Die Arbeit mit und in den Massen der Arbeiter:-innenklasse ist zu Recht ein viel diskutiertes Thema in der revolutionären und kommunistischen Bewegung. Der Erfolg der Massenarbeit ist letztlich ein entscheidender Faktor für die Frage, ob der Parteiaufbau und die Organisierung der Revolution gelingt oder nicht. 

Die grundlegende Ausrichtung und Aufgaben der kommunistischen Massenarbeit haben wir bereits in unserem Text „Kommunistische Massenarbeit“ ausführlich dargelegt.1 In diesem Text sind wir vor allem auf das notwendige Zusammenspiel verschiedener Organisationsformen eingegangen sowie auf die verschiedenen Funktionen, die in der kommunistischen Massenarbeit zu erfüllen sind. Im folgenden Text wollen wir an den dort herausgearbeiteten Grundlagen anschließen und vor allem einige Aspekte dazu herausarbeiten, wie einzelne Kommunist:innen konkret in der Massenarbeit handeln müssen. Allen Leser:innen, die den erwähnten ersten Text nicht kennen oder seine zentralen Aussagen nicht mehr gut in Erinnerung haben, legen wir ans Herz, diesen Text zu lesen und zu studieren, bevor sie anfangen, sich den vorliegenden Text vorzunehmen. 

Als Ziel der Massenarbeit hatten wir damals festgehalten:

Das Ziel jeder Arbeit mit den Arbeiter:innen muss es sein, sie zu aktivieren, zu politisieren und zu organisieren. Aktivieren werden wir die Massen, in dem wir ihre konkreten vordergründigen Probleme aufgreifen und ihnen konkrete Lösungen oder Alternativen anbieten. In einem zweiten Schritt werden wir die Arbeiter:innen politisieren müssen, ihnen die Zusammenhänge der verschiedenen Probleme, die sie jeden Tag erleben und in ihrem Umfeld und den Medien mitbekommen, erklären und ein Interesse und Verständnis für gesamtgesellschaftliche Prozesse schaffen. Zuletzt geht es uns darum, die Arbeiter:innen für den Kampf um ihre eigenen Interessen und zum Sturz der Kapitalismus dauerhaft zu organisieren und mit ihnen gemeinsam zu kämpfen.“

Daran anschließend soll sich der vorliegende Text insbesondere auf die Methoden der erfolgreichen Massenarbeit konzentrieren. Hierbei steht insbesondere die konkrete Frage „Wie arbeiten wir mit Menschen?“ im Vordergrund. Der Text soll dabei helfen, die eigene Massenarbeit zu hinterfragen und in der Praxis dazu dienen, die kommunistische Massenarbeit zu vertiefen und dadurch mehr und zielgerichteter Arbeiter:innen für den politischen Kampf gewinnen zu können. 

Wir wollen uns dabei auf der einen Seite anschauen, mit welcher Arbeitsweise und welchen Methoden wir in der Massenarbeit agieren bzw. agieren sollten, welche Rolle dabei der direkte persönliche Kontakt mit den Menschen spielt und welche verschiedenen Facetten diese Kontaktarbeit hat. Andererseits wollen wir betrachten, welche häufigen Fallstricke im Herangehen an die Massenarbeit lauern und welche häufigen Tendenzen es typischerweise gibt, den Anspruch einzuschränken, mit dem an die eigene Arbeit gegangen wird.

Bedeutung und Ziel kommunistischer Massenarbeit

Die Kommunist:innen sind ein Teil der Arbeiter:innenklasse, aber sie sind ihr politisch bewusstester Teil. Der Teil, der sich die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft angeeignet hat und zur Schlussfolgerung gekommen ist, dass nur der revolutionäre Sturz des Kapitalismus und seine Ersetzung durch den Sozialismus die Befreiung der Arbeiter:innenklasse ermöglicht.

Kommunist:in sein bedeutet vor allem und in erster Linie, diese Erkenntnis im Rest der Arbeiter:innenklasse zu verbreiten, konkret die Revolution zu organisieren. Die kommunistische Vorhut hat die Aufgabe, dem Rest der Klasse Klassenbewusstsein zu vermitteln und sie für den revolutionären Prozess zu aktivieren, zu politisieren und zu organisieren. Daran, ob das gelingt, muss sich am Ende des Tages der Erfolg jeder kommunistischen Organisation messen lassen.

Diese wohl zentralste aller Aufgaben der kommunistischen Organisation stellt sich in jeder Phase ihrer Entwicklung von der Gründung an bis zum Moment der Revolution und sogar darüber hinaus während des sozialistischen Aufbaus. Das ist das Wesen der kommunistischen Massenarbeit.

Diese kommunistische Massenarbeit kann jedoch nicht von einzelnen Kommunist:innen erfolgreich durchgeführt werden. Sie ist eine Aufgabe für die ganze kommunistische Organisation von ihren neusten Mitgliedern bis hin zu ihren talentiertesten Theoretiker:innen. 

Es geht hierbei darum, dass die kommunistische Vorhut ein System aufbauen muss, durch das sie sich im ständigen wechselseitigen Austausch mit der Arbeiter:innenklasse befindet. Was hat man sich darunter vorzustellen? Die verschiedenen Elemente eines Ökosystems tauschen ständig Nährstoffe miteinander aus und in einer modernen Maschine wird dauerhaft die eine Energieform in die andere umgewandelt. Was aber wird im System der kommunistischen Massenarbeit ausgetauscht?

Der Mechanismus, den wir benötigen, muss einerseits in der Lage sein, die kommunistische Ideologie allgemein und die politischen Positionen der Kommunist:innen zu aktuellen Geschehnissen im Besonderen in möglichst breite, weitverzweigte Teile unserer Klasse zu tragen. Das strategische Ziel ist hierbei, dass nicht nur die Ideen der Kommunist:innen die ganze Klasse erreichen, sondern die Autorität der Kommunist:innen so hoch wird, dass sie es schaffen, möglichst große Teile dieser Klasse im Kampf praktisch anzuführen.

Neben der kommunistischen Organisation selbst ist ein vielfältiges Netz von Massenorganisationen, das den Kommunist:innen mehr oder weniger nahe steht, notwendig, um diese Funktion zu erfüllen. Die Massenorganisationen dienen hier politisch gesehen als Übertragungsmechanismus, die wie Zahnräder, politisches Bewusstsein in breitere Teile der Massen tragen, als es die kommunistische Organisation alleine könnte.

Doch dieser Mechanismus ist keine Einbahnstraße. Der Austausch ist wechselseitig und auch die Kommunist:innen ziehen ihre Kraft, Einschätzungen und Analysen daraus. Funktioniert der Mechanismus, dann nimmt die Klasse auf sie Einfluss durch unzählige Reaktionen, Kritiken, Anregungen und Forderungen. Aber nicht nur das, ihr fortschrittlichster Teil wird durch dieses System ständig in die Bewegung hineingezogen und geht vom Teil der spontan handelnden Masse in das Lager der organisierten Arbeiter:innenbewegung über. Er organisiert sich – häufig zunächst in breiten und offenen Massenorganisationen, aber letztlich auch in der kommunistischen Organisation selbst.

Selbstverständlich kann keine Rede davon sein, dass dieser System ein statisches Modell darstellt. Auf dem Weg zur Revolution werden sich seine verschiedenen Elemente, ihre Funktionen und ihre Beziehung untereinander ohne Zweifel noch häufig ändern.

Dennoch muss unser Anspruch sein, eine Maschinerie der kommunistischen Massenarbeit zu schaffen, die möglichst verlässlich arbeitet und sich so stetig weiterentwickelt. Die einzelnen Teile dieser Maschinerie jedoch sind nicht aus Stahl oder Kunststoff, es sind Menschen.

Menschen sind in Massen da, und es fehlt an Menschen“

Der Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat ist ein sehr ungleicher, asymmetrischer Kampf. Während das Proletariat sich nicht wie die Bourgeoisie auf einen hochgerüsteten Staatsapparat und auf die Kontrolle eines Großteiles der Produktion stützen kann, hat das Proletariat seine ganz eigenen Stärken, die für die Bourgeoisie immer unerreichbar bleiben werden. Hierzu zählt zum Beispiel seine erdrückende, zahlenmäßige Überlegenheit.

Doch solange die Millionenmassen der Arbeiter:innenklasse nicht aktiv und vor allem nicht organisiert sind, nützt ihnen diese Stärke wenig. In unserer Klasse schlummern mehr Potentiale als wir  hoffen können vor dem Aufbau des Sozialismus auch nur zu erkennen. Nur sind diese Potentiale den einzelnen Arbeiter:innen in der Regel selbst gar nicht bewusst, ganz im Gegenteil: Je niedriger ein Mensch in der sozial-ökonomischen Hierarchie des Imperialismus zu verorten ist, desto stärker und nachhaltiger wird sein Selbstbewusstsein in der Regel zerstört. Es bedarf also unserer gezielten Arbeit, um diese Potentiale zum Vorschein und zur Entfaltung zu bringen.

Schon Lenin hat diesen Anspruch wieder und wieder an seine Genoss:innen gestellt: „Menschen sind in Massen da, und es fehlt an Menschen – auf diese widerspruchsvolle Formel ließen sich seit jeher die Widersprüche des Organisationslebens und der organisatorischen Anforderungen der Sozialdemokratie (hier noch revolutionäre Sozialdemokratie) bringen. […] Von allen Seiten hört man leidenschaftliche Rufe nach neuen Kräften und Klagen über den Mangel an Menschen in den Organisationen, während gleichzeitig überall unzählige Menschen ihre Hilfe anbieten, während immer wieder junge Kräfte heranwachsen, besonders in der Arbeiterklasse.“ 2

Was können wir aus diesem Zitat ableiten? Sobald ein Mensch in Berührung mit der kommunistischen Bewegung kommt – sei es auch zunächst nur in ganz loser Form – müssen es sich die Kommunist:innen zur Aufgabe machen, diesem Menschen Aufmerksamkeit zu schenken, ihn kennenzulernen, sein Unrechtsbewusstsein Stück für Stück zum Klassenbewusstsein zu formen und zugleich genau den richtigen Platz in der Bewegung für ihn zu finden.

An dieser Stelle muss noch mal betont werden: Diese Aufgabe ist sicherlich eine der schönsten Aufgaben der kommunistischen Arbeit, aber es ist zugleich eine Aufgabe, die ein ungeheuer großes Maß an menschlichem Feingefühl, Frustrationstoleranz und den unerschütterlichem Glauben an die Arbeiter:innenklasse und ihre Fähigkeit, den Kapitalismus zu zerschlagen, erfordert. 

Als Kommunist:innen müssen wir nicht nur Politiker:innen sein, sondern im Umgang mit den Menschen zugleich als Pädagog:innen und Psycholog:innen handeln. Eine kommunistische Pädagogik und eine kommunistische Psychologie für diese Aufgabe finden wir jedoch in keinem Lehrbuch und erst Recht können wir sie uns nicht in bürgerlichen Studiengängen aneignen. Die „Pädagogik“ und „Psychologie“, die wir benötigen, müssen wir als Teil unseres Arbeitsstils herausbilden. Hierzu gilt es Erfahrungen zu sammeln, auszuwerten und den Austausch zwischen allen Genoss:innen, die in unseren Reihen dauerhaft mit dem Organisieren von Menschen beschäftigt sind, zu organisieren.

Kommunistische Arbeitsweise in der Massenarbeit

Was für ein Arbeitsstil ist notwendig, um diese Resultate zu erreichen? Was wir im Text zur kommunistischen Massenarbeit über die kommunistische Arbeitsweise gesagt haben, mit der wir als Kommunist:innen in den Massenorganisationen arbeiten müssen, können wir umso mehr auf die Arbeit mit einzelnen Menschen übertragen: 

Insbesondere in den Massenorganisationen ist es wichtig, dass wir als Kommunist:innen in diesen mit Hilfe einer kommunistischen Arbeitsweise arbeiten und führen. Das heißt für uns in erster Linie, nicht formalistisch und bürokratisch zu arbeiten, sondern entstehende Dynamiken zu lenken und die Massen und die Organisationen durch Überzeugung zu leiten. Dabei ist es besonders wichtig, selbst als gutes Vorbild voranzugehen. Es gilt durch eine disziplinierte und revolutionäre Praxis zu einer natürlichen Autorität in den Massenorganisationen heranzuwachsen. Dies ist sicher keine Besonderheit allein der Massenorganisationen, aber die Notwendigkeit, dies jeder Zeit in der politischen Praxis zu beachten und so umzusetzen ist hier elementar.

Insbesondere in den Massenorganisationen, die nicht Teil der Partei sind, müssen wir als Kommunist:innen sensibel sein, wenn wir versuchen, unsere Ideologie, Politik und Praxis in diese Organisationen zu tragen. Wenn wir hier als die aktivsten, verlässlichsten und solidarischsten Genoss:innen auffallen und das Vertrauen der Massen gewinnen, dann können wir auch einen Einfluss auf sie und diese Massenorganisationen ausüben.“

Unter kommunistischer Arbeitsweise verstehen wir eine gezielte, geplante und disziplinierte Arbeit, die sich von den für diesen Zeitraum festgelegten strategischen und taktischen Zielen, den Notwendigkeiten des Klassenkampfes und den grundlegenden Prinzipien des revolutionären Denkens, Fühlens und Handelns3 leiten lässt. 

Stalin beschreibt den kommunistischen Arbeitsstil als eine Mischung aus russisch revolutionärem Schwung und amerikanischer Sachlichkeit:4

Der russische revolutionäre Schwung ist das Gegengift gegen Trägheit, Routine, Konservatismus, Denkfaulheit, sklavisches Festhalten an den Traditionen der Großväter. Der russische revolutionäre Schwung ist jene belebende Kraft, die das Denken weckt und vorwärts treibt, das Alte zerstört, Perspektiven eröffnet. Ohne diesen Schwung ist kein Fortschritt möglich. […]

Die amerikanische Sachlichkeit ist wiederum das Gegengift gegen „revolutionäre“ Manilowerei und phantastische Projektemacherei. Die amerikanische Sachlichkeit ist jene unbändige Kraft, die keinerlei Schranken kennt noch anerkennt, die mit ihrer sachlichen Beharrlichkeit alle wie immer gearteten Hindernisse hinwegfegt, die jede einmal begonnene Sache unbedingt bis zu Ende durchführt, selbst wenn es eine kleine Sache ist, und ohne die eine ernste aufbauende Arbeit undenkbar ist.“

Überträgt man die beiden Extreme des Arbeitsstils, die nach Stalin zur richtigen Arbeitsweise vereinigt werden müssen, und analysiert mit diesem Gedanken im Hinterkopf den Zustand der heutigen kommunistischen Arbeit in Deutschland, wird man viele Parallelen entdecken. Vor allem wird man aber häufig eines der beiden Extreme finden, ohne dass sie zu einer harmonischen Einheit verbunden sind. Das gilt gerade für die Massenarbeit.

Stalins Ausführungen bedeuten übertragen auf die Massenarbeit eben, dass jede Massenarbeit ohne ein systematisches Herangehen scheitern muss. Wir dürfen nie darein verfallen, einzelne Menschen zu idealisieren, auf ein Podest zu heben oder all unsere Aufmerksamkeit und Hoffnungen nur auf sie zu lenken. Es geht darum, die kommunistische Bewegung und alle Felder der Massenarbeit zu einer geölten Maschinerie zu formen.

Zugleich jedoch, dürfen wir nie vergessen, dass es mit dem Erarbeiten von Konzepten und ausgeklügelten Plänen nicht getan ist. Wir müssen in jeder Situation verstehen zu erkennen, wo der Schwerpunkt der Arbeit liegen muss, was zu einem gegeben Zeitpunkt das Hauptkettenglied ist, das wir anpacken müssen, um einen ganzen Arbeitsbereich nach vorne zu entwickeln und welche Individuen dabei welche einzigartige Rolle spielen können und müssen. Ein solcher kommunistischer Arbeitsstil, der ein langfristiges und diszipliniertes Vorgehen, sowohl mit dem Aufbau und der ständigen Entwicklung von Systemen und Mechanismen für die Massenarbeit als auch mit der Bereitschaft und Fähigkeit verbindet, stets eine konkrete Analyse der konkreten Situation zu machen, ist erstens eine Voraussetzung dafür, überhaupt auf Dauer erfolgreich in der eigenen Arbeit zu sein. Zweitens ist er gerade in der Massenarbeit von besonderer Bedeutung, weil wer neu in den Reihen der kommunistischen Arbeiter:innenbewegung ist, sich bewusst oder unbewusst Vorbilder suchen wird. Während ein richtiger Arbeitsstil also das eigene Umfeld massiv zum Positiven beeinflussen kann, gilt für einen nachlässigen, schlampigen oder bürokratischen Arbeitsstil das genaue Gegenteil.

Kontaktarbeit

Gerade in einer Situation, in der die kommunistische Bewegung noch relativ unentwickelt ist – wie es heute in Deutschland der Fall ist – geschieht es leicht, ein beschränktes Verständnis von kommunistischer Massenarbeit zu entwickeln.

Typisch ist hier ein Verständnis, das vom Zirkelwesen geprägt ist. Es bildet sich in der Regel wie folgt heraus: Eine kommunistische Kerngruppe gründet sich, wächst, sammelt Mitstreiter:innen und gewinnt an Einfluss, auch wenn dieser gesellschaftlich gesehen marginal sein mag. Nach einigen Experimenten in diese oder jene Richtung greift man das Konzept der Massenorganisationen auf, sie können politisch unterschiedlich ausgerichtet sein, formell oder nur informell unter Anleitung der Kommunist:innen stehen; aber letztlich entstehen sie, weil die Entwicklung der Arbeit dahin drängt, eine zusätzliche Ebene zu schaffen, in der breitere Teile der Massen organisatorisch erfasst werden können.

Auch die kommunistischen Organisationen, die höhere Ansprüche verfolgen und sich in einem schmerzhaften Prozess von den Merkmalen des Zirkelwesens befreien, bleiben in ihrer konkreten Arbeitsweise oft genug auf diese Ebenen beschränkt und haben alle Hände damit zu tun. Ist es nicht so, dass eine – gemessen an unseren Zielen – bescheidene Massenorganisation von ein oder zwei Dutzend Personen in einer Stadt uns häufig „überfordert“? Wir fühlen uns voll und ganz ausgelastet damit, diesen engen Personenkreis zu politisieren, zu Aktionen zu mobilisieren und im besten Falle zu führenden Genoss:innen zu entwickeln.

Auf unserem heutigen Entwicklungsstand krankt die kommunistische Bewegung fast überall daran, dass ihre Aufmerksamkeit fast voll und ganz von ihren „eigenen Angelegenheiten“ (der notwendige Meinungskampf um das richtige Vorgehen, die Aneignung und Anwendung des Marxismus-Leninismus, die Kader:innenausbildung) beansprucht wird; nur für den Aufbau und die Belebung eines vergleichsweise engen Umfelds reicht unsere Aufmerksamkeit darüber hinaus.

Mit anderen Worten: Die Teile unserer Klasse, die es (noch) nicht auf die Ebene unserer Massenorganisationen geschafft haben, werden von uns häufig sträflich mit Vernachlässigung behandelt. Wir treten ihnen mit Kundgebungen, Demonstrationen, Plakaten, Flugblättern und feurigen Reden entgegen, aber um dauerhaft mit uns in Kontakt zu treten, haben wir nicht viel mehr anzubieten als die regelmäßigen Treffen unserer Massenstrukturen. Und das ist oft viel zu wenig.

Für einen Großteil der Klasse sind solche Strukturen mit ihrer Arbeitsweise heute noch nicht erreichbar. Natürlich hängt diese Tatsache eng damit zusammen, wie wenig verbreitet das Klassenbewusstsein heute ist. Viele Arbeiter:innen haben letztlich die Notwendigkeit, sich für ihre Interessen gegen das Kapital zusammenzuschließen, noch nicht erkannt oder sie erkennen sie, sind aber nicht davon überzeugt, dass sie die Macht entfalten könnten, etwas zu ändern.

Aber es muss nicht das politische Bewusstsein sein, das Teile unserer Klasse daran hindert, sich harmonisch in die Strukturen einzufügen, die wir ihnen anzubieten haben.

Es kann verschiedene andere Gründe geben: Wir können an Arbeiter:innen denken, die in Wechselschichten arbeiten, oder an alleinerziehende Mütter, die vermutlich noch einige Jahre jeden einzelnen Tag zu dem Zeitpunkt, wo typischerweise das Treffen unserer Strukturen beginnt, mit dem zu Bett bringen ihrer Kinder beschäftigt sind.

All das läuft auf die Binsenweisheit hinaus, dass wir Kommunist:innen nicht darauf warten dürfen, dass die anderen Teile der Arbeiter:innenklasse zu uns kommen, sondern wir zu ihnen gehen müssen. Unsere bisherigen – nüchtern betrachtet – ziemlich einfachen Formen der Massenarbeit gilt es um die Methode der systematischen Kontaktarbeit zu ergänzen.

Worin besteht diese Methode? Wie der Name schon sagt: Sie besteht darin, dass die Kommunist:innen und organisierten Teile der Arbeiter:innenklasse es sich zum Ziel setzen, systematisch Kontakte in die Arbeiter:innenklasse aufzubauen, sie zu halten und dies zu einem lebendigen Teil ihrer politischen Arbeit zu machen.

Die Funktionen der Kontaktarbeit

Die konkreten Ziele, die wir bei dieser Kontaktarbeit verfolgen, lassen sich grob in folgende Bereiche teilen:

1. Unsere politische Linie verbreiten – die Massen in den Kampf einbeziehen. Diese erste, grundlegendste Funktion der Kontaktarbeit bedarf vermutlich relativ wenig Erläuterung. Die Politik der Kommunist:innen ist nie damit getan, eine scharfsinnige Analyse oder mitreißende Erklärung zu verfassen und diese in den Äther des Internets zu blasen. Unsere Politik und unsere Aktionen müssen wir zu den Menschen bringen.

Ein typisches Hilfsmittel, um dieses Ziel zu erfüllen, besteht darin, mit jeder neuen Ausgabe einer kommunistischen Zeitschrift oder einer an die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse gerichteten Massenzeitung zu einem bestimmten Kreis von Personen zu gehen, die eher am Rand der politischen Arbeit stehen – also solche Menschen, die wir als Kommunist:innen nicht ohnehin in regelmäßigen Abständen im Rahmen unserer Arbeit sehen.

Zugleich gilt es aber auch zu versuchen, bei unseren Gesprächspartner:innen den Wunsch zu wecken, selbst aktiv zu werden und sich am Klassenkampf zu beteiligen. Natürlich ist es wünschenswert,  dass möglichst große Teile der Klasse dauerhaft und organisiert an diesem Kampf teilnehmen – mit anderen Worten: Wir streben danach, sie zum festen und aktiven Bestandteil unserer Organisationsstrukturen zu machen.

Hier gilt es, eben nicht schematisch an die Menschen heranzugehen, sondern sich mit ihnen, ihrer Lebenssituation und den Punkten, an denen sie am stärksten mit dem kapitalistischen System in Konflikt geraten zu beschäftigen und daraus jeweils den richtigen Weg in die proletarische Bewegung zu bestimmen.

Ebenso muss unser Anspruch sein, auch den Wert vermeintlich kleiner Beiträge zum Klassenkampf zu erkennen und oft genug wird es an uns sein, den Menschen, mit denen wir Kontakte halten, diese Möglichkeiten überhaupt erst aufzuzeigen. Hier wäre zum Beispiel an Redebeiträge, die über die zugespitzte Ausbeutung im eigenen Betrieb berichten, zu denken oder an Interviews mit unserer Massenpresse. Auch die Weiterverbreitung unserer Literatur oder unserer Flugblätter in der eigenen Schule, der Universität, dem Betrieb oder sogar „nur“ im eigenen Bekanntenkreis kann, wenn es uns gelingt, massenhaft dafür zu sorgen, zu einem sprunghaften Anwachsen unserer Bekanntheit und unserer Verbindung mit der Klasse führen.

2. Unterstützung durch die Massen. Selbst wo es uns nicht gelingt, unsere Kontaktpersonen für eine eigene Aktivität zu begeistern, wird sich unsere Arbeit langfristig nur erfolgreich entwickeln, wenn wir es auch verstehen, selbst die passivste Form der Unterstützung zu einem weiteren Tropfen zu machen, der dem Strom der kommunistischen Bewegung Kraft verleiht.

Ein klassisches und simples Beispiel hierfür ist die regelmäßige oder einmalige finanzielle Unterstützung für unsere Arbeit. Auch wenn die Arbeiter:innenklasse unter der Verschärfung kapitalistischer Ausbeutung zu leiden hat: Oft genug mangelt es weniger an der Bereitschaft, ein konkretes Projekt finanziell zu unterstützen, als vielmehr an dem Schritt, danach zu fragen.

Diese Tatsache wird vor allem dadurch belegt, dass wir regelmäßig beim Verteilen unserer Literatur – selbst wenn sie kostenlos ist – erleben, dass Arbeiter:innen bereitwillig einen kleinen Beitrag dafür anbieten oder wir Zuschriften und E-Mails von (Online-)Leser:innen erhalten, die aktiv nach Möglichkeiten fragen, uns finanziell zu unterstützen. 

Hierbei gilt es zu verinnerlichen und auch nach außen zu tragen, dass die Unterstützung der revolutionären Arbeit eine legitime und lohnenswerte Entscheidung ist, insbesondere wenn man sie mit allen tausendfach an die Arbeiter:innen gerichteten Appellen vergleicht, ihr Geld als „Ergänzung“ zu ihrer Armutsrente in Aktien oder Fonds zu investieren.

Nicht weniger wichtig ist der Aufbau infrastruktureller Kapazitäten durch diese Form der Massenarbeit. Eigentlich sollte es nicht schwer zu erkennen sein, dass im Zuge des Wachstums unserer Arbeit ein schier unendlicher Bedarf an Fähigkeiten und Unterstützung entsteht: von Fahrzeugen über Gaststätten und andere Räumlichkeiten, zu denen unsere Kontakte Zugang haben, bis hin zu Materialien, Lebensmitteln oder Dienstleistungen, von denen wir vergünstigt oder ganz kostenlos profitieren können.

3. Von den Massen lernen. Ganz unabhängig von unserem Erfolg auf den beiden bisher genannten Ebenen gilt jedoch immer: Sobald wir mit Teilen der Arbeiter:innenklasse diskutieren, gibt es etwas für uns zu lernen – sogar, wenn wir nur lernen können, warum sie eben nicht mit uns einverstanden sind, warum sie den Sozialismus ablehnen oder warum sie nicht bereit sind, selbst aktiv zu werden.

Alle Zweifel, Gegenargumente und Einwände sind nämlich Elemente des aktuell vorherrschenden Bewusstseins in unserer Klasse. Sie können uns wertvolle Hinweise dafür geben, wo wir an unserer eigenen Argumentation feilen müssen, welche Wissenslücken wir schließen müssen, welche Themen es in den nächsten Zeitungsartikeln oder Flugblättern aufzugreifen gilt und so weiter. 

Mindestens ebenso häufig werden wir aber vermutlich eher erfahren, an welchen Punkten unsere Klasse konkret in Konflikt mit dem System gerät und wie sich das in ihrem Bewusstsein widerspiegelt. 

Die Grundvoraussetzung, hiervon jedoch nicht nur individuell zu profitieren, sondern als ganze Organisation und letztlich als kommunistische Bewegung besteht darin, diesen Rückmeldungen und Hinweisen aus den Massen einen Wert beizumessen. Es gilt also, solche Erfahrungen nicht vorschnell als „bürgerliches  Bewusstsein“ oder „reaktionäres Denken“ abzutun, sondern ein System zu entwickeln, um sie im eigenen Kollektiv zu sammeln und von dort aus weiterzuleiten, um sie zu zentralisieren und auswerten zu können.

Die Umsetzung der Kontaktarbeit

Vielleicht regt sich in einigen Leser:innen hierbei der Gedanke „Das ist ja alles gut und schön, aber wie soll das noch zu schaffen sein?“. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich gerade viele der Genoss:innen, die im Zentrum unserer Massenarbeit stehen, häufig überlastet fühlen. Auf den ersten Blick scheint es da durchaus verständlich, dass sie diesem Artikel die Frage entgegenhalten, wie bei allem, was sie bereits leisten, noch eine neue und vertiefte Dimension der Massenarbeit hinzukommen soll.

Zwei Antworten hierzu: Erstens handelt es sich bei der Kontaktarbeit nicht um eine Aufgabe, die sich nur den entschlossensten und bewusstesten Kommunist:innen stellt. Ganz im Gegenteil: Es muss uns darum gehen, im eigenen Umfeld unter den Aktiven, mit denen wir tagtäglich unsere Politik auf die Straße tragen so zu arbeiten, dass auch in ihnen das notwendige Selbstvertrauen geweckt wird, um selbst zu Multiplikator:innen zu werden. 

Zweitens gilt es selbstverständlich, immer wieder die eigenen Kräfte sowie die konkreten Möglichkeiten für eine Kontaktarbeit miteinander abzugleichen und die eigenen Kräfte so aufzuteilen, dass die zu einem gegebenen Zeitpunkt richtige Schwerpunktsetzung erfolgt. Klar ist dabei, dass für zwei Kommunist:innen, die sich gerade erst das Ziel gesetzt haben, eine Stadt oder auch nur einen bestimmten Stadtteil, einen Betrieb oder ein anderes Arbeitsfeld zu erobern, andere Prioritäten gesetzt werden müssen, als für eine Organisation, die von zwanzig bis vierzig Aktivist:innen umgeben ist. 

Machen wir dazu einmal ein kurzes mathematisches Beispiel: Sind wir zu zweit in einer Stadt, sollte es für uns doch ein leichtes sein, uns monatlich uns mit vier Menschen zu treffen, die mit unserer Arbeit und unserer Politik sympathisieren, seien es Freund:innen, Familie, Kolleg:innen, Mitschüler:innen, Nachbar:innen etc. Sind wir in einer Stadt zu fünft sollten zehn solcher Gespräche unser kleinster Anspruch sein. Haben wir in einer Stadt gar 10 oder 20 Mitglieder und Aktivist:innen gesammelt, so sollten 20 bzw. 40 Treffen oder Besuche für uns ohne große Anstrengungen möglich sein. 

Wollen wir unsere eigenen Ansprüche ein Stück erhöhen und nehmen uns zum Beispiel vor, das wir uns jede Woche wenigstens zwei oder drei Stunden für solche Gespräche und Diskussionen einplanen und dies auch umsetzen, dann können wir mit 10 Aktivist:innen jeden Monat gleich mit 80 bis 100 Menschen aus unserem Umfeld ausführlich über unsere politischen Ansichten, Analysen und praktische Arbeit reden, ihnen unsere Agitations- und Propagandamaterialien bringen und so unsere Arbeit systematisch auf immer größere Teile unserer Klasse ausweiten. Multiplizieren wir nun die Zahl der Gespräche mit der Anzahl der Städte in denen sich unsere Arbeit entwickelt, sagen wir einmal fünf oder zehn, so kommen wir schnell auf 500 bis 1.000 Menschen mit denen wir jeden Monat über unsere politische Linie diskutieren und sie damit in unsere kommunistische Massenarbeit einbeziehen. 

Wenn wir diese Arbeit also konsequent, diszipliniert und kontinuierlich in Angriff nehmen, dann wird sich das Umfeld und die Kontakte mit denen wir arbeiten innerhalb kürzester Zeit vermehren und viele Ziele, die uns noch vor kurzem unerreichbar schienen, werden schon bald durch neue größere Ziele ersetzt.

Typische Begrenzungen der eigenen Massenarbeit

Massenarbeit heißt den Individualismus zu durchbrechen

Eine der wesentlichsten Voraussetzungen für jede Massenarbeit besteht darin, nicht bloß oberflächliche, sondern intensive zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen. In diesem Sinne bedeutet Massenarbeit auch, gegen den verinnerlichten Individualismus und die Vereinzelung anzukämpfen, von denen alle Menschen tief geprägt sind, die im Kapitalismus aufwachsen.

Selbst in den Reihen der Kommunist:innen ist es ein sehr häufig anzutreffendes Phänomen, dass wir uns vor dem Zugehen auf „fremde Menschen“ scheuen oder es uns größte Überwindung kostet. Noch viel schwerer wird es für viele von uns, wenn die gestellte Aufgabe nicht nur darin besteht, ein Flugblatt die Hände wechseln zu lassen, sondern möglichst auch noch spontan ein politisches Gespräch zu entwickeln und eine noch größere Hürde stellt es für viele dar, allen Mut zusammen zu nehmen, um unser Gegenüber nach Kontaktdaten oder einer Telefonnummer zu fragen und diese dann auch tatsächlich zu nutzen, um im Kontakt zu bleiben.

Neben einer gewissen Abhärtung gegen die Fluchtreflexe, die bei einigen von uns aufkommen, wenn wir vor einer solchen Aufgabe stehen, ist es wichtig sich vor Augen zu halten, das dies nicht etwa nur unser individuelles Problem ist, sondern ein gesellschaftliches. So groß die Hindernisse für diesen Schritt bei uns selbst oder auf Seiten von Menschen, die wir ansprechen wollen, im ersten Moment also auch erscheinen, wir müssen begreifen: Ist es uns erst mal gelungen, die Isolation zu durchbrechen, liegt darin auch ein besonderes Potential, die besten Seiten in den Menschen, die wir im Kampf mitreißen wollen, zum Vorschein zu bringen.

Immer wieder erleben wir schon heute in unserer Massenarbeit, dass Menschen, die wir neu kennenlernen schlichtweg begeistert vom Umgang der Kommunist:innen untereinander und mit anderen Menschen sind. Mindestens ebenso häufig erleben wir aber leider auch, dass Menschen, die ein Interesse an uns und unserer Arbeit zeigen, missachtet oder gar nicht erst wahrgenommen werden. Allzu leicht verfallen wir in solchen Situationen darin, einfach „unter uns“ weiter zu diskutieren ohne uns bewusst zu machen, welch verheerende Wirkung das wohl auf einen Menschen haben muss, der selbst alle innere Scheu und Nervosität überwunden hat, um auf uns zuzutreten und uns und unsere Arbeit kennenzulernen.

Massenarbeit heißt die Angst vor Unbekannten zu überwinden

In den Ausgaben Nr. 13 und Nr. 19 der Kommunismus wurde im Zuge unserer Ansätze zur Klassenanalyse herausgearbeitet, dass die Arbeiter:innenklasse in Deutschland als Ganze zwar wächst, sich zugleich jedoch ihrer Lebensrealität und ihrem Selbstverständnis nach stark ausdifferenziert. 

Für uns Kommunist:innen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass alles Trennende, ob objektiv in den Produktionsverhältnissen oder subjektiv im Bewusstsein begründet, in der Arbeiter:innenklasse bekämpft werden muss und wir diesen Elementen die gemeinsamen Klasseninteressen und das gemeinsame Ziel der sozialistischen Revolution entgegensetzen. Zumindest könnte man das meinen.

Betrachten wir jedoch nüchtern den heutigen Zustand unserer Massenarbeit in Deutschland, dann stellen wir als typisches Phänomen folgendes fest: Wir wachsen am schnellsten und ziehen am meisten neue Kräfte an unter den Teilen der Arbeiter:innenklasse, aus denen wir selbst stammen, deren Lebensrealität uns nahe kommt, deren „Sprache“ wir im wahrsten Sinne des Wortes sprechen. Bis zu einem gewissen Grad ist diese Tendenz natürlich und kann nicht nur als Schwäche, sondern auch als Potential betrachtet werden. Dies ist einer der Gründe, warum es auch heute richtig bleibt, eine organisierte Jugendmassenarbeit, die wiederum selbst von Jugendlichen organisiert wird, zu betreiben.

Zugleich besteht hierin heute eine gewaltige Begrenzung für unsere Massenarbeit. Wollen wir also unsere Arbeit ausweiten, dann sollten wir es uns bewusst zur Herausforderung machen, gerade zu den Teilen der Arbeiter:innenklasse Kontakt aufzubauen, die sich ihrem Alter, ihrem Beruf, ihrer Herkunft oder ihrer Lebensrealität nach am meisten von uns selbst unterscheiden.

Insbesondere gilt es hierbei, objektive Kriterien für die Einschätzung und Bewertung von Menschen zu entwickeln. Nur allzu oft wird sich zeigen, dass das Bewusstsein von Personen, die sexistische oder rassistische Beschimpfungen ganz natürlich verwenden, insgesamt weit offener für fortschrittliches Denken und Handeln ist als bei denjenigen, die aus vermeintlich „kultivierteren“ Kreisen stammen, in denen die Verachtung für Frauen und Migrant:innen hinter intellektuellen Floskeln versteckt wird.

Digitale Massenarbeit“

Die kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte hat das Internet schon vor Jahrzehnten hervorgebracht, seitdem durchdringt es in einem scheinbar grenzenlosen Siegeszug alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Dies gilt auch für die Form, die moderne Medien annehmen, ebenso wie für die heute – unter jüngeren Menschen – etablierten Formen der Kommunikation und des Auslebens sozialer Kontakte. 

Diese Entwicklung hinterlässt unverkennbar Spuren im Sozialverhalten der Menschen, viele davon werden zu Hemmnissen bei der Entwicklung unserer Massenarbeit in anderen Bereichen. Hieraus ergibt sich die Gefahr, in die Illusion zu verfallen, der eigenen Massenarbeit könne eine reine oder hauptsächliche digitale Form verliehen werden.

Es geht dabei nicht darum, die Bedeutung des Internets im Allgemeinen und der sozialen Medien im Besonderen für die Massenarbeit zu verneinen. Die Bourgeoisie hat längst zahlreiche Methoden entwickelt, um über diese Kanäle Bewusstsein und Bedürfnisse von Milliarden Menschen zu formen. Nichts wäre also alberner als zu behaupten, wir Kommunist:innen könnten grundsätzlich darauf verzichten, den Kampf um die Herzen und Köpfe unserer Klasse auch in dieser Arena aufzunehmen.

Bewusst machen müssen wir uns jedoch, dass unsere „digitalen Beziehungen“ zu unseren Klassengeschwistern immer nur eine Ergänzung und Unterstützung zum Aufbau realer Beziehungen darstellen können. Alles, was wir im Internet tun, muss auf dieses Ziel hin ausgerichtet sein. Diese Ausrichtung ergibt sich direkt aus dem strategischen Ziel unserer Arbeit: Dem Sturz des Kapitalismus im revolutionären Bürgerkrieg.

So notwendig das Internet für die modernen Formen der kapitalistischen Produktion auch geworden ist, unzählige Beispiele aus aller Welt zeigen uns bereits heute klar und deutlich, dass die herrschende Klasse keinerlei Probleme damit hat, nicht nur einzelne soziale Medien, die scheinbar frei zugänglich sind, stärker als gewöhnlich zu zensieren oder zu kontrollieren, sondern sogar das Internet für die breitesten Teile der Bevölkerung ganz und gar unzugänglich zu machen, wenn sie sich davon versprechen, die Verbreitung einer Aufstandsbewegung gegen ihre Herrschaft einzuhegen.

Erfolgreiche Massenarbeit als Hebel zum erfolg-reichen Parteiaufbau

Häufig haben wir es heute damit zu tun, dass in der kommunistischen Bewegung ein scheinbarer Widerspruch zwischen Massen- und Kader:innenarbeit diskutiert wird. Diese Betrachtungen berufen sich in der Regel auf die Auswertung der Bolschewiki ihrer eigenen Parteigeschichte als Zwei Phasen des Parteiaufbaus. 

Jedoch ergibt sich aus der oben herausgearbeiteten elementaren Bedeutung jeder kommunistischer Massenarbeit, dass wir zu keinem Zeitpunkt auf sie verzichten können. Sie ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass sich überhaupt kommunistische Kader:innen entwickeln können.

Weiterhin ist heute selbst die Gesamtheit der zersplitterten revolutionären und kommunistischen Bewegung in Deutschland schon zahlenmäßig viel zu klein, um auch nur den Kern einer kommunistischen Partei, wie wir sie benötigen, zu stellen. 

Richtig ist, dass wir uns gerade in der Aufbauphase der kommunistischen Partei auf die Arbeit mit den Kader:innen konzentrieren müssen. Das heißt aber eben nicht, auf eine entwickelte Massenarbeit zu verzichten, sondern diese auf die fortschrittlichsten Teile der Massen auszurichten und hier gezielt die kommenden Kader:innen der kommunistischen Partei zu organisieren. 

Die Qualität der Genoss:innen, die wir aus den Massen gewinnen, steht dabei heute im Vordergrund vor der Quantität. Um das zu konkretisieren: Es kann uns heute nicht darum gehen in 1-2 Jahren hunderte oder tausende Arbeiter:innen zu gewinnen und zu organisieren, sondern darum, dutzenden Arbeiter:innen ein Bewusstsein zu geben, diese zu organisieren und zu kommunistischen Kader:innen zu entwickeln. Doch um dieses Ziel zu erreichen, wird es notwendig sein, wie in dem obigen Rechenbeispiel mit hunderten Arbeiter:innen in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu diskutieren, sie zu bilden und am Ende einige Dutzend als Kader:innen für den Aufbau der kommunistischen Partei in Deutschland zu gewinnen.

Das ist die Grundlage dafür aus der quantitativen Ansammlung von Menschen einen qualitativen Sprung als Organisation zu organisieren, um dann auf neuer höherer Stufe erneut breitere Massen an Arbeiter:innen um unsere nun qualitativ und quantitativ gewachsenes Organisationssystem zu sammeln und unserem Ziel, der sozialistischen Revolution Schritt für Schritt näher zu kommen.

1Kommunistische Massenarbeit, https://komaufbau.org/kommunistische-massenarbeit

2Lenin: Neue Aufgaben und neue Kräfte, LW Bd. 8, S. 210

3Revolutionäres Denken, Fühlen und Handeln – Das Handwerkszeug für Revolutionär:innen,  https://komaufbau.org/revolutionaeres-denken-fuehlen-und-handeln

4Josef Stalin, Über die Grundlagen des Leninismus, IX. Der Arbeitsstil, SW Bd. 6, S. 164