Eine notwendige Antwort auf den Vorschlag von Blockupy und ein Beitrag zur Weiterentwicklung der politischen Widerstandsbewegung und Klassenkampfpraxis – unser strategisches Konzept für den gemeinsamen Kampf auf der Straße in der aktuellen Entwicklungsetappe

Protest ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger geschieht.“

(Ulrike Meinhof, vom deutschen Staat am 9. Mai 1976 ermordete Revolutionärin der RAF)

(In Konkret, Nr. 5, 1968, S. 5; zitiert nach: Peter Brückner, Ulrike Marie Meinhof und die deutschen Verhältnisse, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 1976, S. 148)

Vorbemerkung – Die kommunistische Haltung zur revolutionären Gewalt

Mit dem nachfolgenden Konzept unterbreiten wir einen Vorschlag für das gemeinsame Handeln von KommunistInnen, Revolutionären und einer breiteren antikapitalistischen Linken auf der Straße. Es geht dabei also um die Frage, welche Bündnisse für uns unter den derzeitigen Bedingungen des Klassenkampfs in Deutschland möglich und sinnvoll sind und wie dabei im Rahmen der notwendigen Bündnisabsprachen eine Verständigung über Aktionsformen erreicht werden kann.

Davon zu trennen ist unsere prinzipielle Haltung zu revolutionärer Gewalt. Um etwaige Missverständnisse zu vermeiden, wollen wir die Position der KommunistInnen zu revolutionärer Gewalt als Geburtshelferin der neuen Gesellschaft kurz vorab darstellen.

„(…) Hiernach ist klar, welche Rolle die Gewalt in der Gesellschaft gegenüber der ökonomischen Entwicklung spielt. Erstens beruht alle politische Gewalt ursprünglich auf einer ökonomischen, gesellschaftlichen Funktion und steigert sich in dem Maß, wie durch Auflösung der ursprünglichen Gemeinwesen die Gesellschaftsglieder in Privatproduzenten verwandelt, also den Verwaltern der gemeinsam-gesellschaftlichen Funktionen noch mehr entfremdet werden. Zweitens, nachdem sich die politische Gewalt gegenüber der Gesellschaft verselbständigt, aus einer Dienerin in die Herrin verwandelt hat, kann sie in zweierlei Richtung wirken. Entweder wirkt sie im Sinn und in die Richtung der gesetzmäßigen ökonomischen Entwicklung. (…) Oder aber sie wirkt ihr entgegen, und dann erliegt sie, mit wenigen Ausnahmen, der ökonomischen Entwicklung regelmäßig. (…)

Wo aber – abgesehen von Eroberungsfällen – die innere Staatsgewalt eines Landes in Gegensatz tritt zu seiner ökonomischen Entwicklung, wie das bisher auf gewisser Stufe fast für jede politische Gewalt eingetreten ist, da hat der Kampf jedesmal geendigt mit dem Sturz der politischen Gewalt.(…)

Für Herrn Dühring ist die Gewalt das absolut Böse, der erste Gewaltakt ist ihm der Sündenfall (…) Daß die Gewalt aber noch eine andre Rolle in der Geschichte spielt, eine revolutionäre Rolle, daß sie, in Marx‘ Worten, die Geburtshelferin jeder alten Gesellschaft ist (Karl Marx, Das Kapital Band 1, MEW 23, S.779), die mit einer neuen schwanger geht, daß sie das Werkzeug ist, womit sich die gesellschaftliche Bewegung durchsetzt und erstarrte, abgestorbne politische Formen zerbricht (…)“ (Friedrich Engels, Die Rolle der Gewalt in der Geschichte, Dietz-Verlag 1987, S. 41 f.).

Der Text ist Teil einer umfangreicheren Auseinandersetzung Engels mit anti-marxistischen Ideen in der Arbeiterbewegung, die als Anti-Dühring („Herrn Eugen Dühring’s Umwälzung der Wissenschaft‘) bekannt wurde und eine relativ geschlossene, zusammenfassende Darstellung des Marxismus beinhaltet.

Eine andere Welt ist möglich, lautet ein bekannter Attac-Slogan. Diese Möglichkeit wird aber nur zur Wirklichkeit werden, wenn die ArbeiterInnenklasse in einem höchst gewalttätigen Akt, der proletarischen Revolution, die politische Macht erobert und verteidigt. Revolutionäre Gewalt als notwendiges Mittel für den Zweck der Eroberung der politischen Macht ist unser grundsätzlicher Standpunkt, den KommunistInnen immer offen vertreten haben, seit Karl Marx 1848 das Kommunistische Manifest formuliert hat.

Das ist eine prinzipielle Haltung, die für uns in keinem Bündnis verhandelbar ist. Daraus leiten sich dann auch unsere strategischen wie taktischen Schritte ab, wie z.B. der nachfolgende Vorschlag für einen neuen Aktionskonsens unter den derzeitigen Bedingungen. Natürlich streben wir an, diese Bedingungen im Sinne unserer Ziele zu verändern. Sobald uns das in hinreichendem Maß gelingt, werden wir auch unser Vorgehen einer neuen Situation anpassen. Salopp formuliert: in einer zukünftigen vor-revolutionären oder gar revolutionären Situation werden wir unsere Aufgabe erfüllen und nicht z.B. Blockupy um Erlaubnis fragen, welche Formen revolutionärer Gewalt anzuwenden sind. Darüber hinaus gibt es schon heute Regionen wie z.B. Rojava, in der das von KommunistInnen im Juni 2015 gebildete Internationale Freiheitsbataillon kämpft, und Aufgaben, wie den antifaschistischen Selbstschutz, für die das Nachfolgende aus offensichtlichen Gründen nicht gilt.

Das Beispiel antifaschistischer Selbstschutz mag unter aktuellen Bedingungen der Verdeutlichung und Klärung dienen. Für gemeinsame Aktionen der breiteren politischen Widerstandsbewegung (z.B. Blockaden von Naziaufmärschen) greift der nachfolgende Vorschlag selbstverständlich genau so wie z.B. für Groß-Events wie Gipfelproteste.

Darüber hinaus stellen uns aber sowohl die aktuelle Anschlagswelle der deutschen FaschistInnen auf Flüchtlingsheime wie auch die breite Angriffswelle der türkischen FaschistInnen (Bozkurts, Osmanische Vereine) auf die kurdischen Institutionen wie die Vereine von fortschrittlichen und revolutionären türkischen Parteien Aufgaben der Selbstverteidigung. Wenn wir z.B. Nachtwache in Flüchtlingsunterkünften oder migrantischen Vereinen halten und die FaschistInnen in Tötungsabsicht mit Mollis, Baseballschlägern, Messern und im Fall einer weiteren Eskalation auch mit scharfen Waffen angreifen, dann bestimmen die FaschistInnen ein Eskalationsniveau, dem wir uns notgedrungen stellen müssen.

Für solche und ähnliche Fälle der Selbstverteidigung im offenen Straßenkrieg gelten andere Regeln als jene, wie sie nachfolgend für den politischen Kampf auf der Straße in dabei unumgänglicher Konfrontation mit den Polizeikräften der imperialistischen Bourgeoisie unter heute üblichen Bedingungen entwickelt werden.

Gewaltfreiheit versus Militanz, Selbstverteidigung versus Randale, Protest und Widerstand, Gut und Böse – oder warum die reale Dialektik sich nicht in vereinfachende Schemen pressen lässt

Seitdem sich im Zuge der allgemeinen Krise des imperialistisch-kapitalistischen Systems auch im Herzen der Bestie verschiedene gesellschaftliche Widersprüche – erfreulicherweise, wie wir sagen – zuspitzen, wird die politische Widerstandsbewegung in diesem Land von einer Frage eingeholt, die sie jahrzehntelang tendenziell nur unter Gleichgesinnten in weitgehend voneinander abgeschotteten Strömungen und Sub-Kulturen geführt hatte: die leidige Debatte über revolutionäre (Gegen)gewalt. Seitdem wieder tausende AktivistInnen zusammen mit einer Masse von manchmal mehreren zehntausend Menschen aus der “Bewegung“ auf der Straße zusammen kommen und einer hochgerüsteten Bürgerkriegsarmee gegenüberstehen, ist die Diskussion über Aktionsformen und Militanz keine akademische Frage mehr. Die Notwendigkeit, sich zu verständigen besteht objektiv gesehen, unabhängig davon, ob die verschiedenen linken Akteure miteinander kommunizieren wollen oder sich lieber über anonyme Indymedia-Kommentare andissen.

Auch wenn eine allseitige Gesamtsicht mindestens die Flora-Demo im Dezember 2013, den 1. Mai 2014 und 2015 sowie den G7-Gipfel in Elmau einbeziehen muss, bilden in gewisser Weise die Blockupy-Proteste am 18.3.2015 mit den Rauchzeichen über Mainhattan einen vorläufigen Höhepunkt dieser – vielleicht gegen den Willen der meisten linksradikalen Akteure erfolgenden – Entwicklung. So verwundert es nicht, dass es danach zahlreiche Positionierungen zur Frage der revolutionären Gewalt aus nahezu allen beteiligten Spektren gegeben hat.

Relativ prägnant wird der Stand der inner-linken Debatte von „Einigen AktivistInnen, die am Widerstand gegen die EZB-Eröffnung teilgenommen haben“ wie folgt zusammengefasst:

„Im Folgenden wollen wir einige Annahmen über militantere Aktionen, wie sie von der Presse, der Öffentlichkeit und leider auch Teilen des Blockupy-Bündnisses geäußert wurden, kritisch beleuchten, um somit um Verständnis für unsere Militanz zu werben.(…)

Der Vorwurf der Gewalt ist oft zu hören, wenn es um Aktivst*innen geht, die sich ihren Aktionsspielraum nicht vom Gesetzbuch vorschreiben lassen wollen. Für die Dortmunder Polizei waren selbst Sitzblockaden gegen Nazis eine Form von Gewalt. Wenn mit dem Gewaltbegriff um sich geschmissen wird, dann sollte zuerst geklärt werden wie dieser überhaupt definiert wird. Die engere Definition könnte auch als körperliche Gewalt bezeichnet werden: Eine Person fügt einer anderen körperliche Schmerzen und/oder Verletzungen zu. Nach dieser Definition waren die allermeisten Aktionen am Mittwochvormittag keine Gewalt. Wie es für Beteiligte aus den Medien leicht zu entnehmen ist, wurden die allermeisten Polizistinnen durch ihr eigenes Tränengas verletzt. Wenn Schaufensterscheiben eingeschlagen und Autos oder Mülltonnen angezündet werden, dann ist das Sachbeschädigung, tut aber niemandem (körperlich) weh. Aber auch körperliche Gewalt kann unserer Meinung nach legitim sein. Nur die eingefleischtesten Pazifist*innen würden sich nicht selbst verteidigen, wenn sie bedroht werden. Und ist es nicht Selbstverteidigung bzw. die Verteidigung anderer, wenn Polizist*innen angegriffen werden, die mit aller Gewalt eine Politik und ein System schützen, die für den Tod von unzähligen Lebewesen verantwortlich sind?

Eine weiter gefasste Definition von Gewalt, die die psychische Ebene mit einbezieht und durch den Ausdruck von Wut/Aggression bzw. das Erzeugen von Angst gekennzeichnet ist, würde auch Demos, auf denen laute Parolen gerufen werden, oder Sitzblockaden miteinbeziehen. Niemand im Blockupy-Bündnis würde solche Aktionen als illegitim bezeichnen. Wir finden, dass solche Aktionen – zusammen mit militanteren Aktionen wie dem Anzünden von Polizeiautos – eine Form von wichtiger und notwendiger Gegengewalt gegen die alltägliche Gewalt des Kapitalismus sind.“ („Vielfalt ist unsere Stärke – warum sich Blockupy nicht von militanteren Aktionen distanzieren sollte“, veröffentlicht auf linksunten am 20.3.2015; www.linksunten.indymedia.org/de/node/138102)

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Wir haben hier bewusst GenossInnen, die revolutionäre Gewalt verteidigen, zu Wort kommen lassen. Auch in anderen Spektren wird inhaltlich ähnlich argumentiert. Das System ist gewaltsam, wir verteidigen uns nur, die Gewalt der Gegenseite ist viel schlimmer, wir wollen ja eigentlich niemandem weh tun, aber leider verhindern die Bullen halt, dass wir unseren politischen Protest ausdrücken können – das war, in dieser Zusammenfassung sicherlich polemisch überspitzt formuliert, auch das Argumentationsniveau des revolutionären 3A-Bündnisses beim G7-Gipfel. (Siehe dazu etwa das schriftliche Interview mit der Süddeutschen Zeitung, veröffentlicht auf http://3a-rb.org/interview-mit-der-sz-zum-aktuell-laufenden-g7-gipfel/

„Wir lassen uns nicht verprügeln“ – diese in einer konkreten Situation am Samstagabend nach der Großdemo in Rostock bei G8-Gipfel in Heiligendamm 2007 von einigen KommunistInnen entwickelte Aktionslosung war unter den damaligen Bedingungen taktisch richtig. Dies ist im Sinne der Praxis als Kriterium der Wahrheit bewiesen worden, u.a. durch ihre enorme Verbreitung bis hin zur Übernahme durch Heiner Geißler („Heiner Geißler war von 1982 bis 1985 Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1977 bis 1989 Generalsekretär der CDU. In den letzten Jahren sorgte seine Wendung zu tendenziell linken Positionen, vor allem in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, für beträchtliches Aufsehen, insbesondere als er im Jahr 2007 der globalisierungskritischen Organisation attac beitrat.“ Siehe dazu: Wikipediaeintrag ‚Heiner Geißler‘ sowie seine Homepage www.heiner-geissler.de und die große Rolle, die sie für den weiteren Verlauf der Gipfelproteste gespielt hat. (Die konkrete Situation nach der am Samstag in Rostock aus dem Ruder gelaufenen Großdemonstration war geprägt durch eine massive Distanzierungswelle seitens der späteren IL-Führung und ihrer reformistischen Bündnispartner. Zwar waren wir weder die einzigen noch spielten wir an sich eine große Rolle in der Diskussion innerhalb der Politischen Widerstandsbewegung, aber durch unsere praktische Selbstverteidigung gegen den für uns völlig überraschend erfolgenden Angriff der riot cops, die Pressemitteilung am selben Abend, die sehr schnell weit verbreitet wurde und Diskussionen mit anderen solidarischen GenossInnen, deren Wort innerhalb der PWB deutlich mehr Gewicht hatte als das unsere, konnten wir mit dazu beitragen, dass der beabsichtigte Durchmarsch der Rechten gestoppt wurde. So ließ sich z.B. beim „IL-Plenum“ im Camp am Sonntag keine offizielle, einheitliche Verurteilung der „Hooligans“ durchsetzen und die Basis von ATTAC verweigerte sich der versuchten Spaltung bezüglich der Massenblockaden an den folgenden Gipfeltagen. Damit wurden wesentliche Voraussetzungen geschaffen, auf deren Grundlage die erfolgreichen Blockaden stattfinden konnten sowie das Camp-Plenum in Reddelich mit über 500 TeilnehmerInnen aus allen Spektren einen Konsens (!) zur Selbstverteidigung des Camps entwickelt hat, der wiederum dazu geführt hat, dass die Bullen das Camp nicht gestürmt/geräumt haben und so die Aufrechterhaltung der Blockaden durch die Massen auch nach Rückzug von AVANTI logistisch möglich wurde. Sie ist taktisch notwendig gewesen, weil nach der Zuspitzung beim Protest gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 und der Ermordung von Carlo Giulani der Beraterkreis (‚Beraterkreis‘ war die Selbstbezeichnung jener Genossinnen, die den Kern des Projekts Interventionistische Linke gestellt haben und auf deren Initiative als Teil ihres Organisationsaufbaus auch die Kampagne gegen den G8-Gipfel samt dem Block G8-Aktionskonzept entwickelt wurde. mit seinem strategischen Vorschlag „Block G8“ die Mehrheit der „handlungsfähigen größeren Strukturen“ hinter seiner Linie versammeln konnte. In einer damals noch völlig marginalisierten, reformistisch beeinflussten kommunistischen Bewegung mussten gleichzeitig erstmal grundlegende Diskussionen geführt werden, warum revolutionäre Gewalt keine hypothetische Frage ist, die erst in ferner Zukunft bei einem irgendwann notwendigen Aufstand mal praktisch werden wird und mit der man sich bis dahin nicht auseinanderzusetzen braucht.

Objektiv gesehen ist die Aussage ‚Wir lassen uns nicht verprügeln‘ jedoch völlig sinnlos – es gibt kein legitimes Recht auf Selbstverteidigung im Klassenkampf jenseits einer illusionären (klein)bürgerlichen Moral. Wieso soll Verteidigung gut und Angriff böse sein? Wo bitte sehr liegt der Unterschied zwischen einer erfolgreichen Sitzblockade gewaltfreier Aktionsgruppen z.B. einer Zufahrtsstraße zu einem Gipfel, der Materialblockade einer Demoroute von Nazis mittels brennender Mülltonnen und der Sperrung desselben Wegs mittels einer veritablen Straßenschlacht mit der Bürgerkriegsarmee des Feindes? Unabhängig von der Aktionsform zwingen wir dabei dem Gegner mittels Gewalt unseren Willen auf – und das ist auch gut so! (Damit vertreten wir als Kommunisten keineswegs eine unkritische Gewalt“geilheit“. Unsere Haltung zur Gewalt entspricht nicht einer kleinbürgerlichen Moral, weder in der Form des Pazifismus noch der Form eines linken Abenteurertums und Militarismus, sondern der Moral des Proletariats, wie sie bspw. in der Haltung Stalins und der sowjetischen Staats- und Armeeführung gegenüber Exzessen während des Großen Vaterländischen Krieges zum Ausdruck kam: Die Gewalt ist eine schlichte Notwendigkeit im Klassenkrieg. Sie muss ernst genommen werden. Sie ist kein Spiel. Nur, wenn wir das verstanden haben, werden wir in der Lage sein, den Krieg zu gewinnen.

Der Erfolg ihres Konzepts Massenblockade hat die IL überholt – oder: Warum ziviler Ungehorsam nicht das Ende der Fahnenstange sein kann

Im Vorlauf zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm hatte der Beraterkreis uns seinen strategischen Vorschlag Massenblockaden als Mittel der Wahl der aktionsorientierten politischen Widerstandsbewegung zu etablieren („Block G8“) immer mit dem Argument schmackhaft gemacht, dass dieser Schritt zurück in der Aktionsform nach der Zuspitzung in Genua und der nachfolgenden weitgehenden Zerschlagung der autonomen sozialen Bewegungen in Italien notwendig sei. Es gälte eine Form zu finden, bei der wir die militärische Konfrontation seitens des Staates unterlaufen, eine Form, die die Massen mitnehme und zugleich Grenzen überschreite, indem sie die gesetzliche Legalität bewusst durchbreche. Das Ganze solle uns Handlungsspielraum zurückgewinnen und sei darauf angelegt, Schritt für Schritt ausgedehnt zu werden.

Bekanntlich verliefen die G8-Proteste nicht ganz so, wie sich das die selbsternannte Führung der aktionsorientierten politischen Widerstandsbewegung vorgestellt hatte. Ein kleiner kommunistischer Block wehrte sich spontan und erfolgreich gegen das USK, der ca. 7.000 GenossInnen zählende schwarze Block war überwiegend old school (Radikale Teile der Autonomen, die sich 2007 dem Richtungsschwenk der IL verweigerten, haben sich im Hinblick auf die Argumentation der IL, wonach die Linke sich neu erfinden müsse, bewusst „old school“ genannt und so mit feiner Ironie ihr Festhalten an den Aktionsformen wie einem geschlossenen schwarzen Block auf Demos, der als Masse militant agiert, in ein anschauliches Sprachbild gebracht. und die Bewegungsmassen haben die Blockaden einfach aufrecht erhalten, als AVANTI schon lange wieder ins Camp nach Reddelich zurückgekehrt war. Die Nerven lagen besonders nach der Samstagsdemo in Rostock blank und so kam es zu den legendären Beschimpfungen der kämpfenden GenossInnen durch Christoph Kleines als „Hooligans“ (Ein Tiefpunkt war sicherlich Christoph Kleines (IL, Sprecher von Block G8, AVANTI) Analyse der Beteiligten: “Es war eine wilde Mischung aus Hooligans, Jugendlichen aus der Gegend und Leuten aus dem Ausland” (Welt 4.6.07). Zitiert nach: Demo 2.6. in Rostock aus autonomer Sicht, 7.8.2007, www.gipfelsoli.org/Texte/3903.html.) Wir führen das nur an, weil wir wie viele andere GenossInnen schon damals starke Zweifel daran hatten, dass es dem Beraterkreis nur um eine vorübergehende Rücknahme in der Aktionsform gehen würde.

g7-10Aber wenn wir die GenossInnen einfach mal beim Wort nehmen – und viele vom linken Flügel und an der Basis der IL vertreten das bis heute ganz ehrlich so, dann müssen wir nach Dresden, ‚Castor Schottern‘ und unzähligen Blockaden von Naziaufmärschen feststellen, dass Massenblockaden als Protestform etabliert sind. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die weit verbreitete anerkannte politische Legitimität, sondern drückt sich auch ganz praktisch u.a. dadurch aus, dass konkrete Schutzmaßnahmen gegen polizeiliche Gewalt (Vermummung, Schutz gegen Pfefferspray und Schlagstöcke, also alles, was der Staat als „passive Bewaffnung“ kriminalisiert hat) inzwischen wieder erfreulich normal und weit verbreitet bei unseren Demos sind.

Mit anderen Worten – der eigene Erfolg hat die IL überholt, die politische Widerstandsbewegung und die von ihr mobilisierbaren Massen sind so weit, dass der nächste Schritt gegangen werden kann und muss – da der zivile Ungehorsam nicht die letzte Aktionsform einer radikalen, antikapitalistischen Linken sein kann, die sich selbst ernst nimmt.

Die Nachricht als Ware der kapitalistischen Medien – oder: Warum die Aktionsform für die mediale Außendarstellung potenziell neutral ist

In seiner unersättlichen Gier nach Profit hat der Kapitalismus es geschafft, die Nachricht, d.h. die neueste, aktuelle Information, in eine Ware (Die Ware war zunächst (d.h. in vor-kapitalistischen warenproduzierenden Gesellschaftsformen) ein Gegenstand, der erstens irgendein menschliches Bedürfnis befriedigt und zweitens für den Austausch und nicht den eigenen Gebrauch produziert wird. Eine Ware ist stets Ausdruck eines gesellschaftlichen Verhältnisses. Unter kapitalistischen Verhältnissen dient der Verkauf der Waren vor allem der Realisation des darin enthaltenen Mehrwerts. Deshalb sind dann auch nicht-materielle „Gegenstände“ oder, wie wir heute sagen, Dienstleistungen Waren, wie dies von Karl Marx am Beispiel der Dienste (z.B. des Künstlers, der ein Konzert gibt) erörtert wird. Ob man Nachrichten nun als Dienstleistungen bezeichnen oder eher einen anderen Begriff verwenden möchte, ist im Hinblick auf ihren Warencharakter unerheblich. Nachrichtenagenturen wie Reuters, DPA usw. verkaufen die Ware „Nachricht“ erfolgreich unter kapitalistischen Bedingungen. zu verwandeln. Dabei kommt es zum Zweck der Profitmaximierung zunächst auf den Inhalt der Informationen nur insoweit an, als dafür auf dem Markt eine kaufkräftige Nachfrage bestehen muss, um den Profit realisieren zu können. Daneben – und das unterscheidet die kapitalistischen Medien von vielen anderen ökonomischen Sektoren – tritt insbesondere bei politischen Nachrichten unmittelbar eine weitere außer-ökonomische Funktion hinzu: die Propaganda für die Interessen des jeweiligen Finanzkapitals.

Auf dieser unbestreitbaren Grundlage hat sich im Zusammenhang mit der Debatte über unsere Aktionsformen ein doppelter Irrtum festgesetzt.

Zum einen gilt seit den 1990er Jahren und der Antifaschistischen Aktion/Bundesweite Organisierung Pressearbeit für eine aktionsorientierte politische Widerstandsbewegung, die über den eigenen Tellerrand hinaus wirken möchte, als unverzichtbares Werkzeug. Dabei hat die IL mit dem innovativen Ansatz, Aktionen so zu konzipieren, dass dadurch die gewünschten Bilder geschaffen werden, tatsächlich neue Handlungsoptionen und Interventionsmöglichkeiten für die gesamte politische Widerstandsbewegung entwickelt. Der Fehler liegt unserer Meinung nach dabei weniger darin, dass man sich so auch an den bürgerlichen Politikbetrieb anpasst, als vielmehr an dem Punkt, wo dieses Konzept dahingehend verabsolutiert wird, dass Aktionen nur noch danach ausgerichtet werden dürfen. Zusammen mit dem Ziel, von den reformistischen Bündnispartnern akzeptiert zu werden, hat dies dann zu dem Denken geführt, dass die Medien nur geil auf Gewalt seien, dabei unsere Inhalte ausblenden und wir unsere Inhalte daher nur in die Medien reinbringen, wenn wir nette, bunte, friedliche Bilder a la G8-Polizeiketten-umfließen produzieren.

Zum Anderen hat sich spiegelbildlich beim radikaleren, aktionsorientierten Teil der Bewegung vielfach das Vorurteil verfestigt, wir können unsere Inhalte nicht in die feindlichen Medien bringen. Bei vielen Großevents der letzten Jahre hat sich das dann zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entwickelt, wenn man ATTAC und anderen die gesamte Pressearbeit überlassen hat und sich hinterher über deren – logische – Distanzierung von unseren Aktionsformen je nach Gemüt aufgeregt oder auch bestätigt gefühlt hat.

Wir müssen uns bewusst machen, dass wir mit unserem politischen Handeln durchaus Nachrichten im Sinne des kapitalistischen Medienbetriebs produzieren. Wir können dies ignorieren oder damit politisch selbstbestimmt entsprechend unserer Ziele umgehen. Die Pressearbeit zu der in Rojava gefallenen Kommunistin Ivana Hoffmann und in noch stärkerem Maß beim G7-Gipfel in Elmau haben den praktischen Beweis erbracht, dass wir unsere revolutionären Inhalte sehr wohl in die bürgerlichen Massenmedien bringen können. Dafür müssen wir keine inhaltlichen Abstriche machen – wie das Mantra der IL fälschlicherweise annimmt – sondern nur eine vernünftige und vor allem professionelle Pressearbeit aufsetzen, die den politischen Zielen der Aktion als Teilfunktion untergeordnet ist.

g7-24Unabhängig, für welchen Umgang man sich entscheidet, gilt es für die Frage der revolutionären Gewalt festzuhalten, dass man jede Aktionsform nutzen kann, um das Interesse der bürgerlichen Massenmedien zu wecken und so unsere Inhalte über sie zu vermitteln.

Bündnisfähigkeit erfordert verlässliche Absprachen und vermittelbare Aktionsformen – oder: Warum der Hegemonieanspruch der IL ins Leere läuft

Im Thesenpapier des Blockupy Koordinierungskreis (Blockupy-Koordinierungskreis, Ungehorsam, Bündnis, Straße: Über Voraussetzungen linker Handlungsfähigkeit im Herzen des Krisenregimes; 30. Mai 2015; www.blockupy.org/6062/blockupy-ungehorsam-buendnis-strasse/) wird die Verlässlichkeit von Bündnisabsprachen als zentrales Argument gebraucht. „Wir sagen nichts Grundsätzliches zu Aktionsformen, sondern treffen Verabredungen für unser Bündnis. Diese müssen allerdings verlässlich sein, weil wir nur so die Bündnisbreite erhalten und weil wir Verantwortung für unsere Mobilisierung übernehmen (‚Wir sagen, was wir tun und tun, was wir sagen‘).“ ( Thesenpapier Blockupy, Kapitel 3. Konsense sind Verabredungen im Handeln, keine Papiere; a.a.O.) Gleichzeitig wird anerkannt, dass der eigene Aktionskonsens („Blockupy steht für Demonstrationen und ungehorsame Aktionen, in denen wir keine Menschen gefährden, von denen keine Eskalation ausgeht und an denen alle, auch Menschen mit wenig Blockadeerfahrung, teilnehmen können. Wir fokussieren uns auf politisch begründete Orte und Akteure der Krise, nicht auf Polizei.“; Kapitel 3. Konsense sind Verabredungen im Handeln, keine Papiere; a.a.O.) nicht für alle gilt bzw. gelten kann („Die Straße ist kein Bündnis“), nur um im nächsten Satz genau das – nämlich die Hegemonie der eigenen Aktionsform – wieder einzufordern: „Um aus dieser lebendig-unberechenbaren Vielfalt aber tatsächlich Stärke entstehen zu lassen, sind Kommunikation und Absprachebereitschaft aller Akteure die erste Voraussetzung.

Das ist schon reichlich dreist angesichts der Tatsachen, dass sich der militante Mob in Frankfurt am 18. März 2015 sehr wohl bündnispolitische Gedanken gemacht und separat gesammelt hat (Siehe z.B. die Auswertung Autonomer Gruppen ‚EZB-Eröffnung – eine Auswertung‘ vom 12.4.2015 auf links unten: „Leider können wir uns in diesem Zusammenhang eine kleine Randbemerkung zum „Aktionskonsens“ nicht verkneifen: Im Grunde genommen ist es in Teilen eine Wiederholung der Diskussion um ‚Castor Schottern‘, wobei „die“ Militanten sich diesmal nicht vorhalten lassen können, keine eigenen Aktionen gemacht zu haben: es gab morgens einen eigenen Finger, Kundgebungen wurden nicht bewusst angesteuert und auf der Demo am Abend wurde sich nach dem Konsens gerichtet. Dass trotzdem manche innerhalb von Blockupy solchen Alleinvertretungsanspruch geltend machen und behaupten, es sei ein „Aktionskonsens“ gebrochen worden, wundert uns nicht. Von Parteien und Co. ist nichts anderes zu erwarten. Hier aber trotzdem nochmal: Wir waren nie Teil von Blockupy und daher auch nie vom Aktionskonsens.“ Zitiert nach: https://linksunten.indymedia.org/de/node/140181 und zwei von drei Fingern – zumindest in den Teilen, die an der Spitze tatsächlich durch Polizeiketten gegangen sind bzw. dies ernsthaft probiert haben – von kommunistischen GenossInnen gestellt wurden, die von Anfang an klar kommuniziert haben, dass sie sich nicht auf zivilen Ungehorsam festnageln lassen.)

Zur verlässlichen Kommunikation gehört auch, dass man bei der Wahrheit bleibt. Dazu gehört u.a. auch, dass beim südlichen Blockadepunkt (gelber Finger) die Nachricht von den brennenden Polizeiautos in der Innenstadt von der Blockleitung positiv aufgegriffen wurde und über das Blockademegafon verkündet großen Beifall gefunden hat. Nach der Blockade hat der gesamte Finger (!) geschlossen zweimal versucht, über Mainbrücken in die Innenstadt durchzubrechen, womit zumindest mehrere Hundertschaften und zwei Wasserwerfer bis ca. 11:30 Uhr im Süden gebunden waren. Man kann kritisieren, dass dabei die notwendige letzte Entschlossenheit noch gefehlt hat, aber zu behaupten „von uns gehe keine Eskalation aus … und wir fokussieren uns nicht auf die Polizei“ ist reine Augenwischerei.

Insofern ist es dann fast schon wieder konsequent, dass die IL bis auf einige lobenswerte Ausnahmen vom linken Flügel beim G7-Gipfel – übrigens entgegen vorheriger Bündnisabsprachen – durch Abwesenheit geglänzt hat.

Jeder macht Seins – oder: Warum die räumliche Trennung unterschiedlicher Aktionsformen z.B. nach Fingern an Grenzen stößt

Eine Schlussfolgerung des Blockupy Koordinierungskreis teilen wir allerdings, wenn auch aus ganz anderen Gründen: ‚Jeder macht Seins‘ ist keine tragfähige Basis für zukünftige Aktionseinheiten. Die räumliche Trennung unterschiedlicher Aktionsformen mag manchmal taktisch funktionieren, politisch löst sie aber, wie gerade Blockupy 2015 gezeigt hat, das Problem in keiner Weise.

„Es ist natürlich nachvollziehbar, sich bewusst gegen Bündnisse zu entscheiden und deren nicht-eskalierenden Konsens politisch abzulehnen. Wer dann aber aus dem Schutz dieser Bündnisaktionen heraus massiv eskaliert, macht das Bündnis und andere Aktivistinnen zu bloßen Objekten seiner politischen Aktionen und handelt dadurch unsolidarisch.“

Damit erhebt die IL faktisch einen Hegemonieanspruch für ihr Konzept friedlichen Protests (Ziviler Ungehorsam mit Massenblockaden). Damit gerät diese Aufforderung dann in einen unauflösbaren Widerspruch zu der vorher formulierten Erkenntnis, wonach die Straße kein Bündnis ist:

„Als Organisatorinnen können und wollen wir selbstverständlich keinen Anspruch darauf erheben, dass sich Aktivistinnen im gesamten Stadtgebiet verbindlich an unsere Beschlüsse halten.“ (Blockupy-Koordinierungskreis, Ungehorsam, Bündnis, Straße; a.a.O.)

zaunDas politische Problem umfasst nämlich weniger die Verlässlichkeit von Bündnisabsprachen, mit denen die IL es bei Bedarf auch nicht so genau nimmt, als vielmehr die Frage, welche Aktionsform (oder im IL-Sprech „welche Bilder“) denn nun inhaltlich als Konsens vereinbart wird. Natürlich steht es jeder Organisation und jedem Spektrum frei, seine eigenen Aktionen zu machen. Aber wenn wir alle – oder zumindest mehrere von uns – gemeinsam auf der Straße stehen, wie es bei Großevents nun halt mal der Fall ist und auch zukünftig sein wird, müssen wir uns verständigen.

Die Notwendigkeit einer Verständigung – oder: Warum wir die Debatte über Mittel und Ziele des Widerstands führen müssen

Die Gipfelproteste in Genua und Heiligendamm machen das Problem anschaulich. In Genua wurden nach der Zuspitzung auch absolut gewaltfreie Teile der Großdemo von den völlig entfesselten Bullen blutig zusammengeschlagen und in Heiligendamm waren militante Aktionsformen bei den IL-dominierten Massenblockaden nicht möglich. Da das Handeln der Einen auf die Möglichkeiten und das Handeln der Anderen Rückwirkungen hat, müssen wir irgendwie mit den daraus entstehenden Widersprüchen umgehen.

Daher wollen wir Blockupy nochmal beim Wort nehmen: „Wir wollen alle Teile der linken Bewegung als politische Akteure ernst nehmen, uns mit ihnen über politische und strategische Fragen auseinandersetzen und – stärker als bislang – auch Absprachen treffen.“

Auch wir wollen angesichts der überall greifbaren Zuspitzung der imperialistischen Widersprüche und der daraus entstehenden Brüche im System samt wachsenden und militanter werdenden Bewegungen eine Debatte über politische und strategische Fragen der revolutionären Gewalt. In diesem Sinne unterbreiten wir hier als Diskussionsbeitrag den aus unserer Sicht notwendigen neuen Aktionskonsens in Anlehnung an die bekannte Demo-Parole: Ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand!

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Ein strategischer Vorschlag – ob friedlich oder militant, gemeinsam und koordiniert organisieren wir den Widerstand!

„Mit dem Aufstand spielt man nicht“ – so hatte einst Lenin eine wichtige Erkenntnis über Sinn und Zweck revolutionärer Politik auf den Punkt gebracht. Wir sind nicht zum Spaß auf der Straße, nicht um unseren Unmut zu zeigen, nicht zur identitären Selbstvergewisserung oder aus sonstigen, uns eher seltsam anmutenden Beweggründen.

Der Kampf auf der Straße ist für uns ein strategisches Handlungsfeld, bei dem es in aller Regel darum gehen wird, im Sinne von Ulrike Meinhof Widerstand praktisch werden zu lassen. Dafür wollen bzw. müssen wir vorher verabredete Ziele erreichen und zwar in einem sehr konkreten, beinahe schon militärischen Sinn. Sei es, dass die Nazis nicht laufen, dieses oder jenes Hindernis überwunden wird, jener Punkt (z.B. in der roten Zone) erreicht oder diese Straße dicht gemacht wird. Indem wir diese konkreten „militärischen“ Ziele der Aktion erreichen, wollen wir bestimmte politische Zwecke verwirklichen (Gipfel stören, Nazipropaganda verhindern, Solidarität auf die Straße tragen, unsere Propaganda verbreiten, die Bewegung vergrößern usw.).

Sobald wir uns über den politischen Zweck verständigt und die konkreten Ziele bestimmt haben, gilt es davon ausgehend die notwendigen und möglichen Mittel und Formen zu diskutieren und einzuplanen. Je nach Situation mögen das die erfolgversprechendsten, die effizientesten oder auch ganz verschiedene Mittel sein, die im Rahmen der Absprachen zur Anwendung kommen. Wichtig ist nicht die ideologische Verortung der Akteure bzw. deren Verständnis der Aktionsform(en), sondern dass es darum geht, ein gemeinsam bestimmtes Ziel zu erreichen, durchaus auch auf unterschiedlichen Wegen.

Dabei erkennen wir die Realität an, dass die Polizei uns ebenfalls nicht aus Spaß gegenüber tritt. Ihr Job ist es, entsprechend den Vorgaben der Einsatzzentrale unsere Zwecke zu durchkreuzen und uns daran zu hindern, die festgelegten Ziele zu erreichen. Der einzelne Polizist ist weder neutral, noch steht er zufällig im Weg oder knüppelt irrtümlich auf uns ein. Er hat sich den Job freiwillig ausgesucht und im Falle der üblicherweise gegen uns aufgebotenen geschlossenen Einheiten der riot cops kommt hinzu, dass diese aufgrund ihrer reaktionären bis faschistischen Überzeugung politisch sehr bewusst aus ehrlicher Feindschaft auf uns einschlagen. Angesichts dieser Realität kann die Polizei für uns kein Gegner in einem sportlichen Wettkampf sein. Die Polizeikräfte sind vielmehr der konkrete Feind, den wir besiegen müssen, um unsere gesetzten Aktionsziele zu erreichen.

Da der Feind und wir wechselseitig entgegengesetzte Ziele verfolgen, spielt es keine Rolle, ob die Polizei oder wir offensiv oder defensiv, eskalierend oder deeskalierend agieren. Wir wollen unser Ziel erreichen und PolizistInnen, die der Konfrontation mit uns aus dem Weg gehen wollen, sollen sich einen anderen Job suchen oder müssen sich zumindest überlegen, wie sie sich drücken können.

Wir akzeptieren unterschiedliche politische Haltungen und daraus resultierende Unterschiede in den Aktionsformen auf unserer Seite der Barrikade. Wir wollen weder aus VeganerInnen FleischfresserInnen noch aus militanten StraßenkämpferInnen PazifistInnen machen oder umgekehrt. Wir wollen in dieser real vorhandenen Unterschiedlichkeit uns verabreden, um gemeinsam bestimmte konkrete Aktionsziele zu erreichen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Niemand soll in Situationen gebracht werden, wo er/sie gegen seine/ihre Überzeugung handeln müsste. Gleichzeitig trägt jede/r ihren/seinen Teil dazu bei, dass das Ziel erreicht wird und zwar in vollem Bewusstsein der Tatsache, dass andere dafür gerade Dinge tun, die man selbst nicht richtig findet.

Die notwendige Verlässlichkeit und Transparenz stellen wir dabei in der konkreten Situation her. Das kann sehr unterschiedliche Formen annehmen, z.B. die taktische räumliche Trennung unterschiedlicher Aktionsformen oder die Verteilung der Aufgaben je nach Eskalationsstufe.

Wir teilen nicht die Ansicht, dass in dieser Vielfalt eine Stärke liegt. Das Gegenteil ist richtig: Stärker wären wir, wenn wir einheitlich handeln könnten. Massenhaft gegen eine Bürgerkriegsarmee zu agieren erfordert eine Organisiertheit, die auch ein zentralisiertes Kommando umfasst, d.h. eine Aktionsleitung, die wirklich die gesamte Aktion leitet. Solche Strukturen werden üblicherweise als Milizen bezeichnet und die Praxis hat ihre Sinnhaftigkeit immer wieder bewiesen. Wir sehen diese Option unter den gegebenen Bedingungen in Deutschland aber auch mittelfristig in der Breite der politischen Widerstandsbewegung nicht als realistisch an.

Daher schlagen wir als konkrete Option, die sich umsetzen lässt, vor, dass wir das gemeinsame Durchsetzen bestimmter Ziele mit unterschiedlichen Mitteln in der Form koordinierten Vorgehens als zukünftige strategische Leitlinie im Sinne eines Aktionskonsens vereinbaren. Bildlich könnte man das in Abwandlung der bekannten Demo-Parole so formulieren: Ob friedlich oder militant, gemeinsam und koordiniert organisieren wir den Widerstand.

Politische Widersprüche und Identitäten bleiben bestehen

Unser strategischer Vorschlag für den Kampf auf der Straße leugnet keineswegs vorhandene unterschiedliche politische Identitäten und die Widersprüche zwischen ihnen. Insbesondere der grundsätzliche Widerspruch zwischen einem radikalen Reformismus, der vom Gegner anerkannt werden will, um dann konkrete Teilforderungen in einem Aushandlungsprozess durchsetzen zu können und einer kommunistischen Position, der es letztlich immer um den konkreten Aufbau einer revolutionären Gegenmacht geht und die erfüllte Teilforderungen als Abfallprodukt des Klassenkampfs sieht, wird nicht aufgehoben und kann, auch objektiv gesehen, nicht verschwinden.

Anders ausgedrückt: Die Konkurrenz um die ideologische Hegemonie in der Bewegung hebt sich nicht auf. Welche Bilder wir produzieren, wird und muss umstritten bleiben.

Ein bekannter Satz über Realpolitik lautet: In der Politik gibt es keine Freunde, nur Interessen. Deshalb sollten und können wir einen gemeinsamen Aktionskonsens auf der Grundlage gemeinsamer Interessen formulieren. Keine tragfähige Basis kann dagegen die illusionäre Behauptung sein, wonach wir alle das selbe wollen würden. Nein, Revolutionäre und ReformistInnen wollen nicht dasselbe und werden daher auch in der Absprache über konkrete Aktionen immer wieder aneinander geraten müssen. Trotz prinzipieller Unterschiede zwischen einem radikalen Reformismus und dem revolutionären Pol (Unserer Analyse nach gehören zum revolutionären Pol alle ML-Kräfte, die maoistischen GenossInnen und jene, die sich als KommunistInnen auf das Konzept Stadtguerilla in der ein oder anderen Form beziehen.

Das „aktionsorientiere Spektrum der radikalen Linken“ im weiteren Sinn umfasst alle GenossInnen und Organisationen, die unabhängig von ihrer Ideologie in der Praxis auf der Straße militant agieren oder dies zumindest mittragen und so auf unserer Seite der Barrikade gegen den deutschen Imperialismus als unserem Hauptfeind stehen. Dazu gehören z.B. VertreterInnen antiimperialistischer Befreiungsbewegungen und Exilorganisationen, die AnarchistInnen, Sozialrevolutionäre, sowie jene ehrlichen GenossInnen aus dem linken, radikalen Flügel des modernen Reformismus (Postoperaismus, Empire; linke Teile von ‚Ums Ganze‘), Revisionismus und Trotzkismus in der politischen Widerstandsbewegung, die wir hoffentlich ideologisch wie politisch gewinnen werden und mit denen wir schon heute als ‚aktionsorientierte politische Widerstandsbewegung‘ in der Praxis immer öfter zusammen kämpfen., der in sich wiederum sehr große Unterschiede aufweist, gibt es in der aktuellen Situation im Herzen der Bestie jedoch auch sehr viele Gemeinsamkeiten. Eine grundlegende Gemeinsamkeit besteht darin, dass beide Pole der breiteren antikapitalistischen Linken die „bürgerliche Demokratie“ im Sinne legaler Handlungsmöglichkeiten verteidigen müssen.

Für den Kampf auf der Straße bedeutet dies, dass wir verlässliche Bündnispartner sein werden. Wir werden uns permanent und vermutlich in jedem Einzelfall mit den radikalen Strömungen des Reformismus streiten, wie weit man gehen kann bzw. soll. Entscheidend bleibt aber, dass wir keine Abenteurer sind. Der bewaffnete Kampf ist kein Spiel und es gibt Zeiten, in denen man diesen sinnvollerweise nicht beginnt.

g7neu4Diese Erkenntnis ergibt sich aus der Betrachtung der Erfahrungen internationalistischer Kontakte und kämpfender Revolutionäre weltweit. Übertragen auf die heutigen Verhältnisse in Deutschland folgt daraus, dass auch beim Kampf auf der Straße von uns keine unsinnigen Eskalationen ausgehen werden!

Der Vorwurf durch „massive Eskalation andere zum Objekt seiner politischen Aktionen zu machen und dadurch unsolidarisch zu sein“, geht komplett an unserem Verständnis des gemeinsamen Kampfes auf der Straße und unserer Praxis vorbei. Im Gegenteil: Da, wo wir uns den riot cops stellen, geschieht das im Rahmen einer abgesprochenen Taktik zur Erreichung der gemeinsam formulierten operativen Ziele.

Kann das trotz linker Abgrenzungsrituale und politischer Unterschiede bzw. Gegensätze in der politischen Widerstandsbewegung funktionieren?

Wenn wir die ideologischen und politischen Gräben betrachten, die uns trennen, mag unser Vorschlag utopisch erscheinen. Wenn wir uns die Praxis mal im Detail anschauen, müssen wir erkennen, dass die Bewegung in den konkreten Aktionen vielfach weiter ist als ihre politische VertreterInnen. Unser strategischer Vorschlag für einen neuen Aktionskonsens ist nämlich nichts anderes als die Verallgemeinerung der Entwicklungen, die sich in der letzten Zeit ergeben haben. Die „Gewaltfrage“ ist eine Szene-Debatte aus den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts, heute bildet sie keine Trennwand mehr für gemeinsames Handeln. Selbst jahrzehntealte sektiererische Abgrenzungsrituale und eine verfestigte Nicht-Kommunikation zwischen Spektren brechen langsam im aktionsorientierten Teil der politischen Widerstandsbewegung auf, auch unter dem Druck der Gärung in den Massen. Die drei Tage auf dem Camp und den Aktionen in Garmisch-Partenkirchen gegen den G7-Gipfel haben dies sehr deutlich gezeigt. Vielleicht gerade weil die üblichen Großorganisationen weitestgehend gefehlt und wir mit einem sehr offensiven Aktionskonsens den Raum geschaffen haben, indem sich die zukünftige Strategie ansatzweise entwickeln und in der Praxis bewähren konnte.

Wenn vielleicht 1.500 bis maximal 2.000 halbwegs organisierte AktivistInnen auf dieser Grundlage einer Bürgerkriegsarmee von mindestens 25.000 Mann Paroli bieten konnten, macht das Lust auf Mehr.

In diesem Sinne, es bleibt bei der Verabredung:

Wir kommen zusammen – beim gemeinsamen Kampf auf der Straße!

Ob friedlich oder militant, gemeinsam und koordiniert organisieren wir den Widerstand!