Am 7. und 8. Juni fand im südlichsten Zipfel Deutschlands, auf Schloss Elmau in den bayrischen Alpen, der diesjährige G7-Gipfel der führenden westlichen imperialistischen Staaten statt. Mehrere tausend Menschen haben sich an den Protesten und Aktionen gegen den Gipfel beteiligt. Wir wollen im folgenden eine erste Einschätzung dieser Proteste aus kommunistischer Sicht mit der Öffentlichkeit teilen.

Was ist G7?
Der G7-Gipfel ist das jährliche Treffen der Staatsführer von Deutschland, den USA, Frankreich, England, Italien, Kanada und Japan sowie von Vertretern der Europäischen Union. Seit Russland im Zuge des imperialistischen Krieges um die Ukraine aus dieser Runde hinausgeworfen wurde (und aus „G8“ damit wieder „G7“ wurde), ist der Gipfel damit das Treffen der westlichen Imperialisten mit klarer Dominanz der NATO-Staaten.

In den bürgerlichen Medien ist – vor allem in den letzten Tagen vor dem Elmauer Gipfel – der Eindruck erweckt worden, Merkel, Obama und die anderen Staatschefs würden auf dem Gipfel die großen Probleme diskutieren und lösen, welche die Menschheit von heute betreffen (Klima etc.). In Wahrheit ist der G7-Gipfel zweierlei: Erstens eine imperialistische Konferenz, bei der es um die Aufteilung der Welt unter die führenden Großmächte geht, um die Aushandlung von Rohstoffwegen, Absatzmärkten und geostrategischen Stützpunkten. Ob in großer Runde am Verhandlungstisch oder abends beim netten Plausch am Hotelkamin: Die G7-Führer nutzen ihr Zusammentreffen, um Bündnisse zu schließen, Absprachen zu treffen und für ihr heimisches Finanzkapital „etwas herauszuholen“. Zweitens ist der Gipfel ein Symbol für die globale Herrschaft der West-Imperialisten und für das imperialistische System schlechthin. Mit ihrem Gipfel demonstrieren die beteiligten Staaten ihren Machtanspruch, der sich gegen die Arbeiterklasse und die weltweit unterdrückten Völker richtet, aber auch gegen ihre unmittelbaren Konkurrenten Russland und China. Er ist Ausdruck des Konkurrenzkampfes zwischen den imperialistischen Machtblöcken, der unaufhaltsam früher oder später zu einem Dritten Weltkrieg um die Neuaufteilung des Erdballs führen wird. Die G7 bzw. die West-Imperialisten bilden dabei heute einen Block. Hinter der Fassade der Einheitlichkeit ist jedoch unübersehbar, dass auch die G7-Staaten untereinander scharfe Konkurrenten sind, dass ihre Allianz nichts Ewiges ist und sich schon morgen oder übermorgen in offene Feindschaft verwandeln kann.

Der G7-Gipfel ist ein Symbol für den Weltherrschaftsanspruch der imperialistischen Mächte, für ihre Kriege, für Flucht und Vertreibung, die sie über die Menschheit bringen; ein Symbol für die unermesslichen Reichtümer, die diese Mächte der ArbeiterInnenklasse auf der ganzen Welt aus dem Fleisch schneiden. Die Tradition der letzten zwanzig Jahre, diesen Feierlichkeiten militante und massenhafte Protestaktionen vor Ort entgegenzusetzen, ist deswegen eine gute Tradition. Orte wie Genua und Heiligendamm sind für immer mit den Kämpfen verbunden, die sich dort gegen das imperialistische System zugetragen haben. Die G7-Proteste von Heiligendamm im Jahr 2007 waren gleichzeitig Schauplatz eines noch schwachen und mit vielen Schwierigkeiten verbundenen, aber dennoch nachhaltigen Aufschwungs der kommunistischen Bewegung in der BRD, die in den zwanzig Jahren zuvor beinahe niedergekämpft war.

Diese Tradition des Kampfes haben in der letzten Woche Kommunisten zusammen mit anderen Revolutionären und vielen fortschrittlichen Menschen im bayrischen Elmau aufleben lassen und damit einen Schritt nach vorne im revolutionären Klassenkrieg getan.

G7 und die Weltlage im Jahr 2015
In welcher politischen Weltlage hat der diesjährige G7-Gipfel stattgefunden? Das kapitalistische System befindet sich im Jahr 2015 in einem Zustand ständiger Erschütterung. Überall auf der Welt gärt es: Sei es im Nahen und Mittleren Osten, wo die Interessen der imperialistischen Mächte heute am heftigsten aufeinander prallen und wo die faschistischen Söldner des „Islamischen Staates“ im Auftrag der Imperialisten ganze Länder mit Blut und Terror überziehen. Wo aber auch die Revolution von Rojava den unterdrückten Völkern die Perspektive aufgezeigt hat, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, sich zu organisieren und zu kämpfen. Der antikoloniale Befreiungskampf des kurdischen Volkes, das von den Imperialisten auf vier Länder verteilt wurde, beflügelt den Widerstand in der gesamten Region – wie z.B. in der Türkei, wo seit dem Gezi-Aufstand von 2013 die Unterdrückten gezeigt haben, dass sie sich nicht mehr beherrschen lassen wollen wie bisher. Die türkische Revolution ist seit Gezi eine ganz reale Perspektive, die den Kapitalisten in aller Welt Angst und Schrecken einjagt – gerade in der BRD mit ihren drei Millionen EinwohnerInnen türkischer und kurdischer Herkunft, die hier größtenteils die Reihen der Arbeiterklasse füllen. Es war ein schönes zeitliches Zusammenfallen zweier Ereignisse, dass gerade am Wochenende des G7-Gipfels in der Türkei und Nordkurdistan die Wahlen zum türkischen Parlament stattfanden, bei denen auch faschistische Bombenanschläge die Partei der politischen, antifaschistischen und antikolonialen Widerstandsbewegung HDP nicht davon abhalten konnten, ins Parlament einzuziehen, um dieses in Zukunft als eine Tribüne für den weiteren Kampf zu nutzen.

Doch auch in den anderen Regionen der Welt gärt es – sei es in Afrika oder Lateinamerika, sei es in Asien oder in Europa – wo immer mehr Menschen in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und anderswo das Diktat des deutschen Imperialismus satt haben und auf die Straße gehen und wo es auch in den reichen Ländern des Nordens in den vergangenen Jahren zu Aufständen in den Vorstädten gekommen ist (man nehme nur Paris, London, Stockholm, …).
Alpenfestung und Bürgerkriegsaufgebot
Aus Angst vor den wütenden Massen flüchten sich die G7-Führer jedes Jahr in abgelegene Festungen und setzen ihren geballten Polizei- und Überwachungsapparat gegen die Protestbewegungen ein.

Die Bundesregierung hat als Gastgeberin des diesjährigen Gipfels das Hotel Schloss Elmau als Tagungsort ausgewählt. Sie hätte sich keinen passenderen Ort suchen können. Denn Elmau und die Tausenden von Polizisten und Soldaten, die es vor der Wut der DemonstrantInnen geschützt haben, sind wie ein konzentrierter Ausdruck von allem, was den deutschen Imperialismus ausmacht.

Der Erbauer von Schloss Elmau war ein überzeugter Faschist und verpachtete das Gebäude ab 1942 der Wehrmacht. Auch die Verachtung der Herrschenden für das Leben der Massen kommt in der Wahl des Schlosses zum Ausdruck: Während z.B. die ArbeiterInnen in den Kitas und bei der Bahn bisher erfolglos seit Monaten für höhere Löhne kämpfen und streiken, gibt die Bundesregierung für nicht mal ganz zwei Tage über 360 Millionen Euro aus, um ihren Gästen den größtmöglichen Luxus zu bieten. Schloss Elmau war schon immer und ist bis heute ein Hotel der Eliten, der Bourgeoisie, das schon von Hitler als Rückzugsgebiet genutzt wurde.

Alpenfestung, Polizeimacht, Überwachungsstaat – die Bourgeoisie stellt ihre Gewalt gegen die Massen über ihre Medien als gerechte und notwendige Gewalt dar. Unsere Gewalt, die Gewalt der Massen gegen das System, wird demgegenüber als Krawall und Terrorismus verteufelt. Im Vorfeld des G7-Gipfels hatten es sich die Herrschenden in Deutschland offenbar zum Ziel gesetzt, durch Propaganda gegen „Gewaltbereite“, durch den Versuch der Spaltung der Bewegung, durch Einschüchterung der Bevölkerung von Garmisch-Partenkirchen und Umgebung, durch Aufruf zur sozialen Ächtung von UnterstützerInnen in den umliegenden Dörfern jede Regung des Widerstands schon im Keim zu ersticken und insbesondere internationale Solidarität zu unterbinden.

 

Der politische Widerstand

Frankfurt brennt: Die Bloccupy-Proteste im März 2015
Wie sah also der politische Widerstand gegen den G7-Gipfel und das System, für das er steht, aus?

Wenn wir über das Jahr 2015 sprechen, beginnt die Geschichte der symbolträchtigen Kämpfe in Deutschland nicht erst im Juni rund um Schloss Elmau, sondern schon am 18. März, mit den Bloccupy-Demonstrationen und -Blockaden in Frankfurt am Main.

Die Bankenstadt Frankfurt mit ihren Glaspalästen ist das Zentrum des deutschen Finanzkapitals und der Sitz der Europäischen Zentralbank. „Mainhattan“ ist in den letzten Jahren zu einem Symbol für die Macht der Banken und Monopolkonzerne sowie für die deutsche Vorherrschaft über Europa geworden.

Am 18. März 2015 waren dunkle Rauchschwaden über Frankfurt zu sehen – Bilder, die um die Welt gingen und ebenfalls zu einem unmissverständlichen Symbol geworden sind: Im Herzen des Imperiums brennt es. DemonstrantInnen aus Deutschland, Griechenland, Italien, Frankreich und anderen europäischen Ländern waren an diesem Tag nach Frankfurt gereist. Sie haben den Kampf aus ihren Ländern ins Herz der Bestie, ins Zentrum der EU getragen. Die Polizei bekam die Situation trotz ihres scheinbar übermächtigen Aufgebots über mehrere Stunden bis in den Nachmittag hinein nicht in den Griff: Weder konnte sie verhindern, dass ihre Autos in Brand gesetzt wurden, noch, dass DemonstrantInnen die Fassade des neu einzuweihenden EZB-Palastes hochkletterten.

Der 18. März 2015 hat aufgezeigt, dass die BRD nicht mehr das ruhige Hinterland des Kapitalismus, nicht mehr ein Hort der Stabilität ist, das es seit Jahrzehnten war und für das PolitikerInnen wie Merkel es heute noch in aller Welt ausgeben. Die Auswirkungen der allgemeinen Krise des Kapitalismus, die in den letzten Jahren bereits in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und anderen Ländern gewütet haben, werden auch vor Deutschland nicht haltmachen. Und diejenigen Menschen, die arbeitslos gemacht worden sind, deren Familien verarmen, die sich keine Gesundheitsversorgung mehr leisten können, wissen, wer die Täter in diesem System sind und werden sich gegen sie wenden. In Frankfurt haben sie damit begonnen. Die Bilder von Frankfurt wurden entsprechend von den Herrschenden aufgegriffen, um im Vorfeld des G7-Gipfels noch weiter gegen die Protestbewegung zu hetzen und ihre Bürgerkriegsvorbereitungen in den Alpen zu rechtfertigen.
G7 in Elmau
All diese Hetze und ein Bürgerkriegsaufgebot der Polizei konnten jedoch die Proteste in Elmau nicht verhindern, deren Höhepunkt eine 7500 Menschen starke Demonstration in Garmisch-Partenkirchen am Samstag und ein Blockade-Sternmarsch am darauffolgenden Sonntag in der Region rund um das Schloss mit anschließender Demo waren. Zwar hat die 5-zu-1-Übermacht der Polizei die Blockaden immer wieder brutal geräumt. Die Blockaden haben jedoch ihre Wirkung gezeigt, weil zahlreiche Transporte (z.B. von Journalisten) über die Luft erfolgen mussten statt über die Straße.

Ebenso wie das Protestcamp gegen ein Verbot der Stadt durchgesetzt wurde, hat die politische Widerstandsbewegung in Elmau die geplanten Aktionen gegen Prügelorgien und Serien von Schikanen seitens der Polizei standhaft, geschlossen und solidarisch durchgezogen. Kommunisten und Revolutionäre haben in den vordersten Reihen der Kämpfe gestanden und ihren Anspruch, den Kampf gegen das imperialistische System aufzunehmen und anzuführen, in die Tat umgesetzt.

Die G7-Proteste waren ein positiver und erfolgreicher Schritt für die revolutionäre, politische Widerstandsbewegung in Deutschland und haben hinsichtlich ihrer Entschlossenheit an den Frankfurter März angeknüpft. Dabei geht es nicht darum, dass Zentralen des kapitalistischen Systems in Elmau gebrannt hätten. Es geht nicht darum, dass in Elmau weniger Menschen demonstriert haben als 2007 in Heiligendamm und dass es der Polizei-Übermacht gelungen ist, die Blockaden abzuräumen.

Politisch hervorzuheben sind aus unserer Sicht vielmehr die folgenden Aspekte der Proteste:

1. Es war von vornherein klar: Kein Wald in den Bergen wird uns für Auseinandersetzungen mit dem kapitalistischen Staat jemals so gute Voraussetzungen bieten wie die Städte, in denen wir von den Massen umgeben sind und auf ihre Unterstützung hoffen können. Deshalb ist als ein Erfolg zu bewerten, dass es gelungen ist, tausende Menschen nach Garmisch-Partenkirchen zu mobilisieren und gemeinsam bis an den Zaun zu gelangen, hinter dem sich Merkel und ihre Freunde verschanzt hatten. Tausende Menschen haben die Abgelegenheit, unwegsames Gelände, ein verheerendes Unwetter und die direkte Konfrontation mit einer gewaltigen Staatsmacht von 30.000 Polizisten und damit zahlreiche persönliche Risiken auf sich genommen und damit ihre Entschlossenheit gezeigt, gegen das System zu kämpfen.

2. Das ist um so wichtiger, weil es das Anliegen einiger reformistischer Kräfte im Vorfeld des Gipfels war, die Proteste weg von Merkel in sicheres Terrain wie München zu verlagern. Es ist ein weiteres Zeichen der Entschlossenheit und der richtigen politischen Linie, dass sich für die Organisation der Gipfelproteste ein Bündnis von revolutionären und fortschrittlichen Kräften formiert hat, das sich nicht auf diese Option eingelassen hat, den finanziellen Lockmitteln der Sozialdemokratie widerstanden hat und – auf sich allein gestellt – den Sturm auf den Gipfel organisiert hat: Um den imperialistischen Charakter der G7 politisch klar aufzeigen, jeglicher ideologischen Verharmlosung entgegenzutreten und sich weder kaputtschlagen noch als kriminelle GewälttäterInnen stigmatisieren zu lassen. In Heiligendamm spielte die revolutionäre Bewegung eine wichtige Rolle bei den Protesten und hat sich dabei weiterentwickelt. Die Organisation der großen Aktionen hatten damals jedoch reformistische Kräfte in ihren Händen konzentriert. Heute ist die revolutionäre Bewegung in Deutschland in der Lage, Massenproteste selbst zu organisieren, gegenüber den Angriffen des Staates zusammenzuhalten und dabei ihre Linie beizubehalten.

3. Der imperialistische deutsche Staat hat sich in den bayrischen Alpen ein weiteres Mal demaskiert: Sie haben ihre eigene Propaganda herangezogen, um ihre „demokratische“ Fassade niederzureißen und das Versammlungsrecht beim G7-Gipfel auszuhebeln. Rund um Elmau standen sich die Polizei als prügelnde Schutztruppe des kapitalistischen Staates und mehrere tausend revolutionäre und fortschrittliche Menschen direkt gegenüber. Auf diese Weise wurde hinter allem Propagandagetöse und allen falschen Vorstellungen vom Charakter der Auseinandersetzungen zwischen Staatsmacht und DemonstrantInnen deutlich, dass es sich bei den Kämpfen in Elmau um einen Ausdruck des Klassenkriegs des Proletariats gegen die Bourgeoisie handelt. Es ist dem Staat dabei nicht gelungen, die Einheit der DemonstrantInnen zu untergraben. Die Aktionen wurden wie geplant diszipliniert bis zum Ende durchgeführt. Die Abschlussdemo am Sonntag führte zur Gefangenensammelstelle und solidarisierte sich mit den über 70 DemonstrantInnen, welche die Polizei im Verlauf des Wochenendes festgehalten hatte. Auch wenn die Proteste kleiner waren als in Heiligendamm, waren sie auch aus diesem Grund ein Schritt nach vorn im Vergleich zu 2007, wo der Staat auf die Unterstützung der sozialdemokratischen Organisatoren setzen konnte, die sich bereits zu Beginn der Proteste öffentlich von den „Gewalttätern“ distanzierten. Die Menschen hingegen, die in Garmisch-Partenkirchen demonstriert haben, werden das Gesicht dieses Staates nicht vergessen, das er ihnen dort offenbart hat.

4. Auch die vom Staat versuchte Spaltung zwischen der Protestbewegung und der ansässigen Bevölkerung konnte an vielen Stellen überwunden werden. Das ist umso bemerkenswerter, weil es sich in der Region rund um Garmisch-Partenkirchen um eine Gegend handelt, die als eine der konservativsten in Deutschland gilt. Trotzdem haben AnwohnerInnen den DemonstrantInnen nach einem schweren Unwetter Schlafplätze angeboten und Material für das Camp zur Verfügung gestellt. Der Belagerungszustand durch die Polizei wurde von der Bevölkerung als zunehmend unerträglich empfunden.

Zusammengefasst: Wir sind als Revolutionäre in ungünstiger Umgebung dem Feind gemeinsam entgegengetreten. Es sind solche Erfahrungen, welche die Grundlage dafür legen, dass in der neuen Generation der revolutionären Bewegung Deutschlands zukünftig nicht Sektierertum und Gruppenegoismus im Vordergrund stehen, sondern gegenseitiger Respekt, gegenseitige Unterstützung und eine klare Vorstellung davon, wo der Feind steht und wo wir.

Die G7-Proteste in Elmau haben damit den Weg aufgezeigt, den wir weitergehen müssen.

Juni 2015
Kommunistischer Aufbau