Im folgenden wollen wir eine knappe Einschätzung der aktuellen politischen Situation, eine Auswertung des 1. Mai und unseren Aufgaben in den kommenden Wochen und Monaten vornehmen.

Der 1. Mai 2020 war für große Teile der politischen Widerstandsbewegung und auch einen Teil der revolutionären Bewegung ein regelrechter Befreiungsschlag, um aus der Corona-Schockstarre auszubrechen. Das Virus und die sich vertiefende Weltwirtschaftskrise hat nicht nur in allen Schichten der Bevölkerung in Deutschland zu einer massiven Verunsicherung geführt (bei den ArbeiterInnen, das Bangen um die eigene Existenz und bei den Herrschenden die Angst vor sinkenden Profiten), sondern auch weitestgehend die politische Widerstandsbewegung paralysiert.

Es hat Wochen gedauert bis man sich auf die neue Situation auch nur annähernd eingestellt hatte und nicht mehr allein den staatlichen Pressekonferenzen nachgeplappert und jegliche Maßnahmen als alternativlos dargestellt und kritiklos unterstützt hat. Ein Teil der politischen Widerstandsbewegung hat diesen Punkt bis heute nicht überwunden.

Auch das vorübergehende Umstellen der eigenen politischen Praxis nach innen und außen aufgrund der staatlichen Corona-Maßnahmen und dem bis heute andauernden Ausnahmezustand mit lokal sehr unterschiedlichen Ausprägungen und die politische Einordnung dieses staatlichen Handelns stellte den überwiegenden Teil der politischen Widerstandsbewegung und der revolutionären Bewegung vor eine schier unüberwindbare Hürde.

Diese Situation zeigt uns, dass die Bewegung in Deutschland keinesfalls auf die härter werdenden Klassenauseinandersetzungen der kommenden Zeit vorbereitet oder dafür gewappnet ist. Umso positiver waren daraufhin die bundesweiten Aktionstage von Seebrücke (Leave no one behind), dem bundesweiten Bündnis „Nicht auf unserem Rücken“ (Keine Quarantäne für Freiheitsrechte) und die Aktionen rund um den 1. Mai.

Insbesondere der 1. Mai hat in vielen Städten dazu geführt die traditionellen Aktionen zu überdenken und aufgrund der vor Wochen bereits angekündigten Kapitulation der DGB-Gewerkschaften eigene Wege zu gehen. Dies hat unserer Meinung nach, trotz der massiven staatlichen Einschränkungen zu einer Stärkung der klassenkämpferischen Positionen der Proteste geführt. Dies liegt jedoch natürlich auch daran, dass reformistische und insbesondere sozialdemokratische Kräfte den meisten Aktionen komplett fern blieben.

In zahlreichen Städten mussten die 1. Mai Proteste nicht nur mit weitgehenden Verboten fast jeglicher Demonstrationen und größerer Kundgebungen umgehen, sondern auch mit der Belagerung ganzer Stadtviertel durch ein enormes Polizeiaufgebot. Trotzdem ist es in vielen Städten gelungen den seit Wochen anhaltenden Ausnahmezustand ein Stück weit zu durchbrechen und Protest und Widerstand sichtbar auf die Straße zu tragen.

Klare Positionen gegen Corona und Krise

Auch wenn die revolutionäre und politische Widerstandsbewegung ihren Weg wieder auf die Straßen gefunden zu haben scheint, so besteht doch nach wie vor eine große Verwirrung darüber wie man sich zu den aktuellen staatlichen Maßnahmen verhalten soll, wie die Corona-Pandemie einzuschätzen ist und woher denn diese Wirtschaftskrise plötzlich kommt.

Das führt dann in zahlreichen Publikationen zu den absurdesten Virus-Vergleichen zwischen Corona und dem kapitalistischen System oder zu der vollkommen von der Realität losgelösten Parole „Das Virus tötet nicht, der Kapitalismus schon“. Sicherlich sind viele Folgen und Auswirkungen des Corona-Virus noch nicht ausreichend wissenschaftlich untersucht und spuken zur Zeit viele wilde Theorien rund um die Auswirkungen durch das Internet, doch was wir sicher wissen, ist, dass das Virus bereits zehntausenden Menschen im Zusammenhang mit Vorerkrankungen das Leben gekostet hat.

Eine politische Widerstandsbewegung oder revolutionäre Linke die diese Fakten leugnet oder bagatellisiert braucht sich über ihre eigene Bedeutungslosigkeit weder wundern, noch wird sie einen Weg daraus finden. Das Selbe gilt übrigens auch für eine geradezu panische Hysterie aus Teilen der Linken, die nach immer schärferen staatlichen Maßnahmen, Eingriffen und Verboten ruft.

Insbesondere in dieser Zeit in der sich die politische, ökonomische und gesellschaftliche Situation in kürzester Zeit massiv zugespitzt hat müssen wir deutlicher denn je klare Klassenpositionen vertreten. Wir müssen aufzeigen welche Maßnahmen welcher Klasse nützen und klar die Forderungen im Interesse unserer Klasse formulieren.

Das gilt ebenso für die Ursache der Weltwirtschaftskrise und die Maßnahmen diese zu bekämpfen. Ein viel zu großer Teil der politischen Widerstandsbewegung geht der bürgerlichen Propaganda auf den Leim, dass die aktuelle Weltwirtschaftskrise eine Folge der Corona-Pandemie sei.

Bereits im Juli 2019 widmeten wir der sich anbahnenden und entwickelnden Weltwirtschaftskrise eine eigene Ausgabe unserer theoretischen Zeitung „Kommunismus“ (https://komaufbau.org/kommunismus-15-juli-2019/). Damals war von Corona nach keine Spur. Auch Deutschland hat diese Krise bereits im Herbst 2019 erreicht. Fast alle der jetzt bevorstehenden Massenentlassungen von 100.000den ArbeiterInnen wurden bereits im vergangenen Jahr angekündigt. Nur ein vergleichbar kleinerer Teil kommt jetzt durch zahlreiche Pleiten kleinerer und mittlerer Betriebe hinzu. Mit der Corona-Pandemie ist es für den Staat jetzt viel einfacher, die Milliarden-Steuergeschenke an die Konzerne zu rechtfertigen. Widerstand dagegen gibt es bisher kaum.

Zunehmende Repression und Ausbau des Überwachungsstaats

Mit Corona und Wirtschaftskrise schreitet auch der Ausbau des Polizei- und Überwachungsstaates weiter voran. Jetzt aber von einer dauerhaften linearen Faschisierung, welche direkt in den Faschismus in Deutschland führt zu sprechen, verkennt die Funktion des Faschismus, als Notlösung zur Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung.

Die Einschränkungen der Freiheits- und Persönlichkeitsrechte sind dennoch, wie es oft in der bürgerlichen Presse geschrieben stand, seit dem 2. Weltkrieg beispiellos. So werden zur Zeit unter dem Deckmantel der „Corona-Maßnahmen“ und des „Gesundheitsschutzes“ weitreichende Gesetze zur Massenüberwachung, Aushöhlung des Datenschutzes und Beschränkungen der Bewegungsfreiheit verabschiedet. Parallel bereiten verschiedene Bundesländer erneut eine Verschärfung der Polizeigesetze vor.

Gleichzeitig wird der Einsatz von zehntausenden Bundeswehrsoldaten im Inland legitimiert ohne dass es einen nennenswerten Protest dagegen gibt. Vielmehr gibt es hierfür bis in vermeintlich linke Kreise Zustimmung statt Widerstand in dieser scheinbar „einzigartigen Ausnahmesituation“. Dass es noch nie eine gute Idee war in der Krise nicht zu kämpfen, sollte doch eigentlich spätestens seit dem historischen Verrat der Sozialdemokratie 1914 bekannt sein.

Die aktuellen Pläne der Herrschenden sogenannte Immunitätsausweise auszustellen und damit verbundene Privilegien zu Reisen oder sich in der Öffentlichkeit frei bewegen zu dürfen sind nur die Spitze des Eisbergs. Ebenso müssen wir die Diskussion um eine Zwangsweise Installation einer „Corona-App“ als direkten Angriff auf unsere Rechte sehen. Hinzu kommen zahlreiche Meldepflichten und Namenslisten die nun überall geführt werden müssen. All diese Maßnahmen zusammen machen es dem Staat gegenüber noch einmal leichter seine Repression gegen jedweden Widerstand zu konzentrieren.

Auch der Drang von der Straße in die „digitale Welt“ hat doch deutlich mehr schlechte als positive Seiten. Es ist vollkommen richtig, dass die politische Widerstandsbewegung und noch viel mehr die KommunistInnen mit ihrer digitalen Propaganda auch nicht annähernd auf der Höhe der Zeit angekommen sind, auch wenn hier in den letzten Wochen Corona sicher geholfen hat einige Schritte nach vorne zu gehen. Gleichzeitig wird dadurch die Abhängigkeit von kapitalistischen Monopolen und die Überwachungsmöglichkeit durch den Staat um ein vielfaches gesteigert. Für uns muss klar sein, dass die digitale Kommunikation und Propaganda immer nur ein Hilfsmittel sein kann, der Klassenkampf real jedoch auf der Straße, in den Betrieben, Vierteln, Unis und Schulen geführt werden muss.

Zurück zum alltäglichen kapitalistischen Wahnsinn?

In den vergangenen Tagen mehren sich die Diskussionen über die Rücknahme oder „Lockerungen“ der staatlichen Corona-Maßnahmen. Ebenso wie der Kampf um die Deutungshoheit welches nun der einzig vertretbare medizinische Weg sei, mit der Pandemie umzugehen.

Wir müssen dazu nüchtern feststellen, dass die von den Herrschenden beschlossenen Maßnahmen zu keinem Zeitpunkt den „Schutz der Bevölkerung“ dienten, sondern immer davon getrieben wurden, die Schmälerung ihrer Profite so klein wie möglich zu halten. Deshalb gab es in Deutschland auch keine weitgehende Stilllegung der Betriebe, während unsere sonstige Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt und ein großer Teil unserer Grundrechte faktisch komplett außer Kraft gesetzt wurde.

In diesem Sinne müssen wir natürlich dafür eintreten und dafür kämpfen unsere Grundrechte zurück zu bekommen und diese wieder ausüben zu können. Es geht für uns darum, die legalen Spielräume für unsere politische Arbeit wieder massiv auszuweiten und darüber hinaus zu gehen.

Solange die Ausbreitung des Virus in Deutschland – anders als in Spanien oder Italien – relativ begrenzt bleibt, wird es dabei schwer sein die Forderung nach einer Stilllegung aller Betriebe, die nicht unverzichtbar sind, zu vermitteln. Berechtigterweise müssen die ArbeiterInnen fürchten, das in der schwersten Wirtschaftskrise aller Zeiten der Betrieb dann gar nicht mehr öffnet. Umso offensiver müssen wir jedoch klarstellen: Die Angst vor der Arbeitslosigkeit werden wir letztlich erst im Sozialismus los und nur im Sozialismus können wir als Gesellschaft Reserven anlegen, die in medizinischen Krisen wie dieser der Bevölkerung und nicht den Konzernen zu gute kommen.

Ein Zurück zum alltäglichen kapitalistischen Wahnsinn kann für uns jedoch keine Forderung sein. Wir müssen die aktuellen Krisen nutzen, um heute besonders auf die strukturellen Probleme des Kapitalismus und seinen Charakter als menschenverachtendes gescheitertes System hinzuweisen, zudem es dringend eine greifbare Alternative braucht.

Die Rechten auf dem Vormarsch

Zur Zeit dominieren jedoch vor allem rechte und faschistische Kräfte die Diskussionen um die Aufhebung der staatlichen Maßnahmen. Auch wenn die AfD in der Corona-Krise scheinbar jeglichen Widerhall in den Medien verloren hat, scheint sie nun auf der Straße wieder zu einer starken Kraft zu werden.

Rechte und antisemitische Verschwörungstheorien scheinen gerade massenweise auf fruchtbaren Boden zu fallen. In vielen deutschen Städten treffen sich seit Wochen zum Teil tausende Menschen um gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen zu demonstrieren.

Dabei treffen scheinbar linksliberale VerteidigerInnen des Grundgesetzes auf zahlreiche Spielarten von AnhängerInnen verschiedener Verschwörungstheorien, sowie Reichsbürger, Esoteriker und straffe Neonazis aus AfD und militanten faschistischen Organisationen.

Sicherlich sind aber auch Menschen mit dabei, die einfach nur nach einer Orientierung in dieser Krise suchen. Die Stärke der Faschisten kommt auch aus einer Schwäche der Linken und ihren fehlenden Antworten und Perspektiven. Umso wichtiger ist es für uns heute klare und verständliche Antworten auf die drängendsten Fragen der Massen zu finden und diese zu propagieren.

Die Schwäche der Gewerkschaften

Ein noch schlimmeres Bild als die politische Widerstandsbewegung bietet aus revolutionärer Sicht das Handeln der gelben Gewerkschaften. Sie spielen zur Zeit eher die Rolle einer desorganisierenden, als einer organisierenden Kraft der ArbeiterInnenklasse. Bereits die frühzeitige Absage jeglicher 1. Mai Aktionen im vorauseilenden Gehorsam war ein kaum vermittelbares Armutszeugnis der Gewerkschaftsbürokratie. So regte sich selbst innerhalb der Gewerkschaftsstrukturen vergleichbar starker Widerstand gegen diese Entscheidung.

Die Rolle der Gewerkschaften in den aktuellen Klassenkämpfen in den Betrieben zeichnet dabei kaum ein besseres Bild. In bester Tradition des Klassenfriedens werden Tarifrunden auf nach der Krise verschoben oder weitere Nullrunden bzw. zum Teil sogar massive Verschlechterungen für die ArbeiterInnen ausgehandelt. Von Kampfeswillen gegen die Auswirkungen der Krise bisher kaum eine Spur.

Dabei dürfte gerade jetzt eine der besten Gelegenheiten sein, bessere Arbeits- und Lohnbedingungen für besonders ausgebeutete ArbeiterInnen etwa im Einzelhandel, Pflegesektor und der Logistik zu erkämpfen. Die ArbeiterInnen hier werden in der aktuellen Diskussion oft als „systemrelevant“ bezeichnet und genau das sind sie. Unter anderem sie und ihre Reibungslose Arbeit sind notwendig um dieses kapitalistische Ausbeutersystem am laufen zu halten. Daher haben auch sie die Macht, es zu unterbrechen. Doch diese Macht muss eben auch genutzt werden, dazu braucht es politische Organisierung.

Nutzen wir das politisch gewollte Versagen der Gewerkschaften für die kämpferische und revolutionäre Organisierung in den Betrieben. Schaffen wir eine klassenkämpferische ArbeiterInnenbewegung welche die Angriffe der Herrschenden in der Krise zurückschlagen kann.

Die Krise nicht auf unserem Rücken austragen lassen

Schon jetzt können wir massive Angriffe auf unsere Rechte und unseren Lebensstandard feststellen. Wie bei der letzten großen Weltwirtschaftskrise vor über 10 Jahren propagieren die Herrschenden wieder ein Märchen davon, dass wir alle im selben Boot sitzen würden und halt nun den Gürtel enger schnallen müssten, während sie gleichzeitig die größten „Rettungspakete“ und Steuergeschenke, die es je gab, an die Monopole verschenken.

Gegen diesen Klassenkampf von oben müssen wir uns energisch zur Wehr setzen. Dazu ist auch das Zusammenkommen von antikapitalistischen und revolutionären Strukturen dringend notwendig. Erste Ansätze dieser Arbeit können wir zur Zeit in dem Bündnis „Nicht auf unserem Rücken“ sehen.

Unsere Perspektive zu einer Perspektive der Massen machen

Insbesondere in so zugespitzten und sich dynamisch entwickelnden Situationen wie denen, die wir aktuell erleben, ist es besonders wichtig eine klare Klassenposition zu vertreten. Wir müssen die aktuellen Krisen zudem als Chance begreifen unsere revolutionären Positionen und das Klassenbewusstsein in neue Teile der ArbeiterInnenklasse hinein zu tragen.

Das kapitalistische System zeigt zur Zeit erneut auf grausame Art und Weise wie ungeeignet es für die Organisierung unserer Gesellschaft ist. Nutzen wir diese Situation um unsere revolutionäre Alternative, die sozialistische Revolution und den Kampf um eine kommunistische Gesellschaft in der gesellschaftlichen Debatte einzubringen. Nutzen wir das Versagen des kapitalistischen Systems um neue Menschen in unsere antikapitalistische Massenarbeit einzubeziehen und aus antikapitalistischen AktivistInnen eine neue Generation von RevolutionärInnen zu schaffen.