In den kommenden Märztagen jährt sich die größte bewaffnete Erhebung des deutschen Proletariats. Nach der auf der halben Strecke stecken gebliebenen Novemberrevolution standen bereits zu Beginn des Jahres 1920 hunderttausende ArbeiterInnen im revolutionären Kampf gegen das Betriebsrätegesetz und die sie abermals verratende SPD-Regierung.

Bis Anfang März spitzte sich die politische Situation soweit zu, dass die alten herrschenden Eliten und Monarchisten ihren Einfluss und ihre Macht nur noch durch einen Militärputsch zu sichern wussten. So marschierten in der Nacht zum 13. März General Walther von Lüttwitz, Wolfgang Kapp, und Erich Ludendorff mit der reaktionären Marinebrigarde Erhardt und faschistischen Freikorps unter dem Banner des Hakenkreuzes in Berlin ein, um dort die Macht zu übernehmen. Sie kamen damit der Auflösung großer Teile der Reichswehr und der Freikorps wie sie im Versailler Vertrag festgehalten wurden zuvor.

Generalstreik gegen den Putsch

Die von SPD, Zentrumspartei und DDP getragene Reichsregierung floh vor dem Militärputsch und rief gleichzeitig die ArbeiterInnen zum Generalstreik gegen diesen auf. Alle revolutionären und gewerkschaftlichen Gruppierungen schlossen sich nach und nach dem Aufruf zum Generalstreik und einem gemeinsamen Kampf gegen den Militärputsch an.

Nach kurzen Zögern rief auch die noch junge und sich im Aufbau befindenden KPD ihre Anhänger und die ArbeiterInnenklasse zum Generalstreik gegen den Militärputsch auf. Doch sie ging noch weiter und rief die ArbeiterInnen zur Gründung von ArbeiterInnenräten wie in den Revolutionstag 1918 und zur Selbstbewaffnung auf.

Die KPD forderte: „Sofortiger Rücktritt der Regierung Kapp-Lüttwitz, Freilassung aller politischen Gefangenen; Entwaffnung und Auflösung der Reichswehr, Sicherheitspolizei, Einwohnerwehren und Zeitfreiwilligen, sofortige Beschlagnahme aller Waffen der Bourgeoisie, Bildung einer revolutionären, zuverlässigen Arbeiterwehr unter Kontrolle der Arbeiterräte.“

Der Generalstreik legte in den ersten Tagen bereits die wichtigste Infrastruktur und größten Betriebe in Deutschland lahm. Keine Eisenbahn, keine Straßenbahn und Bus fuhr mehr, keine Post wurde ausgeliefert, keine Telefongespräche vermittelt, keine Zeitungen gedruckt. Nicht nur die Betriebe, sondern auch die staatlichen Behörden wurden bestreikt. Mehr als eine Woche vom 14.-22. März hielt die Aktionseinheit für den Generalstreik. Er war der größte und längste Generalstreik der deutschen Geschichte.

Der Generalstreik führte auch zur Bildung von Arbeiterwehren und teilweise zu Entwaffnungsaktionen von faschistischen Freikorps und Bürgerwehren, nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in Berlin, Brandenburg, Thüringen und anderen Regionen in Mittel- und Ostdeutschland.

Die Rote Ruhr Armee schlägt die reaktionären Truppen

Innerhalb weniger Tage entstand während dem Generalstreik im Ruhrgebiet die Rote Ruhrarmee. Zugelassen wurden dabei nur Arbeiter, die in den Gewerkschaften oder Arbeiterparteien Mitglieder waren und Kampferfahrung hatten. Die erste proletarische Armee in Deutschland war militärisch gegliedert, mit gewählten Führern in den unteren Rängen und von den ArbeiterInnenräten eingesetzten militärischen Anführern an der Spitze.

In ihr kämpften Mitglieder der SPD, der USPD und der KPD, aber auch Syndikalisten (FAUD) und christliche Arbeiter. Unter großem Einsatz und vielen Opfern wurden die reaktionären Truppen in die Flucht geschlagen und innerhalb weniger Tage fast das gesamte Ruhrgebiet befreit, durch die Rote Ruhrarmee besetzt und die politische Verwaltung durch Vollzugsräte der ArbeiterInnen übernommen. Innerhalb weniger Tage wuchs die Arbeiterarmee auf mehr als 100.000 Mann an.

Doch es herrschte keine wirkliche und dauerhafte Einheit unter den ArbeiterInnen. Gespalten in verschiedene Parteien und Organisationen, mussten auch ihre Ziele auseinander gehen. So entstanden unter anderem mehrere militärische Führungsstäbe.

Nachdem der Militärputsch durch den vereinigten Generalstreik der deutschen ArbeiterInnenklasse und die Bewaffnung der ArbeiterInnen bereits nach rund 100 Stunden scheiterte und Kapp ins Ausland flüchtete, musste auch General von Lüttwitz am fünften Tag die militärische Macht abgeben.

Die SPD übernahm erneut die Regierung und wollte fortfahren wie vor dem Putsch. Dazu machte sie den Gewerkschaften weitgehende Zugeständnisse, die nie umgesetzt wurden, um den Generalstreik am 22. März zu beenden und die ArbeiterInnen wieder in die Betriebe zu schicken.

Rache und Terror gegen die ArbeiterInnenklasse

Doch die bewaffnete ArbeiterInnenklasse, welche im Ruhrgebiet die Macht eroberte, wollte diese nicht so einfach wieder hergeben und sich vor allem nicht entwaffnen lassen. Im „Bielefelder Abkommen“ erreichte die SPD am 24. März mit ähnlichen Versprechungen wie denen der Gewerkschaften die Zustimmung der beteiligten Verhandlungsführer zur Entwaffnung der Roten Ruhrarmee. Allerdings waren nicht alle beteiligten Kräfte der Roten Ruhrarmee bei den Verhandlungen zugegen. Zudem handelten die beiden Vertreter der KPD gegen den ausdrücklichen Willen ihrer Partei. Durch das Abkommen war die einheitliche Aktion der ArbeiterInnen gebrochen und sie zerfiel wieder in ihre einzelnen Teile.

Durch das Abkommen ermutigt stellten die Reichswehr- und Freikorpstruppen, die eben noch auf der Seite der Putschisten gekämpft hatten, nun im Namen der SPD-Regierung ein unhaltbares Ultimatum zur Entwaffnung der ArbeiterInnen in das Ruhrgebiet. Am 2. April marschierten die Truppen, zum Teil mit Hakenkreuzen auf ihren Uniformen und Helmen, im Ruhrgebiet ein.
Beim Vorrücken der Truppen wurden tausende ArbeiterInnen verhaftet und ermordet, viele von ihnen bei Massenerschießungen. Tausende flohen vor dem Terror der Freikorps und Reichswehrtruppen ins Ausland oder andere Teile Deutschlands.

Die Lehren aus dem bewaffneten Aufstand

Trotz der Niederschlagung der Märzrevolution und der Vernichtung der Roten Ruhrarmee, war der politische und militärische Widerstand der ArbeiterInnenklasse und ihre zeitweise Aktionseinheit, über Partei und Organisationsgrenzen hinweg, ein bedeutendes und in diesem Umfang bisher einmaliges Ereignis.

Die Ereignisse zeigen uns, dass die Bewaffnung der ArbeiterInnen und ihr siegreicher Kampf gegen reguläre Truppen, Freikorps und Polizeieinheiten möglich ist. Sie zeigen, dass das Gruppendenken und die politischen Unterschiede im Auge des Kampfes gegen die faschistische und militaristische Gefahr erfolgreich zurückgestellt werden können, mit durchschlagendem Erfolg.

Sie zeigen aber eben auch, dass ein fehlendes einheitliches politisches und militärisches Zentrum auf Dauer nur zur Niederlage der ArbeiterInnenklasse führen kann. Das Gleiche gilt für fehlende einheitlichen Forderungen und das systematische Einknicken und Spalten der Sozialdemokratie, sowie die fehlende dauerhafte Ausweitung der bewaffneten Aktionen auf ganz Deutschland.

Doch das Hauptmerkmal für das Scheitern der revolutionären Kämpfe in Deutschland in den Jahren 1918-1923 lag unzweifelhaft in dem Fehlen einer starken, einheitlichen und ideologisch, politisch und organisatorische erfahrenen Kommunistischen Partei. Ernst Thälmann fasste dies in seinem Artikel  „9. November 1918 – die Geburtsstunde der deutschen Revolution“ wie folgt zusammen:
„Die Tragödie der deutschen Revolution im Jahre 1918, in den Januarkämpfen 1919, in den Kämpfen nach dem Kapp-Putsch 1920, den Märzkämpfen 1921, bis zur letzten Welle der akuten revolutionären Situation, dieser ersten Periode, im Oktober 1923 – sie bestand in dem Zwiespalt zwischen den objektiven ausgereiften revolutionären Verhältnissen einerseits und der subjektiven Schwäche des deutschen Proletariats, hervorgerufen durch das Fehlen einer zielklaren bolschewistischen Partei, andererseits.“

Auch heute ist diese Aufgabe nicht gelöst und zukünftige revolutionäre Erhebungen der ArbeiterInnenklasse in Deutschland würden ebenso daran scheitern, wie sie es in der Vergangenheit getan haben. Daher ist es heute unsere Aufgabe nicht nur die Kommunistische Partei in Deutschland wieder aufzubauen, sondern auch für die größtmögliche Einheit der ArbeiterInnenklasse innerhalb dieser Partei zu kämpfen. Wir müssen vorherrschendes Gruppendenken, Regionalismus, ideologische Engstirnigkeit und den Hang zum Legalismus überwinden, um eine schlagkräftige Kommunistische Partei und eine mit ihr verbundene revolutionäre ArbeiterInnenbewegung aufzubauen.