Zu den Streiks der Lokführer

Erklärung zu den Streiks der Lokführer

Seit die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) 2007 mit einem Streik eine zweistellige Lohnerhöhung durchsetzen konnte, kommt es immer wieder zu Streiks, die den Bahnverkehr im ganzen Land lahmlegen. Im aktuellen Tarifkonflikt, der sich seit über einem Jahr hinzieht, hat es bereits neun Streikwellen gegeben. Besonders die beiden letzten haben wegen ihrer Länge (6 Tage am Stück bei der achten Welle) und Intensität (Ausdehnung auf den Güterverkehr) gezeigt, welche Macht die ArbeiterInnenklasse hat, wenn sie geschlossen kämpft und in den Streik tritt. Daher dann auch die Kehrtwende des staatseigenen Konzern DB, der sich jetzt auf eine Schlichtung zu Bedingungen der GDL eingelassen hat.

Worum geht es bei diesem für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich langen und harten Tarifkonflikt? Die Interessen der KollegInnen sind klar: sie wollen mehr Geld, eine aufgrund des gestiegenen Stress längst überfällige Arbeitszeitverkürzung und vor allem eine Begrenzung der unzumutbaren Schichtpläne, so dass Eisenbahner zukünftig wieder ein Familienleben jenseits der Arbeit führen können. Die GDL will vor allem eins: als Gewerkschaft überleben. Genau das Gegenteil – eine Zerschlagung der störenden Konkurrenz – wäre der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG; früher TransNet), der anderen bei der Bahn vertretenen DGB-Gewerkschaft durchaus recht. Das Management der DB handelt ganz im Auftrag seiner Eigentümer, in diesem Fall dem Staat und damit der Regierung. Die schwarz-rote Koalition hat sich auf die gesetzliche Einschränkung des Streikrechts unter dem sperrigen Titel „Tarifeinheitsgesetz“ verständigt, nachdem ein erster Anlauf dazu in der vorherigen Wahlperiode nach teils heftigem Protesten an der Basis der DGB-Gewerkschaften zurückgezogen werden musste.

Tarifeinheit sieht auf den ersten Blick positiv aus: Welcher Gewerkschafter hätte schon etwas gegen Einheit? Tatsächlich geht es bei diesem grob irreführenden Titel um ein Gesetz, das verordnet, dass in einem Betrieb bei mehreren Gewerkschaften nur ein Tarifvertrag gilt – und zwar derjenigen Gewerkschaft, die die meisten KollegInnen in diesem Betrieb organisiert hat. Was den lohnabhängigen Massen in der bürgerlichen Medien dann – scheinbar ganz einleuchtend – so erklärt wird, dass es doch nicht sein könne, dass innerhalb einer Berufsgruppe (z.B. der LokführerInnen) je nach Gewerkschaftsmitgliedschaft unterschiedliche Arbeitsbedingungen gelten. Seltsamerweise finden es die „Sozialpartner“ in den DGB-Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden aber ganz normal, wenn tarifliche Zulagen nur für Gewerkschaftsmitglieder vereinbart werden. Auch stellt niemand die Frage, ob das ganze „Problem“ nicht einfach durch die Praxis gelöst würde – nämlich dadurch, dass die Kapitalisten ein durch eine starke Gewerkschaft erkämpftes Recht oder eine Lohnerhöhung einfach auf alle KollegInnen ausdehnen, so wie nach dem GDL-Streik 2007 allen Bahnern eine „Zulage“ gewährt wurde oder wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nach dem IG Metall Streik in den 1950er Jahren flächendeckend durchgesetzt und später per Gesetz verankert wurde.

In Wahrheit geht es also um etwas ganz anderes, nämlich darum, die Entstehung neuer kämpferischer Gewerkschaftsstrukturen und eines Klassenkampfes von unten als Antwort auf die zahllosen Angriffe der Kapitalisten im Zuge der Krise zu verhindern. Nach hiesiger Klassenjustiz definiert sich nämlich eine Gewerkschaft u.a. dadurch, dass sie wirksam Tarifverträge abschließen kann. Wenn das zukünftig – egal wie viele KollegInnen sich wie auch immer organisieren – rechtlich gar nicht mehr möglich ist, solange eine stärkere und in der Realität gelbe Gewerkschaft besteht, läuft dies faktisch auf die Abschaffung der im Grundgesetz verbürgten Koalitionsfreiheit hinaus (d.h. dem Recht, sich zur Wahrung seiner Interessen zu Gewerkschaften zusammenzuschließen) und damit zusammenhängend auf die Abschaffung des Streikrechts (das in Deutschland nur Gewerkschaften und nicht etwa den Kollegen und dann auch nur als letztes Mittel zur Durchsetzung von Tarifverträgen zugebilligt wird).

Wenn KollegInnen also demnächst sagen wir aus Enttäuschung über den Verrat ihrer Interessen durch die gelben Gewerkschaften auf die Idee kommen, „dann machen wir unseren eigenen Laden auf“, wird es ihnen wie der Gefangenengewerkschafti in den bundesdeutschen Knästen gehen. Gefangene müssen zwar (zwangs)arbeiten, Mindestlohn und Rente gibt es natürlich nicht, dann würde sich die Knastarbeit ja auch nicht mehr rechnen. Dagegen dürfen sich Gefangene, wie jetzt geschehen, zwar gerne zu einer „Gewerkschaft“ zusammenschließen – wir leben ja in einer „Demokratie“. Aber streiken, das geht natürlich nicht.

Zum Glück für unsere Klasse werden solche Fragen in einer kapitalistischen Klassengesellschaft nicht vor Gericht entschieden, sondern im Kampf im Betrieb und auf der Straße. Das haben die streikenden LokführerInnen und die sich ihnen anschließenden KollegInnen anderer Berufe bei der Bahn gerade bewiesen, deren Kampf es zu verdanken ist, dass eine ein-jährige Blockadehaltung des DB-Managements, die die Tarifverhandlungen bis nach Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes verschleppen wollten, vorläufig durchbrochen wurde.

Es ist ganz wichtig sich dies bewusst zu machen: Es war der Kampf der KollegInnen und die – trotz enormer Medienhetze in breiten Teilen der Massen weiterhin vorhandene Sympathie für den Streik, die dieses vorläufige Ergebnis erbracht hat. Die GDL ist – entgegen vieler Mythen die in der politischen Widerstandsbewegung rumgeistern, keineswegs „kämpferischer“ oder – wie wir sagen – weniger gelb als die konkurrierende EVG. Die GDL als älteste deutsche Gewerkschaft ist ein CDU-Laden und durchaus politisch zutreffend im konservativen Dachverband „Deutscher Beamtenbund“ organisiert. Wer sich über den Charkter dieser gelben, sozialpartnerschaftlichen Vereinigung informieren möchte, sollte einfach mal die im Zuge des internen Machtkampfes 2013 vom Ex-Vorsitzenden Schell gezielt verbreitete interne Memo zu Selbstbedienung der Führung an den Mitgliederbeiträgen studieren.ii

Die GDL steht mit dem Rücken zur Wand bzw. am Abgrund und das ist der einzige Grund neben der strukturellen Schwäche eines im Vergleich zur Konkurrenz deutlich kleineren Funktionärsapparats, dass sie einerseits gezwungen ist, einen politischen Streik zu führen, den sie eigentlich auf Teufel komm raus vermeiden will. Andererseits hat dies im Zusammenhang mit den durch den Klassenkampf von oben entstandenen unmöglichen Arbeitsbedingungen dazu geführt, dass Spielräume für klassenkämpferische KollegInnen an der Basis entstanden sind. Diese sind inzwischen die eigentlichen Träger des Streiksiii, während die GDL-Führung um Weselsky von allen Seiten unter Druck steht – ein wichtiger und unbedingt zu unterstützender Riss im Klassenfrieden im Herzen der imperialistischen Bestie. Während Weselsky sich in die Schlichtung gerettet hat, kommentieren die kämpferischen KollegInnen das Geschehen ganz zutreffend: Wir müssen den Streik durchzieheniv. Sie müssen vor allem ihr enormes Machtpotential nutzen und den Güterverkehr lahmlegen.

Natürlich müssen die verschiendenen derzeit laufenden Streiks verbunden werden und dies wird nur gegen den Widerstand der gelben Gewrkschaften möglich sein. Vor allem aber muss einem bewusst werden, dass eine kämpfersiche Klassenbewegung sich ihre eigene Orgnaisationsformen schaffen muss. Was passieren kann, wenn Kollegen, die an den Schaltstellen globaler Logistiknetze und internationaler Produktionsketten an den Knöpfen sitzen, diese auf Rot stellen, hat die Erfahrung der Madrider Fluglotsen 2011 gezeigt. Deren „wilder“ Streik wurde von der Militärpolizei mit gezogener Knarre beendet, die man den überraschten KollegInnen im Tower an den Kopf gehalten hat.v

Unterstützen wir daher den Streik der Lokführer gegen die Einschränkung des Streikrechts.

Sie kämpfen für die gesamte ArbeiterInnenklasse!

ihttp://www.gefangenengewerkschaft.de/

ii http://www.welt.de/wirtschaft/article115617143/Assad-Mao-und-die-deutsche-Lokfuehrer-Gewerkschaft.html

iii vgl. ARD-Morgenmagazin vom 22. Mai 2015

iv „Unter Lokführern“, Junge Welt vom 22. Mai, http://www.jungewelt.de/2015/05-22/033.php

vhttp://www.spiegel.de/reise/europa/fluglotsenstreik-in-spanien-regierung-ruft-notstand-aus-a-732860.html

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