Einleitung
In dieser Schulung werden wir uns mit der historischen Entstehung des Patriarchats und der Stellung der Frau heute im Kapitalismus beschäftigen.
Heute wird überall, selbst in der herrschenden Klasse, viel über Frauenbefreiung und Emanzipation gesprochen. In den meisten Fällen wird jedoch gar nicht verstanden, was das Patriarchat für ein Unterdrückungsverhältnis ist und warum es nicht möglich ist, dieses durch einige Gesetzesänderungen im bürgerlichen Staat zu überwinden. Um das Patriarchat zu verstehen, ist es notwendig, zum Beginn der Menschheit zurück zu gehen und sich die Entwicklung von der Urgesellschaft bis hin zur heutigen, entwickelten kapitalistischen Gesellschaft anzuschauen. Vor der Aufgabe, Erklärungen für die Unterdrückung der Frau aufgrund ihres Geschlechts zu finden, kapituliert die bürgerliche Geschichtsforschung bis heute immer wieder. In dem 2011 erstmals veröffentlichtem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ belässt es der Historiker Yuval Noah Harari dabei, dass er sich auch nicht erklären könne, warum es auf allen Kontinenten die Entwicklung hin zum Patriarchat gab und somit alle Frauen durch das Patriarchat unterdrückt wurden und werden.
Schon Friedrich Engels und August Bebel waren ihm hier vor 100 bis 150 Jahren um einiges voraus. Denn sie erkannten, dass man die Entstehung des Patriarchats nur im Zusammenhang mit der Entwicklung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen verstehen und erklären kann.
In der jüngeren Vergangenheit hat die Geschlechterforschung in der Archäologie einige Fortschritte gemacht, jedoch gerät auch sie an die Grenzen des heute Möglichen. Dieser Teil der Geschlechterforschung, der sich mit der Entstehung und Veränderung der Menschheit beschäftigt, bezieht sich auf die Alt- und Mittelsteinzeit. Er umfasst einen Zeitraum von 2,5 Millionen Jahren. Anzunehmen, in diesen 2,5 Millionen Jahren herrschten unveränderte und überall gleiche Verhältnisse, ist aus marxistischer Sicht absurd. Die Umwelt und damit auch die Menschheit befand sich in einem stetigen Wandel. Die belegten Kalt- und Warmzeiten sind ein Beispiel hierfür. Wie sich die sozialen Verhältnisse änderten, lässt sich nach aktuellem Stand der archäologischen Forschung nur für ungefähr die letzten 100.000 Jahre rekonstruieren. Und auch dort nicht vollständig, sondern in vielen Bereichen können bisher nur Ansätze rekonstruiert werden.
Im deutschsprachigen Raum hat die archäologische Geschlechterforschung und somit ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Analyse der menschlichen Geschichte überhaupt erst in der jüngsten Zeit an Bedeutung gewonnen. Im englischsprachigen Raum nahm die Bedeutung schon um einiges früher zu.
Hinzu kommt, dass auch die bürgerliche Wissenschaft ein Ausdruck der herrschenden Ideologie ist. Das bedeutet, auch in der Forschung wirkt das Patriarchat auf unterschiedlichen Ebenen. Die dahinter stehende Ideologie ist eine patriarchale und die Forschung passiert größtenteils aus einer männlichen Sichtweise und somit wirken auch hier die klassischen Rollenbilder und Vorurteile. Karl Marx stellte dazu richtig fest: „Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken, d. h. die Klasse, welche die herrschende materielle Macht der Gesellschaft ist, ist zugleich ihre herrschende geistige Macht.“ 1
Im folgenden werden wir auf die Entstehung der menschlichen Gesellschaft, die Entstehung der Familie und die damit verbundene Stellung der Frau in den verschiedenen gesellschaftlichen Epochen eingehen.
In den nachfolgenden Schilderungen geht es um die grundsätzliche Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und des Zusammenlebens. Diese wird hier nach den aktuellen Kenntnissen in vereinfachter Form dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die entsprechenden Begriffe in anderen Zusammenhängen auch als diskriminierend und abwertend genutzt werden, wie zum Beispiel die Epochen der „Wildheit, Barbarei und Zivilisation“ oder die Bezeichnung einer Gruppe von Menschen, die durch Verwandtschaftsbeziehungen miteinander verbunden ist und einen gemeinsamen geographischen Raum bewohnt, als „Stamm“. In diesem Text werden sie ohne Wertung, zur Beschreibung der damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse des Zusammenlebens verwendet.
Die Entstehung der menschlichen Gesellschaft
Die menschliche Geschichte umfasst mehrere Millionen Jahre. Die Menschheit durchschritt hierbei in Europa vier ökonomische Gesellschaftsformationen: Die Urgesellschaft, die Sklavenhaltergesellschaft, die Feudalgesellschaft und die kapitalistische Gesellschaft. Wir werden in dieser Schulung unseren Schwerpunkt auf die Verhältnisse in der Urgesellschaft und der heutigen kapitalistischen Gesellschaft legen.
Die Urgeschichte der Menschheit beschreibt den ältesten und gleichzeitig längsten Zeitabschnitt der menschlichen Geschichte. Sie beginnt mit der Herauslösung der Menschen aus dem Tierreich.
Der Mensch trennte sich durch die Arbeit vom Tier und „die Arbeit fängt an mit der Fertigung von Werkzeugen“2. Sie war die erste und wichtigste Voraussetzung für die menschliche Tätigkeit.
Solange der Prozess der Aussonderung des Menschen aus der Tierwelt dauerte, lebten die Menschen in Horden, in Rudeln, wie ihre unmittelbaren Vorfahren. Doch in der Folgezeit bildete sich im Zusammenhang mit der Entstehung der Wirtschaft die Urgemeinschaft und dem Anwachsen der Bevölkerung die Gentilverfassung der Gesellschaft heraus. Die Urgeschichte ist nicht nur ein Bereich, über den viele neue Erkenntnisse gewonnen wurden und werden. Sie ist und bleibt in der Forschung bis heute ein Feld voller ideologischer Auseinandersetzungen und noch ungeklärten Fragen.
Die Entwicklung der Urgesellschaft
Der amerikanische Anthropologe Lewis Morgan3 spricht von drei Hauptepochen der menschlichen Entwicklung: Wildheit, Barbarei und Zivilisation. Von diesen analysierte er insbesondere die ersten beiden und teilte sie wiederum in eine untere, mittlere und obere Stufe. Die Stufen unterscheiden sich vor allem durch bestimmte grundlegende Veränderungen der Gewinnung der Lebens- und Unterhaltsmittel, d.h. durch die Weiterentwicklung der Produktivkräfte.
Erste Stufe: „Wildheit“:
Die „Wildheit“ bildet nach Morgan in ihrer unteren Stufe die Kindheit der Menschwerdung. Sie beschreibt die Zeit, in der der Mensch, welcher zum Teil noch auf den Bäumen lebte und sich hauptsächlich von Früchten und Beeren ernährte, begann, sich aus dem Tierreich zu lösen. In dieser Zeit begann der Mensch auch erstmals eine Sprache zu sprechen.
Die mittlere Stufe der Wildheit zeichnet sich dadurch aus, dass mit der Verwertung kleinerer Tiere, wie Fischen oder Krebsen begonnen und das Feuer genutzt wurde. Erste Waffen aus Stein in Form von Speeren oder andere Werkzeuge wurden in dieser Zeit entwickelt und für die Jagd und Verwertung kleinerer Tiere genutzt.
In der oberen Stufe der Wildheit wurden die Waffen weiterentwickelt, Pfeil und Bogen erfunden, Steinwerkzeuge geschliffen und Körbe geflochten. Durch die geschliffenen Werkzeuge wurden beispielsweise die Bearbeitung von Holz zur Herstellung von Booten oder Hütten möglich.
Zweite Stufe: „Barbarei“:
Die untere Stufe der Barbarei kennzeichnet sich durch die Entwicklung der Töpferei. Diese ist in vielen Fällen entstanden, indem hölzerne und geflochtene Gefäße mit Lehm überzogen wurden, um diese feuerfest zu machen.
Bis zu diesem Zeitpunkt fand die menschliche Entwicklung in allen Regionen der Welt in weitesten Teilen gleich statt. Jetzt aber spielen die unterschiedlichen Gegebenheiten der Natur eine größere Rolle.
Um die mittlere Stufe der Barbarei zu analysieren, müssen sich verschiedene Regionen der Welt angeschaut werden. Je nach geographischer Lage beginnt die Zähmung von Tieren, die Milch oder Fleisch geben, oder das Anpflanzen von Getreide und der Gebrauch von an der Sonne getrockneten Ziegeln und Steinen zum Bau von Hütten.
Die obere Stufe der Barbarei beginnt mit dem Schmelzen von Eisenerz. In dieser Stufe der menschlichen Entwicklung wurden die größten Veränderungen und Fortschritte der Produktion erreicht. Der erste von Vieh gezogene eiserne Pflug hob den Ackerbau auf eine neue Stufe, denn so war es möglich, eine für damalige Verhältnisse praktisch unbeschränkte Vermehrung der Lebensmittel zu erzielen. Gleichzeitig wären die Rodung von Wäldern und das Nutzen dieser Flächen zum Ackerbau ohne die eiserne Axt und den Spaten unmöglich geblieben.
Die neuen Möglichkeiten der Produktion von Lebensmitteln und Versorgung der Gesellschaft führten zu einer schnellen Vermehrung der Bevölkerung und gleichzeitig zu einer größeren Bevölkerungsdichte auf einem kleineren Gebiet.
Dritte Stufe: „Zivilisation“:
Die Zivilisation zeichnet sich durch die Entwicklung der Schrift und somit den Beginn der Geschichtsschreibung aus.
Die Entwicklung der Familie
Nach diesem Überblick über die allgemeine Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wenden wir uns nun der Entstehung der Familie zu. Durch all ihre Veränderungen hindurch bildet sie bis heute, mit der Entwicklung der Arbeitsteilung und des Privateigentums, eine der zentralen Säulen für das Unterdrückungssystem des Patriarchats.
Die Ethnographie versucht das Zusammenleben, die soziale und politische Organisation und die kulturellen Ausprägungen einer Gesellschaft zu beschreiben. Durch archäologisch überlieferte materielle Hinterlassenschaften und ethnographisch erforschte urgesellschaftliche Stämme und Völker können heute bestimmte Analysen zu den ökonomischen, sozialen und ideologischen Verhältnissen in der Gentilgesellschaft gemacht werden.
Da die Familienform und das Verwandtschaftssystem im folgenden nicht immer übereinstimmend sind, werden wir zu Beginn den Inhalt dieser Begriffe erklären.
Die Familienform beschreibt die tatsächlichen Verhältnisse in denen die Menschen zusammen lebten. Das Verwandtschaftssystem beschreibt die Beziehungen der Menschen untereinander. Das bedeutet welchen Inhalt die Bezeichnungen „Mutter“, „Vater“, „Tochter“, „Sohn“, „Schwester“, „Bruder“ usw. haben. Diese uns heute bekannten Definitionen und Begriffe werden, wenn wir in die Vergangenheit blicken, über den Haufen geworfen.
„Die Familie“, sagt Morgan, „ist das aktive Element; sie ist nie stationär, sondern schreitet vor von einer niedrigeren zu einer höheren Form, im Maß wie die Gesellschaft von niederer zu höherer Stufe sich entwickelt. Die Verwandtschaftssysteme dagegen sind passiv; nur in langen Zwischenräumen registrieren sie die Fortschritte, die die Familie im Lauf der Zeit gemacht hat, und erfahren nur dann radikale Änderung, wenn die Familie sich radikal verändert hat.“ 4 Durch die Betrachtung des Verwandtschaftssystems können Rückschlüsse auf die vorherigen Familienformen gezogen und diese analysiert werden.
Die geschichtlichen und gesellschaftlichen Beziehungen in der Wildheit und Barbarei unterscheiden sich erheblich von denen der Zivilisation. Lewis Morgan und Johann Jakob Bachofen5 untersuchten diese Beziehungen auf unterschiedliche Art und in unterschiedlichen Regionen der Welt.
Bachofen studierte historische Schriften, um das Wesen der Mythologie, der Sagen und historischer Schriften zu verstehen. Morgan lebte jahrzehntelang unter den Irokes:innen, die im Staat New York lebten und bekam dort direkte Einblicke in die Lebens-, Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen der Stämme.
Die Herauslösung der Menschen aus dem Tierreich
In der Unterstufe der Wildheit, also in der Herauslösung der Menschen aus dem Tierreich, fand generationsübergreifend Geschlechtsverkehr innerhalb der Familienverbände statt.
Die Blutverwandtschaftsfamilie
Nach Morgan bildet die erste Stufe der Familie in den Perioden der Wildheit und Barbarei die Blutverwandtschaftsfamilie. Hierbei handelt es sich um eine Form der Gruppenehe. Die Ehegruppen bildeten sich in der Blutverwandtschaftsfamilie nach Generationen unterteilt. Jede Generation der Familie, also der Menschen, die zusammen lebten, sind untereinander Mann und Frau. Das bedeutet in der Generation der Großeltern sind alle Großmütter und Großväter, unabhängig davon, ob sie biologisch miteinander verwandt sind. Das bedeutet, sie durften Geschlechtsverkehr haben. In der Generation der Eltern, Kinder und Enkelkinder ist es das gleiche. In dieser Familienform ist also nur die Beziehung über Generationen hinweg untersagt gewesen.
Dass die Blutverwandtschaftsfamilie als historische Familienform existierte, konnte nur aus Rückschlüssen aus dem Verwandtschaftssystem einiger Stämme gezogen werden. Obwohl Stämme in ganz Polynesien und auf Hawaii in einer weiterentwickelten Familienform lebten, galt bei den Untersuchungen noch immer ein Verwandtschaftssystem, welches der Blutverwandtschaftsfamilie entsprach.
Die Entwicklung der Blutverwandtschaftsfamilie zu einer entwickelteren Familienform dauerte eine lange Zeit. Innere und äußere Umstände werden dazu geführt haben, dass sich die Familienform verändern musste. Jede Blutverwandtschaftsfamilie musste sich ab einer gewissen Anzahl spalten, da die materiellen Gegebenheiten an einem Ort nicht zum Überleben aller ausreichten. Ebenso ist es wahrscheinlich, dass bei entwickelteren Kulturstufen langsam festgestellt wurde, dass der Geschlechtsverkehr zwischen nahen Verwandten für die Nachkommen schädlich ist.
Heinrich Cunow6 bezieht sich in seiner Analyse auf die Überlieferung von Samuel T. Gason, einem frühen Siedler, der nahe des australischen Stammes der Dieyeries stationiert war. Er berichtete folgende Tradition über die Entstehung der Murdu, also des Geschlechtsverbandes:
„Nach der Schöpfung heirateten Väter, Mütter, Schwestern, Brüder und andere nahe Verwandte unterschiedslos untereinander, bis sich die übeln Wirkungen solcher Verbindungen deutlich zeigten. Eine Beratung der Führer wurde abgehalten und in Betracht gezogen, auf welchem Wege dieses verhütet werden könnte. Das Ergebnis der Beratungen bestand in einer Bitte an den Muramura (großen Geist), und dieser befahl in seiner Antwort, der Stamm solle in verschiedene Zweige geteilt und solche zur Unterscheidung mit verschiedenen Namen benannt werden, nach lebenden und leblosen Objekten, zum Beispiel nach dem Dingo, der Maus, dem Emu, dem Regen, der Leguaneidechse usw. Die Mitglieder einer und derselben Gruppe durften unter sich nicht heiraten, wohl aber die eine Gruppe in die andere. Der Sohn eines Dingo sollte beispielsweise nicht die Tochter eines Dingo heiraten, dabei könne aber jedes der beiden eine Verbindung mit der Maus, dem Emu, der Ratte oder sonst einer anderen Familie eingehen.“ 7
Punaluafamilie
Nachdem in der Blutverwandtschaftsfamilie der Geschlechtsverkehr zwischen unterschiedlichen Generationen verboten wurde, entwickelte die Familienform sich weiter zur Punaluafamilie, der höchsten Form der Gruppenehe. “Punalua“ ist hawaiisch und bezeichnet die Ehepartner:innen. Hier herrschte eine Gruppenehe zwischen zwei Gruppen. Das bedeutet, eine Gruppenehe zwischen mehreren leiblichen oder nahe verwandten Schwestern und Brüdern mit einer anderen solchen Gruppe. In der Punaluafamilie wurde der Geschlechtsverkehr zwischen leiblichen Geschwistern ausgeschlossen, das bedeutet zwischen allen Kindern mit der gleichen Mutter, da nur die Mutterschaft eindeutig bestimmt werden konnte. Im Laufe der Entwicklung dieser Familienform wurden diese Grenzen jedoch weiter verengt.
Eine oder mehrere Schwestern bildeten den Kern einer Familie, ihre leiblichen Brüder den Kern der anderen. Die Männer der Schwestern waren die Männer aller Schwestern, ebenso waren die Frauen der Brüder die Frauen aller Brüder. Die leiblichen Brüder und Schwestern waren nun eben von der Ehe untereinander ausgeschlossen.
Das Verwandtschaftsverhältnis der Punaluafamilie war folgendes:
In der 1. Generation der Punaluafamilie sind alle Frauen Schwestern und alle Männer Brüder. Sind sie alt genug, bilden die Frauen eine Gruppe (Gruppe 1) und die Männer eine andere Gruppe (Gruppe 2). Diese Gruppen gehen jeweils mit einer anderen Gruppe einer anderen Punaluafamilie eine Gruppenehe ein. Das bedeutet, alle Männer und alle Frauen sind miteinander verheiratet und zwei neue Punaluafamilien sind entstanden (Familie 1 und Familie 2). Für Kinder sind alle Frauen der Familie ihre Mütter und alle Männer ihre Väter, das heißt alle Kinder einer Familie sind Geschwister. Die Kinder der Familie 2, sind die Neffen und Nichten der Familie 1. Genauso sind die Kinder der Familie 1 die Neffen und Nichten der Familie 2. Die Kinder der Familie 1 und die Kinder der Familie 2 sind untereinander Cousinen und Cousins.
Nach dem Prinzip der Gruppenehe sind die Männer der Schwestern meiner Mutter ebenso ihre eigenen Männer. Genau so sind die Frauen der Brüder meines Vaters seine Frauen.
Im Laufe der weiteren Entwicklung dehnte sich das Verbot der Beziehungen auf die entferntesten Verwandten mütterlicherseits aus.
Matri-lineare Gens
Aus dieser neu entstandenen Blutverwandtschaftsgruppe entstand die erste Form der matri-linearen Gens.8
Jede dieser Gens hatte eine Stammmutter. Die Ehemänner gehören nicht zu der Gens ihrer Ehefrau, sondern zu der ihrer Schwestern. Da noch immer die Gruppenehe von verschiedenen Gentes vorherrschend war, waren die Kinder Teil der mütterlichen Gens.
Warum nur mütterlicherseits?
In allen Formen der Gruppenehe war nur die Verwandtschaft nach der Linie der Frauen, also der Mütter nachweisbar. Entsprechend wird nur die weibliche Linie anerkannt. Aus dieser Abstammungsfolge nach der Mutter hat sich mit der Zeit das Erbrecht nach eben dieser entwickelt, welches nach Bachofen den Namen „Mutterrecht“ trägt. Zu dieser Zeit konnten Werkzeuge, bearbeitete Felle etc. vererbt werden.
In jeder Gens gab es nach wie vor das Gemeineigentum an allem Besitz. Die Frau war die Leiterin dieser Gens und somit der Gesellschaft. Eine Gens mit Mutterrecht, oder matri-lineare Gens, bedeutete jedoch keineswegs, dass es das genaue Gegenteil von heute war. Es hat damals keine Unterdrückung des Mannes aufgrund eines Geschlechts gegeben.
Aufgrund des fehlenden Mehrprodukts und somit der fehlenden ökonomischen Grundlage für die Unterdrückung des Menschen durch den Menschen war eine Unterdrückung des Mannes durch die Frau nicht möglich.
Schon jetzt können wir sehen, dass sich mit der Entwicklung der Familie seit Beginn der Menschheit die eheliche Gemeinschaft immer weiter verengt, sodass zuerst Geschwister ausgeschlossen wurden und diese Entwicklung sich fortsetzte, bis alle Blutsverwandten nach und nach ausgeschlossen wurden. Diese Entwicklung machte eine Gruppenehe, wie sie vorher bestand, faktisch unmöglich.
Paarungsfamilie
Als nächste Form der Familie trat die Paarungsfamilie zu Zeiten des Übergangs zwischen der Wildheit und Barbarei auf. Ihr Hauptmerkmal besteht darin, dass es die erste Ehe zwischen einzelnen Paaren gab, diese jedoch zu Beginn noch nicht zwingend zusammen lebten, sondern jede:r in der eigenen Gens weiter lebte und in diesem ökonomischen Kollektiv weiter arbeitete. Diese Ehen waren von beiden Seiten leicht lösbar. Wurden sie gelöst, bedeutete dies, dass der Mann (wenn er in der Gens der Frau lebte) in seine mütterliche Gens zurückkehrte, oder eine neue Ehe in einer anderen Gens einging. Die Kinder lebten nach der Geburt immer in der Gens der Mutter.
Wir befinden uns nun in der Zeit der Mittelstufe der Barbarei. Wie oben erklärt, ist es jetzt notwendig, sich die verschiedenen Regionen der Welt genauer anzusehen. In Amerika war nach den Forschungen Bachofens die Paarungsfamilie bis hin zur europäischen Kolonisation vorherrschend. In Europa, Teilen Afrikas und Asiens schritt die Entwicklung früher weiter fort.
Die patri-lineare Gens
Mit der Entwicklung der patri-linearen Gens – das bedeutet: einer Gens in der nach der Blutlinie der Männer, also der Väter entschieden wird – entstand die erste patriarchale Familie. Sie bedeutete die Ehe eines Mannes mit mehreren Frauen und folgte auf die Paarungsfamilie.
Die bis heute letzte Entwicklungsstufe, die heute als „normal“ angesehen wird, ist die monogame Familie. Die monogame Familie entstand beim Übergang zur Zivilisation. Hier leben einzelne Paare unter der Bedingung, ausschließlich Geschlechtsverkehr miteinander zu haben, in dieser Form zusammen, gehen eine Ehe ein und bilden eine Wirtschaftseinheit.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Charakteristisch für die Wildheit war die Gruppenehe, für die Barbarei die Paarungsfamilie und für die Zivilisation die Monogamie.
Klare Rollenverteilung in der Urgesellschaft?
Wenn heute über das Patriarchat und Rollenbilder gesprochen wird, wird häufig gesagt, die Rollenbilder seien seit Urzeiten festgelegt. Die Männer waren Jäger und sind dementsprechend auch heute noch häufig ungezügelt und die Ernährer der Familie. Die Frauen waren Sammlerinnen und schon immer Hausfrauen, sie haben sich um die Kinder gekümmert und sind bis heute sensibler und müssen sich um den Haushalt kümmern.
Das Zeitalter, über das hier gesprochen wird, ist die Alt- und Mittelsteinzeit. Dieses Zeitalter begann je nach geografischem Ort vor rund 2,5 Millionen Jahren. Die Urgesellschaft umfasst also eine für uns heute unvorstellbar lange Zeit, in der es keineswegs statische Verhältnisse gab, sondern in der sich viele Veränderungen und Schwankungen in der Umwelt vollzogen haben.
Bedingt durch Warm- oder Kaltphasen schwankten die Anteile der Ernährung, die durch Jagen oder Sammeln eingebracht wurden erheblich. Somit wäre, selbst wenn es die klar geschlechtlich getrennte Rollenverteilung gegeben hätte, der Jäger nicht zwangsläufig zu allen Zeiten der Haupternährer gewesen.
Da die sich wandelnden Lebensverhältnisse auch das soziale Zusammenleben prägen, muss also auch hier mit sich wandelnden Verhältnissen gerechnet werden. Detaillierter rekonstruieren lassen sich die Formen des sozialen Zusammenlebens und die Veränderung der Umwelt auf Grund der Quellenlage nur etwa für die letzten 100.000 Jahre.
Eine klare Rollenverteilung, wie wir sie in der Schule meistens lernen, das heißt die Frauen und Kinder gingen Sammeln und die Männer gingen Jagen, gab es nach heutigen archäologischen Erkenntnissen nicht.
Alexandra Kollontai fasste diese Erkenntnisse schon 1921 in ihren Vorlesungen an der Sverdlov-Universität zusammen:
„Die Stellung der Frau in der Gesellschaft ist immer ein Resultat aus den Arbeitsaufgaben, die ihr innerhalb eines ökonomischen Systems gegeben
werden.“ 9 In der Urgesellschaft, in der die Menschen in Herden umherzogen, existierte kein Unterschied in der Stellung des Mannes und der Frau.
Auf der ersten und zweiten Entwicklungsstufe der Menschheit, d.h. dem Stadium der Jäger:innen und Sammler:innen („Wildheit“, „Barbarei“), gab es keine größeren Unterschiede zwischen den körperlichen Eigenschaften der Frau und des Mannes, ihrer Stärke und Gelenkigkeit. Viele für die Frau heute in der patriarchalen Gesellschaft wichtige körperliche Züge entwickelten sich erst bedeutend später; nämlich erst, nachdem die Frau Generation um Generation mit ihrer Rolle als „Hausfrau und Mutter“ die Fortpflanzung der Menschheit zu garantieren hatte.
Auch heute unterscheiden sich die Körper der Menschen je nach den Bedingungen, in denen sie leben. In vielen heute noch lebenden Jäger:innen- und Sammler:innengemeinschaften unterscheidet sich der Körperbau von Männern und Frauen zu denen der Menschen in einer anderen gesellschaftlichen Entwicklungsstufe. Bis heute werden diese Unterschiede zur patriarchalen und rassistischen Unterdrückung genutzt. Bis in die 1970er Jahre wurden in Europa und den USA der Grad der „Zivilisation“ einer Gesellschaft auch daran festgemacht, wie deutlich sich Männer und Frauen voneinander unterschieden. Dass Frauen ihre Bein- und Achselhaare rasieren, hat in diesen rassistischen Zuweisungen ihren Ursprung. Es wurde gesellschaftlich wichtig, nicht „savage“ auszusehen, das heißt sich deutlich durch zum Beispiel Haarlosigkeit, Diäten usw. von Männern und den „wilden schwarzen Frauen“ zu unterscheiden. Heutige archäologische Forschungen und Grabungen bestätigen dies. Unter anderem wurden die Skelette von Männern und Frauen auf Verletzungen und bestimmte Aktivitätenmuster, die auf die Nutzung bestimmter Muskelgruppen zurückgehen, untersucht. Hier konnten in der Altsteinzeit, das bedeutet in der 1. Stufe der menschlichen Entwicklung, keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen festgestellt werden. Das lässt darauf schließen, dass Männer und Frauen die gleichen Tätigkeiten verrichtet haben.
Frauen bei der Jagd
Ethnographische Beispiele aus verschiedenen Weltregionen zeigen, dass sich sowohl Männer als auch Frauen in bis heute bestehenden Jäger:innen- und Sammler:innengesellschaften an der Jagd beteiligen.
In einigen Stämmen in Zentralafrika haben sich die Frauen auf die Jagd spezialisiert. Bis zu 8 Stunden täglich gehen sie auf Netzjagd. An dieser beteiligen sich sowohl Männer, als auch Frauen, als auch Kinder ab 5 Jahren. Auch in der Schwangerschaft und in vielen Fällen wenige Tage nach der Geburt beteiligen sich Frauen an der Jagd.
Auch in vielen Stämmen in Australien sind Jägerinnen keine Ausnahme. In Australien zählen Kaninchen zu einer beliebten Beute. Diese werden in vielen Stämmen ausschließlich von Frauen gejagt. In der Wüste in Zentralaustralien werden sie von Frauenteams der Kukatja, Pitjantjatjara und Warlpiri mit Grabstöcken aus dem Bau ausgegraben.
Auch bei den in der Arktis lebenden Menschen waren und sind Jägerinnen nichts besonderes. Bei den Copper-Inuit zum Beispiel sind die Frauen sowohl an der Vorbereitung als auch an der Durchführung der Treibjagd auf Karibus (Rentiere) beteiligt. Ebenso begleiten junge Frauen ihre Männer bei der Seehundjagd oder gehen eigenständig auf Jagd.
In den Waldgebieten in Kanada sind die Frauen auf Grund der Einsamkeit in diesen Gebieten darauf angewiesen, sich im Zweifelsfall eigenständig zu versorgen. Bei Krankheit des Ehepartners oder wenn Frauen alleinstehend sind (etwa durch den Tod oder Fortgang des Partners), gehen sie dort alleine auf Großwildjad auf Bären, Elche oder Hirsche. Aber nicht nur das: Manche Familien entscheiden sich dazu, ihre Mädchen als Jägerinnen zu erziehen und so ist es normal, dass sich diese Mädchen aktiv an der Jagd beteiligen.
Das Gebären von Kindern führte zu kurzen Unterbrechungen in den gewöhnlichen Beschäftigungen der Frauen. Lange konnten jedoch auch sie nicht fehlen. Genauso wie alle anderen Mitglieder eines Stammes waren die Frauen gezwungen, bei Angriffen durch Raubtiere den Stamm zu verteidigen, Jagen zu gehen und Früchte und Beeren zu sammeln.
In dieser Zeit gab es weder eine Abhängigkeit der Frau vom Mann, noch gab es unterschiedliche Rechte oder Pflichten. Jegliche Voraussetzungen hierfür fehlten. Eine einseitige Abhängigkeit vom Manne gab es nicht, da dieser ja selbst völlig auf das Kollektiv, den Stamm, angewiesen war. Der Stamm fasste Beschlüsse und bestimmte. Wer sich nicht dem Willen des Kollektivs unterordnen wollte, verhungerte oder wurde von Raubtieren gerissen. Nur durch festes Zusammenhalten im Kollektiv war der Mensch imstande, sich vor den mächtigsten und schrecklichsten Feind:innen jener Periode zu schützen. Gleichheit und natürliche Solidarität, diese den Stamm zusammenhaltenden Kräfte, waren somit also auch die besten Waffen der Selbstverteidigung. Darum also war es in der allerersten Periode der ökonomischen Entwicklung der Menschheit unmöglich, dass ein Stammesmitglied einem anderen untergeordnet oder von diesem einseitig abhängig war. Die Frau kannte im „Urkommunismus“ weder Sklaverei, noch soziale Abhängigkeit oder Unterdrückung. Und die Menschheit jener Periode wusste nichts von Klassen, Ausbeutung der Arbeit oder Privateigentum. So lebte die Menschheit Tausende, ja Zehntausende von Jahren.
Wie kam es dann zum Patriarchat?
Um zu verstehen, wie nun konkret das Patriarchat als erster Unterdrückungsmechanismus des Menschen durch den Menschen entstanden ist, werden wir die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in Verbindung zu den ökonomischen Verhältnissen analysieren. Denn durch die Weiterentwicklung der Produktivkräfte, die Entstehung der Arbeitsteilung und dem damit einhergehenden Privateigentum, kam es zur Entwicklung des Patriarchats.
Das Matriarchat und das Patriarchat sind zwei aufeinander folgende historische Organisationsformen der Gentilgesellschaft, zwei Perioden der Urgesellschaft, wobei das Patriarchat bis heute in angepasster und veränderter Form weiter besteht.
Die Stellung der Frau in der Gesellschaft bestimmt jeweils ihre Stellung in der Familie. In der Urgesellschaft war das Privateigentum unbekannt. Die Menschen lebten in Herden, zogen umher und es bestand kein Unterschied in der Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft.
Es existierte keine Abhängigkeit der Frau vom Mann oder umgekehrt. Denn die ökonomische Grundlage hierfür fehlte. Ein Mehrprodukt zu erzeugen oder sich Nahrung oder Ähnliches privat anzueignen war nicht möglich, denn es konnte nicht mehr produziert werden als das, was zum Überleben reichte. Alle waren auf das Kollektiv angewiesen. Das Kollektiv fasste die Beschlüsse und bestimmte. Wer sich dem nicht unterordnete, konnte nicht überleben. Trotzdem sprechen wir zu dieser Zeit vom Matriarchat. Schon jetzt können wir einen Unterschied zum Patriarchat feststellen, denn es gab keine Unterdrückung des Menschen durch den Menschen. Die Rolle der Frauen war jedoch, dass sie in der Position waren, den Stamm am Leben zu erhalten, da sie die Nachkommen geboren haben. Hinzu kam, dass die wenigen Dinge, die es zu erben gab (z.B. Werkzeuge) nach der Erbschaftslinie der Mutter vererbt wurden, da die Frauen die einzigen waren, denen die Kinder sicher zugeordnet werden konnten.
In der nächsten Phase der menschlichen Entwicklung änderte sich diese Situation. Je nach geografischer Situation wurde ein Stamm sesshaft und entwickelte den Ackerbau, oder ein Stamm entwickelte die Viehzucht weiter.
Alexandra Kollontai analysierte die Stellung der Frau in den sich unterschiedlich entwickelnden Stämmen sehr ausführlich.
Wir beginnen hier mit der Situation der Frau in Stämmen, in denen hauptsächlich Viehzucht betrieben wurde. Wenn die Bedingungen gut waren – das bedeutete, wenn es sowohl weite Steppengebiete mit vielen Wiesen und wilden Herden von Rindern oder Pferden gab, als auch genügend Menschen mit den Fähigkeiten, Tiere nicht nur zu töten, sondern lebendig zu fangen – entwickelte sich die Viehzucht. Die Männer und Frauen ohne Kinder gingen auf die Jagd, während die Frauen, die ihre Kinder versorgten, zurückblieben und die eingefangenen Tiere bewachten. Es war ihre Aufgabe, diese Tiere zu zähmen. Ökonomisch war das Zähmen jedoch zweitrangig. Höher wurde das Fangen der Tiere und ihr Einbringen in den Besitz des Stammes bewertet. Da die Frau wirtschaftlich gesehen nun weniger (Gebrauchs)wert schaffte und ihre Arbeit weniger produktiv war, das bedeutet hier nicht im gleichem Maß den Wohlstand des Stammes förderte, entstand die Auffassung, die Frau sei auch sonst nicht dem Manne gleichwertig.
Es entstand nun also sowohl das Privateigentum an Herden, Nahrungsquellen, Hütten usw., als auch die erste Arbeitsteilung nach Geschlecht. Je weiter die Entwicklung fortschritt, je größer die Herden wurden, also je reicher ein Stamm wurde, umso mehr verschlechterte sich die Situation der Frau. Das Patriarchat und somit die erste Unterdrückung des Menschen durch den Menschen war entstanden.
In Stämmen, die hauptsächlich Ackerbau betrieben, war eine andere Entwicklung zu sehen.
Zu Beginn des Ackerbaus reichten die Erzeugnisse der Landwirtschaft noch nicht aus, um die Ernährung der Bevölkerung vollständig zu sichern. Das bedeutet, auch die Jagd wurde weitergeführt. So entstand die erste „natürliche“ Arbeitsteilung. Die Frauen, die schon vorher zurückblieben, um die Kinder zu ernähren und auf sie achtzugeben, übernahmen die Landwirtschaft. Denn sie hatten diese entdeckt und kannten sich am besten damit aus: Für die Frauen, die mit den Kindern der Jagd fernblieben, war es schwer, neue Nahrung zu beschaffen. Gleichzeitig mussten sie oft lange warten, bis die andern mit gejagter Beute zurückkamen, denn auch die Jagd gestaltete sich schwierig. Wenn der Vorrat an Nahrung an dem Ort, an dem sie warteten, aufgebraucht war, mussten sie nach essbaren Gräsern und Körnern suchen. Diese aßen sie, wobei auch etwas auf den Boden fiel. Wenn sie nach einiger Zeit an die Stelle zurück kehrten, stellten sie fest, dass das Korn zu keimen begonnen hatte und an dieser Stelle wuchs. Sie wussten nun also, wo sie künftig leicht Nahrung finden würden. Die erste Form der primitiven Landwirtschaft war entstanden. Die Landwirtschaft war die Entdeckung, die die Rolle der Frauen für eine lange Zeit bestimmte. Sie hob die Frauen an die Spitze des Stammes.
Auch ist man sich heute weitestgehend einig, dass die Frauen das Feuer als Hilfsmittel für die eigene Arbeit entdeckten. Wenn der Rest des Stammes zur Jagd ging, mussten sie sich selbst und die Kinder schützen. Als ein guter Schutz erwies sich das Feuer. So mussten sie lernen, es unter ihre Kontrolle zu bringen und es für ihre Zwecke nutzbar machen. In dieser Zeit wurde das Feuer, welches die Frau zu einem späteren Zeitpunkt am Herd versklavte, zu ihrem Überlebenshelfer.
Als sich die Stämme vollständig niederließen, gingen überwiegend die Männer weiter auf die Jagd oder zogen in den Krieg, und plünderten benachbarte Stämme. Der Ackerbau war die sicherste und zuverlässigste Ernährungsquelle. So wurden die Frauen zu den Haupternährerinnen der Gesellschaft. Durch diese hohe ökonomische Stellung der Frau war es nur logisch, dass auch die Stellung in der Gesellschaft eine solch hohe war.
Die Arbeitsteilung sowohl bei den Ackerbau als auch bei den Jagd betreibenden Stämmen führte dazu, dass die Frauen, die in den Wohnstätten zurückblieben und verantwortlich für den Ackerbau, Haushalt und das Aufziehen der Kinder waren, ihre Beobachtungsgabe und ihren Verstand weiter entwickelten – während gleichzeitig die Männer, die auf die Jagd gingen und erste Kriege führen, ihre Körper, ihr Geschick und ihre Muskeln weiter entwickelten. In dieser Zeit entstand auch in den Ackerbau betreibenden Stämmen das Privateigentum. Jedoch hatte die Frau eine höhere Stellung im Kollektiv. Sie war die Haupternährerin der Familie, hatte eine wichtigere Aufgabe im „Produktionsprozess“. Die Erbschaftsfolge richtete sich immer noch nach der Blutlinie der Frauen. Das Matriarchat war noch nicht beseitigt. Doch dabei blieb es nicht. Durch die zunehmende Produktivität der menschlichen Arbeit und durch die Anhäufung von Reichtum wurde das ökonomische System mit der Zeit komplizierter. Der vorher vorherrschende Hackbau wurde zum Pflugbau und das Zähmen von Tieren entwickelte sich zur Viehzucht. Es war nun erstmals möglich ein Mehrprodukt zu erzeugen, das bedeutet, die Menschen konnten mehr Nahrungsmittel produzieren, als sie zum Überleben brauchten. Ebenso entwickelte sich der Austausch von Produkten untereinander. Diese Weiterentwicklung von Ackerbau und Viehzucht führte zu einem neuen Wirtschaftszweig: Der Hauswirtschaft. Hier wurden Gefäße hergestellt, Tierhäute und Felle bearbeitet, Seifen produziert etc. Dieser Wirtschaftszweig entwickelte sich vorwiegend zum Arbeitsgebiet der Frauen. Ökonomisch geschah eine massive Veränderung innerhalb der Gesellschaft. Eine neue Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern entstand und setzte sich durch. Die Frau wurde zum ersten menschlichen „Wesen, das in Knechtschaft kam. Die Frau wurde Sklavin, ehe der Sklave existierte.“ 10
Dies war das Ende der Urgesellschaft. Die Urgesellschaft wurde von einem ökonomischen System abgelöst, das auf Privateigentum und zunehmendem Tausch, d.h. Handel, basierte. Die Gesellschaft teilte sich nun in Klassen auf.
Friedrich Engels beschreibt diese Entwicklung und ihre unmittelbaren Folgen so:
„Dieselbe Ursache, die der Frau ihre frühere Herrschaft im Hause gesichert: ihre Beschränkung auf die Hausarbeit, dieselbe Ursache sicherte jetzt die Herrschaft des Mannes im Hause: die Hausarbeit der Frau verschwand jetzt neben der Erwerbsarbeit des Mannes; diese war alles, jene eine unbedeutende Beigabe. Hier zeigt sich schon, daß die Befreiung der Frau, ihre Gleichstellung mit dem Manne, eine Unmöglichkeit ist und bleibt, solange die Frau von der gesellschaftlichen produktiven Arbeit ausgeschlossen und auf die häusliche Privatarbeit beschränkt bleibt. Die Befreiung der Frau wird erst möglich, sobald diese auf großem, gesellschaftlichem Maßstab an der Produktion sich beteiligen kann und die häusliche Arbeit sie nur noch in unbedeutendem Maß in Anspruch nimmt. Und dies ist erst möglich geworden durch die moderne große Industrie, die nicht nur Frauenarbeit auf großer Stufenleiter zuläßt, sondern förmlich nach ihr verlangt, und die auch die private Hausarbeit mehr und mehr in eine öffentliche Industrie aufzulösen strebt. Mit der faktischen Herrschaft des Mannes im Hause war die letzte Schranke seiner Alleinherrschaft gefallen. Diese Alleinherrschaft wurde bestätigt und verewigt durch Sturz des Mutterrechts, Einführung des Vaterrechts, allmählichen Übergang der Paarungsehe in die Monogamie. Damit aber kam ein Riß in die alte Gentilordnung; Die Einzelfamilie wurde eine Macht und erhob sich drohend gegenüber der Gens.“ 11
Es wäre nach heutigem Stand der Wissenschaft falsch, diese Aussage dogmatisch anzuwenden. Wenn wir davon ausgeben, dass es eine strikte Rollenverteilung nach Geschlecht, das bedeutet nach Jagen und Sammeln nicht gegeben hat, gab es nicht schon immer eine Beschränkung der Frau auf die Hausarbeit. Was es allerdings gab, war die Übernahme bestimmter Aufgaben nur durch Frauen. Zum Beispiel das Zubereiten bzw. gerechte Verteilen von Nahrungsmitteln, welches das Überleben sicherte. Genau diese Aufgaben blieben weiterhin die Aufgaben der Frauen und fesselten sie ans Heim.
Das Patriarchat ist das Produkt der Entstehung des Privateigentums und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Nicht alleine die Entstehung des Privateigentums ist ausschlaggebend für die Entstehung des Patriarchats gewesen. In Verbindung mit dem Verlust der wichtigen ökonomischen Stellung der Frau und der damit verbundenen, sich zunächst anhand der Geschlechter entwickelnden gesellschaftlichen Arbeitsteilung jedoch führte es unweigerlich zum Patriarchat. Das Privateigentum und die Aufspaltung der Gesellschaft in Klassen formten die wirtschaftliche Entwicklung weiter. Die Frau nahm in der Produktion faktisch keine besondere Rolle mehr ein. Die produktiven Arbeiten, die die Gesellschaft am Leben hielten, waren mehr und mehr die Aufgaben der Männer. Je klarer die Arbeitsteilung wurde, desto abhängiger wurde die Frau. Gleichzeitig führte die Möglichkeit, sich Privateigentum anzueignen, dazu, dass sich die Erbschaftslinien von der mütterlichen Seite zur väterlichen Seite hin änderten. Die Frau war nun sowohl ans Haus, als auch ökonomisch an den Mann und die erste Form der monogamen Beziehung gefesselt.
Das Patriarchat als Unterdrückungsverhältnis blieb durch alle weiteren gesellschaftlichen Epochen bestehen, passte sich jedoch je nach ökonomischer Situation an und entwickelte sich weiter.
Sklavenhaltergesellschaft
Durch die Möglichkeit der Gewinnung eines Mehrproduktes wurde es profitabel, bei Raubzügen gegen andere Stämme die Gegner:innen nicht zu töten, sondern in Gefangenschaft zu nehmen und zu versklaven. Die Männer mussten z.B. auf den Feldern arbeiten, die Frauen wurden verschleppt und meist im Haus versklavt. In der Sklavenhaltergesellschaft entwickelten sich verschiedene Berufe wie Töpfer, Gerber, Weber, Soldaten, Opferpriester usw. weiter. Das bedeutet, es entstanden Fachleute auf verschiedenen Gebieten. Mit der Entwicklung dieser Berufe und dem Anwachsen des Handwerks verlor die Arbeit der Bäuer:innen an Ansehen. Zeitgleich entwickelte sich der Tauschhandel.
Nun ging es nicht mehr in erster Linie darum, die Bedürfnisse des Stammes zu befriedigen, sondern die Jagd nach dem größten Mehrprodukt wurde zur treibenden Kraft in der Ökonomie. Bei Stämmen, in denen das Handwerk ein hohes Entwicklungsniveau hat, wurde die landwirtschaftliche Arbeit den Sklaven überlassen. Welche Stellung hat die Frau in einem solchen wirtschaftlichen System? Wird sie nach wie vor respektiert, obwohl die Landwirtschaft, die ihr ursprünglich Respekt und Hochachtung bescherte, als minderwertige Arbeit betrachtet wird, die gerade noch gut genug für Sklaven ist?
Nein, selbstverständlich nicht. Der Beruf des Kaufmannes oder Handwerkers lohnte sich eher, da er mehr Gewinn einbrachte als die Arbeit des Bauern. Sobald sich das Privateigentum und der Handel entwickelt und durchgesetzt hatten, trat das Streben nach dem Mehrprodukt an die Stelle einer Arbeit im Interesse des Gesamtkollektivs. Eine logische Konsequenz dieser Entwicklung war es dann, dass die Frau als ehemalige Hauptproduzentin des wirtschaftlichen Systems, ihre bisher geachtete Position verlor.
Feudalismus
Auch im Feudalismus zeigte das Patriarchat seine Anpassungsfähigkeit. Gesellschaftlich war die Frau generell unterhalb des Mannes angesiedelt. Dies galt für alle Frauen, egal, welchem Stand sie angehörten. Die Frauen des Adels oder Klerus genossen zwar einige Privilegien und hatten einen höheren Stand als die Frauen der unteren Stände, jedoch waren auch sie keineswegs gleichgestellt mit den Männern. Die Unterordnung der Frau unter die Vormundschaft des Mannes führte zu weitreichenden Konsequenzen und betraf alle Lebensbereiche wie die soziale, wirtschaftliche sowie rechtliche Position der Frau. Eine der wohl bekanntesten und brutalsten Formen der Unterdrückung der Frau war die „Hexenverfolgung“, die zehntausenden Frauen das Leben kostete.
Die Frau im Kapitalismus
Auch im Kapitalismus hat das Patriarchat weiter Bestand und hat sich lediglich an die veränderten ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen angepasst. Auch wenn bürgerliche Politiker:innen, Wissenschaftler:innen und die Medien seit Jahrzehnten verkünden, dass die Arbeiter:innenklasse in Deutschland ebenso wie das Patriarchat verschwinden würden, müssen wir dem aus marxistischer Sicht widersprechen. Die Arbeiter:innenklasse ist heute größer denn je.
Doch wer ist die Arbeiter:innenklasse eigentlich?
Zur Arbeiter:innenklasse zählen wir alle Menschen, die keine Produktionsmittel besitzen und dementsprechend gezwungen sind, von dem Verkauf ihrer Arbeitskraft zu leben. Die sich zudem in der gesellschaftlichen Organisation der Arbeit in einer im wesentlichen ausführenden oder produzierenden Funktion befinden. Und deren Anteil am gesellschaftlichen Vermögen sich im wesentlichen auf die Möglichkeit der Reproduktion ihrer Arbeitskraft (der Erfüllung ihrer grundsätzlichen Bedürfnisse) und der ihrer Familien beschränkt.
Im weiteren Sinne sind auch die Familienangehörigen der Arbeiter:innenklasse Teil der selbigen. Das betrifft in erster Linie die mitversorgten Familienmitglieder wie Kinder, nicht für Lohn arbeitende Partner:innen und in Rente gegangene Arbeiter:innen. Bei der Zugehörigkeit zu den Klassen spielen bürgerliche Kategorien wie „Arbeiter:innen“, „Angestellte“, „Auszubildende“ keine Rolle.
Die Arbeiter:innenklasse ist kein homogener Haufen. Innerhalb der Klasse gibt es besonders unterdrückte Teile. Dazu zählen Migrant:innen, Jugendliche und Frauen.
Die Frau und die Arbeiter:innenklasse haben eine Gemeinsamkeit. Beide werden unterdrückt. Die Arbeiterin wird dabei sowohl als Frau als auch als Arbeiter:in unterdrückt. Zwar sind die Formen der Unterdrückung und Ausbeutung der Frau und der Arbeiter:innen unterschiedlich und verändern sich mit der Entwicklung der äußeren Umstände, die Unterdrückung an sich bleibt jedoch bestehen. Die Grundlage für die Unterdrückung ist in der Ökonomie zu finden. Sie liegt in der ökonomischen Ausbeutung der Unterdrückten durch die Unterdrücker:innen. Ohne diese ökonomische Grundlage würde weder die Unterdrückung der Arbeiter:innenklasse noch die der Frau bestehen.
Warum sind Frauen im Kapitalismus besonders unterdrückt?
Ökonomische Situation
Das Patriarchat und der Kapitalismus sind eng miteinander verwoben. Den Beweis hierfür liefert uns die politische Ökonomie. Wie wir oben gelernt haben, ist die Arbeiterin eine Arbeiterin, weil sie eine besondere Ware verkauft – ihre Arbeitskraft. Im Gegensatz zu allen anderen Waren, ist diese die einzige Ware, die einen neuen Wert schafft. Das bedeutet, wenn Arbeiter:innen ein Produkt verarbeiten, fügen sie diesem einen neuen Wert hinzu, den das Produkt vorher nicht hatte. Der Wert, den die Arbeiter:innen produzieren, ist jedoch höher als das, was die Arbeiter:innen anschließend als Lohn ausgezahlt bekommen. Diese Differenz, die der Chef sich einfach einbehält, ist der Mehrwert, der durch die menschliche Arbeitskraft geschaffen wird. Der Lohn stellt lediglich sicher, dass die Arbeiter:innen am nächsten Tag wieder mit ihrer gesamten Arbeitskraft arbeiten können.
Es ist logisch, dass das Interesse der Kapitalist:innen darin liegt, den Lohn der Arbeiter:innen möglichst gering zu halten. Das Interesse der Arbeiter:innen ist gegensätzlich.
Der Wert der Ware Arbeitskraft wird wie der jeder anderen Ware durch die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion der Ware, in diesem Fall also zur Reproduktion der Arbeitskraft, bestimmt.
Es gibt verschiedene Arten von Arbeit.
Arbeit im Allgemeinen ist ein notwendiger Zustand im Leben von Menschen. Sie ist die Interaktion mit der Umwelt, um Dinge brauchbar zu machen.
Innerhalb des Bereichs der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion der Lebensbedingungen gibt es private und gesellschaftliche Arbeit.
Private Arbeit ist die Arbeit, die außerhalb des gesamtgesellschaftlichen Arbeitstages stattfindet. Bei der privaten Arbeit wird nicht für den Markt, sondern für den Eigengebrauch produziert.
Bei der gesellschaftlichen Arbeit werden Waren für den Austausch produziert. Diese haben sowohl einen Gebrauchs- als auch einen Tauschwert.
Pflanze ich zu Hause auf meinem Balkon Erdbeeren und esse diese mit meiner Wohngemeinschaft, dann ist die Arbeit, die hier drin steckt, private Arbeit.
Pflanzt die Bäuerin Erdbeeren, um diese auf dem nächsten Wochenmarkt zu verkaufen, so ist die Arbeit, die in ihren Erdbeeren steckt, gesellschaftliche Arbeit. Ihre Erdbeeren sind Waren.
Der Gebrauchswert beschreibt, dass die Ware ein gesellschaftliches Bedürfnis befriedigt. Er ist die Summe der Eigenschaften, die die Ware ausmachen.
Der Tauschwert ist heute ein in Geld messbarer Wert. Dieser Wert bemisst sich aus der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit zur Produktion einer Ware. „Gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit ist die Zeit, die bei durchschnittlichen gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, d.h. bei durchschnittlichem technischem Niveau, durchschnittlichem Geschick und durchschnittlicher Intensität der Arbeit zur Herstellung einer Ware erforderlich ist. Die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verändert sich durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität.“ 12
Was hat der Kapitalismus also von einer Gesellschaft, in der die einen an den Herd und die anderen auf die Arbeit sollen?
Wie oben gelernt, bestimmt der Wert der Ware Arbeitskraft, welcher sich durch die Reproduktionskosten bemisst, maßgeblich den Lohn der Arbeiter:innen. Diese Kosten sind also geringer, je mehr reproduktive Arbeit in Form von privater Arbeit zu Hause erledigt wird. Die Kapitalist:innen profitieren also von unbezahlt verrichteter Hausarbeit.
Die Herrschenden heute sind aber nicht nur daran interessiert, dass es eben diese Rollenverteilung gibt. Denn schon lange haben die Frauen sich ihren Weg in die Betriebe erkämpft und gesiegt. Doch auch das ist im Interesse der Herrschenden. Als nur die Männer/Väter arbeiten gingen, bekam der Mann nicht nur genug Lohn, um seine eigene Arbeitskraft zu reproduzieren, sondern auch die folgende Generation großzuziehen. Er bekam einen Familienlohn. Wenn der Mann einen Familienlohn bekommt, bedeutet das aber neben der privaten Reproduktionsarbeit der Frau auch, dass nur er seine Arbeitskraft verkauft und folglich nur einmal Mehrwert produziert wird.
Wenn auch die Frauen arbeiten gehen, muss nicht unbedingt viel mehr Lohn gezahlt werden, denn sie versorgen gemeinsam die Familie, es wird jedoch doppelter Mehrwert geschaffen. Neben dieser gesellschaftlichen Arbeit wird die Reproduktionsarbeit allerdings nicht aufgeteilt. Sie bleibt weiterhin die Aufgabe der Frauen in Form von privater Arbeit. Frauen leisteten laut Berechnungen aus dem Jahre 2012/2013 im Durchschnitt rund 24,47 Stunden unbezahlte Hausarbeit pro Woche. Für Männer wird dieser Wert mit rund 18,04 Stunden angegeben.13
Für die Kapitalist:innen ist es also durchaus eine gute Rechnung. Im Gesamten wird etwas mehr Lohn bezahlt, dafür wird der doppelte Mehrwert einkassiert.
Auch wenn die Frauen in Deutschland mittlerweile in fast allen Bereichen rein rechtlich den Männern gleichgestellt sind, werden sie real doch in vielen Lebensbereichen besonders ausgebeutet und unterdrückt. Wir werden uns hier allein auf die ökonomische Unterdrückung beschränken: Mit mehr als 19 Millionen machen die Frauen rund 46,5% der Erwerbstätigen in Deutschland aus. Heute wird viel über die Ungleichbezahlung von Männern und Frauen, den sogenannten Gender Pay Gap gesprochen. Bekannt sind hier zwei Zahlen. Der unbereinigte Gender Pay Gap liegt bei 21%, der bereinigte bei 6% Lohnunterschied. Das bedeutet, durchschnittlich verdienen Frauen, unabhängig von ihrer Tätigkeit, 21% weniger Lohn als Männer. Bei gleicher Ausbildung, gleicher Beschäftigung und gleichen Anstellungsverhältnissen verdienen Frauen durchschnittlich immer noch 6% weniger als Männer.
Der unbereinigte Gender Pay Gap hängt zum Beispiel damit zusammen, dass deutlich mehr Frauen als Männer atypisch Beschäftigte sind. Zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen zählt zum Beispiel die Teilzeitarbeit. 2017 war fast jede dritte arbeitende Frau in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis angestellt14, was zum einen zu unsicheren Arbeits- und Lebensverhältnissen führt, zum anderen aber auch zu niedrigeren Löhnen.
Gesellschaftliche Situation
Das Patriarchat ist nicht nur in der ökonomischen Basis, sondern genauso im gesellschaftlichen Überbau verankert.
Jedes Unterdrückungsverhältnis wird durch eine Vielzahl an Methoden aufrechterhalten. Diese Methoden können integrativ sein, also zur scheinbar freiwilligen Unterwerfung führen, oder aber mit Gewalt eine Unterwerfung erzwingen. Besonders der Imperialismus hat eine große Vielfalt an solchen integrativen Methoden entwickelt. Dennoch spielt Gewalt in der ein oder anderen Form auch heute eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung sowohl der Klassengegensätze als auch der patriarchalen Unterdrückung.
Seit Jahrtausenden lebt die menschliche Gesellschaft im Patriarchat und wird in diesem Unterdrückungsverhältnis sozialisiert. Alle Menschen, alle Geschlechter werden heute von klein auf mit gegensätzlichen patriarchalen Rollenbildern erzogen. Dies stützt direkt die ökonomische Macht der Kapitalist:innen. Heute sind jedoch nicht nur die Produktionsmittel, sondern auch die politische Macht in den Händen der Kapitalist:innen. Diese nutzen sie selbstverständlich, um ihre Macht aufrechtzuerhalten und ihre Interessen durchzusetzen. Das Bildungssystem spielt hierbei eine große Rolle. In der Schule werden heute alle jungen Menschen mit bürgerlicher und patriarchaler Ideologie groß gezogen. Wenn junge Menschen also nicht von den eigenen Eltern mit den klassischen Rollenbildern im binären Geschlechtersystem erzogen werden, dann von weiten Teilen der Gesellschaft, den Medien, der Werbung und in der Schule.
Wenn man sich das Unterdrückungsverhältnis im Patriarchat ansieht, sieht man, dass hierbei gesellschaftlich zunächst jeder Mann die Rolle des Unterdrückers und jede Frau die Rolle der Unterdrückten einnimmt. Es ist richtig, auch jeder Mann wird in Rollenbilder gedrängt, egal ob er es möchte oder nicht. Hier gibt es jedoch einen klaren Unterschied zwischen Männern und allen anderen Geschlechtern. Männer sind diejenigen, die vom Patriarchat und seinen Privilegien profitieren, egal ob sie es möchten oder nicht.
So wie wir in unseren persönlichen Verhaltensweisen sozialisiert werden, durchlaufen wir insbesondere im Kindesalter auch eine geschlechtsspezifische Körper- und Bewegungssozialisation. Hier lernen Jungs wettbewerbsorientiert zu sein, immer bereit loszulegen, während Mädchen auch hier zur Zurückhaltung und zum Nicht-Auffallen sozialisiert werden. Zudem ist es auch heute Alltag, dass Frauen als Sexobjekte betrachtet werden. Von klein auf werden Frauen dahin erzogen, dass sie sich und ihr Befinden darüber definieren, wie Männer über sie urteilen. Es ist egal, ob wir die Werbung auf den Straßen, Filme in Kinos oder das Verhalten der Menschen um uns herum betrachten: Wir sehen, wie Frauen sexualisiert und wenn sie nicht den bürgerlichen Schönheitsidealen entsprechen, ausgegrenzt werden. Mit eben diesen Schönheitsidealen und der Sexualisierung des weiblichen Körpers wird durch die Kapitalist:innen eine Menge Geld gemacht, seien es Diätprodukte, Schminke, Kleidung oder „Schönheits-OPs“. All das sind Dinge, die viele Millionen Euro einbringen und gleichzeitig teils schwere gesundheitliche Folgen für die Frauen haben können.
Gewalt gegen Frauen
Seit 2013 hat die Zahl der Gewalttaten an Frauen durch den Partner laut einer Statistik des BKA kontinuierlich zugenommen. 2013 lag diese bei 100.766 Frauen, die häusliche Gewalt erlebten, bis 2018 stieg sie auf über 114.000. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass nur polizeilich registrierte Fälle häuslicher Gewalt in die Statistik des BKA einfließen. Das bedeutet die Dunkelziffer ist noch deutlich höher.
Ob Gewalt in Ehe und Partnerschaft, sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung sowie Stalking, Frauenhandel und Gewalt im Rahmen von Prostitution oder Genitalverstümmlung, eins haben alle diese Formen der Gewalt gegen Frauen gemeinsam. Ihr Ziel ist es, Macht über Frauen zu erlangen oder aufrecht zu erhalten. Sie dienen dem Patriarchat.
Psychische Gewalt wird in dieser Gesellschaft oft übersehen und noch viel öfter nicht ernst genommen. Es gibt keine blauen Flecken, keine nachzuweisenden Knochenbrüche oder sonstige sichtbare Wunden. Trotzdem ist diese Gewalt da und wird ausgeübt. Teils bewusst, teils unbewusst.
Physische Gewalt wird oftmals mehr wahrgenommen. Jedoch nur, wenn sie körperlich sichtbare Folgen hat. Es gibt aber auch bei physischer Gewalt verschiedene Formen, die zum Teil keine sichtbaren Spuren hinterlassen. So wird zum Beispiel das „Schubsen im Streit“ oftmals heruntergespielt und nicht als das betrachtet, was es ist, denn es ist ganz klar Gewalt gegen Frauen.
Sexualisierte Gewalt ist bis heute ein Tabuthema. Noch immer ist es Alltag, dass Frauen nicht geglaubt wird, wenn sie sexualisierte Gewalt erfahren haben, oder dass diese heruntergespielt wird. Nicht nur vor bürgerlichen Gerichten, sondern auch in der eigenen Familie oder dem Freundeskreis stehen sie in der Beweispflicht und so kommen Täter oft ungeschoren davon.
Um eine Vormachtstellung zu sichern und die Kontrolle über eine Situation oder eine Frau auszuüben, gibt es unzählige Methoden.
Aber nicht nur Frauen sind durch das Patriarchat unterdrückt!
Heute zählen LGBTI+ Personen zu einem besonders unterdrückten Teil der Massen und der Arbeiter:innenklasse.
LGBTI+ und das Patriarchat
So wie die Geschlechter vielfältiger sind als bloß Mann und Frau, so sind auch die Unterdrückungsverhältnisse im und durch das Patriarchat vielfältig.
Bevor wir über LGBTI+ sprechen, sollten wir klären, wofür das überhaupt steht und warum wir diese Vielzahl von Begriffen in einem Akronym zusammenfassen.
L und G beziehen sich auf die sexuelle Orientierung, stehen für Lesbian und Gay, also homosexuelle Personen – Menschen, die sich von Menschen des gleichen Geschlechts angezogen fühlen. Das B steht für Bisexualität. Bisexuelle Menschen können ebenso Personen begehren, die das gleiche Geschlecht haben wie sie, wie auch Menschen anderer Geschlechter.
Das T steht für trans, was ein Überbegriff für verschiedene Geschlechtsidentitäten ist. Trans Personen können zum Beispiel Frauen sein, die bei der Geburt anhand ihrer Geschlechtsmerkmale als Jungen identifiziert wurden. Genauso können trans Personen aber auch nicht-binär sein, das heißt, sich keinem Geschlecht zuordnen. Eine trans Geschlechtsidentität kann sich auch im Körpergeschlecht ausdrücken, zum Beispiel durch geschlechtsangleichende Operationen – das ist aber weder zwingend noch immer so.
Das I steht für intersexuelle Personen, also Menschen, bei denen das Körpergeschlecht auf eine Weise nicht in die stereotypen Geschlechter passt. Dazu können das Erscheinungsbild der Genitalien, die Keimdrüsen, die Chromosomenstruktur oder auch der Hormonhaushalt zählen. Intersexuelle Personen haben ganz verschiedene Geschlechter.
Zuletzt steht das + dafür, dass diese Aufzählung nicht vollständig ist und es sexuelle Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten gibt, die nicht im Akronym vorkommen, nicht eindeutig zu einer der Abkürzungen passen oder mehreren zuzuordnen sind.
Diese ganzen verschiedenen Identitäten fassen wir unter LGBTI+ zusammen – warum?
Sie verbindet im Patriarchat eine besondere Unterdrückung und eine lange Geschichte von Widerständen. Da ein Abweichen von der patriarchalen Norm im Kapitalismus zwangsläufig Unterdrückung durch das Patriarchat bedeutet und der Kampf gegen dieses ständig fortlaufend geführt werden muss.
Die Lage von LGBTI+ Personen
Nicht nur von offenen LGBTI+ Feinden bekommt man gerne mal zu hören, dass es LGBTI+ Personen in Deutschland gut gehe und sie sich freuen sollten, nicht in anderen, reaktionäreren Ländern zu leben. Auch in der bürgerlichen LGBTI+ Bewegung ist das eine weit verbreitete Position. Auf den Christopher Street Days beispielsweise ist das der gängige Tenor ihrer Wortführer:innen.
Zwar mag es stimmen, dass es immerhin ein Fortschritt ist, keine Strafe per Gesetz erwarten zu müssen, wenn man mit einem Menschen des gleichen Geschlechts Sex hatte. Aber dass es hier keine Unterdrückung geben würde, heißt das noch lange nicht.
Reaktionäre Gesetzgebung
Auch in Deutschland zählen die LGBTI+ Personen zu den besonders unterdrückten Teilen der Arbeiter:innenklasse. Das zeigt sich unter anderem in der deutschen Gesetzgebung. Bis 1994 war es durch den Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches, den sogenannten „Schwulenparagraph“, illegal, als Mann mit Männern Sex zu haben.
Dieser Paragraph bestand seit Beginn des Jahres 1872. Am 1. September 1935 wurde er durch den deutschen Faschismus ausgebaut. Die Höchststrafe für sexuelle Handlungen zwischen Männern lag nun nicht mehr bei sechs Monaten, sondern bei fünf Jahren. Bei „erschwerten Fällen“ konnten es bis zu zehn werden. Außerdem wurden ab diesem Punkt alle „unzüchtigen“ Handlungen bestraft, nicht mehr nur Sex.
Die BRD übernahm dann später den Paragraphen der Nazis, während die DDR die alte Fassung übernahm. Hier wurden jedoch ab Ende der 50er Jahre keine homosexuellen Handlungen unter Männern mehr geahndet und der Paragraph hatte ab 1968 mit Herausgabe eines neuen Strafgesetzbuches keinen Bestand mehr.
Nach zwei Reformen des Paragraphen in der BRD in den späten sechziger- und frühen siebziger Jahren war 1973 nur noch das Schutzalter für männliche homosexuelle Handlungen höher als für andere. So lag es bei 18 statt 14 Jahren, angeblich um die Entwicklung der Jugendlichen nicht zu gefährden. Erst 1994 wurde der Paragraph ersatzlos gestrichen.
Die 64.000 Menschen, die wegen des Paragraphen verurteilt wurden, mussten bis 2017 auf ihre Rehabilitierung und die Möglichkeit der Entschädigung warten. Diese haben bisher jedoch nur sehr wenige wahrgenommen. Im Juni 2019 waren es weniger als 150 Personen, da von ihnen schon viele verstorben sind, auch an Langzeitfolgen ihrer Verfolgung und Haft.
Für die reaktionäre Gesetzgebung des deutschen Staates in diesem Bereich gibt es viele weitere und noch immer aktuelle Beispiele, wie etwa das sogenannte „Transsexuellengesetz“ (TSG), welches die Vorschriften für Personenstandsänderungen von trans Personen festlegt und teure, zu größten Teilen extrem stigmatisierende Gutachten zur „tatsächlichen Feststellung“ von Transgeschlechtlichkeit und ein teures Gerichtsverfahren verlangt.
Bis 2011 war sogar eine Zwangssterilisation für eine Personenstandsänderung notwendig. Erst das Bundesverfassungsgericht kippte diesen Zustand.
Und noch immer werden weitere LGBTI+ feindliche Maßnahmen ergriffen. So entschied der Bundesgerichtshof Ende Mai 2020, dass es ausschließlich intergeschlechtlichen Personen möglich sei, das Personenstandsgesetz zu nutzen, um den Geschlechtseintrag divers auf ihrem Ausweis zu führen. Dieses wurde zuvor auch von vielen trans und nicht-binären Personen genutzt, zum einen, da es ihrem Geschlecht eher entspricht, zum anderen, da die Anwendung des Personenstandgesetzes keine psychologischen Gutachten erfordert. Im Gegensatz zum TSG braucht es „nur“ einen Antrag beim Standesamt.
Auch ist es Eltern intergeschlechtlicher Personen immer noch erlaubt, ihr Kind zwangsweise operieren zu lassen, sodass es besser in das binäre Geschlechtersystem passt. Zwar raten ärztliche Leitlinien inzwischen von diesen Operationen ab. Die Zahl der sogenannten „normangleichenden Genitaloperationen“ geht allerdings trotzdem nicht zurück.
Besondere Unterdrückung der LGBTI+ Personen
Doch auch außerhalb der Gesetzesbücher ist LGBTI+ Feindlichkeit verfestigt. Erst Mitte Mai 2020 wurde eine Studie von der Agentur der EU für Grundrechte veröffentlicht.15 Diese wurde in den Ländern der Europäischen Union, des Vereinigten Königreichs sowie in Serbien und Nordmazedonien durchgeführt. Von den 140.000 Befragten äußerten nur knapp über die Hälfte, ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität offen auszuleben.
Etwa ein Viertel gab an, Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt zu haben, etwa ein Drittel fühlt sich auch in der Freizeit durch das patriarchale Gesellschaftsumfeld eingeschränkt.
In den letzten fünf Jahren wurden 13 Prozent der befragten LGBTI+ Personen körperlich, 36 Prozent verbal angegriffen, wobei nur rund ein Zehntel der Angriffe juristisch erfasst wurde. Ein Viertel der deutschen Befragten gab an, sich vor diskriminierenden Maßnahmen des Staatsapparats zu fürchten und deshalb Gewalt gegen sich nicht zur Anzeige zu bringen.
Es lässt sich also feststellen, dass die Polizei einen denkbar schlechten Status in der LGBTI+ Gemeinschaft hat und von gar nicht wenigen als Unterdrückungsinstrument oder zumindest als ihnen feindlich gegenüberstehende Institution anerkannt wird.
Aus anderen Studien ist bekannt, dass LGBTI+ Personen ebenfalls höhere Anfälligkeiten für Drogensucht und Armut haben. Auch die Suizidraten sind insbesondere unter trans Personen überdurchschnittlich hoch.
Befreiung der Frau im Kapitalismus?
Das Patriarchat ist heute mit dem Kapitalismus eng verwoben. In der heutigen Klassengesellschaft, dem Kapitalismus, sind die Frauen der Arbeiter:innenklasse mehrfach unterdrückt, zum einen als Arbeiterin durch ihre Klassenzugehörigkeit, zum anderen vom Patriarchat. Die Kämpfe gegen diese beiden Unterdrückungsverhältnisse müssen zusammen geführt werden. Die vollständige Befreiung der Frau kann nicht erfolgen, solange das Privateigentum herrscht, die ökonomische Befreiung der Frau ist also im Kapitalismus unmöglich und kann erst im Sozialismus erfolgen. Dennoch führen wir den Kampf für ihre Befreiung schon jetzt.
Der ökonomische Zusammenhang zwischen dem Kapitalismus und dem Patriarchat wurde oben erläutert. Hinzu kommt eine Spaltung der Arbeiter:innenklasse, die durch das Patriarchat in sie hinein getragen wird. Diese nützt den Herrschenden und verhindert einen gemeinsamen, vereinheitlichten Kampf der gesamten Arbeiter:innenklasse für die sozialistische Revolution. Wie andere Spaltungslinien, wie beispielsweise Rassismus, ist dies im Interesse der Kapitalist:innen und wird somit weiter voran getrieben.
Um das Patriarchat zu besiegen, ist es notwendig, verschiedene Kämpfe zu führen. Zum einen muss dem Patriarchat durch die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln und der Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates, also durch die sozialistische Revolution, seine ökonomische Grundlage genommen werden. Zum anderen muss eine gesellschaftliche Veränderung des Bewusstseins und Handelns erreicht werden.
Die Frauenrevolution als gesellschaftliche Revolution hat das Ziel der Befreiung aller Geschlechter. Die Frauenrevolution ist erst vollendet, wenn jegliche Unterdrückung aufgrund des Geschlechts oder der Sexualität beendet ist. Das bedeutet, sie ist erst vollendet, wenn wir eine Gesellschaft erreicht haben, in der alle alten, kapitalistischen Verhaltensweisen und Einflüsse verschwunden sind. Eine klassenlose Gesellschaft, in der niemand mehr unterdrückt wird und niemand mehr unterdrückt. Nur hier kann sich der neue Mensch, also der Mensch, der alle negativen Eigenschaften, Verhaltensweisen und Denkmuster aus der kapitalistischen Gesellschaft überwunden hat, entwickeln.
Dementsprechend hat die Frauenrevolution kein anderes Ziel als den Kommunismus. Sie muss elementarer Teil des Kampfes für den Sozialismus und den Aufbau des Kommunismus sein.
Eine Grundvoraussetzung für die sozialistische Revolution und den Aufbau der Diktatur des Proletariats ist die revolutionäre Partei des Proletariats, also die Kommunistische Partei. Auch für die Frauenrevolution ist die kommunistische Organisierung der Frauen unausweichlich. Das bedeutet, Frauen müssen sich zum einen außerhalb der kommunistischen Partei und zum anderen innerhalb der Partei in eigenständigen Frauenstrukturen organisieren.
Die kommunistische Frauenorganisation muss die kommunistische Frauenarbeit führen und leiten. Alle Entscheidungen in diesem Arbeitsbereich müssen von den Frauen und ihren Strukturen getroffen werden. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass alle Diskussionen rund um das Patriarchat ausschließlich in der Frauenstruktur ausgetragen werden. Im Gegenteil, es ist notwendig die Diskussionen in die ganze Partei zu tragen, denn nur so kann eine untrennbare ideologische, politische und organisatorische Einheit geschaffen werden und erhalten bleiben. Die Entscheidungen und Anleitung der Diskussionen liegen jedoch bei der Frauenorganisation.
Die Frauenorganisation und die Partei sind untrennbar miteinander verbunden. Das bedeutet, die Frauen organisieren sich eigenständig als Teil des unterdrückten Geschlechts innerhalb der Partei. Durch die Frauenorganisation wird sichergestellt, dass die Frauen in allen Arbeitsbereichen und auf allen Ebenen der Partei vertreten sind und gehört werden. Sie ist ein Mittel zum Kampf gegen das Patriarchat in der Partei, genauso wie in der Gesellschaft.
Im Kampf für die Frauenrevolution ist es unbedingt notwendig, dass die Kommunistische Frauenorganisation im engen Kontakt und Austausch mit den kämpfenden LGBTI+ Genoss:innen steht. Der Kampf für die Frauenrevolution, also die geschlechterbefreiende Revolution vereint alle vom Patriarchat unterdrückten Teile der Arbeiter:innenklasse.
Als Kommunist:innen verpflichten wir uns, die Perspektive der unterdrückten und ausgebeuteten Klasse, der Arbeiter:innenklasse einzunehmen, in allen Fragen also eine sozialistische Haltung beizubehalten. Auch innerhalb der LGBTI+ Bewegung ist es notwendig, einen proletarischen Klassenstandpunkt zu vertreten und nicht in liberal-bürgerliche Ansichtsweisen zu verfallen. Dieser Klassenstandpunkt muss dem „Regenbogenkapitalismus“ entgegengesetzt werden. Der Kapitalismus suggeriert, LGBTI+ Personen angebliche „Safe Spaces“ zu schaffen und integriert sie so in die bürgerliche Gesellschaft, ohne tatsächlich etwas gegen die Unterdrückung und Ausgrenzung zu unternehmen. Im Gegenteil, durch die künstliche Schaffung dieser Räume, wird die Ausgrenzung gefördert, da sie sich nur dort sicher fühlen können. Weder das Vermarkten ihrer Identität, noch der Aufstieg weniger in die herrschende Klasse, bringen queere Personen auch nur einen Schritt weiter.
Wir dürfen die unterschiedlichen Kämpfe jedoch nicht einfach gleichsetzen. Wir müssen die unterschiedlichen Formen der Unterdrückung verstehen, um unterschiedliche Schwerpunkte in der Arbeit setzen zu können. Schaffen wir das nicht, werden wir es nicht schaffen allen Kämpfen gerecht zu werden und diese zu verbinden. Das würde unweigerlich bedeuten, dass Menschen ausgegrenzt werden und gleichzeitig Teile des Patriarchats nicht bekämpft werden. Wird es jedoch geschafft, die Kämpfe an den richtigen Stellen zu vereinen und Forderungen voneinander aufzunehmen, dann können deutlich größere Kräfte freigesetzt werden und der Weg zur vollständigen Beseitigung der patriarchalen Unterdrückung beschritten werden.
Die Frauenrevolution beginnt heute!
Dass das Patriarchat im Kapitalismus nicht besiegt werden kann, darf nicht als Ausrede genutzt werden, um die Frauenrevolution auf den Sozialismus zu verschieben. Auch heute muss die Frauenrevolution und damit die kommunistische Frauenarbeit mit der revolutionären Arbeit mindestens genauso eng verwoben sein wie das Patriarchat mit dem Kapitalismus. Das bedeutet, sie muss heute ein bewusster Teil unseres Denkens und Handels werden.
Durch die sozialistische Revolution werden die materiellen Möglichkeiten der Frauen, ihre Interessen durchzusetzen, sprunghaft wachsen. Schon in den ersten Stunden nach der Revolution werden wir ein mit heute unvergleichbar fortschrittliches Niveau erreichen können. Spätestens mit der sozialistischen Revolution werden Forderungen wie „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, die Streichung aller unterdrückenden Gesetze, das bedeutet die vollkommene gesetzliche Gleichstellung und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in die Praxis umgesetzt und ihre Einhaltung kontrolliert werden.
Bedingt durch die Veränderung der objektiven Realität aller, also die Veränderung des Systems hin zum Sozialismus, wird sich auch das Bewusstsein der Gesellschaft verändern.
Um zum neuen Menschen zu gelangen, bedarf es jedoch trotzdem einer besonderen Anstrengung und besonderer Maßnahmen.
Die neuen Generationen werden dann von klein auf in einem sozialistischen Geiste erzogen. Kollektivität, Solidarität und Menschlichkeit stehen hier im Vordergrund und nicht Egoismus und Individualismus. Aber nicht nur die Kinder, auch die Jugendlichen und Erwachsenen werden nach genau diesen Werten neu erzogen und sozialisiert werden. Die Bildungsangebote und die Arbeit werden genauso ihren Beitrag dazu leisten, wie die verschiedenen kulturellen Angebote, die geschaffen werden müssen.
Um tatsächlich alle mit der Reproduktion zusammenhängenden Aufgaben zu vergesellschaften, muss zum einen in allen geografischen Bereichen des sozialistischen Staates ein entsprechend hohes Produktionsniveau erlangt werden, und zum anderen ein neues Verständnis von Erziehung und Pflege gewonnen werden, so dass diese gesellschaftlich bzw. kollektiv stattfinden können.
Mit dem Aufbau der Rätemacht wird es unweigerlich die Aufgabe der Frauen sein, auch eigene Frauenräte aufzubauen. Hier sind die Frauen in Bayern 1918 schon voran gegangen. Während an vielen Orten insbesondere durch die SPD die Gründung eigener Frauenräte verhindert wurde, forderte Rosa Kempf auf der provisorisch gebildeten Nationalversammlung in Bayern: „Wenn also wirklich die Räte als Fundament einer neuen politischen Organisation bestehen bleiben sollen, dann muss auch für die Frauen eine derartige Ratsorganisation geschaffen und sie muss mit Funktionen und Rechten ausgestattet werden.“ 16 Damals konnten sich die Frauen nicht durchsetzen, da sie nicht organisiert waren und so ihrem kollektiven Willen keine Geltung verschaffen konnten. Dies darf sich in Zukunft nicht noch einmal wiederholen.
Die Frauenräte sind ein Mittel, die besondere Organisierung der Frauen auf allen Ebenen zu sichern und gleichzeitig sicher zu stellen, dass die Frauen überall vertreten sind und gehört werden. Ohne die Organisierung der Frauen ist die Frauenrevolution unmöglich. Es wird die Aufgabe der Frauenräte sein zu kontrollieren, ob die Errungenschaften der Frauenrevolution eingehalten werden und dafür zu kämpfen, dass es keine Schritte zurück gibt. Gleichzeitig wird es ihre Aufgabe sein, die Frauenrevolution voranzutreiben und neue Methoden im Kampf gegen patriarchale Überreste zu entwickeln, bis diese schließlich mit dem Übergang zum Kommunismus vollkommen verschwinden. Erst in diesem Moment hat die Frauenrevolution vollständig gesiegt und ihren Zweck erfüllt. Erst dann wird tatsächlich jede Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen aufgehoben und auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen sein.
Fragen für das Selbst- und Gruppenstudium
Einleitung
Warum ist es wichtig, sich aus marxistischer Sicht mit dem Patriarchat zu beschäftigen?
Warum ist es notwendig die gesellschaftliche Entwicklung seit der Urgesellschaft zu verstehen, um das Patriarchat zu verstehen?
Entstehung der menschlichen Gesellschaft
In welchen Stufen entwickelte sich die menschliche Gesellschaft?
Wonach machte Lewis Morgan die verschiedenen Stufen der Entwicklung aus?
Die Entwicklung der Familie
Woher wissen wir heute welche Familienformen und Verwandtschaftssysteme es gab?
Was ist der Unterschied zwischen Familienform und Verwandtschaftssystem?
Welche Familienformen gab es?
Welche Entwicklung machte die Familie von der Blutverwandtschaftsfamilie bis zur ersten monogamen Ehe?
Was war das „Mutterrecht“ nach Bachofen?
Gab es die Rollenverteilung nach Geschlechtern, die wir in der Schule lernen schon immer? (Wenn nein, was dann?)
Wie stand es um die Schwangerschaften?
Was hat die Ökonomie mit der Entstehung des Patriarchats zu tun?
Welche gesellschaftlichen Veränderungen mussten stattfinden, damit das Patriarchat entstehen konnte? Auf welcher Grundlage beruht dieses?
Die Frau im Kapitalismus
Was ist die Arbeiter:innenklasse?
Wo sieht man heute in Deutschland die Unterdrückung der Frau im ökonomischen Bereich?
Wo sieht man heute in Deutschland die Unterdrückung der Frau wenn man die gesellschaftliche Situation betrachtet?
Welche Rolle spielt Gewalt im Patriarchat?
Wie hängen das Patriarchat und der Kapitalismus miteinander zusammen?
LGBTI+ und das Patriarchat
Nicht nur Frauen sind vom Patriarchat unterdrückt, wer wird durch das Patriarchat unterdrückt und warum?
Wo sieht man in Deutschland, dass der bürgerliche Staat LGBTI+ Personen besonders unterdrückt und ihnen feindlich gegenüber steht?
Wie ist die Verbindung der Frauenarbeit und der LGBTI+ Arbeit? In welchem Verhältnis stehen diese zueinander?
Befreiung der Frau im Kapitalismus?
Warum kann das Patriarchat im Kapitalismus nicht besiegt werden?
Was ist das Ziel der Frauenrevolution?
Welchen Charakter hat die Frauenrevolution?
In welcher Verbindung steht die Kommunistische Frauenorganisation zur Kommunistischen Partei?
In welchem Verhältnis stehen Frauenrevolution und sozialistische Revolution?
Welche Aufgaben haben wir heute?
Literaturempfehlungen
August Bebel, „Die Frau und der Sozialismus“, Dietz Verlag, 62. Auflage, 1973, 557 Seiten
Dieses Werk von August Bebel ist der Grundstein für die marxistische Analyse des Patriarchats. In diesem Buch beschäftigt A. Bebel sich ausführlich mit der Situation der Frau in verschiedenen gesellschaftlichen Epochen. Er analysiert die Beziehungen zwischen den Menschen und die Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse.
Friedrich Engels, „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats“, MEW Band 21, Seite 25-173
Das klassische Werk von Friedrich Engels zur Frage des Patriarchats.
Brigitte Röder (Hg.) im Auftrag des Archäologischen Museums, „Ich Mann. Du Frau. Feste Rollen seit Urzeiten?“, Rombach Verlag 1 Edition 2014, 240 Seiten
Das Buch wurde als Begleitband zu einer gleichnamigen Ausstellung des Archäologischen Museums Colombischlössle herausgegeben.
Es beschäftigt sich mit der Annahme, dass es eine klare Rollenverteilung nach Geschlecht schon immer gegeben habe. Archäolog:innen erklären, wie der heutige Wissensstand ist, und wie sie zu der Annahme kommen, dass es diese nicht immer gegeben hat.
Institut für marxistische Studien und Forschung, „Matriarchat und Patriarchat. Zur Entstehung der Familie. Ethnographische Forschung/theoretische Diskussion: Beiträge aus der UdSSR, den USA, der DDR“, 1986, 201 Seiten
Dieses Buch enthält Beiträge marxistischer Wissenschaftler:innen aus der UdSSR, der DDR und aus den USA. Sie beschäftigen sich mit Fragen der sozialen Verhältnisse in der Urgesellschaft. Im besonderen wird die Situation der Frauen analysiert.
Dieses Buch gibt einen Einblick, wie die marxistische Bewegung über Fragen der Urgesellschaft aufbauend auf Engels Werk „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ weiter diskutierte und das zu diesem Zeitpunkt aktuelle wissenschaftliche Material darauf anwendete.
1K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3
2F. Engels, Anteil an der Menschwerdung, MEW Bd. 20, S. 449
3Lewis Henry Morgan (1818 – 1881): Geboren im Bundesstaat New York, 1842 Abschluss des Studiums der Jurisprudenz, wächst in der Nähe eines Irokes:innenreservats auf, Vorsitzender des Committee on Indian Affairs der New York State Assembly
4Lewis Morgan, Die Urgesellschaft, S. 366
5Johann Jacob Bachofen (* 22. Dezember 1815 in Basel; † 25. November 1887) war ein Schweizer Rechtshistoriker, Altertumsforscher und Anthropologe. Sein Buch „Das Mutterrecht“ gilt als Ursprung moderner Theorien zum Matriarchat.
6Heinrich Cunow – Hochschullehrer, Ethnologe, Redakteur, Politiker (SPD) *1862 – 1936
7Heinrich Cunow, Die Verwandtschaftsorganisation der Australneger
8Den Begriff „Gens“ prägte Morgan, er bedeutet so viel wie „Sippe“
9Alexandra Kollontai, 1. Vorlesung – Die Stellung der Frau im Urkommunismus
10August Bebel, Die Frau und der Sozialismus
11Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates – MEW Bd. 21 – S. 157 f.
12Lehrbuch der politischen Ökonomie – Kapitel 5
13„Wie die Zeit vergeht“ 2015 – Bundeministerium für Familie und Co
14Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2017 – Arbeitsmarkt
15FRA „European union agency for fundamental rights“: Umfrage unter LGBTI-Personen in Europa: Dominiert die Hoffnung oder die Angst?
16Zit. n. Corina Mengeden, Frauenseminar für soziale Berufsarbeit, München 2004