Zweifellos markiert der 3. Oktober einen Wendepunkt in der jüngeren Geschichte des deutschen Imperialismus. Nicht umsonst wurde er zum Nationalfeiertag erklärt, was jedoch in einer kapitalistischen Gesellschaft nichts anderes sein kann als ein Triumphtag der herrschenden Klasse.

Der 3. Oktober steht dabei anders als die Nationalfeiertage anderer imperialistischer Mächte nicht etwa für den Sieg über die feudalen Ausbeuterklassen oder für die Unabhängigkeit von anderen kapitalistischen Ländern, sondern letztlich für den zwischenzeitlichen Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus.

Nach der Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee wurde in Ostdeutschland ein antifaschistischer Staat mit vielen fortschrittlichen und einigen sozialistischen Elementen aufgebaut. Zwar war die DDR – insbesondere bei ihrer Annektion – kein sozialistischer Staat, das ändert aber nichts daran, dass der 3. Oktober als Tag der „Niederlage des Sozialismus“ Jahr für Jahr durch aufwendige Feierlichkeiten in das Bewusstsein der Menschen in diesem Land eingehämmert wird.

Die Annektion der DDR

Ohne Frage waren in der Gesellschaft der DDR noch einige Errungenschaften des Sozialismus verankert. Dazu gehören die flächendeckende Kinderbetreuung, die größere ökonomische Unabhängigkeit von Frauen, das tatsächliche Recht auf einen Arbeitsplatz, soziale und ökonomische Absicherung, sowie eine geringere Arbeitshetze in den Betrieben.

All das wurde in der BRD, da nun der Konkurrent im Osten besiegt am Boden lag, schnell beseitigt. Schnell wurden die ArbeiterInnen aus Ostdeutschland in Leiharbeitsfirmen und auf Montagefahrten in den Westen an kapitalistische Arbeitsdisziplin gewöhnt.

Der siegreiche westdeutsche Imperialismus verhielt sich Anfang der 90er wie es seiner Natur entspricht. Die herrschende Klasse der BRD hatte an Ostdeutschland lediglich als Absatzmarkt und an seinen 15 Millionen EinwohnerInnen als potentiellen Arbeitskräften Interesse. Daran, dass sich dort aus den Reihen der BetriebsdirektorInnen oder gar der Belegschaften neue, nicht monopolistische Konkurrenz bildet, hatte sie aber ganz gewiss kein Interesse.

Dementsprechend ist jede moralische Empörung verfehlt, wenn man im Rückblick betrachtet mit welcher Rücksichtslosigkeit die bestehende Industrie in Ostdeutschland vernichtet wurde. Der Kapitalismus wäre nicht Kapitalismus, hätte er sich nicht so verhalten. Das ändert jedoch nichts am Ergebnis: Ostdeutschland ist in weiten Teilen bis heute von der Phase des Ausverkaufs durch die Treuhand geprägt. Sowohl was die durchschnittliche Produktivität pro Arbeitskraft als auch den Grad der Industrialisierung allgemein angeht, hinkt es dem Westen deutlich hinterher.

Die Folgen sind bekannt: Höhere Arbeitslosigkeit als im Westen, Wegzug von jüngeren ArbeiterInnen und deutlich niedrigere Löhne; es bleiben zurück die ältesten und in den schlechtesten Jobs beschäftigten.

30 Jahre Ausweitung des internationalen Einflusses

Auch geopolitisch hat der 3. Oktober und die ihn umgebende Perestroika, der Zusammenbruch des Ostblocks im allgemeinen, Deutschland neue Türen geöffnet. Endlich konnten die imperialistischen Räuber in unserem Land die Expansionsbestrebungen gen Osten mit denen man 1943 in Stalingrad das letzte Mal gescheitert war, wieder aufnehmen.

Diesem Drang nach politischem und ökonomischen Einfluss fiel als erstes der Vielvölkerstaat Jugoslawien zum Opfer. Seine zweifellos vorhandenen massiven inneren Widersprüche wusste der wiedervereinigte deutsche Imperialismus auszunutzen und zu schüren und erreichte so zunächst die Lostrennung Sloweniens und Kroatiens. An dem folgenden mehrjährigen Krieg beteiligte sich die BRD erstmalig seit 1945 wieder offiziell als Kriegspartei. Neben weiterem Einfluss im ganzen ehemaligen Jugoslawien, belohnte man sich insbesondere mit dem Kosovo und Bosnien-Herzegowina, in denen bis heute faktisch ein Kolonialregime herrscht, dessen Protagonisten Deutschland und Österreich sind.

Auch wenn heute vieles darauf hindeutet, dass ihre Pläne scheitern, setzten die NATO-Imperialisten ihren Raubzug in Afghanistan fort, auch Deutschland beteiligt sich daran bis heute und richtete in Bonn seinerzeit eine Konferenz aus, bei der von den Eroberern gemeinsam mit ihren Marionetten eine neue Verfassung für Afghanistan entworfen wurde.

Der größte Triumph auf internationaler Ebene, der dem wiedervereinigten Deutschland auf internationaler Bühne gelang war die schrittweise Erweiterung der EU um weite Teile Osteuropas, heute stellen fast alle diese Länder ökonomisch abhängige Neokolonien insbesondere des deutschen Imperialismus dar. Sie dienen als Reserve billiger Arbeitskräfte, als Absatzmärkte und auch als militärische Pufferzone zu den großen geopolitischen Konkurrenten im Osten wie Russland und China.

Insgesamt hat Deutschland seine Vormachtstellung in der Europäischen Union in den letzten 30 Jahren zementiert. Nicht umsonst werden von den Menschen in Italien, Griechenland und Spanien für die Spar- und Privatisierungsprogramme im Nachgang der letzten großen Krise vor allem die Deutschen mit Kanzlerin Merkel an der Spitze verantwortlich gemacht.

Eine Erfolgsgeschichte für Deutschland?

Sind die dreißig Jahre seit der Wiedervereinigung also eine Erfolgsstory für Deutschland? Eben nur für die herrschende Klasse in diesem Land. Von der Annektion der DDR, von der ökonomischen Unterwerfung Ost- und Südeuropas konnten eben nur die großen deutschen Konzerne profitieren.

Die erdrückende Mehrheit der Menschen in Deutschland mussten diesen Durchmarsch des deutschen Imperialismus mit Einschnitten in ihren eigenen Lebensstandard bezahlen: Mit der Aushöhlung des Gesundheitssystems, der Einführung von Hartz IV, der massiven Ausweitung der Leiharbeit, dem Aufbau des größten Niedriglohnsektors in Europa und der Anhebung des Rentenalters.

Auch wenn Deutschland zweifelsohne ein hochmodernes Industrieland ist, gegen seine Konkurrenten auf dem Weltmarkt hat sich der jahrelange Exportweltmeister Deutschland nicht wegen seiner Maschinen und Technologien behauptet, sondern in erster Linie weil die Menschen in diesem Land effektiv und immer effektiver ausgebeutet wurden.

Für ein Deutschland, wie wir es wollen, brauchen wir die Revolution!

In keiner Hinsicht ist der 3. Oktober ein Feiertag für uns – ArbeiterInnen in Deutschland – noch für die Menschen in irgendeinem Land auf der Welt. Dieser Tag bedeutet nicht mehr als das Siegesgeheul unserer Ausbeuter. Das Geheul eines zwischenzeitlichen Sieges über uns, über andere Nationen, die sie sich untergeordnet haben und über den Sozialismus.

Aber ihr Sieg wird nicht von Dauer sein. Ein Deutschland, das wirklich unser Land ist, in dem wir herrschen und weder ausgebeutet werden noch andere Völker ausgebeutet werden ist möglich – aber nur durch eine sozialistische Revolution.