Erklärung der Kommunistischen Jugend zur neuen Bundesregierung

Es sieht so aus, als wäre das bürgerliche Spektakel rund um die Wahlen im September endlich zu einem Abschluss gekommen. SPD, Grüne und FDP haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt und aller Voraussicht nach wird Olaf Scholz in den nächsten Wochen zum Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Für viele von uns Jugendlichen wird es das erste Mal sein, dass sie jemanden anderen als Angela Merkel als Bundeskanzler:in und eine Bundesregierung, die nicht von der CDU angeführt wird, erleben. Das weckt nach Jahrzehnten des gefühlten Stillstandes natürlich Hoffnung auf eine fortschrittlichere Zeit.

Diese Hoffnung schüren die zukünftigen Regierungsparteien mit vollmundigen Versprechen in ihrem Koalitionsvertrag. Versprechungen wie die Senkung des Wahlalters bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre, die Legalisierung von Cannabis oder die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro klingen für viele Jugendliche sicher attraktiv und erscheinen für sie als eine Verbesserung der Situation.

Aber heißt das, dass die Hoffnungen in die neue Regierung berechtigt sind? Können wir uns auf eine Regierung freuen, die sich für unsere Interessen einsetzt und ehrlich versucht die Probleme von uns Jugendlichen und Arbeiter:innen zu lösen?

Für uns sind diese von vielen als fortschrittlich aufgefassten Reformen nichts anderes als ein Trick, um über unsere wirklichen Probleme und die wirklichen Kerninhalte des Koalitionsvertrages hinweg zu täuschen.

Eine Regierung des Kapitals

Stutzig machen sollte da schon allein, dass sich auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie über die neue Regierung freut und in der ARD stolz verkündet, in den Koalitionsverhandlungen seinen Input eingebracht haben zu können. Wenn auch unsere Klassenfeinde, die ein objektives Interesse an unserer Ausbeutung und Unterdrückung haben, gut mit der neuen Regierung klar zu kommen scheinen, sollte das Zweifel erwecken, wie viel Fortschritt dieses angebliche Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit wirklich wagen wird.

Tatsächlich muss uns klar sein, dass dieser Staat, egal wer ihn regiert, ein Machtinstrument des deutschen Imperialismus ist. Sein Zweck ist es unsere Ausbeutung aufrecht zu erhalten und uns zu unterdrücken. Dementsprechend wird auch die neue Regierung, wie jede andere vor ihr, nicht fortschrittlich sein und auch nicht in unserem Interesse handeln oder unsere Probleme lösen. Vielmehr werden auch sie unsere Ausbeutung und Unterdrückung weiter aufrecht erhalten.

Die Herrschaft der Kapitalist:innen bleibt ungebrochen

Bei allen schillernden Versprechungen und pseudo-fortschrittlichem Gehabe, scheint der wahre Charakter der neuen Bundesregierung auch jetzt schon in verschiedenen Bereichen durch. Am deutlichsten zeigt sich das bei der angeblichen Abschaffung von Hartz IV. Diese entpuppt sich als eine bloße Umbenennung.

Auch in der Pandemie-Bekämpfung in der nun vierten Welle haben die Akteur:innen der neuen Regierungskoalition bereits klar gemacht, dass sie den Kurs der alten fortsetzen werden: Das kaputt gesparte marode Gesundheitssystem soll durch massive Eingriffe in unsere Freiheitsrechte vor dem Kollaps gerettet werden. Während Eingriffe in die Produktion oder Investitionen in Sicherheitsausstattung ausgeschlossen sind, werden Menschen, die sich aus welchem Grund auch immer noch nicht impfen gelassen haben, zu den Schuldigen an der Pandemie erklärt. Kurz gesagt: Die Arbeiter:innenklasse soll gespalten werden, sodass die Pandemie auf unseren Rücken abgewälzt werden kann.

Beim Umweltschutz rühmen sich die zukünftigen Regierungsparteien, Deutschland auf den Weg zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels bringen zu werden. In Wirklichkeit ist klar, dass die Regierung alle ihre Maßnahmen, die angeblich dem Klimaschutz dienen, nur in enger Abstimmung mit den deutschen Industriellen treffen werden. Für eine Abwendung der drohenden Umweltkatastrophen wird das nicht reichen. Die dafür nötige Umgestaltung des Wirtschaftssystem wird keine bürgerliche Regierung jemals schaffen, denn dafür braucht es den Sozialismus.

Darüber hinaus ist jetzt schon klar, dass die neue Regierung den Kurs der Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung weiter fortsetzt. Stolz wird die Anschaffung von bewaffneten Kampfdrohnen für die Bundeswehr verkündet. Mit Annalena Baerbock haben wir in Zukunft zudem eine Außenministerin, die – wie auch ihre Partei – alles andere als zurückhaltend war, wenn es darum ging, Deutschland und die EU kriegsfähiger zu machen.

Keine Perspektiven für die Jugend

Sind dann wenigstens für uns Jugendliche deutliche Verbesserungen in den Plänen der Regierung enthalten? Immerhin hatten alle Regierungsparteien auf die eine oder andere Art und Weise mit mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung und der Bekämpfung von Jugendarmut Wahlkampf gemacht.

Konkret enthalten sind im Koalitionsvertrag viele Expertenkommissionen, die sich mit der Misere im Bildungssystem, dem Lehrer:innenmangel und der erwiesenermaßen enorm großen Chancenungleichheit auseinandersetzen wollen. Für Schulen mit besonders vielen armen Schüler:innen sollen Fördertöpfe eingerichtet werden, damit an diesen wenigstens schneller als an anderen moderne digitale Unterrichtsmaterialien eingeführt werden können. Bald also dürfen wir uns auf Klassenräume mit moderner Technik freuen, während wir zu hause vielleicht unseren Laptop mit zwei Geschwistern teilen müssen.

Auch BaföG soll „deutlich“ erhöht werden. Konkreter wird die Ankündigung aber auch nicht. Es bleibt also die Frage, ob bei Teuerungsraten von momentan 6 % diese Maßnahme mehr bewirkt, als den momentanen massiven Lust unseres Lebensstandards mehr schlecht als recht auszugleichen. Daran, dass BaföG-Studierende nach dem Studium auf Zehntausenden Euro Schulden sitzen, ändert sich ja ohnehin nichts.

Am Ende des Tages aber bleibt vor allem zu sagen, dass die angebliche Chancengleichheit im Kapitalismus erstens eine Illusion bleibt und zweitens immer nur bedeutet, dass die Chancen sich zu etwas besseren Bedingungen ausbeuten zu lassen gleichmäßiger verteilt werden. Daran, dass sowohl Bürojobs als auch Fließbandarbeit uns auf Dauer kaputt machen, ändert all das nicht.

Lassen wir uns von den Versprechungen und der angeblichen Fortschrittlichkeit von SPD, Grüne und FDP also nicht täuschen. Bürgerliche Politiker:innen, egal welcher Partei sie angehören, haben uns Jugendlichen nichts anzubieten, außer das Abwälzen von Krisenkosten auf unseren Rücken, das Sterben auf den künftigen Schlachtfeldern des deutschen Imperialismus und eine Zukunft in einer zerstörten Umwelt.

Vertrauen wir also nicht auf bürgerliche Politiker:innen, sondern in die eigene Kraft. Fortschritt bekommen wir nicht von bürgerlichen Regierungskoalitionen geschenkt, sondern müssen wir uns durch eine Revolution erkämpfen.

Die neue Regierung kann mit der Absenkung des Wahlalters gerne zu Hause bleiben. Was nützt es uns, zwei Jahre früher darüber abzustimmen, ob uns Merz, Baerbock oder Scholz die nächsten Angriffe auf unsere Lebensbedingungen in blumigen Phrasen verpackt vor die Füße stellt?

Egal ob rot, grün, gelb, schwarz oder blau – nieder mit dem deutschen Imperialismus und seiner Regierung!
Für die sozialistische Revolution!