Ohne Befreiung der Frau kein Sozialismus – ohne Sozialismus keine Befreiung der Frau! Diese Parole, die von der russischen Kommunistin Alexandra Kollontai stammt, sagt schon viel aus über die Bedeutung und Beziehung von Frauenrevolution und sozialistischer Revolution.

Teil der Broschüre: Unsere Alternative Sozialismus!

Wie steht es um das Patriarchat im Sozialismus? Welche Möglichkeiten bietet diese Art der gesellschaftlichen Organisation für die Befreiung der Frau? Das Patriarchat ist auf allen Ebenen der Gesellschaft spürbar und muss auf all diesen Ebenen überwunden werden. Hier sollen exemplarisch die Gebiete der Familienpolitik, die Vergesellschaftung reproduktiver Arbeit, gesellschaftliche Produktion und das Selbstbestimmungsrecht der Frau im Sozialismus erläutert werden.

Patriarchat und Privateigentum

Das Patriarchat ist mit der Entstehung des Privateigentums und der gesellschaftlichen Arbeitsteilung entstanden. Dieses Unterdrückungsverhältnis ist schon viel älter als der Kapitalismus und hat alle Gesellschaftsformen seit der Urgesellschaft überdauert.

Das Patriarchat ist heute untrennbar mit dem Kapitalismus verbunden. Die vollständige Aufhebung der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen kann erst im Kommunismus vollständig erreicht werden.

Wie hängen der Kapitalismus, das Privateigentum an den Produktionsmitteln und das Patriarchat zusammen? Durch die Aufrechterhaltung des Patriarchats tragen die Herrschenden eine Spaltung an Hand des Geschlechts und der Sexualität in die ArbeiterInnenklasse. Eine ArbeiterInnenklasse, die geballt und geschlossen ihre Kraft und Macht gegen die Kapitalisten einsetzt, stellt eine viel größere und letztlich nicht besiegbare Gefahr für sie dar. Dies müssen sie unbedingt verhindern. Aber nicht nur das. Aus der mehrfachen Unterdrückung der Frau wird Profit gezogen. So ist es für den Kapitalismus unabdingbar, dass die Reproduktionsarbeit unbezahlt durch die Frauen zusätzlich zur Lohnarbeit geleistet wird. Hinzu kommt, dass auch heute noch die Arbeitskraft der Frauen kostengünstiger ist, als die der Männer.

Mit der sozialistischen Revolution wird der Grundstein für die Überwindung des Patriarchats gelegt, denn das Privateigentum an Produktionsmitteln wird vernichtet und damit wird dem Patriarchat seine ökonomische Grundlage genommen.

Die historische Entwicklung des Patriarchats fällt zusammen mit der Entstehung der bürgerlichen Familien, die heute in Deutschland durch Ehen staatlich organisiert werden. In den historischen Aufbauversuchen des Sozialismus ist zu beobachten, dass die Scheidungsgesetze gelockert wurden und die Ehe/Familie als Versorgungsinstitution überflüssig gemacht wurde.

Weiterhin ersetzt im Sozialismus die planmäßige Wirtschaft das Wirtschaften nach der Maxime des Profits. Doch wie wirkt sich diese Organisierung der Wirtschaft auf das Leben der Arbeiterinnen und aller Frauen aus?

Reproduktionsarbeit und mehrfache Ausbeutung

Im Kapitalismus ist die proletarische Frau mehrfach unterdrückt. Einmal durch den Kapitalismus, in dem sie dazu gezwungen ist, als Arbeiterin ihre Arbeitskraft gegen einen Lohn zu verkaufen, ebenso wie durch das Patriarchat als Frau. In diesem Abschnitt soll es um die Reproduktionsarbeit gehen, die im Kapitalismus in der Regel unbezahlt und wie selbstverständlich von Frauen geleistet wird. Wie kann diese Reproduktionsarbeit, die im Kapitalismus einen Teil der patriarchalen Unterdrückung der Frau darstellt und sie in die häusliche Sphäre verbannt, im Sozialismus effizienter und gesellschaftlich organisiert werden?

Zuerst gibt es wie oben erläutert das Ziel, alle Geschlechter gleichermaßen an der gesellschaftlichen Produktion zu beteiligen und dabei das jeweilige Arbeitsvolumen gering zu halten. Durch die gleiche Beteiligung der Frau in der gesellschaftlichen Produktion wird die bürgerliche Vorstellung von Arbeitsteilung in der Familie, nach der es den männlichen Geldverdiener und die Hausfrau gibt, zurückgedrängt. Da es aber auch heute, im Kapitalismus, schon Haushalte gibt, in denen Frauen im selben Maß wie männliche Haushaltsmitglieder erwerbstätig sind und wir beobachten können, dass sie trotzdem oft einen Großteil der Hausarbeit leisten, wäre dies allein zu kurz gedacht.

Im Sozialismus wird die Reproduktionsarbeit dementsprechend nicht mehr zu größten Teilen auf den Schultern der Frauen lasten, sondern sie wird vergesellschaftet werden. Erst die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit wird die Frau von den Ketten der Hausarbeit befreien. Die nun vollständige Einbeziehung der Frau in die gesellschaftliche produktive Arbeit und die Klassenkämpfe wird im Gegensatz zu heute unfassbar große Kräfte freisetzen, von denen wiederum die gesamte Gesellschaft profitiert.

Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit bedeutet, dass die Arbeiten, die nötig sind um uns am Leben zu halten, aus der häuslichen, privaten Sphäre heraustreten und Teil der gesellschaftlichen werden. Anstelle dessen, dass jede Hausfrau am Tag drei Mahlzeiten einkauft, zubereitet, serviert und anschließend abwäscht können beispielsweise kollektive Kantinen treten. Das gesellschaftliche Bedürfnis nach Reproduktion kann dann auch gesellschaftlich erfüllt werden. Einerseits führt dies zu effizienterem Umgang mit Ressourcen wie Arbeitskraft, Zeit und Lebensmitteln, andererseits wird durch die Vergesellschaftung der „Hausarbeiten“ auch die bürgerliche Familie mit ihrer Funktion als Versorgungsinstitution, sowie das Rollenbild der Mutter und Hausfrau überflüssig gemacht.

Ähnlich wie die Nahrungszubereitung müssen andere Hausarbeiten vergesellschaftet werden, zum Beispiel durch Putztrupps, die Pflege von Angehörigen und Großwäschereien. Aus dem Beispiel der DDR sind vor allem die flächendeckenden Kinderkrippen gut bekannt, die Kindererziehung zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe machten und auch in engem Zusammenhang mit der hohen Frauenerwerbstätigkeit standen.

Gesellschaftliche Produktion und Reproduktion

Wie oben beschrieben, steht die Vergesellschaftung der Reproduktionsarbeit in direkter Wechselbeziehung zur Beteiligung der Frau an der gesellschaftlichen Produktion. Im Kapitalismus ist es immer im Interesse der Herrschenden, den Mehrwert zu steigern. Hierbei spielen die Frauen in der Produktion eine wichtige Rolle. Der Familienlohn, welcher vor der Einbeziehung der Frauen in die Produktion ausschließlich an die Männer gezahlt wurde, wird nun auf Männer und Frauen, also auf mehr ArbeiterInnen aufgeteilt. Dadurch ist es möglich aus der selben Menge an variablem Kapital mehr Mehrwert zu schöpfen, da mehrere ArbeiterInnen für den Familienlohn arbeiten (mehr dazu: Kommunismus #14 „Frau im Kapitalismus“1). Dieser Mechanismus wirkt im Sozialismus nicht mehr.

Historisch können als ein Beispiel für das Ziel der gleichberechtigten Beteiligung der Frau in der Gesellschaft die Erfahrungen aus der DDR dienen, die in den 80er Jahren die höchste Frauen-Erwerbsquote weltweit hatte. Dazu trug sowohl die Familienpolitik bei, die gesellschaftliche Kinderbetreuung normalisierte und den Zugang zu dieser überhaupt allen ermöglichte, als auch die gesellschaftliche Norm der Vollzeit beschäftigten Frau anstelle des Rollenbilds der Hausfrau.

Auch die Kinderbetreuung wird in größeren Betrieben auf dem Betriebsgelände selbst eingerichtet werden, um lange Wege zu ersparen. Eltern sollen zudem zusätzlich freie Tage erhalten können, wenn ein Kind erkrankt. Auch ein besserer Bildungszugang für Eltern wird beispielsweise durch eine flächendeckende Kinderbetreuung an Universitäten ermöglicht werden.

Die heute schlechter entlohnten, sozialen „Frauenberufe“, wie pflegerische Tätigkeiten, Erziehungsarbeit, soziale Berufe werden anders organisiert und gleichermaßen entlohnt werden. Gleichzeitig sind diese Arbeiten nicht wie im Kapitalismus ein notwendiges Übel, welches erfüllt werden muss, um das Überleben der ArbeiterInnen zu sichern und Proteste zu besänftigen. Sie sind für die Gesellschaft elementar und da im Sozialismus nicht länger der Profit, sondern gesellschaftliche Bedürfnisse maßgeblich sind, ist es auch hier möglich, die geschlechterspezifische Lohnungleichheit zu beheben.

Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen

Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen wird heute immer wieder und überall beschnitten. Für uns bedeutet das Selbstbestimmungsrecht der Frauen egal auf welcher Ebene über sich und den eigenen Körper entscheiden zu können. Niemand hat das Recht über ihren Kopf hinweg zu entscheiden, was das Richtige für sie ist, oder was sie zu tun haben.

Heute prangern Frauen auf der ganzen Welt beispielsweise an, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht gewährleistet ist, diese kriminalisiert werden und Beratungen eher der staatlich geförderte Versuch sind, gegen einen Abbruch zu drängen. Auch in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche heute noch gesetzlich verboten und finden in einer rechtlichen Grauzone statt. Schon früh wurden Schwangerschaftsabbrüche in der Sowjetunion legalisiert und den Frauen ein Zugang zu diesen ermöglicht. Dadurch verringerten sich sowohl die Sterberate, als auch die Unterleibserkrankungen durch die Methoden illegal durchgeführter Eingriffe und mangelnder medizinischer Versorgung erheblich. Dieses erkämpfte Recht der Frauen wurde mit der Zeit jedoch immer weiter eingegrenzt, bis das Verbot wieder eingeführt wurde. Aus diesem Fehler wollen und werden wir lernen, denn die erkämpften Rechte der Frauen dürfen ihnen nicht wieder genommen werden.

Unter dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung verstehen wir aber beispielsweise auch den Zugang zu sicheren Verhütungsmitteln. Welche Verhütungsmittel FrauenärztInnen empfehlen, ist heute von der Marktmacht bestimmter Pharmakonzerne beeinflusst. Die sogenannte „Anti-Baby-Pille“, die den Frauen ursprünglich viel Freiheit durch sichere Verhütung brachte, wird heute oft unhinterfragt verschrieben. Sie ist profitabel, geht jedoch mit erheblichen Nebenwirkungen einher und lädt die Verantwortung für Verhütung einzig auf der Frau ab – das hat sie mit fast allen anderen Verhütungsmitteln gemein.

Die Dominanz besonders lukrativer Medikamente kann im Sozialismus keinen Fortbestand haben. Forschung an Verhütungsmethoden, die risikoärmer sind oder auch von Männern verwendet werden können, hat es heute schwer, Investoren zu finden. Forschung im Sozialismus ist nicht davon abhängig, ob Aktionäre einen Konzern für profitabel halten. Fortschritten in diesem Bereich der Medizin, der die Frauen direkt betrifft, steht dann nichts mehr im Weg.

Gewalt gegen Frauen wird mit einer anderen Konsequenz entgegen getreten werden. Das Recht der Selbstbestimmung und das Prinzip „Nein heißt Nein“ und nur ein klares Ja heißt Ja werden konsequent umgesetzt werden. Wenn dies nicht geachtet wird, wird es entsprechende Konsequenzen für das übergriffige Verhalten geben.

Die Frage der Geschlechterverhältnisse wird nicht mehr in das Private verlagert, wie es im Kapitalismus der Fall ist, sondern gesamtgesellschaftlich thematisiert. Jeder Mensch hat das Recht über seine Sexualität und geschlechtliche Identität selbst zu bestimmen.

Zuletzt sei an dieser Stelle noch die staatliche Unabhängigkeit von religiösen Institutionen genannt. Der proletarische Staat macht es sich zur Aufgabe, die Religion ins Private auszulagern. Anders als im Kapitalismus dürfen religiöse Ideen, wie ein Abtreibungsverbot, das durch z.B. den christlichen Glauben begründet wird, keine Rolle mehr für die körperliche Selbstbestimmung der Menschen spielen.

Die Frauen werden in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens das Recht haben, sowohl an allen Entscheidungen gleichberechtigt beteiligt zu sein, als auch die Entscheidungen der Frauenrevolution eigenständig zu treffen.

Frauenrevolution

Die jahrtausendelange geschlechtsspezifische Unterdrückung durch das Patriarchat verschwindet nicht plötzlich mit der sozialistischen Revolution. Die Frauenrevolution hat das Ziel das Patriarchat endgültig zu beseitigen und somit das Ziel alle Geschlechter zu befreien. Frauenrevolution heißt, dass die organisierte Vorhut der Frauen die männlich-patriarchale Vormacht zerschlägt und dadurch auf das Bewusstsein der gesamten Gesellschaft Einfluss nimmt.

Schon in der ersten Stunde des Sozialismus werden die Errungenschaften der Frauenrevolution im Gegensatz zu heute zwar unvergleichlich sein, doch das bürgerliche Bewusstsein, welches durch den Kapitalismus geprägt wurde, wird nicht einfach verschwinden.

Gegen Rollenbilder muss nach wie vor ein aktiver Kampf geführt werden. So kam es zum Beispiel auch in der Sowjetunion dazu, dass die öffentlichen Küchen zumeist von Frauen geleitet und bewirtschaftet wurden. Die Reproduktionsarbeit hatte in diesem Punkt immer noch einen weiblichen Ausdruck, das Rollenbild verschwand nicht von allein.

Einmal erkämpfte Rechte und Freiheiten müssen zudem verteidigt werden. Ob in der Gegenwart forciert wird, dass Frauen die Verantwortung für reproduktive Arbeit abgeben und sich an industrieller Produktion beteiligen, hängt etwa von der wirtschaftlichen Lage ab. Wird Arbeitskraft händeringend benötigt, werden auch Frauen verstärkt in „männertypische“ Berufe gebeten, andernfalls sind alte Rollenbilder wirksam.

Auch, um in den Rätestrukturen sicherzugehen, dass sie nicht männlich dominiert werden und zum Beispiel Delegierte hauptsächlich männlich sind, darf der Frauenkampf nicht mit dem Sozialismus enden. Schon in der bayrischen Räterepublik kämpften Frauen aus diesem Grund für eigene Frauenräte, die auch die Repräsentation von Frauen in allen Rätestrukturen sicherstellen sollten. Obwohl sie in der Revolution führende Aufgaben übernommen hatten, fanden sie sich in den Räten kaum wieder. Sie bemerkten, dass die Räte nicht Ausdruck des „Massenwillens“ sein konnten, wenn die Hälfte der werktätigen Bevölkerung in ihnen nicht mitwirken konnte.

Oder, wie Clara Zetkin Lenin in ihren „Erinnerungen an Lenin – Gespräche über die Frauenfrage“ im Jahr 1920 zitierte: „Ein Kongress ist kein Salon, in dem Frauen mit Anmut glänzen sollen, wie es im Roman heißt. Er ist ein Kampfplatz, wo wir um Erkenntnisse für revolutionäres Handeln ringen. Beweist, dass ihr kämpfen könnt! Mit den Feinden natürlich an erster Stelle, aber auch in der Partei, wenn es nötig ist. Es geht doch um die Frauenmassen!“. Dem schließen wir uns genauso an!

Dieser Kampf für die Befreiung der Frau und für die Befreiung aller Geschlechter ist die Frauenrevolution. Das klare Ziel ist es, das bestehende Verhältnis zwischen Unterdrückern und Unterdrückten zu zerschlagen und eine neue Gesellschaft aufzubauen. Die durch das Patriarchat unterdrückten Frauen führen diese Revolution innerhalb der gesellschaftlichen Revolution im Sozialismus bis alle Klassen- und Geschlechterunterschiede beseitigt sind. Die notwendige Voraussetzung für diese gesellschaftliche Revolution ist die Zerschlagung der ökonomischen Stütze des Patriarchats. Das Bedeutet die Vernichtung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und die bürgerlichen Institutionen, die, wie oben erläutert, vom Patriarchat profitieren und dieses mit aller Macht aufrechterhalten.

1 https://komaufbau.org/wp-content/uploads/2019/03/Kommunismus-14-1.pdf