickenteppiche zersplitterter Fürstentümer zu gemeinsamen Wirtschaftsgebieten zusammenschloss. Wo diese Entwicklung schon früh geschah, wie z.B. im 15. Jahrhundert in England und Frankreich, führte sie zu einer Zurückdrängung der Macht der Fürst:innen und zu einer Stärkung der Könige, was die Herausbildung von Nationen begünstigte. In Deutschland hingegen blieb die Entwicklung des städtischen Kapitalismus seit dem 16. Jahrhundert zurück, nachdem sich der internationale Handel – u.a. infolge der Entdeckung Amerikas – nach Westeuropa verlagert hatte. Entsprechend hielt sich die staatliche Zersplitterung in unzählige einzelne Fürstentümer hier noch bis weit ins 19. Jahrhundert, und die Herausbildung der deutschen Nation wurde gehemmt. In jedem Falle war es der Prozess der Liquidierung des Feudalismus und der Entstehung des Kapitalismus, der zum Zusammenschluss der Menschen zu Nationen im oben definierten Sinne führte.
Im Falle Englands und Frankreichs ging die Bildung der Nation jeweils mit der Schaffung eigener Nationalstaaten einher: Nation und Staat fielen hier fortan zusammen. Dies war bei anderen Nationen jedoch nicht der Fall: Die irische Nation etwa konnte keinen eigenen Nationalstaat bilden, sondern blieb eine Kolonie Englands. In Spanien, aber auch in vielen Ländern Osteuropas, bildeten sich wiederum Nationalitätenstaaten: „Derartige Staaten sind Österreich-Ungarn und Russland. In Österreich erwiesen sich die Deutschen als in politischer Hinsicht am meisten entwickelt – sie übernahmen dann auch das Werk der Vereinigung der österreichischen Nationalitäten zu einem Staat. In Ungarn erwiesen sich die Madjaren, der Kern der ungarischen Nationalitäten, als die zur Staatsbildung geeignetsten, und sie waren auch die Vereiniger Ungarns. In Russland wurde die Rolle des Vereinigers der Nationalitäten von den Großrussen übernommen, an deren Spitze eine historisch entstandene, starke und organisierte adelige Militärbürokratie stand.“ 7
Ähnlich wie die Schaffung des deutschen Nationalstaates sich aufgrund des Zurückbleibens der kapitalistischen Entwicklung bis ins 19. Jahrhundert verzögerte, geschah auch die Bildung der Nationalitätenstaaten aufgrund eines schwach entwickelten Kapitalismus und des Fortbestehens feudaler Verhältnisse. Die Nationalitätenstaaten schufen jedoch die Bedingungen für den Aufbau ausgedehnter Handels- und Verkehrswege, und sorgten damit für eine gewisse Beschleunigung der kapitalistischen Entwicklung. Damit bildeten sich auch die Nationen letztlich innerhalb der Nationalitätenstaaten heraus. Hier entstanden sie jedoch unter den Bedingungen eines schon bestehenden ausgedehnten Staatswesens, dessen Führung in der Hand der herrschenden Klassen der jeweils stärksten Nation lag: Etwa der Österreicher:innen und Magyar:innen in Österreich-Ungarn, der Großruss:innen in Russland oder der Kastilier:innen in Spanien. Dieser Umstand führte in den Nationalitätenstaaten zur Entstehung nationaler Bewegungen, etwa von Tschech:innen und Pol:innen in Österreich; Kroat:innen und Serb:innen in Ungarn; Lett:innen, Litauer:innen, Ukrainer:;innen, Georgier:innen und Armenier:innen in Russland. Diese Bewegungen wurden vor allem von den Bourgeoisien der jeweiligen „staatenlosen“ Nationen getragen, die zusammen mit ihrer politisch zurückgedrängten Lage auch schlechtere Bedingungen für die Verwertung ihres Kapitals vorfanden. Es entwickelte sich ein Kampf zwischen den herrschenden Klassen der machthabenden und denen der zurückgedrängten Nationen: „Den Kampf führt gewöhnlich entweder das städtische Kleinbürgertum der unterdrückten Nation gegen die Großbourgeoisie der herrschenden Nation (…), oder die ländliche Bourgeoisie der unterdrückten Nation gegen die Gutsherren der herrschenden Nation (…), oder aber die ganze ‚nationale‘ Bourgeoisie der unterdrückten Nationen gegen den regierenden Adel der machthabenden Nation. Die Bourgeoisie ist die handelnde Hauptperson.“ 8 9
Die Stärke, welche die nationalen Bewegungen entfalten konnten, hing aber vor allem von den Interessen und der politischen Entwicklung der werktätigen Klassen innerhalb der jeweiligen Nation ab. In Irland etwa erstreckte sich die politische Unterdrückung durch den englischen Kolonialismus sehr direkt auf die ökonomischen Interessen der Bäuer:innenschaft. Hier nahm die nationale Bewegung einen Massencharakter an, während sie in anderen Ländern eher „zu einer Kette kleiner Geplänkel“ 10 führte. In Nationen mit einem entwickelten, klassenbewussten und organisierten Proletariat gab es für dieses meist keinen Grund, sich die Probleme der eigenen nationalen Bourgeoisie zu eigen zu machen: „Das klassenbewusste Proletariat hat sein eigenes erprobtes Banner, und es hat keine Ursache, unter das Banner der Bourgeoisie zu treten.“ 11 Wohl aber hat das Proletariat ein Interesse daran, den Kampf für demokratische Forderungen wie ein volles Wahlrecht für alle Nationalitäten, gegen die Unterdrückung der eigenen Sprache und Kultur, gegen politische Repressalien usw. aufzunehmen.
Aus Sicht des Proletariats stellt die Unterdrückung von Nationen ein Hindernis für den eigenen Kampf dar, weil durch sie „nationale“ Fragen in den Vordergrund gerückt werden, die eine Interessengemeinschaft von Bourgeoisie und Proletariat vortäuschen und die Aufmerksamkeit der Unterdrückten von den Klassengegensätzen ablenken. Sie erschwert den internationalen Zusammenschluss der Arbeiter:innen im Kampf gegen die Bourgeoisie. Deshalb tritt die revolutionäre Bewegung des Proletariats immer für das Selbstbestimmungsrecht der Nationen ein, das wir weiter unten noch einmal genauer betrachten werden.
Aus Sicht der Bourgeoisie wiederum bildet die nationale Unterdrückung ein Herrschaftsinstrument, das nicht nur die eigene Konkurrenz niederhält, sondern auch dazu dient, den gemeinsamen Kampf der Arbeiter:innen zu verhindern, sie in die Irre zu führen und, bis hin zur Anzettelung von Pogromen, gegeneinander aufzuhetzen. Die Versuche, die Arbeiter:innen durch Chauvinismus, Rassismus, Antisemitismus und andere reaktionäre Ideologien zu spalten, werden im Imperialismus durch die kapitalistischen Monopole und ihre politischen und ideologischen Organisationen auf die Spitze getrieben.
Imperialismus und Unterdrückung der Nationen
Die koloniale Aufteilung der Welt im Imperialismus
Die bisherige Darstellung bezog sich vor allem auf den frühen, vormonopolistischen Kapitalismus, der zunächst in Europa entstanden ist. Er hat dort auf dem beschriebenen Wege zur Herausbildung von Nationen sowie zur Schaffung von National- und Nationalitätenstaaten geführt. Außerhalb Europas vollzog sich die Entstehung der Nationen im oben definierten Sinne – mit Ausnahme einiger weniger Länder, wie z.B. Japan – dagegen überwiegend unter den Bedingungen des monopolistischen Kapitalismus und der kolonialen Aufteilung der Welt.
Unter Kolonien verstehen wir Länder, die keine staatliche Selbständigkeit haben und Besitzungen anderer Staaten sind. Die Eroberung von Kolonien und die Schaffung großer Weltreiche hat es schon in früheren Gesellschaftsformationen gegeben, wie z.B. das Römische Reich, das unter den Bedingungen der Sklavenhaltergesellschaft entstanden ist. Im Imperialismus erhalten die Kolonien jedoch eine grundlegend neue Bedeutung: Wir haben in der Schulung zum Imperialismus gesehen, dass in diesem Stadium des Kapitalismus der Kapitalexport gegenüber dem Warenexport12 eine vorherrschende Bedeutung erlangt. Wegen der Beschränkung des inneren Marktes in den kapitalistischen Ländern und des Zurückbleibens der Landwirtschaft sind der Erweiterung der kapitalistischen Produktion im Inland Grenzen gesetzt und es kommt es zu einem chronischen Überschuss von Kapital. Um dennoch maximale Profite zu erzielen, müssen die kapitalistischen Monopole ihr Kapital verstärkt in andere, vornehmlich weniger entwickelte Länder exportieren – denn hier ist erst relativ wenig Kapital vorhanden, und Arbeitskraft, Rohstoffe und Bodenpreise sind verhältnismäßig billig. Der Kapitalexport erfolgt z.B. in Form von Krediten (Export von Leihkapital) oder Direktinvestitionen (Export von produktivem Kapital). Der Drang zur ökonomischen Unterwerfung anderer Länder wird im Imperialismus daher zur Gesetzmäßigkeit. Er bildet den Antrieb für die Schaffung großer Kolonialreiche durch die imperialistischen Staaten. Die Kolonien dienen den kapitalistischen Monopolen außerdem als Rohstoffquellen, Absatzmärkte und geostrategische Stützpunkte im Kampf um die Weltherrschaft. Die Extraprofite, die die Imperialisten durch die Ausplünderung von Kolonien erzielen, helfen ihnen dabei, die wachsenden Widersprüche in ihren eigenen Ländern abzumildern. Die „Versklavung und systematische Ausplünderung der Völker anderer Länder“ und die Umwandlung ehemals unabhängiger Länder in abhängige Länder bilden nun die Hauptzüge des ökonomischen Grundgesetzes des monopolistischen Kapitalismus.13
Der Kapitalismus macht bei der Schaffung von einheitlichen Wirtschaftsgebieten also nicht vor nationalen Grenzen halt. Sobald die ersten Nationen geschaffen sind, dringt das Kapital dieser Länder über deren Grenzen hinaus, es schafft den kapitalistischen Weltmarkt und vereinigt große Gebiete der Welt zu einem einheitlichen, wirtschaftlichen Ganzen. Der Weg des Kapitalismus hierzu ist jedoch die Versklavung und Unterdrückung weiter Teile der Welt durch die imperialistischen Mächte.
Die Entstehung des modernen Kolonialismus
Die Anfänge des modernen Kolonialismus reichen bis in die frühe Phase der Entwicklung des städtischen Kapitalismus in Europa zurück. Bereits im 14. Jahrhundert unterhielten Genua und Venedig Handelskolonien im gesamten Mittelmeerraum und wurden die führenden Mächte in Europa. Sie wurden mit der Entdeckung Amerikas bis ins 16. Jahrhundert von Portugal und Spanien abgelöst, die koloniale Weltreiche (mit Kolonien insbesondere in Mittel- und Südamerika) schufen. Im 17. Jahrhundert wurden dann die Niederlande zur führenden europäischen Kolonialmacht, die strategische Handelsstützpunkte mit Schwerpunkt in Südostasien (vor allem Indonesien) aufbaute. Im 18. Jahrhundert verlagerte sich das Kräftegewicht in Europa schließlich nach England, das eine Kolonialherrschaft über Indien errichtete, sich nach Nordamerika ausdehnte und große Teile des (mittlerweile bankrotten) niederländischen Kolonialreichs übernahm. Frankreich wiederum baute sein Kolonialreich seit dem 16. Jahrhundert auf und wurde bis ins 19. Jahrhundert zur zweitgrößten Kolonialmacht hinter England.
Trotz der Existenz dieser Weltreiche machten die Kolonien bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts immer noch nur einen geringen Teil der Welt aus: Noch im Jahr 1876 befand sich etwa nur ein Zehntel des afrikanischen Territoriums im kolonialen Besitz europäischer Mächte. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts – zeitgleich mit der Entstehung der ersten Monopole – kam es dann zu einem qualitativen Sprung in der kolonialen Aufteilung der Welt. Alle entwickelten kapitalistischen Länder begannen nun verstärkt mit der Eroberung überseeischer Territorien. Zwischen 1876 und 1914 eroberten die großen kapitalistischen Staaten 25 Millionen km² Gebiet, und unterwarfen darüber hinaus Länder wie China, die Türkei und Persien. Diese wurden in eine halbkoloniale Abhängigkeit – eine faktische Abhängigkeit bei formaler Unabhängigkeit – gezwungen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs befand sich schließlich die Hälfte der Menschheit unter der Herrschaft der Kolonialmächte. Das Kolonialreich Englands umfasste auf dem Höhepunkt im Jahr 1921 mit 37 Millionen km² ein Viertel der Landmasse der Erde, mit einer Bevölkerung von etwa 500 Millionen Menschen. Frankreich besaß Ende des 19. Jahrhunderts koloniale Gebiete mit einer Ausdehnung von knapp 9,6 Millionen km². Deutschland wiederum eroberte ein Territorium von 2,6 Millionen km² und 14,7 Millionen Menschen: „Die Imperialisten errichten und behaupten ihre Herrschaft über die Kolonien mit Hilfe von Betrugs- und Gewaltmethoden, wobei sie die Überlegenheit ihrer Kriegstechnik ausnutzten. Die Geschichte der Kolonialpolitik ist eine einzige Kette von blutigen Konflikten zwischen den Kolonialmächten. Lenin nannte den Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Spanien im Jahre 1898 den ersten Krieg von imperialistischem Typus, der den Beginn der Epoche der imperialistischen Kriege anzeigte. Der Aufstand des philippinischen Volkes gegen die Eroberer wurde von amerikanischen Truppen grausam niedergeschlagen. England, das das größte Kolonialreich geschaffen hat, führte über zwei Jahrhunderte lang ununterbrochene Ausrottungskriege gegen die Bevölkerung der eroberten Länder Asiens und Afrikas. Die Geschichte der kolonialen Eroberungen Deutschlands, Frankreichs, Japans, Italiens und anderer Länder ist ebenfalls voll von Grausamkeiten.“ 14
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war damit die gesamte Welt unter die imperialistischen Mächte aufgeteilt. „Freie Gebiete“ gab es nicht mehr. Der Imperialismus setzte den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten auf die Tagesordnung. Dieser Kampf führt gesetzmäßig zu Kriegen zwischen den imperialistischen Mächte und mündete im 20. Jahrhundert in zwei Weltkriegen.
Die wirtschaftliche Unterdrückung der Kolonien
Die Entwicklung des Kapitalismus geschah in weiten Teilen der Welt also unter den Bedingungen der kolonialen Beherrschung durch die imperialistischen Länder. Auf dieser Grundlage konnte sich der Kapitalismus in den Kolonien nicht mehr „frei“ herausbilden: Das uneingeschränkte Monopol der Kapitalanlage lag nämlich beim ausländischen Finanzkapital, und es war durch die Kolonialherrschaft gewaltsam abgesichert. Für das Finanzkapital bedeutete das Kolonialsystem hohe Profite. Für die Wirtschaft der Kolonien bedeutete es die Zersetzung früherer Wirtschaftsformen wie der bäuerlichen Kleinwirtschaft und des kleinen Handwerks und die Unterordnung unter die Profitinteressen des ausländischen Finanzkapitals. Zwar errichteten die Imperialisten in den Kolonien und Halbkolonien Eisenbahn- und Straßennetze, Flughäfen und Betriebe, z.B. zur Förderung von Rohstoffen. An einer selbständigen Entwicklung der kapitalistischen Industrie in diesen Ländern hatten sie jedoch keinerlei Interesse. Dort, wo es zur Entstehung einer Industrie gekommen ist, erstreckte sich diese in der Regel auf die Leichtindustrie, z.B. die Produktion von Lebensmitteln, Textilien, oder einfachen Bauteilen o.ä. Erst später kamen in manchen Ländern auch Teile anderer Industriezweige hinzu (z.B. Maschinenbau), wobei dies 1. ein widersprüchlicher Prozess war, der im Zusammenhang mit der Entwicklung eines sozialistischen Lagers und den nationalen Befreiungskämpfen zu sehen ist und 2. es bis heute in keinem (neo)kolonialen oder abhängigen Land zu einer allseitigen Entwicklung der Industrie auf fortgeschrittenem technologischen Niveau gekommen wäre. Die Monopole und ihre Staaten stellen diesen Ländern nämlich die entsprechenden Ausrüstungen und Patente sowie die erforderlichen Kredite für die Schaffung einer eigenen industriellen Basis nicht zur Verfügung. Der Imperialismus hemmt also systematisch die Entwicklung der Produktivkräfte in den Kolonien und abhängigen Ländern, und verwandelt sie in Agrar- und Rohstoffanhängsel, sowie in Stützpunkte für die Auslagerung einfacher Produktionsschritte.
Die Profiteure dieses Systems sind neben den ausländischen Monopolen die herrschenden Klassen in den Kolonien und Halbkolonien: Dies sind die Komprador-Bourgeoisie und die Großgrundbesitzer:innen. Komprador:innen sind die einheimischen Vermittler:innen zwischen den ausländischen Monopolen und der Kolonialwirtschaft. Sie verdienen an der Ausplünderung des eigenen Landes und sind damit direkte Anhängsel der imperialistischen Länder. Von ihnen sind häufig gewisse Teile der Bourgeoisie zu unterscheiden, die ökonomisch ein größeres Interesse an der Entwicklung einer selbständigen kapitalistischen Wirtschaft haben, daran aber durch das Kolonialsystem gehindert werden. Sie werden auch als nationale Bourgeoisie bezeichnet. Sie sind einerseits Ausbeuter:innen des Proletariats. In gewissen Fällen kann ihr Interessenwiderspruch mit dem Kolonialsystem sie jedoch dazu führen, sich dem antiimperialistischen Kampf anzuschließen und für eine gewisse Zeit eine progressive Rolle zu spielen. Am Ende verfolgen sie jedoch das ökonomische Interesse, selbst zur herrschenden Klasse in einem unabhängigen kapitalistischen Nationalstaat zu werden. Die ausgebeuteten Klassen in den Kolonien und Halbkolonien sind dagegen die Arbeiter:innenklasse, die Bäuer:innenschaft und das Kleinbürger:innentum (Handwerker:innen, Händler:innen, usw.). Wenn wir von den unterdrückten Völkern sprechen, meinen wir vor allem diese Klassen.
Nationale Befreiungskämpfe
Wie wir bereits oben erwähnt haben, geschah also auch die Entstehung der Nationen in weiten Teilen der Welt unter den Bedingungen des Kolonialsystems. Die nationale Frage, die sich zuvor auf eine Reihe von europäischen Nationen beschränkt hatte, wie z.B. Ir:innen, Ungar:innen, Pol:innen, Serb:innen, Kroat:innen, u.a., wurde im Imperialismus zu einer Frage auf Weltmaßstab und verband sich mit der kolonialen Frage: „Dadurch wurde die nationale Frage aus einer Einzelfrage und innerstaatlichen Frage zu einer allgemeinen und internationalen, zur Weltfrage der Befreiung der unterdrückten Völker der abhängigen Länder und der Kolonien vom Joche des Imperialismus.“15
Die Befreiung der unterdrückten Völker in den Kolonien und abhängigen Ländern ist nur durch den revolutionären Kampf gegen den Imperialismus möglich. Überall auf der Welt begannen im 20. Jahrhundert unterdrückte Völker, sich gegen die Kolonialherrschaft aufzulehnen, etwa in China, Indien, Korea, Vietnam, Kuba, auf den Philippinen, und in vielen weiteren Ländern Asiens und Afrikas. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg erkämpften viele dieser Länder ihre Unabhängigkeit. Die großen Kolonialreiche Englands, Frankreichs und anderer imperialistischer Länder zerfielen. Solange die sozialistische Sowjetunion als revolutionärer Bezugspunkt für das Proletariat und die unterdrückten Völker der Welt bestand, bedeuteten die Erfolge der nationalen Befreiungsbewegungen eine empfindliche Schwächung für das Lager des Imperialismus und stärkten das revolutionär-sozialistische Lager. Dies änderte sich jedoch mit der revisionistischen Entwicklung und schrittweisen Wiederherstellung des Kapitalismus in der Sowjetunion ab den 1950er Jahren, die auch eine Schwächung für die nationalen Befreiungskämpfe mit sich brachte und dazu führte, dass viele der nun unabhängigen ehemaligen Kolonien nicht den Weg zum Sozialismus gingen. Stattdessen konnte das Weltkapital nach und nach in die neu entstandenen Nationalstaaten eindringen und diese in Neokolonien verwandeln. Andere ehemalige Kolonien und Halbkolonien haben auf dem Umweg einer abgebrochenen sozialistischen oder nationalrevolutionären Entwicklung eine eigene industrielle Basis geschaffen, was sie in die Lage versetzte, später selbst kapitalistische Monopole aufzubauen. Auf dieser Grundlage sind sie schließlich zu imperialistischen Staaten aufgestiegen, wie z.B. Russland, China und Indien.
Neokolonialismus
Wir haben oben bereits davon gesprochen, dass es im klassischen Kolonialismus neben den Kolonien, die unter der direkten Herrschaft der imperialistischen Staaten standen, auch Zwischenformen von abhängigen Staaten, sogenannte Halbkolonien gab. Bei diesen handelt es sich um formal unabhängige Staaten, die aber ökonomisch voll von den imperialistischen Staaten abhängig sind und politisch von Vertreter:innen der Kompradorbourgeoisie sowie der Großgrundbesitzer:innen geführt werden. Dabei kann es sich um eine „klassische“ korrupte Oligarchie handeln wie in vielen Ländern Lateinamerikas, um eine Kaste von Staatsbürokrat:innen oder Militärs wie in einigen arabischen Ländern, oder auch um Gruppen rivalisierender Warlords wie in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder heute in Libyen.
Nach der Erkämpfung der Unabhängigkeit zahlreicher Nationalstaaten hat der Weltimperialismus es geschafft, die allermeisten dieser Staaten in ein solches Abhängigkeitsverhältnis zu zwingen, bei dem die formale Unabhängigkeit der Staaten in der Regel gewahrt bleibt. Wir sprechen davon, dass der Imperialismus ein System des Neokolonialismus geschaffen hat, das dem Finanzkapital die Herrschaft über die früheren Kolonien sichert. Unter dem System des Neokolonialismus hat sich die Unterdrückung der abhängigen Staaten in ökonomischer und politischer Hinsicht weiterentwickelt und teilweise neue Formen angenommen:
Die Neokolonien sind heute meist nicht mehr nur Rohstoff- und Agraranhängsel der imperialistischen Staaten, sondern darüber hinaus in einem begrenzten Rahmen in die global organisierte Industrieproduktion der Monopole eingebunden. Im Rahmen des Aufbaus weltweiter Produktionsketten seit den 1970er Jahren wurden die abhängigen Länder zu Standorten für die Produktion einfacher Bauteile. Die High-Tech-Endfertigung der Produkte, wie z.B. Autos, verbleibt dagegen entweder weiter in den imperialistischen Ländern, oder diese fertigen die Endprodukte in Teilen, die dann in Fabriken in den Neokolonien lediglich zusammengebaut werden. Letzteres ist wiederum ein eher einfacher Arbeitsschritt (in diese Kategorie gehören z.B. die Autofabriken, die Volkswagen derzeit in einigen afrikanischen Ländern aufbaut). Der Punkt hierbei ist, dass die Kontrolle über die fortgeschrittensten Technologien und das Kapital in den imperialistischen Ländern verbleibt und eine vollumfängliche eigenständige Entwicklung der Volkswirtschaft in den Neokolonien hierdurch unterbunden wird.
Wir sprechen davon, dass sich die Monopole zu Weltmonopolen weiterentwickelt haben. Die Auslagerung von Vorfertigungsschritten in der Industrieproduktion dient den Weltmonopolen zur Steigerung ihrer Profitraten durch die Ausnutzung niedriger Löhne in den abhängigen Ländern, sowie zur Beschleunigung des Kapitalumschlags. Die Schaffung einer breiten industriellen Basis findet in diesen Ländern weiterhin nicht statt. Daneben sind auch Tätigkeiten, die der Zirkulationssphäre angehören, zunehmend in abhängige Staaten ausgelagert worden (so sind z.B. die Philippinen heute ein internationaler Standort für Callcenter). Diese Prozesse sind Ausdruck davon, dass das Kapital über den Rahmen der Nationalstaaten hinausdrängt, dass die Kapitalverwertung heute nur noch in internationalem Maßstab möglich ist. Sie vertiefen die Verwandlung der Welt in ein einheitliches wirtschaftliches Ganzes (Globalisierung).16
Seit den 1970er Jahren hat auch die internationale Kapitalverflechtung zwischen den Weltmonopolen massiv zugenommen. Damit hat sich auch die Ausbeutung der Neokolonien internationalisiert. In der Regel sind Neokolonien heute nicht mehr nur von einem einzigen imperialistischen Staat abhängig, sondern von verschiedenen Staaten gleichzeitig. Ein Ausdruck hiervon ist die Existenz einer Vielzahl von internationalen finanzkapitalistischen Organisationen wie der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds (IWF), der Europäischen Union (EU), der Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank (AIIB), der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) u.v.m. Die politische Unterwerfung der Neokolonien geschieht häufig über die Vermittlung des Kapitalexports durch diese internationalen Organisationen: Kredite des IWF werden beispielsweise an strenge politische Auflagen geknüpft, wie z.B. die Privatisierung staatlichen Eigentums, den Abbau von Rechten der Arbeiter:innen, den Abbau von Zöllen u.v.m. Staaten, welche diese Diktate nicht erfüllen, werden von den Kapitalmärkten abgeschnitten oder sogar mit Sanktionen belegt, mit denen die Bevölkerung dieser Länder buchstäblich ausgehungert wird.
Die Internationalisierung der (neo)kolonialen Unterwerfung erstreckt sich auch auf Staaten, die infolge von Angriffskriegen und der Errichtung von Besatzungsregimes zu direkten Kolonien des Imperialismus gemacht worden sind, wie z.B. Afghanistan und Irak, die von den Truppen zahlreicher imperialistischer Staaten besetzt sind.
Schließlich gibt es neben den größten imperialistischen Staaten (USA, China, Russland, Indien, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich) und den Neokolonien noch eine Reihe von Zwischenformen: Dies sind vor allem ehemalige europäische Kolonialmächte, die auch heute noch zu den imperialistischen Staaten zu zählen sind, jedoch wiederum von größeren imperialistischen Staaten abhängig sind, wie z.B. Spanien, Niederlande, Italien, Belgien, Dänemark, Schweden und Österreich. Hinzu kommen Staaten, die infolge einer gewissen (wenn auch einseitigen) Industrialisierung im Rahmen der internationalen Produktionsketten zu kapitalistischen Staaten mittlerer Größe herangewachsen sind. Sie sind weiter von den imperialistischen Staaten abhängig, üben selbst aber eine gewisse regionale Hegemonie aus. Hierzu zählen z.B. Brasilien, Südafrika, die Türkei und der Iran. Insgesamt differenziert sich das imperialistische System weiter aus und bildet eine pyramidenförmige Hierarchie zwischen den Staaten heraus, an deren unterem Ende sich die Kolonien und Neokolonien finden (in Europa gehören hierzu z.B. Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Slowenien, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen, Albanien, Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Ukraine, Moldau).
Die oben dargestellten Grundfunktionen des Kolonialsystems im Imperialismus – Kapitalexport, Verwandlung der abhängigen Länder in Rohstoffquellen, Absatzmärkte und geostrategische Stützpunkte – bleiben auch unter dem System des Neokolonialismus bestehen.
Die nationalen Befreiungsbewegungen und die Weltrevolution
Die nationale und die koloniale Frage sind heute, unter den Bedingungen des Imperialismus, auf das Engste miteinander verknüpft. Auch unter den Bedingungen des Neokolonialismus bleibt die nationale Frage eine allgemeine und internationale Frage, bleibt der Kampf um die Befreiung der unterdrückten Völker ein wesentlicher Bestandteil des Kampfes gegen das imperialistische System, des Kampfes um die sozialistische Revolution. Die unterdrückten Völker sind deshalb überall auf der Welt wichtige Verbündete der Arbeiter:innenklasse. Was bedeutet das konkret für die Positionierung kommunistischer Parteien und Organisationen gegenüber den nationalen Befreiungskämpfen auf der Welt?
Selbstbestimmungsrecht der Nationen
Die Kommunist:innen treten für das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung ein. Dies bedeutet das Recht der unterdrückten Völker der abhängigen Länder und Kolonien nicht bloß auf eine kulturelle Autonomie, sondern auf vollständige Lostrennung von den unterdrückenden Staaten und auf eine selbständige staatliche Existenz. Diese selbständige staatliche Existenz wird noch heute vielen Völkern verwehrt, wie z.B. den Kurd:innen und Palästinenser:innen.17
Das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung ist dabei keine formalrechtliche Frage, die losgelöst vom allgemeinen Kampf gegen den Imperialismus betrachtet werden darf. Es geht darum, dass die unterdrückten Nationen in den Kolonien und Neokolonien Bündnispartner:innen des Proletariats sind, darum, die revolutionären Möglichkeiten in den nationalen Befreiungsbewegungen für den Kampf gegen das imperialistische System auszunutzen. Es geht darum, die (neo)kolonialen Länder aus einer Stütze des imperialistischen Systems in eine Reserve für die proletarische Revolution zu verwandeln. Wie dies am besten geschehen kann, muss immer konkret analysiert werden.
Das bedeutet, dass es von Seiten der Kommunist:innen kein formales Herangehen an die nationale und koloniale Frage geben darf: Weder darf die staatliche Einheit eines Landes zum Selbstzweck erklärt werden, noch ist jede nationale Bewegung an sich fortschrittlich und unterstützenswert. Es geht darum, diejenigen nationalen Befreiungsbewegungen zu unterstützen, die den Imperialismus objektiv schwächen, die auf seinen Sturz ausgerichtet sind: „Die Frage nach den Rechten der Nationen ist keine isolierte, in sich abgeschlossene Frage, sondern ein Teil der allgemeinen Frage der proletarischen Revolution, der dem Ganzen untergeordnet ist und vom Standpunkt des Ganzen aus betrachtet werden muss. In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts war Marx für die nationale Bewegung der Polen und Ungarn und gegen die nationale Bewegung der Tschechen und Südslawen. Warum? Weil die Tschechen und Südslawen damals ‚reaktionäre Völker‘, ‚russische Vorposten‘ in Europa, Vorposten des Absolutismus waren, während die Polen und Ungarn ‚revolutionäre Völker‘ waren, die gegen den Absolutismus kämpften. Weil die Unterstützung der nationalen Bewegung der Tschechen und Südslawen damals eine indirekte Unterstützung des Zarismus, des gefährlichsten Feindes der revolutionären Bewegung in Europa, bedeutete.“18 Auch heute versuchen die imperialistischen Staaten in ihrem Kampf um die Weltherrschaft, nationalistische Bewegungen in anderen Ländern aufzubauen, um ihre Konkurrenz zu schwächen. So haben die westlichen imperialistischen Länder unter Führung der USA beispielsweise seit Jahrzehnten separatistische islamistische Bewegungen in bestimmten Gebieten Russlands (z.B. Tschetschenien) und Chinas (z.B. Xinjiang) aufgebaut. Ebenso stachelten sie in den 1990er Jahren nationalistische Bewegungen in Jugoslawien auf, um das Land zu zerstückeln und die Beute unter sich aufzuteilen. Hieran war Deutschland, das gute Beziehungen etwa zu kroatischen Faschist:innen unterhält, maßgeblich beteiligt. Deutschland setzt in seiner imperialistischen Geostrategie in Europa außerdem auf die wirtschaftliche Durchdringung bestimmter Regionen in seinen Nachbarländern, z.B. Flandern in Belgien, der Lombardei in Italien, oder Katalonien in Spanien, und unterstützt in diesem Zusammenhang auch nationalistische Bewegungen in diesen Gebieten. Das bedeutet nicht, dass z.B. die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien nicht auch fortschrittliche Potenziale entfaltet hat, insofern sie größere Teile der Arbeiter:innen und unterdrückten Volksmassen in den Kampf gegen den spanischen Imperialismus einbezogen hat. Genau das ist es, was jeweils im Rahmen konkreter Analysen differenziert herausgearbeitet werden muss. Der Punkt ist jedoch, dass Kommunist:innen nicht jeder objektiv reaktionären Bewegung hinterherlaufen dürfen, nur weil sie sich das Etikett „nationale Befreiungsbewegung“ anheftet.
In diesem Zusammenhang sind weitere Punkte wichtig:
Der fortschrittlich-antiimperialistische Charakter einer Bewegung ist nicht in Stein gemeißelt, sondern kann sich im Verlauf der Entwicklung ändern, z.B. wenn nationale Bewegungen sich von einem imperialistischen Staat stückweise freikämpfen, um sich danach an einen anderen imperialistischen Staat zu ketten. Dies war das Schicksal zahlreicher Befreiungsbewegungen in den 1970er und 1980er Jahren (z.B. Vietnam, Angola), die sich letztlich dem Herrschaftsbereich des sowjetischen oder chinesischen Imperialismus unterworfen haben.
Das Eintreten der Kommunist:innen für das Recht auf Selbstbestimmung und staatliche Lostrennung ist auch bei fortschrittlichen nationalen Bewegungen nicht damit zu verwechseln, dass die Lostrennung auch unbedingt immer die beste Strategie im revolutionär-antiimperialistischen Kampf ist. Hier ist immer die Frage, welche Forderungen und welche Kampfmittel in einer konkreten Situation am besten geeignet sind, um die Klassenfrage hinter der nationalen Frage hervortreten zu lassen und den antiimperialistischen Kampf in den Kampf um die sozialistische Revolution zu überführen. Nichtsdestoweniger verteidigen Kommunist:innen das Recht auf Lostrennung stets genau aus diesem Grund, nämlich um allen nationalen und kolonialen Unrat beiseite zu räumen, und die Klassenfrage klar sichtbar zu machen. Besonders wichtig ist dieser Punkt für die Kommunist:innen in den unterdrückenden Ländern, die sonst Gefahr laufen, zu Chauvinist:innen und Helfershelfer:innen des eigenen Imperialismus zu werden.
Zusammenfassend muss die nationale Bewegung der unterdrückten Völker also konkret, vom Standpunkt der wirklichen Resultate in der Gesamtbilanz des Kampfes gegen das imperialistische System und für die sozialistische Revolution eingeschätzt werden. Wir diskutieren zwei konkrete Beispiele hierzu in den Einschüben zur nationalen Frage in Kurdistan und Palästina.
Einschub 1: Die nationale Frage in Kurdistan
Die Kurd:innen zählen zu den Völkern, denen der Imperialismus bis heute die Schaffung eines eigenen Nationalstaates verwehrt. Kurdistan (das Gebiet, das die Kurd:innen seit mehreren tausend Jahren besiedeln) wurde stattdessen unter Führung der englischen und französischen Imperialisten nach der Niederlage des Osmanischen Reiches im 1. Weltkrieg auf vier Staaten aufgeteilt: Nämlich die Türkei, Syrien, Irak und Iran. Seitdem bilden die kurdischen Gebiete innere Kolonien dieser Staaten. Der koloniale Charakter lässt sich an den ökonomischen Verhältnissen aufzeigen: In Westkurdistan (Syrien), auch Rojava genannt, vor allem aber Südkurdistan (Irak) liegen reiche Ölquellen. Die südkurdische Bourgeoisie ist als Herrin über diese Ölfelder und über ihr Bündnis mit den USA im Irakkrieg zwar zu einem gewissen Reichtum gekommen. Dieser schlägt sich aber nicht darin nieder, dass Südkurdistan eine eigene Industrie aufbauen würde. Im Gegenteil: Der größte Teil des dort investierten Kapitals stammt aus der Türkei. Rojava dagegen diente unter dem Baath-Regime in Syrien jahrzehntelang als Agraranhängsel. Nordkurdistan (Türkei) ist zwar kapitalistisch weiter entwickelt, aber ebenfalls deutlich weniger industrialisiert als der Rest der Türkei, die vor allem die Bodenschätze und Wasservorräte der Region ausplündert.
Die kurdische Frage hat durch den nationalen Befreiungskampf vor allem in Nordkurdistan unter Führung der PKK (Arbeiterpartei Kurdistans) seit Jahrzehnten eine besondere Aufmerksamkeit erhalten. Dies wurde durch die Rojava-Revolution ab 2012 noch erheblich gesteigert: Die mit der PKK verbündete PYD (Demokratische Partei) und ihr bewaffneter Arm YPG (Volksverteidigungseinheiten) nutzten das im syrischen Bürgerkrieg entstandene Machtvakuum in Westkurdistan, um dort selbst die Macht zu übernehmen und eine demokratische Revolution zu beginnen, die nicht nur von breiten Teilen der Massen in Rojava getragen, sondern auch von Kommunist:innen und Internationalist:innen aus aller Welt unterstützt wird. Innerhalb der nächsten Jahre gelang es den Kurd:innen, die Lage in Rojava militärisch und politisch zunächst so weit zu stabilisieren, dass auch die verschiedenen imperialistischen Mächte in der Region wie die USA und Russland gezwungen waren, mit ihnen zeitweise taktische Bündnisse zu schließen. Dabei sah sich die Rojava-Revolution gleichzeitig heftiger militärischer Angriffe, zunächst durch den Islamischen Staat (IS) und schließlich durch die Türkei ausgesetzt, die wiederum weltweite Solidaritätsbewegungen mit Rojava auslösten. Rojava ist ein Beispiel dafür, wie unterdrückte Nationen auch unter schwierigsten Bedingungen in einem höchst umkämpften Gebiet ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und einen eigenen revolutionären Weg einschlagen können, anstatt sich an die eine oder andere imperialistische Macht vollkommen auszuliefern. Rojava zeigt auch, wie sie dabei – trotz aller Rückschläge – die Kräfteverhältnisse immer wieder zu ihren Gunsten beeinflussen und ausnutzen können.
Einschub 2: Die nationale Frage der Palästinenser:innen
Die nationale Frage der Palästinenser:innen lässt sich nur richtig verstehen, wenn man die Rolle des Zionismus als politischer Bewegung und tragender Ideologie des israelischen Staates betrachtet. Bekanntlich waren die Jüd:innen in Europa und anderen Teilen der Welt über Jahrhunderte hinweg grausamster Verfolgung ausgesetzt, die sich mit dem Entstehen des Imperialismus Ende des 19. Jahrhunderts noch einmal steigerte. Schon lange vor der systematischen Vernichtung der Jüd:innen durch die Hitlerfaschisten organisierte insbesondere der russische Zarismus brutalste Pogrome, denen unzählige Jüd:innen zum Opfer fielen. Der Zionismus entwickelte sich vor dem Hintergrund dieses wachsenden Antisemitismus ab den 1880er Jahren als bürgerlich-nationalistische Bewegung. Er verfolgte das Ziel, einen jüdischen Kolonialstaat in Palästina aufzubauen, das damals zum Osmanischen Reich gehörte und in der jüdischen Religion als historische Heimstätte gilt (jedoch bis dahin eher die Bedeutung einer Pilgerstätte hatte). Dort lebte damals neben einem kleinen jüdischen Bevölkerungsanteil eine große arabische Mehrheit aus Muslim:innen und Christ:innen. Der frühe Zionismus organisierte vor allem Siedlungsprojekte nach Palästina.
Nach dem Ersten Weltkrieg zerstückelten England und Frankreich weite Teile Westasiens in künstliche Staatsgebilde, die sie unter sich aufteilten (Sykes-Picot-Abkommen). Die Kontrolle über Palästina fiel dabei an England. In dieser Zeit kam es immer wieder zu antikolonialen arabischen Aufständen, die von den Engländer:innen brutal niedergeschlagen wurden. Zionistische Siedler:innen machten noch im Jahr 1918 nur etwa 5 Prozent der Bevölkerung Palästinas aus.19 In dieser Zeit setzten sich innerhalb der zionistischen Bewegung jedoch die radikaleren Teile (u.a. um den späteren israelischen Ministerpräsidenten David Ben Gurion) durch. Sie verfolgten das Ziel der Schaffung eines ausschließlich jüdischen Staates sowie die Vertreibung der Palästinenser:innen und betrieben hierzu eine zeitweise Bündnispolitik mit der britischen Kolonialmacht. Der zionistische Vordenker Wladimir Zeev Jabotinsky legte im Jahr 1923 in seinem Essay „Die eiserne Mauer“ die kühle Grundlogik der zionistischen Politik gegenüber den Palästinenser:innen dar, die bis heute die israelische Politik bestimmt: „Die zionistische Kolonisierung muss entweder aufhören oder ohne Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung vorangehen. Dies bedeutet, dass sie nur unter dem Schutz einer Macht voranschreiten und sich entwickeln kann, die unabhängig von der angestammten Bevölkerung ist – hinter einer eisernen Mauer, die die einheimische Bevölkerung nicht durchbrechen kann.“20
Die Umsetzung der Vertreibung der Palästinenser:innen und die Staatsgründung Israels geschah dann in den Jahren 1947/48. Infolge der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik durch den deutschen Faschismus waren zwischen 1932 und 1948 über 330.000 Juden nach Palästina eingewandert.21 Die Palästinenser:innen stellten jedoch noch immer etwa zwei Drittel der Bevölkerung und besaßen den größten Teil des Ackerlandes. Die Spannungen zwischen Palästinenser:innen, Zionist:innen und Brit:innen verschärften sich. Nach dem Beschluss Großbritanniens im Jahr 1947, im Folgejahr aus Palästina abzuziehen, verabschiedete die UNO einen Teilungsplan, der bereits 56 Prozent des Landes für einen zionistischen Staat vorsah. Im März 1948 begannen zionistische Verbände unter der Führung von Ben Gurion dann mit einer generalstabsmäßig geplanten ethnischen Säuberungsaktion gegen die Palästinenser:innen („Plan Dalet“). Durch sie wurden etwa 800.000 Menschen vertrieben und über 530 arabische Dörfer zerstört. Der israelische Historiker Ilan Pappe hat diese geplante Vertreibung in seinem Buch „Die ethnische Säuberung Palästinas“ genau nachgezeichnet.22 Im Mai 1948 erfolgte die israelische Unabhängigkeitserklärung, auf die eine Reihe von arabischen Nachbarstaaten (Ägypten, Syrien, Libanon, Jordanien, Irak) mit einem Angriff auf Israel antworteten. Israel gewann diesen Krieg und wurde in den folgenden Jahren zunächst von Frankreich, später vor allem von den USA mit Waffenlieferungen unterstützt. Die verbliebenen palästinensischen Gebiete, das Westjordanland und der Gazastreifen, wurden wiederum zunächst von Ägypten und Jordanien annektiert, bis Israel sie im Sechs-Tage-Krieg von 1967 eroberte und besetzte. Infolge der Besatzung wuchs der Einfluss der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) als politischer Vertretung der Palästinenser:innen, die verschiedene politische Gruppierungen umfasst, bewaffnete Aktionen gegen israelische Ziele durchführte und bis zu seinem Tod 2004 von dem Bauunternehmer Jassir Arafat geführt wurde. Der erste große palästinensische Aufstand (Intifada) begann 1987 in den besetzten Gebieten und endete letztlich 1994, als die PLO mit Israel das Osloer Abkommen schloss, das den Palästinenser:innen seither eine begrenzte Autonomie in Teilen des Gazastreifens und des Westjordanlands zugesteht. Der Bau zionistischer Siedlungen in diesen Gebieten ging jedoch weiter und dauert im Westjordanland bis heute an. Der politische Einfluss der PLO ist seit den 1980er Jahren zugunsten islamistischer Bewegungen wie der Hamas und dem Islamischen Dschihad zurückgegangen. Die Hamas etwa kontrolliert seit 2007 den Gazastreifen, während das Westjordanland der palästinensischen Autonomiebehörde untersteht.
Die beschriebenen Entwicklungen bilden die historische Grundlage des sogenannten „Nahostkonflikts“, hinter dem – präzise ausgedrückt – die Frage der Schaffung eines eigenen, existenzfähigen und unabhängigen Nationalstaats für die Palästinenser:innen steht. Diese Frage schließt auch das Rückkehrrecht für Millionen Palästinenser:innen (inklusive deren Nachkommen) ein, die in den vergangenen Jahrzehnten ins Exil gezwungen wurden: Nach Angaben der palästinensischen Statistikbehörde gab es im Jahr 2018 etwa 13 Millionen Palästinenser:innen, von denen 5,85 Millionen in arabischen Staaten lebten, 4,91 Millionen im Gazastreifen und dem Westjordanland, sowie ca. 1,5 Millionen in Israel selbst. Dem stehen etwa 9,1 Millionen Einwohner:innen Israels gegenüber, von denen rund 74 Prozent Jüd:innen sind. In Israel ist mittlerweile, wenn auch unter besonderen Bedingungen, eine eigene israelische Nation entstanden.
Ein Blick auf diese Zahlen und eine Landkarte zeigt aber auch, warum Israel, ausgehend von der oben skizzierten „Eiserne-Mauer“-Logik, die Gründung eines wirklich unabhängigen palästinensischen Nationalstaats in keiner halbwegs realistischen Gebietsaufteilung zulassen kann, ohne gleichzeitig seine eigene Existenz als jüdischer Staat zu untergraben. Deshalb ist der Versuch, 1947 einen solchen Zwei-Staaten-Kompromiss über die UNO zu realisieren, letztlich am Zionismus gescheitert. Die israelische Politik ist vor diesem Hintergrund darauf ausgerichtet, das eigene Gebiet aggressiv zu erweitern, die palästinensischen Gebiete in nicht eigenständig überlebensfähige Territorien zu zerstückeln, die unter militärischer Kontrolle und wirtschaftlicher Abhängigkeit Israels stehen, und gleichzeitig Teile der palästinensischen Bourgeoisie mit Unterstützung anderer imperialistischer Staaten zu kaufen. Außenpolitisch fungiert Israel seit Jahrzehnten als ein militärisches Bollwerk vor allem des US-Imperialismus in der Region. Der Gaza-Streifen, der das am dichtesten besiedelte Gebiet der Welt ist, stellt aus der Sicht des Imperialismus eine Art Versuchslabor für die städtische Aufstandsbekämpfung dar.
Die Situation in Palästina erscheint heute also komplizierter als je zuvor. Eine Lösung der Palästinafrage würde auf palästinensischer Seite mindestens voraussetzen, dass die Palästinenser:innen ihre politische Spaltung überwinden und den Einfluss der reaktionären und Komprador-Kräfte in ihren Reihen zurückdrängen. Ebenso müsste die Arbeiter:innenklasse auf israelischer Seite den Einfluss des Zionismus und Militarismus zurückdrängen. Die sozialen Bewegungen, die sich in den letzten Jahren in Israel entwickelt haben, könnten vielleicht ein zaghafter erster Schritt in diese Richtung sein. Auf ein fortschrittliches historisches Erbe können beide Seiten jedenfalls zurückblicken: Die Kommunistische Partei Palästinas, eine Sektion der Kommunistischen Internationale, organisierte in den 1920er und 1930er Jahren sowohl Jüd:innen als auch Araber:innen.
Die nationale Frage und der Sozialismus
Wir haben gesehen, dass der Kapitalismus die Tendenz hat, Nationen herauszubilden und nationale Bewegungen entstehen zu lassen, die gegen die nationale Unterdrückung und für die Schaffung eigener Nationalstaaten kämpfen. Auf der anderen Seite drängt das Kapital gesetzmäßig über die Grenzen der Nationalstaaten hinaus und strebt danach, das Wirtschaftsleben zu internationalisieren, eine internationale Einheit des Kapitals zu schaffen. Während die erste Tendenz im Frühstadium des Kapitalismus überwiegt, ist die zweite Tendenz vor allem das Kennzeichen des reifen, entwickelten Kapitalismus. Im Imperialismus werden beide Tendenzen zu einem unversöhnlichen Gegensatz: Die kapitalistischen Monopole können nicht mehr bestehen, ohne Kolonien auszubeuten und sie – trotz aller Formveränderungen – gewaltsam in den Rahmen des einheitlichen wirtschaftlichen Ganzen zu zwingen. Der Imperialismus kann die Beziehungen zwischen den Nationen nur gewaltsam, auf dem Weg der Annexion und Kolonialisierung, entwickeln.
Dieser Gegensatz kann nur durch den Sozialismus aufgelöst werden: Kommunist:innen müssen wissen, dass die Vereinigung der Völker in einer einheitlichen sozialistischen Weltwirtschaft nur auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens und freiwilliger Vereinbarungen möglich ist. Der Weg zur freiwilligen Vereinigung der Völker führt aber über ihre Lostrennung vom „imperialistischen Ganzen“, die auch ihre Umwandlung in selbständige Staaten beinhalten kann.
Kommunist:innen müssen deshalb in den imperialistischen Ländern gegen den Großmachtchauvinismus angeblicher „Sozialist:innen“ eintreten, die den Kolonialismus und Neokolonialismus mit allerlei „humanitären“ Argumenten verteidigen, z.B., indem sie den Kapitalexport der eigenen Monopole als „Entwicklungshilfe“ verkaufen oder imperialistische Angriffskriege befürworten, weil diese sich gegen reaktionäre Regime richten (wie z.B. in den 1990er Jahren in Jugoslawien oder in den 2000er Jahren im Irak oder Afghanistan). Die Kommunist:innen eines Landes müssen gerade auf der Seite der nationalen Befreiungskämpfe stehen, die sich gegen den eigenen imperialistischen Staat richten. Ansonsten wäre es undenkbar, eine wirkliche internationale Solidarität zwischen der Arbeiter:innenklasse in den imperialistischen Staaten und den unterdrückten Völkern in den Kolonien und Neokolonien aufzubauen: „Die Revolution in Russland hätte nicht gesiegt (…), wenn das russische Proletariat nicht die Sympathien und die Unterstützung der unterdrückten Völker des ehemaligen Russischen Reiches genossen hätte. Um aber die Sympathien und die Unterstützung dieser Völker zu erwerben, musste es vor allem die Ketten des russischen Imperialismus sprengen und diese Völker von der nationalen Unterdrückung befreien.“ 23
Auch in der proletarischen Revolution und beim Aufbau des Sozialismus muss die Politik der Kommunist:innen auf die Vereinigung der revolutionären Völker auf freiwilliger Basis ausgerichtet sein: Die sozialistischen Staaten gewähren den Nationen deshalb das Recht auf Selbstbestimmung bis zur Lostrennung, denn ansonsten könnte von freiwilliger Vereinigung keine Rede sein. Das politische Ziel ist dabei, ausgehend vom Klassenstandpunkt des Proletariats, jedoch immer die Vereinigung, das heißt die Schaffung des einheitlichen sozialistischen Ganzen. Das geschichtliche Vorbild hierfür ist die Schaffung der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken im Jahr 1922. In der Verfassung der UdSSR von 1936 wurde dieses Prinzip wie folgt festgeschrieben:
„Artikel 13 – Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ist ein Bundesstaat, gebildet auf der Grundlage freiwilliger Vereinigung gleichberechtigter Sozialistischer Sowjetrepubliken (…)
Artikel 17 – Jeder Unionsrepublik bleibt das Recht auf freien Austritt aus der UdSSR gewährt.“ 24
Neben der Durchsetzung des Grundsatzes der freiwilligen Vereinigung müssen die sozialistischen Staaten konsequent mit der Diskriminierung nationaler Minderheiten und dem Rassismus aufräumen, der in imperialistischen Staaten Alltag ist, und die volle Gleichberechtigung aller Nationalitäten gewährleisten: In Deutschland sind das u.a. die Sorb:innen in der Lausitz, Fries:innen und Dän:innen in Norddeutschland, sowie die Sinti und Roma (dies sind die Nationalitäten, die schon vom heutigen Staat als solche anerkannt werden). Zur Durchsetzung der Gleichberechtigung aller Nationalitäten gehört insbesondere die Gewährung gleicher Rechte für alle Bürger:innen unabhängig von ihrer Nationalität, das Recht auf die Entfaltung der eigenen Kultur, Schulunterricht in der Muttersprache, und die Bildung autonomer politischer und gesellschaftlicher Institutionen. Der sozialistische Staat darf diese Rechte nicht nur auf dem Papier gewähren, sondern sorgt ebenfalls für die materiellen Mittel, um sie in der Praxis umzusetzen, etwa durch die Bereitstellung von Ressourcen für den Schul- und Kulturbetrieb, Gebäude, Verlage usw.
Die Überwindung der feudalen Zersplitterung und die Schaffung der Nationen war eine geschichtliche Entwicklung, die ein bestimmtes Niveau der Produktivkräfte und die entsprechenden Produktionsverhältnisse, nämlich die kapitalistischen, voraussetzte. Die Überwindung der nationalen Zersplitterung der Menschheit, die Überwindung der Nationalstaaten erfordert demgegenüber eine noch höhere Entwicklung der Produktionsverhältnisse. Erst in der höheren Phase der sozialistischen Gesellschaft, im Kommunismus, wenn die Klassenverhältnisse beseitigt sind, sterben auch die Staaten und damit die Nationalstaaten ab, und die Nationen werden der Vergangenheit angehören. Das bedeutet, dass eine Abschaffung der Nationen ohne Abschaffung des Kapitalismus eine Illusion ist, dass nur der skizzierte Weg des Sozialismus und der Überwindung der Klassenverhältnisse auch zur Überwindung der Nationen führen kann.
Fragen für das Selbst- und Gruppenstudium
EINLEITUNG
Warum bilden die nationale und koloniale Frage einen wichtigen Bestandteil des Kampfes um die proletarische Weltrevolution?
DER MARXISTISCH-LENINISTISCHE STANDPUNKT ZUR NATION
Wie lautet die marxistisch-leninistische Definition der Nation? Welche Elemente sind für das Bestehen von Nationen entscheidend? Nenne eigene Beispiele.
Wie und wann sind Nationen entstanden?
Welche Staatsformen gibt es in Bezug auf die Nationen? Wo gibt es diese? Nenne Beispiele.
IMPERIALISMUS & UNTERDRÜCKUNG DER NATIONEN
Wie unterscheidet sich die nationale Frage im vormonopolistischen von der nationalen Frage im monopolistischen Kapitalismus?
Wie ist der moderne Kolonialismus entstanden?
Wie sieht die wirtschaftliche Unterdrückung der Kolonien im Imperialismus aus?
Welche Klassen gibt es in den (Neo)kolonien?
Was verstehen wir unter Neokolonialismus?
DIE NATIONALEN BEFREIUNGSBEWEGUNGEN UND DER KAMPF UM DIE WELTREVOLUTION
Was verstehen wir unter dem Selbstbestimmungsrecht der Nationen?
Wie bewerten wir nationale Befreiungskämpfe vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus? Diskutiert Beispiele für aktuelle nationale Befreiungskämpfe.
Welche Perspektiven bietet der Sozialismus für die Lösung der nationalen Frage? Welche Schritte sind dafür notwendig?
Literaturempfehlungen
Josef Stalin, „Marxismus und nationale Frage“, SW Band 2, Seite 266 – 333
Der grundlegende Text des Marxismus-Leninismus, in dem alle wesentlichen Aspekte behandelt werden. Gut geeignet zum Nachlesen und Vertiefen dieser Schulung.
Akademie der Wissenschaften der UDSSR, „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, deutsche Übersetzung, Dietz-Verlag 1. Auflage 1959, 791 Seiten
Das Lehrbuch ist zur Vertiefung dieser Schulung sehr zu empfehlen, da es pädagogisch gut aufbereitet in überschaubarer Länge und gut verständlich die Inhalte vermittelt. Kapitel XVI behandelt das Kolonialsystem des Imperialismus .Nach Möglichkeit sollte man die 1. Auflage oder einen entsprechenden Nachdruck von K-Parteien aus den 1970er nehmen. Ab der 2. Auflage vermischen sich, insbesondere bei den Themen Imperialismus und Sozialismus, marxistisch-leninistische und revisionistische Tendenzen zu einem auch für Fortgeschrittene nicht immer leicht zu entwirrenden Knäuel.
Josef Stalin, „Über die Grundlagen des Leninismus Vorlesungen an der Swerdlow-Universität“, SW Band 6, S. 62 – 166
Einführungsvorlesungen, die Einsteiger:innen einen schnellen Überblick über wesentliche Inhalte des Leninismus verschaffen. Der VI. Vortrag behandelt die Nationale Frage.
Leninismus – Lesehefte für Schulen und den Selbstunterricht, Heft 6, „Die Nationale und koloniale Frage“, Moskau 1935, Nachdruck: Rotfront-Verlag Kiel, 179 Seiten
Mitte der 30er Jahre in der Sowjetunion erschienene Schulungsreihe, die Sinnabschnitte aus Texten der „großen Lehrer des Proletariats“ in Form längerer Zitate zusammenführt. Dadurch wird ein guter Überblick über das Thema gegeben und gleichzeitig hat man eine umfangreiche Liste von Originaltexten. Gute Ergänzung zu unserer Schulung für das Weiterarbeiten.
1Stalin, „Marxismus und nationale Frage“, SW 2, S. 272
2Ebd., S. 268
3Dies folgt unter anderem sehr schlagend aus der Entschlüsselung der menschlichen DNA zu Beginn der 2000er Jahre. Einer der beteiligten Wissenschaftler:innen, der US-Genetiker Craig Venter, erklärte zur Frage der menschlichen „Rassen“: „Es gibt mehr Unterschiede zwischen Menschen schwarzer Hautfarbe als zwischen Menschen schwarzer und heller Hautfarbe. Und es gibt mehr Unterschiede zwischen den sogenannten Kaukasiern als zwischen Kaukasiern und Nicht-Kaukasiern.“ Der Rassenbegriff ist demnach ein gesellschaftliches Konstrukt. Vgl. „Es gibt keine Rassen“, Dagmar Röhrlich, www.deutschlandfunk.de/menschheitsgeschichte-es-gibt-keine-rassen.1148.de
4Stalin, „Marxismus und nationale Frage“, SW 2, S. 270
5„Die Auffassung, dass das österreichische Volk ein Teil der deutschen Nation ist, ist theoretisch unbegründet. Eine Einheit der deutschen Nation, in der auch die Österreicher miteinbezogen sind, hat es bisher nie gegeben und gibt es auch heute nicht. Das österreichische Volk hat unter anderen wirtschaftlichen und politischen Lebensbedingungen gelebt als die übrigen Deutschen im Reich und daher eine andere nationale Entwicklung genommen. Wie weit bei ihm der Prozess der Herausbildung zu einer besonderen Nation fortgeschritten ist bzw. wie eng noch die nationalen Bindungen aus der gemeinsamen Abstammung und gemeinsamen Sprache sind, kann nur eine konkrete Untersuchung seiner Geschichte ergeben.“, Alfred Klahr, „Zur nationalen Frage in Österreich“, Weg und Ziel 1937, https://web.archive.org/web/20131108084037/http://www.antifa.co.at/antifa/KLAHR.PDF
6Stalin, „Marxismus und nationale Frage“, SW 2, S. 270 f
7Ebd., S. 278
8Ebd., S. 279
9Ebd., S. 279
10Ebd., S. 281
11Ebd., S. 280
12Beim Warenexport wird der Mehrwert im eigenen Land erzielt, weil die Ware dort produziert wird. Sie wird im Anschluss bloß ins Ausland verkauft. Beim Kapitalexport hingegen wird der Mehrwert im Ausland erzielt. Dies kann geschehen, indem ein Unternehmen einen Industriebetrieb im Ausland aufbaut wird und dort Lohnarbeit ausbeutet (dies wird auch als Direktinvestition bezeichnet), oder aber, indem z.B. eine Bank Kredite an ausländische Unternehmen vergibt und sich einen Teil des von ihnen erzielten Mehrwerts als Zinsen aneignet.
13„Das ökonomische Grundgesetz des monopolistischen Kapitalismus besteht in der Sicherung des kapitalistischen Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung des gegebenen Landes, durch Versklavung und systematische Ausplünderung der Völker anderer Länder, besonders der zurückgebliebenen Länder, und schließlich durch Kriege und Militarisierung der Volkswirtschaft.“, Autorenkollektiv, „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, Dietz 1955, S. 273 f
14Autorenkollektiv, „Politische Ökonomie – Lehrbuch“, Dietz 1955, S. 268
15Stalin, „Über die Grundlagen des Leninismus“, SW 6, S. 123
16Dieser Prozess spielte sich unter der Bedingung der jahrzehntelangen, alleinigen Vorherrschaft des US-Imperialismus über die kapitalistische Welt ab, die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 ihren Höhepunkt erreichte. Der Aufstieg Chinas zu einer den USA ebenbürtigen imperialistischen Macht, sowie die weitere Verschiebung der Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Staaten, dürfte zu neuen Formveränderungen des Imperialismus und des Kolonialsystems führen.
17Siehe Einschub 1 und 2
18Stalin, „Über die Grundlagen des Leninismus“, SW 6, S. 126
19Ilan Pappe, „Die ethnische Säuberung Palästinas“, Zweitausendeins Verlag, 2007, S. 31
20W.Z. Jabotinsky, „The Iron Wall“, http://en.jabotisnky.org/media/9747/the-iron-wall.pdf
21Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung, vgl.: https://bpb.de/izpb/268889/eine-bewegung-schafft-sich-ihren-staat-der-zionismus
22Ilan Pappe, „Die ethnische Säuberung Palästinas“, Zweitausendeins Verlag, 2007, S. 11
23 Ebd., S. 130
24Verfassung der UdSSR, SW 14, Verlag Roter Morgen 1977, S. 13 ff