Mit der „Alternative für Deutschland“ gibt es in der BRD seit 2013 eine Partei rechts von CDU und CSU, die das Potential hat, sich langfristig und stark in der politischen Landschaft zu etablieren. Ihr Aufstieg kam scheinbar „wie aus dem Nichts“ und erreichte mit den Wahlergebnissen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg im Frühjahr seinen vorläufigen Höhepunkt. Man muss kein Pessimist sein, um vorherzusagen, dass diese Partei 2017 auch den Einzug in den Bundestag schaffen wird. Mehr noch: Der Aufstieg der AfD wird begleitet von der aufkeimenden rechten Massenbewegung Pegida und dem Erstarken des militanten Faschismus (Hogesa, Terror gegen Flüchtlingsunterkünfte; Angriffe auf linke Strukturen usw.). Sie hat eine auffallend dominierende Rolle in den Medien. Ihr Personal ist in der deutschen Bourgeoisie bestens verankert. Sie unterhält gute Verbindungen zum russischen Staat. Ihr Aufstieg ist kein nationales Phänomen, sondern fällt international zusammen mit Trump in den USA, Le Pen in Frankreich, dem Ausstieg Großbritanniens aus der EU sowie den rechten Regierungen in Polen und Ungarn.

Für jeden Antifaschisten in der BRD stellen sich damit viele Fragen: Was hat die AfD, was NPD, DVU, Republikaner, Schill-Partei und die „Pro“-Bewegung nicht hatten? Woher kommt ihr Erfolg? Ist die AfD eine faschistische oder eine „rechtspopulistische“ Partei (und was soll letzteres überhaupt sein)? Was ist von dieser Partei zu erwarten? Wie kann es sein, dass sie Wähler aus allen politischen Lagern, inklusive der Linkspartei, anzieht? Ist der Spuk vorbei, wenn die Flüchtlingsproblematik geklärt ist? Und: Wie muss man ihrem Aufstieg entgegentreten? Muss man mit der AfD reden und sie verstehen, wie es die Medien und viele Sozialdemokraten raten?

Imperialismus und Faschismus

Um keinen unnötigen Spannungsbogen in diesem Artikel zu kreieren, möchten wir eine der oben aufgeworfenen Fragen an dieser Stelle direkt beantworten und klarstellen, dass wir die AfD für eine faschistische Partei halten und alle diesbezüglichen Relativierungen („faschistoid“, „rechtspopulistisch“, usw.) als falsch und gefährlich ansehen. Warum wir dies so sehen, werden wir im folgenden entwickeln.

Den Begriff „faschistisch“ verwenden Kommunisten nicht als moralisches Etikett, um eine Gesinnung oder eine Bewegung effektvoll als besonders verwerflich zu kennzeichnen (was Faschisten zweifelsohne sind). Die faschistische Bewegung, die faschistische Ideologie, faschistische Politik und faschistische Staaten sind vielmehr politische Erscheinungen, die der Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium gesetzmäßig hervorbringt und die es wissenschaftlich hinsichtlich ihrer Rolle im Klassenkrieg zu erfassen gilt1. Zusammengefasst lässt sich sagen: Die faschistische Bewegung ist der ideologische, politische und bewaffnete Vortrupp der aggressivsten Teile des imperialistischen Finanzkapitals.

Die Frage ist also: Welche Klasse vertritt die AfD?

Um diese Frage zu beantworten, ist es erstens notwendig, ihre Programmatik und deren Wurzeln zu betrachten, insbesondere also zu verstehen, für welche Ideologie die AfD steht bzw. welche Ideologie sie in die Massen trägt und wo diese Ideologie herkommt. Zweitens ist es notwendig, sich die Frage zu stellen, wer diese Partei führt.

Die Betrachtung dieser Fragen führt uns zu dem Schluss, dass die AfD tatsächlich eine Partei der besonders aggressiven Teile des deutschen Finanzkapitals ist. Sie stellt in der aktuellen Weltlage, die durch die Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche und die Vertiefung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems ebenso geprägt ist wie durch etwas, das wir in früheren Ausgaben dieser Zeitschrift bereits als „Gärungsprozesse“ in den unterdrückten Massen bezeichnet haben, den strategischen „Plan B“ für das deutsche Finanzkapital dar und verleiht ihm eine organisatorische, d.h. parlamentarische Form. Ihr Name ist damit tatsächlich ihr Inhalt.

Strategische Ansätze des deutschen Finanzkapitals

Umreißen lässt sich die „Alternative“ wie folgt: „Plan A“ besteht für das Kapital im wesentlichen in der Fortführung der bisherigen machtpolitischen Instrumente und Methoden nach innen und außen – „soziale und ökologische Marktwirtschaft“ nach innen inklusive der Integration widerstandsgefährdeter Bevölkerungsteile auf der linken Seite des politischen Spektrums über die „rot-grüne“ Schiene und die Gewerkschaften. Sowie nach außen im Ausbau der Europäischen Union und der Euro-Zone und der Fortführung der Westbindung (transatlantisches Bündnis).

Im Gegensatz dazu steht „Plan B“ für die Mobilisierung der „wütenden“, reaktionär beeinflussten Massen mit rechten Parolen (siehe Pegida), die Säuberung des imperialistischen Staatsapparates von „rot-grün versifften“ politischen Inhalten und ihren Trägern, die offensive Aufhebung sozialer und umweltpolitischer Standards, darunter z.B. die Abkehr von der „Energiewende“ (siehe das Programm der AfD) und der „Genderpolitik“ sowie die Absage an die „political correctness“ im Inneren. Zusammenfassen lässt sich das als verschärfte Faschisierung. Nach außen geht es um die Ersetzung der EU durch direktere Formen der Kontrolle über die strategisch relevanten Teile Mittel- und Osteuropas2, ohne lästige und teure bündnispolitische Zugeständnisse an Franzosen und Südeuropäer machen zu müssen, sowie die Orientierung auf ein Bündnis mit Russland zuungunsten des US-Imperialismus mit dem Ziel u.a. der strategischen Sicherung der Energieversorgung der deutschen Industrie, der Abschöpfung russischer Bodenschätze und der gemeinsamen Unterwerfung Osteuropas (die Nazis sprachen vom „Lebensraum im Osten“ für das deutsche Volk).

Inwieweit es sich bei den beiden hier umrissenen Plänen um scharf voneinander abgegrenzte Strategien handelt, für die ebenso scharf voneinander abgegrenzte Machtblöcke in der deutschen Bourgeoisie stehen, darf natürlich bezweifelt werden. Klar ist für uns jedenfalls, dass auch der führende Teil des Finanzkapitals im Imperialismus kein monolithischer Block ist und dass beide Tendenzen existieren und schon früher zutage getreten sind3.

Die Gründung der AfD und ihre Vorbereitung

Die AfD ist heute die Partei, die dem „Plan B“ nach innen und außen ein festes Gesicht und vor allem eine feste organisatorische Form verleiht, die allen Erwartungen gemäß dauerhaft in den deutschen Parlamenten vertreten sein wird. Ihre Entwicklung seit ihrer Gründung 2013 gliedert sich in zwei Etappen: Der Aufbau und die Etablierung in den ersten Landesparlamenten und im Europaparlament unter der Führung von Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel von 2013 bis 2015 und die Übernahme durch die Neue Rechte4 im vergangenen Jahr und die Zeit danach.

Ihre Gründung war nicht so sehr das Ergebnis der Unzufriedenheit eines Wirtschaftsprofessors mit der Politik der CDU unter Merkel, wie es in den Medien den Anschein hatte, sondern wurde sorgsam vorbereitet: Nach verschiedenen früheren gescheiterten Anläufen, Parteien rechts von CDU und CSU dauerhaft zu etablieren (z.B. Schill-Partei, Pro-Bewegung, …) war diese Option seit der Regierungsübernahme durch CDU/CSU 2005 wieder ein gern angesprochenes Thema in den Medien. Verschiedene Vertreter des rechten Unionsflügels wie Friedrich Merz, Roland Koch oder der abgestürzte Verteidigungsminister Guttenberg wurden hierfür ins Gespräch gebracht.

Propagandistisch und programmatisch vorbereitet wurde die „rechte Alternative“ insbesondere durch Publikationen wie die Schriften des SPD-Rechtsaußen Thilo Sarrazin. Sie sind sicherlich nicht zufällig im DVA-Verlag erschienen – einem Verlag der Bertelsmann-Stiftung, also einem der führenden Think Tanks der deutschen Bourgeoisie, dessen Vordenker auch u.a. die „Agenda 2010“ für die Schröder-Regierung entwarfen. Sarrazin brachte mit Bertelsmann verschiedene Bücher heraus, die genau die aktuellen Themen der „Neuen Rechten“ und der späteren Pegida und AfD voranbrachten und popularisierten: die vermeintliche „Überfremdung“ und den Kulturkampf („Deutschland schafft sich ab“, 2010), die wirtschaftspolitische Alternative zur Euro-Zone („Europa braucht den Euro nicht“, 2012), die Kampfansage an die „political correctness“ und den Geist der „sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“ („Der neue Tugendterror“, 2014) und der entsprechende politische Strategieentwurf, der u.a. eine Absage an die „Energiewende“ enthält („Wunschdenken“, 2016).

2013 erfolgte dann die Gründung der AfD durch den Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke. Später stieg der ehemalige BDI5-Chef Henkel als prominentes Zugpferd mit ins Boot. Dazu kamen erfahrene politische Netzwerker und Kader wie der Brandenburger CDU-Rechtsaußen Gauland. Im Gegensatz zu den früheren Rechtspartei-Versuchen war die AfD in der deutschen Bourgeoisie, im Staat, in der Bundeswehr und unter rechten Intellektuellen bestens verankert6. Mehr noch: Sie erhielt in den Medien breitesten Raum, ihre Inhalte öffentlich darzustellen und sich wirkungsvoll als Partei gegen verkrustete politische Strukturen, gegen „die da oben“ zu präsentieren. So gelang es ihr, ins Europaparlament und in mehrere Landesparlamente einzuziehen.

Was ist die Neue Rechte?

Die ideologische Vorgeschichte der AfD begann jedoch nicht erst mit Thilo Sarrazin und seinesgleichen, sondern bereits einige Jahrzehnte früher. In den 1960er Jahren war der Kalte Krieg voll im Gang. Deutschland und Europa waren entlang des westlichen und östlichen Machtblocks aufgeteilt. Während in den ehemaligen Kolonien wie in Afrika Befreiungskämpfe tobten und korrupte, pro-imperialistische Regimes durch Revolutionen gestürzt wurden, entwickelten sich auch in den imperialistischen Metropolen Widerstandskämpfe und fortschrittliche politische Bewegungen. In den USA erreichte der Kampf der afroamerikanischen Bevölkerung gegen die rassistische Diskriminierung und Unterdrückung seinen Höhepunkt. Zeitgleich war sowohl in den USA als auch in Westeuropa die Jugend- und Studentenbewegung besonders stark und richtete sich in der BRD bspw. gegen die alten Faschisten, die nach wie vor in führenden Staatsfunktionen tätig waren. Diese Bewegungen führten neben den direkten politischen Erfolgen vor allem zu einer Linksentwicklung im Bewusstsein der Massen: Auch wenn es der Bourgeoisie gelang, die 68er Bewegung und die in den 70er und 80er Jahren nachfolgende Friedens- und Anti-AKW-Bewegung vor allem über die neu geschaffene Partei der „Grünen“ in den Staatsapparat zu integrieren, bleibt es doch ein Faktum, dass es nach 1968 zumindest in bestimmten Teilen der Massen und in der jüngeren Generation der Standard wurde, „links“ (d.h. im Zweifel: diffus sozialdemokratisch, gegen den Krieg, gegen AKWs und für den gesellschaftlichen Fortschritt gesinnt) zu sein. Das Bewusstsein, die Stimmung in der jüngeren Generation war vielleicht nicht massenhaft revolutionär-marxistisch, jedenfalls aber eine andere als unter ihren Eltern, die noch unter Hitler sozialisiert wurden.

Die faschistische Bewegung musste auf diesen Einflussverlust in den Massen – der auch eine schlichte Folge des verlorenen Krieges, das Bekanntwerden der Kriegsverbrechen und der Judenvernichtung und die daraus resultierende Diskreditierung des Nazi-Regimes war – reagieren7. Der klassische Nazi-Faschismus war langfristig nicht mehr massentauglich und bedurfte einer inhaltlichen Erneuerung: Ab Ende der 1960er Jahre wurde – ausgehend von Frankreich – von faschistischen Kadern die Strömung der ‚Neuen Rechten‘ aufgebaut, die zunächst prominent angeführt von rechten Intellektuellen und anknüpfend an die schon einige Jahrzehnte alte Strömung der „Jungkonservativen“8 eine „modernisierte“ Auflage der alten völkischen Ideologie produzierte und sich zum Ziel setzte, diese über ihre Verankerung in Staat und Medien langfristig in die Massen zu tragen. Sie setzte dabei gerade auf das Kopieren von Formen und kulturellen Eigenheiten der Linken.

In Analogie zur „Rollback“-Strategie der NATO-Imperialisten gegenüber dem sowjetisch dominierten Ostblock lässt sich im Zusammenhang mit der Neuen Rechten von einer ideologischen und politischen „Rollback“-Strategie zur Wiedererlangung der rechten Hegemonie im Bewusstsein der Massen sprechen. Ihr strategischer Vorteil gegenüber der Linken liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu ihnen konnten sich die Faschisten stets auf die Ressourcen und Organisationen des Imperialismus stützen, in dessen Dienst sie agieren.

Führendes propagandistisches Organ der Neuen Rechten in der BRD ist bis heute die „Junge Freiheit“ (gegründet 1986 von dem Ex-Republikaner Dieter Stein), die mittlerweile auch inoffizielles Zentralorgan der AfD ist9.

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Einschub: Weltanschauung, Ideologie und Zielsetzung der „Neuen Rechten

Wir geben im folgenden einige Kernelemente des Argumentationssystems der „Neuen Rechten“ wieder (vgl. Opitz, S. 318 ff.):

1. Das „biologische“ oder „realistische“ Menschenbild

Der Mensch ist im Weltbild der Neuen Rechten ein primär durch biologische Evolution, Rasse und Instinkt bestimmtes Wesen. Alle aufzustellenden gesellschaftlichen und staatlichen Normen müssten daher mit seinen natürlichen Gesetzmäßigkeiten übereinstimmen: Territorialtrieb, Dominanztrieb, Besitztrieb, Aggressionstrieb, Sozietätstrieb (gerichtet auf die Erhaltung von Familie und Volk) sowie Sexualtrieb.

2. Die „okzidentale Erkenntnistheorie“

Aus dem „realistischen Menschenbild“ wird erklärt, wie Europa zum bedeutendsten Zentrum der Weltzivilisation werden konnte: Das Zusammenwirken von Leistungsorientierung, Individualismus und biologischer Veranlagung bilde das „okzidentale Syndrom“ und mache die Stärke der Europäer aus. Es wird also eine ausdrückliche „europäische Identität“ angenommen. Asiaten und Afrikaner hätten eine geringere Fähigkeit zum logisch-abstrakten Denken, seien den Europäern aber in manueller Geschicklichkeit überlegen. Hierbei handele es sich um verschiedene „Intelligenzstrukturen“ und somit nur um eine „Andersartigkeits- und keine Wertunterschieds-Feststellung“. Als Schlussfolgerung müsse die Gesellschaftsordnung in Deutschland und Großeuropa „entsprechend dem okzidentalen Syndrom“ umgeformt werden, d.h. Umformung in eine „Leistungsgemeinschaft“ ohne Vermengung mit anderen Rassen und Kulturen. Dieses Element der neurechten Ideologie findet sich u.a. deutlich in den Schriften von Sarrazin10 wieder und bildete das Argumentationsgerüst in der Verteidigungsrede des norwegischen Nazi-Terroristen Breivik11 vor Gericht. Da die „intellektuellen Anlagen“ biologisch-rassisch strukturiert seien, sei auch eine staatlich betriebene Eugenik („Erbgesundheitsforschung“) erforderlich.

3. Der „Bio-Humanismus“

Typischerweise ist die faschistische Ideologie darauf ausgerichtet, die vorherrschenden ideologischen Strömungen und Ideen des modernen Kapitalismus (Liberalismus, Globalisierung, etc.) mit dem Marxismus zu vermengen und sich selbst im Gegensatz dazu zu positionieren, um eine glaubhafte Alternative darzustellen. Bei den Altfaschisten geschah dies durch die Beschwörung einer „jüdischen Weltverschwörung“, die ihren Ausdruck gleichermaßen im russischen Bolschewismus wie im amerikanischen Finanzkapitalismus fände.

Mit dem „Bio-Humanismus“ der Neuen Rechten, der dem „Techno-Marxismus“ entgegengesetzt wird, geschieht diese Vermengung „von einem betont ökologisch-lebensschützerisch begründeten „wachstums“- und „technik“-kritischen Einstiegspunkt“ aus. Mensch und Natur sollen „wieder zusammen“ gebracht werden. Dem „Intellektualismus“ wird das „realistische Menschenbild“ entgegengestellt, das von der menschlichen Natur und ihren angeborenen Verhaltensweisen ausgeht. Europas Zukunft hänge von der Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Geist und Natur ab. Das „realistische Menschenbild“ gehe davon aus, dass der Mensch primär ein Natur- und sekundär ein Kulturwesen sei. Es wisse daher, dass dem Menschen ein Brutpflege-Komplex zugrunde liege zur Bildung der Familie, dem Volk, der Nation und perspektivisch der europäischen Völkergemeinschaft.

Die Technikfeindlichkeit und angebliche Naturverbundenheit der Neuen Rechten lässt sich u.a. zur „Blut-und-Boden-“Ideologie der Nazis oder der existentialistischen Philosophie Martin Heideggers zurückverfolgen, der auch großen Einfluss auf linksintellektuelle Vordenker der späteren 68er Bewegung (Adorno, Marcuse) hatte.

Der Zweck dieser Ideologie liegt auf der Hand: Wenn die Technik an sich von Übel ist, ist die herrschende Klasse, die sie in ihrem Interesse anwenden lässt und damit die Umwelt zerstört, aus der Schusslinie genommen. Zweitens ist sie im Denken der Neuen Rechten mit dem biologistischen Rassismus zu einem untrennbaren Ganzen verwoben und damit Ausgangspunkt der weiteren politischen Programmatik des modernen Faschismus.

4. Der „Ethnopluralismus“

Im Zentrum des Konzepts des Ethnopluralismus steht der Begriff der „nationalen Identität“, der sich wiederum auf die in Punkt 1. definierten biologischen Triebe, die Erhaltung von Familie und Volk usw. gründet.

Die Politik soll nach dem Willen der Neuen Rechten nach innen und außen dem Prinzip der „nationalen Identität“ zur Durchsetzung verhelfen:

Innenpolitisch heißt das zusammengefasst: „Ausländer raus!“ oder „Schluss mit Multi-Kulti!“ – keine Vermischung der weißen europäischen Rasse oder Kultur mit fremdländischen Elementen.

Außenpolitisch besteht das Konzept des Ethnopluralismus in der Forderung nach Herstellung der „Volks-Identitäten“ durch Anpassung der Staatsterritorien an sie bzw. nach Neugliederung der Staatenwelt gemäß dem ethnischen Ordnungsprinzip der völkischen Selbstbestimmung als „Keim der neuen Weltordnung“, die mehrere Ebenen umfasse:

1. die gesamt- und „groß“deutsche Ebene: In den 60er Jahren stand das Ziel der Vereinigung von BRD und DDR noch auf der Tagesordnung, die mittlerweile erfolgt ist. Darüber hinaus bezieht die Neue Rechte Österreich und Südtirol in ihr Konzept von einem „Großdeutschland“ ein. Die Orientierung nach Deutschland wird heute von der österreichischen faschistischen Partei FPÖ oder von Südtiroler Faschisten vertreten.

2. die kontinentale Ebene – die „völkische Neuordnung Europas“: Das „ethnische“ Ordnungsprinzip soll verwirklicht werden u.a. durch die Zerlegung der Vielvölkerstaaten in kleinere, „ethnisch“ homogene Einheiten. Dieses Konzept ist bei der Zerschlagung der Sowjetunion und Jugoslawiens in teilweise nicht lebensfähige Kleinstaaten (Baltikumsstaaten, Bosnien, Kosovo) bereits zur staatlichen Politik geworden. Aber auch die Abspaltungsbestrebungen in Flandern, Schottland, Baskenland, Katalonien, Südtirol, Norditalien und weiteren europäischen Gebieten müssen in diesem Zusammenhang sowie im Licht der Mitteleuropa-Pläne des deutschen Imperialismus betrachtet werden.

Hierzu sind einige Hintergrundinformationen nötig: Der deutsche Imperialismus verfolgt seit dem Kaiserreich den außenpolitischen Ansatz, über deutsche Bevölkerungsteile in anderen Ländern oder auch andere nationale Minderheiten Einfluss auf die dortigen Staaten zu nehmen. Ein Beispiel hierfür ist der 1925 gegründete „Europäische Nationalitätenkongress“ (ENK), der sich als „Dachverband nationaler Minderheiten in Europa“ bezeichnete, in Wahrheit jedoch eine Vorfeldorganisation des Auswärtigen Amtes war, die dem Ziel diente, nationale Minderheitenkonflikte in Europa für deutsche Machtinteressen auszunutzen. Im Zentrum der Ideologie dieser Organisation stand der später von der Neuen Rechten aufgegriffene Begriff der „Volksgruppe“: In der Tat ist der Begriff „Volksgruppe“ in Deutschland eingeführt worden, um ein Kollektiv vorgeblich blutshomogener Menschen zu bezeichnen (…). In einer „Geheimen Denkschrift“ des deutschen Außenministers wurde die verdeckte Finanzierung der im Ausland lebenden „Volksgruppen“ geregelt.12 Der ENK organisierte auch bewaffnete Aufstände – u.a. in der deutschsprachigen Region Eupen-Malmedy in Belgien. Höhepunkt seiner Aktivitäten waren die sudetendeutschen Aktivitäten des Jahres 1938, mit denen die Einverleibung der Tschechoslowakei durch das faschistische Deutschland ein Jahr später vorbereitet wurde. Die Zeitschrift „Nation und Staat“, die der ENK zwischen 1927 und 1944 herausgab, wird seit 1958 unter dem Namen „Europa Ethnica“ weitergeführt – ebenso wie der ENK selbst in Gestalt seiner Nachfolgeorganisation „Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) mit Sitz in Flensburg, die wie ihre Vorgängerin vom deutschen Außenministerium finanziert wird.

Das neurechte Konzept des Ethnopluralismus ist also im Kern nichts anderes als ein vom deutschen Staat betriebenes außenpolitisches Paradigma, das quasi den „doppelten Boden“ für den Erhalt der deutschen Vorherrschaft über Europa bildet, sollte sich die Europäische Union als instabil erweisen oder aus anderen Gründen abgeschafft werden.

3. Auf der internationalen Ebene soll die in Europa zur Ausführung gelangte „völkische“ Staaten-Ordnung dann „ein Beispiel für alle sein“. Vor diesem Hintergrund solidarisieren sich neurechte Strömungen gerne mit allen möglichen nationalen Bewegungen, gleichgültig ob diese nun faschistisch, reaktionär, fortschrittlich-antiimperialistisch oder was auch immer sind. Hier ist der politische Hintergrund der, dass gerade die bürgerlichen Flügel innerhalb von nationalen Befreiungsbewegungen im Interesse des Imperialismus gestärkt werden sollen.

Die „Identitäre Bewegung“ ist ein Beispiel für eine Bewegung, die ganz offen auf dem Konzept des Ethnopluralismus beruht.

5. Der „Befreiungsnationalismus“

Die Neue Rechte geht davon aus, dass sich die ethnopluralistische Neuordnung Europas nicht von selbst herstellen wird. Daher müsse der „europäische Nationalismus“ revolutionär werden. Vorbild dafür sind die reaktionär geführten Aufstände in der DDR 1953 und 1989/90 und in anderen osteuropäischen Staaten, die zur Zerschlagung des Ostblocks geführt haben.

Heute kann man hinzufügen, dass neurechte Bewegungen (Front National, UKIP, Teile der AfD) demagogisch den Kampf gegen das „Machtungetüm EU“ aufgenommen haben, um sie durch das nicht weniger imperialistische Konzept eines „Europa der Vaterländer“ im ethnopluralistischen Sinne zu ersetzen. Der Austritt Großbritanniens und die möglicherweise darauf folgende Balkanisierung des Landes durch einen Austritt Schottlands kann als Erfolg dieser politischen Linie verbucht werden.

6. Der „Europäische Sozialismus“

Der Grundgedanke des „Sozialismus“-Begriffs der Neuen Rechten liegt in der Hierarchie. „Der hierarchische Leitgedanke ist eine reflektive Übertragung des Dominanztriebs aus dem Menschenbild in die Wirtschaftsordnung. Als den „sozialistischen Maßstab für den Wert des einzelnen Menschen“ betrachtet die Neue Rechte die „Bereitschaft, nationale Solidarität zu üben.“ Jeder Nationalist sei daher notwendigerweise auch ein Sozialist, denn das „auf Naturanschauung beruhende Ganzheitsdenken sehe „den einzelnen als Glied sozialer Gestalten, vor allem des Volks“ und verstehe unter „Verwirklichung“ des Sozialismus die Durchsetzung des „Begriffs des Ganzen auch in den sozialökonomischen Verhältnissen“. Aber „da sich die Menschen nun einmal auszeichnen wollen“, müsse „diesem Drang entsprochen werden, weshalb jeder sich „im geregelten Wettbewerbsrahmen“ seinen „Rang“ solle „erobern können.“ Das ungeteilte Volk ist für die Neue Rechte also der Träger des Sozialismus. Dem marxistischen Klassensozialismus stellt sie einen nationalistischen Volkssozialismus entgegen.

Die „Nationalrevolutionäre“ Plattform beinhaltet Aspekte der fünffachen Revolution: der sozialistischen, sozialen, ökologischen, kulturellen und demokratischen. Die parlamentarische Demokratie wird abgelehnt. Für den „Befreiungsnationalismus“ zu kämpfen heißt, folgende Einzelforderungen in einen Gesamtzusammenhang zu stellen: Ethnopluralismus, ökologische Lebensgestaltung, humaner Sozialismus (realistisches Menschenbild), dezentrale Wirtschaftsordnung, kulturelle Erneuerung und Basisdemokratie.

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Dass die langjährige ideologisch-politisch-kulturelle Kleinarbeit der Imperialisten in der Arbeiterklasse ihre Wirkung nicht verfehlt hat und es ihr gelungen ist, völkisches, rassistisches und autoritäres Gedankengut in ihr zu verankern – selbst dort, wo man es auf den ersten Blick gar nicht vermutet – zeigte Mitte der 2000er Jahre die von uns bereits in einem früheren Artikel zitierte soziologische Studie gewerkschaftslinker Wissenschaftler im Funktionärsapparat des DGB unter dem Titel „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“13, die u.a zu folgendem, verstörenden Schluss kommt: Gewerkschaften in Deutschland sind Vorkämpfer und Stützen der Demokratie. Viele ihrer Aktiven engagieren sich gegen Rechtsextremismus. Dennoch sind die Mitglieder keineswegs immun gegen den Ruf nach dem starken Führer und nach der Verfolgung von Sündenböcken. Die Autoren berichten über Ergebnisse einer Studie zu rechtsextremen Einstellungen von Gewerkschaftsmitgliedern. Danach sind gerade die Kerngruppen der Gewerkschaften anfällig für rechtsextreme Deutungen. Wachsende Existenzangst der Arbeitnehmer-Mittelschicht und das Gefühl, sozial und politisch zu den Verlierern zu gehören, wirken als Einfallstore für rechtsextreme Ideologien.“

AfD, Pegida und die Gärung in den Massen

Aufgrund der wachsenden Widersprüche des Kapitalismus und der für die Bourgeoisie notwendigen Angriffe auf die Arbeiterklasse und weite Teile des Kleinbürgertums gärt es in diesen Sektoren. Es gibt eine wachsende, diffuse Wut auf „die da oben“, die mangels klarer und in den Massen verankerter revolutionärer Führung nicht so recht weiß, wohin. Schlimmer noch: Durch jahrzehntelange kontinuierliche und gut organisierte Arbeit der propagandistischen Abteilungen der Bourgeoisie – von der Bild-Zeitung bis zur Neuen Rechten – ist die Hegemonie über das Bewusstsein der Massen in der BRD heute tendenziell wieder eine rechte, faschistische – und das Ganze ungeachtet dessen bzw. offenbar in keinerlei Widerspruch dazu, dass organisatorisch immer noch der DGB für das Kapital die Betriebe kontrolliert und viele heutige AfD-Wähler bis vor kurzem noch für SPD oder Linkspartei gestimmt haben14.

Während viele von uns Antifaschisten sich mit No-NPD-Kampagnen, Lichterketten und der Blockade von Kameradschaftsaufmärschen abgearbeitet haben und wir ernstlich gedacht haben, wir hätten das Problem im Griff und die Mehrheit in Deutschland wäre immer noch antifaschistisch gesinnt – währenddessen hat sich unter unserem Radar die faschistische Bewegung reorganisiert (präziser gesprochen: ihre Truppen neu formiert, denn zu keinem Zeitpunkt seit 1920 war die faschistische Bewegung in Deutschland nicht organisiert). Und sie hat sich in langjähriger Kleinarbeit eine echte Verankerung in den Massen geschaffen. Das wurde spätestens mit Pegida klar. Die rechten Massenaufmärsche in Ostdeutschland stellten den qualitativen Sprung von der ideologischen Hegemonie und Meinungsführerschaft zur tatsächlich mobilisierungsfähigen Führerschaft in den Massen zumindest in Teilen des Landes dar. Noch deutlicher gesprochen: In Teilen Deutschlands gehen heute die Massen gegen das System, gegen „die da oben“ auf die Straße – und zwar unter der Führung der Faschisten!

Die AfD ist in diesem Gesamtkontext zu betrachten. Sie ist der parlamentarische Arm dieser Bewegung. Dass führende Vertreter von ihr gerade das bestreiten, ist ein politisches Standardmittel, das darauf abzielt, gerade auch die Teile der Massen anzusprechen und für sich zu mobilisieren, denen Pegida noch zu weit geht.

Allem Anschein nach drehte sich die Auseinandersetzung zwischen Lucke, Henkel und dem rechten Flügel um Frauke Petry und Gauland, die 2015 eskalierte, vor allem um die Frage, ob sich die AfD strategisch als intellektuelle Elitenpartei positionieren sollte oder als rechte Massenpartei, die aktiv darauf hinarbeitet, das „Wutbürgertum“ à la Pegida zu organisieren. Das Ergebnis ist bekannt: Die rechten Professoren wurden beim Parteitag vom braunen Mob weggeputscht.

Der Chefideologe der AfD Marc Jongen, ein langjähriger Mitarbeiter des rechten Vordenkers Peter Sloterdijk, formuliert das Verhältnis seiner Partei zur Gärung in den Massen in reaktionär-idealistischer Sprache in einem Gespräch mit der FAZ wie folgt: Jongen hat nichts gegen die Rauheit der AfD-Anhänger gerade im Osten Deutschlands, im Gegenteil. Er würde sich wünschen, dass es ingesamt rauher, aufgepeitschter zuginge. Denn die Bundesrepublik, da ist Jongen sicher, leidet an einer „thymotischen Unterversorgung“, einer Armut an Zorn und Wut. Thymos ist ein altgriechisches Wort, das in seiner Bedeutung zwischen Mut, Zorn und Empörung schwankt. Der Begriff spielt in Jongens Ausführungen über die Philosophie der AfD eine zentrale Rolle. Er nennt den Thymos eine der drei „Seelenfakultäten“ neben Logos und Eros, der Vernunft und der Lust. In Europa, wo vor allem die Vernunft in Politik und Philosophie Ansehen genießt, sei der Thymos zu Unrecht in Verruf geraten, meint Jongen. Weil es Deutschland an Zorn und Wut fehle, mangele es unserer Kultur auch an Wehrhaftigkeit gegenüber anderen Kulturen und Ideologien, etwa dem Islamismus, der eine „hochgepushte thymotische Bewegung“ sei. Die AfD unterscheide sich durch ihren positiven Bezug zum Thymos von allen anderen politischen Parteien. Einzig die AfD lege „Wert darauf, die Thymos-Spannung in unserer Gesellschaft wieder zu heben“, sagt Jongen.“15

Wen bekämpfen? Der Wahn vom Kulturkampf und wo er herkommt

Die ideologische Vorherrschaft und Verankerung in den Massen bedeutet für die Imperialisten, diese von revolutionären Zielen abzubringen und für die eigenen Interessen einzuspannen: Das ist vor allem die Vereinnahmung und Begeisterung für den Kampf des heimischen Kapitals gegen äußere Feinde: Neben den imperialistischen Konkurrenten sind das die tatsächlichen und potentiellen Kolonien und Neokolonien in Europa, dem Mittleren Osten und anderen Teilen der Welt. Nicht zu vergessen die neue „globale Herausforderung“: Die Bewältigung der Flüchtlingsströme aus den Gebieten, die der Imperialismus mit Elend, Krieg und Terror überzogen hat. Diese Flüchtlingsströme stellen aus Sicht der Imperialisten eine schwerwiegende Bedrohung für die Stabilität in den Metropolen dar und sind daher ebenfalls als Feinde einzustufen.

Es ist daher kein Zufall, wenn die Faschisten heute gerade gegen die „Islamisierung“ des Abendlandes und gegen die Flüchtlinge hetzen. In einem früheren Artikel dieser Zeitschrift haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die Imperialisten schon direkt nach Beseitigung ihres früheren Hauptfeindes Sowjetunion 1989/90 mit der ideologischen und propagandistischen Vorbereitung auf das neue Zeitalter begonnen haben. Wir haben in diesem Zusammenhang bereits auf die „Kulturkampf“-These des US-Geostrategen Samuel Huntington verwiesen: Die Vorstellung, die Welt des 21. Jahrhunderts sei vom Kampf zwischen verschiedenen Kulturräumen (isbs. christlich-jüdischer Westen – Islamische Länder – China) geprägt, ist eine modernisierte Form der Rassenkampf-Ideologie der Alt-Faschisten, bei der die „Kulturen“ das „Blut“ als klassenübergreifendes einigendes Motiv abgelöst haben – siehe Jongens Geschwafel vom „Thymos“. Sie ist jedoch mit der Rassenkampf-Ideologie durchaus kompatibel (siehe den „führerlosen Widerstand“ terroristischer Nazi-Netzwerke in der gesamten westlichen Welt, der sich erklärtermaßen gegen die drohende „Vernichtung der weißen Rasse“ durch die „braunen und gelben Horden“ richtet). Und sie ist die Grundlage der politischen Positionen von Pegida und AfD. Darüber hinaus wird sie von den Vortrupps der Imperialisten in den jeweiligen, verschiedenen Kulturräumen – von mordenden Ku-Klux-Clan-Cops in den USA zu den terroristischen Nazis à la Breivik und NSU im Westen und dem IS und Al Quaida im Mittleren Osten – und in Europa! – kräftig in die Tat umgesetzt. Man kann vor diesem Hintergrund so weit gehen, von einer qualitativ neuen (da internationalen und permanenten) imperialistischen „Strategie der Spannung“16 zu sprechen, mit der sich die Bourgeoisie in der heutigen komplexen Widerspruchslage in der Welt die Kontrolle über die Massen sichert.

Rechte Alternativen“ international auf dem Vormarsch

Dass AfD und Pegida keine zufälligen politischen Erscheinungen sind, die halt rechte politische Positionen vertreten, sondern das Ergebnis einer strategischen teilweisen Neuausrichtung des Finanzkapitals erklärt sich vor dem Hintergrund veränderter Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Ländern – also einer veränderten Weltlage, die insbesondere davon geprägt ist, dass alte Bündnisse (NATO, EU) nach Jahrzehnten offen in Frage gestellt werden und dass die faschistischen Kräfte international an Stärke gewinnen, d.h. von der jeweiligen Bourgeoisie in die entsprechende Position gebracht werden: Man betrachte die Regierungen mit faschistischer Beteiligung in Ungarn und Polen, den Aufstieg des (mittlerweile neurechts modernisierten) Front National in Frankreich, die Tea-Party-Bewegung und den Wahlkampf von Trump in den USA, sowie die (erfolgreiche) Kampagne für den Austritt Großbritanniens aus der EU.

Alle Imperialisten bereiten sich darauf vor, dass – vielleicht mit der nächsten Wirtschaftskrise – der Kampf um die Neuaufteilung der Welt global in eine neue Phase übergeht, in der möglicherweise die bisherige Allianz der westlichen Mächte völlig zerbricht und neue Bündnisse geschmiedet werden. Da darf natürlich auch Deutschland nicht unvorbereitet sein!

Es ist daher kein Zufall, dass von Front National über die ungarische Regierung bis zur AfD die faschistischen Kräfte in Europa gute politische Beziehungen zum russischen Imperialismus unterhalten, der damit anknüpfend an die Tradition des Zarismus offenbar bestrebt ist, erneut zu einem „Hort der internationalen Reaktion“ zu werden17. Den politischen Beziehungen liegen natürlich die entsprechenden Kapitalverflechtungen der jeweiligen Bourgeoisien und damit wirtschaftliche Interessen zugrunde.

Kommt jetzt der Faschismus in Deutschland?

Man muss sich also die Frage stellen: Geht des dem Finanzkapital in Deutschland jetzt darum, eine faschistische Diktatur in Deutschland zu errichten? Intuitiv erscheint das wenig wahrscheinlich.

Angesichts der Komplexität, mit der sich die kapitalistischen Widersprüche in der heutigen Situation entwickeln, in der es keine starke revolutionäre Bewegung in Europa gibt, sollte man jedoch nichts von vornherein ausschließen: Man bedenke allein angesichts der aktuellen Ereignisse die Möglichkeit eines anhand von Rassengrenzen geführten Bürgerkriegs in den USA. Könnte sich so etwas nicht auch in den Vorstädten von Paris, Brüssel oder in Berlin oder Hamburg entwickeln?18

Doch auch ohne den unmittelbaren Plan des Kapitals zur Diktatur sollte man sich klarmachen, welche Funktion eine starke und organisierte faschistische Bewegung als Vortrupp der aggressivsten Teile des Finanzkapitals schon im Rahmen einer bürgerlichen Demokratie hat. Da wir denken, dass hinsichtlich dieser Fragestellung das Rad nicht neu erfunden zu werden braucht, zitieren wir das in den 1980er Jahren erschienene Standardwerk „Faschismus und Neofaschismus“ (Opitz) zu dieser Frage:

Faschistische Bewegungen, Gruppierungen, Vereinigungen etc. sind demnach aber in nicht faschistisch regierten Gesellschaften solche, die in der Bevölkerung Anhängerschaft für den Übergang zur faschistischen Diktatur sammeln – und dies notwendig stets in demagogischer Form. Denn die Sammlung kann nur unter Systemunzufriedenen erfolgen; diese jedoch sind, da das bestehende politische System ein monopolkapitalistisches (…) ist, mit der Herrschaft eben gerade des Monopolkapitals unzufrieden und gegen sie eingenommen. Die Gefolgschaftswerbung für den Übergang gar zu dessen terroristischer Diktatur muss daher notwendigerweise ausschließlich unter einem demagogischen Schwindeletikett – auf dem zumeist das Wort „Volk“ aufgraviert ist – erfolgen.

(…)

Derartigen Bewegungen aber kommt nun in allen monopolkapitalistischen Gesellschaften auch schon zu Zeiten, in denen sich die vom Monopolkapital als sicherste Herrschaftsform bevorzugte „friedliche“ Volksintegration in dessen jeweiligen politischen Herrschaftswillen zufriedenstellend vollzieht und es keiner faschistischen Diktatur bedarf, eine Reihe ihm nützlicher und aus seiner Sicht geradezu system-unentbehrlicher Funktionen zu, woraus sich ihre erstaunlich schonsame Behandlung in allen parlamentarisch regierten monopolkapitalistischen Demokratien erklärt. Diese Funktionen lassen sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, auf folgende Punkte bringen:

– Die Auffangfunktion bzw. die Funktion der Ableitung und Umfunktionierung von Protestpotentialen (Sammlung der von den monopolkapitalistischen parlamentarischen Parteien sich abkehrenden und vom systemkonformen politischen Integrationsmechanismus des „Regierungs-Oppositions“-Spiels nicht mehr einzufangenden, daher aber zur politischen Systemgefahr werdenden, ja des Überganges zur politischen Linken nunmehr potentiell fähigen Bevölkerungsschichten. Abfangen dieser Potentiale in einer den Zorn auf die politischen Gegner des Monopolkapitals zurücklenkenden und ihn gegen sie aufreizenden, den Ruf nach ihrer gewaltsamen Unterdrückung und Zerschlagung weckenden aktivistischen Organisation. Besonders gefragt und aktuell in ökonomischen Krisenzeiten).

– Die Barometerfunktion (Ablesbarkeit, inwieweit sich aus innenpolitischen Desintegrationsprozessen eine tragfähige antiparlamentarische Massenbasis entwickelt bzw. entwickeln lässt)

– Die Alibifunktion für reaktionäre Regierungspolitik (Berufungsmöglichkeit der Regierungen auf Forderungen in der „Öffentlichkeit“; Vorbereitung reaktionärer Regierungsschritte, die zunächst nicht ohne Risiko großer Wählerverluste durchführbar wären, durch die Öffentlichkeitsarbeit der neofaschistischen Gruppen – Eingewöhnung der Öffentlichkeit in „unpopuläre“ Forderungen, bis sie auch von der Regierung geäußert und schließlich realisiert werden können …)

– Die aktive Antreiberfunktion in der Rechtsentwicklung (wachsende Erfolge in der Wahrnehmung der Auffangfunktion versetzen den Neofaschismus gegenüber den regierenden parlamentarischen Parteien regelmäßig in die Lage, sie nunmehr unter „Massendruck“ und unter der Drohung, weitere Wählerschichten von ihnen abzuziehen, zu immer schärferem Rechtskurs zu drängen. Das heißt, die reaktionärsten Teile des Monopolkapitals können nunmehr über ein faschistisches Massenpotential Druck auf die gemäßigteren Kapitalfraktionen ausüben. Eskalationseffekt von Rechtsverschiebung der Regierungspolitik und wachsendem faschistischen Druckpotential)

– Die langfristige ideologische Umorientierungsfunktion (kontinuierliche Arbeit für einen ideologisch-kulturellen Klimaumschwung; „Geschichtsbild“-Revision, Irrationalismuspropaganda bzw. antirationale „Kulturrevolution“)

– Die terroristische Einschüchterungs- und Hilfspolizei-Funktion gegenüber demokratischen Bewegungen (…)

– Die Destabilisierungsfunktion (in Phasen, in denen Teile des Monopolkapitals akut auf den Übergang zur faschistischen Diktatur drängen, organisierte Förderung des Eindrucks der „Unregierbarkeit“ der Gesellschaft in den herrschenden Kreisen und in der nach Ruhe sich sehnenden Bevölkerung durch eine Strategie schreckenerregenden, ungezielten Terrors. Beispiele: (…) die Türkei vor der faschistischen Machtübernahme)

– Die Straßenkampf- und Bürgerkriegsfunktion (jeweils in Ländern sich aktualisierend, in denen die innenpolitische Klassenkampfsituation der Entscheidung zudrängt).“19

Die Offensive der Faschisten in den Medien, auf der Straße und über die AfD im Parlament ist davon begleitet, dass Teile ihres terroristischen Flügels schon heute damit beginnen, die Säuberung des Staatsapparats von den „rot-grün versifften“ Elementen in die Praxis umzusetzen und anknüpfend an die faschistische Praxis der 1920er Jahre Vertreter des Staates anzugreifen: siehe den Mordversuch eines Ex-FAPlers an der Kölner Oberbürgermeisterin Reker oder die Morddrohungen gegen Justizminister Maas usw. Es liegt in der Tradition des Finanzkapitals, innere Widersprüche auch – wenn nötig – gewaltsam auszutragen.

Über linke Fehleinschätzungen

Wir haben in diesem Artikel den Versuch unternommen, die AfD als politische Erscheinung in den Gesamtzusammenhang des Klassenkriegs in Deutschland und international einzuordnen. Wenn wir sie als faschistische Partei qualifizieren, dann nicht in erster Linie deshalb, weil wir ihr Programm durchgehen und das, was dort steht, hinsichtlich seines reaktionären Gehalts messen – auch wenn das bereits ein erkenntnisreiches Unterfangen wäre, da das kürzlich beschlossene Grundsatzprogramm der AfD klar gegen den Islam hetzt und eine wirtschaftspolitische Agenda à la „Agenda 2010 – ultra“ für das deutsche Kapital vorschlägt.

Entscheidend ist für uns vielmehr, zu analysieren, im Interesse welcher klassenmäßigen Kräfte die Positionierung der AfD in der BRD-Parteienlandschaft ist, in welcher Tradition sie steht und in welche Richtung ihr Wirken geht.

Eine solche Einordnung vermissen wir bislang bei anderen Kräften der antifaschistischen Linken. Zwar weist die „Rote Fahne“ in ihrer Ausgabe vom 13. Mai nach, dass die AfD fortschrittsfeindlich, unternehmerfreundlich, frauenfeindlich, rassistisch und auf vielerlei Art mit dem militanten Faschismus verbunden ist20. Um die Einschätzung „Die AfD ist eine faschistische Partei“ drückt sie sich jedoch leider herum und spricht stattdessen etwas zurückhaltender von „faschistoid“ und „ultrareaktionär“.

Viel schwerwiegender finden wir es jedoch, wenn in den Reihen der Antifa-Bewegung davon gesprochen wird, die AfD sei eine Partei des Kleinbürgertums, eine „Anti-Eliten-Partei“ o.ä. So vertritt es z.B. der Kölner Antifa-AK in einem Artikel im Neuen Deutschland21. Dass der durchschnittliche Pegida-Demonstrant oder AfD-Anhänger männlich, Mitte 40 und kleinbürgerlich ist (wofür verschiedene Statistiken sprechen), sagt nichts darüber aus, welche Klasse die AfD führt. Die AfD ist ebensowenig eine Partei des Kleinbürgertums, wie die NSDAP eine war. Das Label „Anti-Eliten-Partei“ hat gerade die Elite – das Finanzkapital – ihr verpasst, um die unterdrückten Schichten der Bevölkerung anzusprechen. Wer die AfD als „Anti-Eliten-Partei“ bezeichnet, fällt auf diesen Etikettenschwindel herein und spielt ihr damit gerade in die Hände.

Zuletzt noch einige Bemerkungen zum modernen Wortungetüm des „Populismus“: Der Begriff suggeriert, dass populistische Politiker solche sind, die „dem Volk aufs Maul schauen“ und mit plumpen Parolen, auf die das Volk hereinfällt, auf Stimmenfang gehen.

Dass die unterdrückten Schichten mit den Mitteln der Demagogie für imperialistische Zwecke eingefangen werden sollen, ist zweifellos richtig. Der Begriff des „Populismus“ suggeriert jedoch, die entsprechenden Stimmungen, die AfD und Co. aufgreifen, wären die spontanen Stimmungen der Massen, wozu zweierlei zu sagen ist:

Erstens ist das falsch. Ebenso wie lange vor dem Ersten Weltkrieg die „völkische Ideologie“, die spätere Ideologie des Hitlerfaschismus, vom Finanzkapital direkt organisiert durch Propagandavereine wie den „Alldeutschen Verband“ mit vielfältigen Mitteln in die deutsche Bevölkerung getragen worden ist22 – die Vorbereitungsarbeit für den Faschismus, die Hetze gegen das Judentum also schon Jahrzehnte vor 1933 begonnen hatte – wurde auch die moderne Form desselben Inhalts, die Ideologie der Neuen Rechten und der Wahn vom Kulturkampf seit Jahrzehnten organisiert von oben in die deutsche Bevölkerung getragen23. Hier geschieht nichts spontan.

Zweitens würde daraus folgen, die Bevölkerung wäre für sich genommen unberechenbar und die Eliten des Monopolkapitals und seiner Parteien, die Bürokratie in Berlin und Brüssel, müssten das Heft fest in der Hand behalten, damit sich kein Faschismus in Europa breit macht. Und genau hier spielen sich die etablierten Parteien des Monopolkapitals und die Faschisten den Ball zu, gehen letztere doch gerade mit der Hetze gegen „die da oben“ auf Stimmenfang, fordern mehr direkte Demokratie usw.

Dieses Spiel zu entlarven, nicht darauf reinzufallen und eine wirksame Gegenstrategie zu entwickeln, um nicht nur eine diffus-linke, sondern eine revolutionäre Hegemonie im Bewusstsein der Massen zu etablieren, ist unsere Aufgabe. Wir werden dazu in einer unserer nächsten Ausgaben ein Strategiepapier zur Diskussion stellen.

1 Wesentliche Beiträge zur Analyse der faschistischen Bewegung aus der Zeit ihrer Machtergreifung in Europa stammen von Clara Zetkin („Der Kampf gegen den Faschismus“ ) und Georgi Dimitroff (Bericht an den VII. Weltkongress der Komintern). Unter den späteren Arbeiten zum Thema sind die von Jürgen Kuczynski („Studien zur Geschichte des deutschen Imperialismus“, 1948) und Reinhard Opitz („Faschismus und Neofaschismus“, 1984 ) hervorzuheben.

2Siehe dazu den Abschnitt „Ethnopluralismus“ im Einschub über die Ideologie der Neuen Rechten

3Man nehme nur allein die Annäherungspolitik an Russland unter der Schröder-Regierung.

4Lucke wandte sich im Zuge des eskalierenden Richtungsstreits in einer E-Mail an die AfD-Mitglieder und warnte vor „beunruhigenden Entwicklungen“ in der Partei: „Er bezog sich ausdrücklich auf die „so genannte Neue Rechte“, die verstärkt Einfluss auf die AfD zu nehmen suche.“ (ntv.de, 23.04.15)

5 Verband der Industriekapitalisten

6Dokumentiert in verschiedenen Artikeln auf german-foreign-policy.com, z.B. „Brüche im Establishment“ (12.04.13)

7Der norwegische Terrorist Anders Breivik, bekannt geworden durch sein Massaker an dutzenden sozialdemokratischen Jugendlichen auf der Insel Utoya im Jahr 2011 und in den Medien als „verwirrter Einzeltäter“ hingestellt, formulierte den Ausgangspunkt des Kulturkampfs der modernen Faschisten in seiner „Europäischen Unabhängigkeitserklärung“ wie folgt: „Die meisten Europäer schauen auf die 1950er Jahre als die gute alte Zeit zurück. Die Familienheime waren so sicher, dass die Leute in vielen Gegenden nicht einmal im Traum daran dachten, ihre Haustüren abzusperren. Die Qualität der öffentlichen Schulen war ganz allgemein sehr gut (…). Die meisten Männer behandelten Frauen wie Ladies und die meisten Ladies widmeten ihre Zeit mit Hingabe dem Zuhause für ihre Familien, der guten Erziehung ihrer Kinder und halfen der Gesellschaft durch freiwillige Arbeit. Die Kinder wuchsen in gemeinsamen Haushalten mit beiden Elternteilen auf und die Mutter war für sie da, wenn sie von der Schule nach hause kamen. (…) Wenn ein Mann aus den 1950ern plötzlich ins Westeuropa des Jahres 2000 versetzt würde, er könnte sein eigenes Land kaum wiedererkennen. Er wäre sofort in Gefahr übers Ohr gehauen, ausgeraubt und ausgenommen zu werden, weil er nie gelernt hat, mit konstantem Misstrauen durch die Welt zu gehen. (…) Wenn er seine Familie mitgebracht hätte, in die „Neue Zeit“, dann würden er und seine Ehefrau möglicherweise frohgemut ihre Kinder zur nächstgelegenen Schule schicken. Wenn die Kinder dann am Nachmittag nach Hause kämen und ihnen erzählten, dass sie durch einen Metalldetektor gehen mussten, um Zutritt zum Gebäude zu erhalten, ein komisch riechendes Kraut von anderen Kinder angeboten bekamen und gelernt hätten, dass Homosexualität normal und gut sei, wären die Eltern wohl völlig baff. (…) Wenn irgend möglich, würde unsere 1950er Familie Hals über Kopf zurück in ihre Zeit flüchten. Dort angekommen hätten sie dann eine spannende Horrorstory zu erzählen, und die ginge ungefähr so: in zukünftigen Zeiten ist das ganze Land kulturell degeneriert und moralisch verfallen; (…) Warum ist das geschehen? In den letzten 50 Jahren ist ganz Westeuropa überschwemmt worden, von demselben intellektuellen Ausfluss, der zuvor Russland, China, Deutschland und Italien übernommen hatte. Der Name dieses Ausflusses ist Ideologie. Hier, wie auch sonstwo, hat diese Ideologie (Marxismus) der traditionellen Kultur großen Schaden zugefügt. (…) Die Ideologie, die Westeuropa eingenommen hat, wird konventionell „political correctness“ (kultureller Marxismus) genannt. (…) Political correctness versucht praktisch alle Regeln umzumodeln – formale und inhaltliche – praktisch alles was die Beziehungen zwischen den Menschen, und Mensch und Institution betrifft. Diese Ideologie will unser Verhalten ändern, unsere Gedanken bestimmen, sogar vorschreiben welche Wörter wir beim sprechen benutzen (dürfen). (…) Political correctness ist faktisch Kulturmarxismus. Marxismus wird hier von seiner wirtschaftlichen Terminologie ausgehend in kulturelle Begriffe übersetzt.“

8Parteiübergreifende faschistische Bewegung mit dem Ziel der Schaffung einer nationalen einheitlichen Bewegung. Zu ihr gehörten u.a. die Reichskanzler Brüning, Papen und Schleicher, die den Hitlerfaschismus politisch vorbereiteten (vgl. Opitz, „Faschismus und Neofaschismus“, Verlag Marxistische Blätter 1984, S. 95 ff.

9Nicht zu vergessen das „Compact“-Magazin des Verschwörungstheoretikers Jürgen Elsässer, das vor einiger Zeit mit Frauke Petry als „besserer Kanzlerin“ titelte.

10Sarrazin: Für mich ist es wichtig, dass Europa seine kulturelle Identität als europäisches Abendland und Deutschland seine als Land mit deutscher Sprache wahrt, als Land in Europa, vereint mit den umgebenden Franzosen, Niederländern, Dänen, Polen und anderen, aber doch mit deutscher Tradition. Dieses Europa der Vaterländer ist säkular, demokratisch und achtet die Menschenrechte. Soweit Immigration stattfindet, sollten die Migranten zu diesem Profil passen beziehungsweise sich im Zuge der Integration anpassen. (…) Ich möchte nicht, dass das Land meiner Enkel und Urenkel zu großen Teilen muslimisch ist …“ („Deutschland schafft sich ab“, S. 308)

11Breivik: „Viele haben behauptet, dass Ultra-Nationalisten wie ich ein Terrorregime einführen und errichten wollen. Das ist falsch. Ich befürworte das japanische und südkoreanische kulturelle Modell, nicht mehr und nicht weniger. Sind Japan und Südkorea wirklich so furchtbare Regime? Nein, das sind sie nicht! Es sind hochtechnologische, erfolgreiche und monokulturalistische Nationen. Gleichzeitig sagten sie in den 70er Jahren nein zum Multikulturalismus und zur Masseneinwanderung. Sie sind der lebende Beweis dafür, dass Nationen erfolgreich sein können, wenn nicht gar erfolgreicher, wenn man nein zur Masseneinwanderung sagt. Disziplin, Ehrencodex und Stolz auf seine eigene Herkunft, auf seine Kultur sind essentiell in Japan und Südkorea. Frauen spielen im Berufsleben eine zweitrangige Rolle. Dies ist heutzutage die perfekteste Gesellschaft der Welt.“ (Stellungnahme vor Gericht, 17.04.2012)

12„Von Krieg zu Krieg, Die deutsche Außenpolitik und die ethnische Parzellierung Europas“, Goldendach, Minow, Rudig, Verlag 8. Mai, 1996. S. 16

13Zeuner u.a., „Gewerkschaften und Rechtsextremismus“, Verlag Westfälisches Dampfboot, 2007; Eine ähnliche, aktuelle Studie unter dem Titel „Die enthemmte Mitte“ der Universität Leipzig kommt zu demselben Ergebnis: „Deutschland im Jahr 2016: Jeder Zehnte wünscht sich einen Führer, der das Land zum Wohl aller mit starker Hand regiert. Elf Prozent der Bürger glauben, dass Juden zu viel Einfluss haben. Zwölf Prozent sind der Ansicht, Deutsche seien anderen Völkern von Natur aus überlegen. Ein Viertel der U30-Generation in Ostdeutschland ist ausländerfeindlich. Und ein Drittel der Deutschen hält das Land für gefährlich überfremdet.“ („Deutschlands hässliche Fratze“, Spiegel-Online, 15.06.16)

14Aus deren Reihen wiederum teilweise durch Anpassung an den Faschismus auf diese Entwicklung reagiert wird – siehe z.B. die Positionen Sahra Wagenknechts in der Flüchtlingsfrage.

15„Der Parteiphilosoph der AfD“, veröffentlich auf faz.net am 15.01.16; Im selben Artikel liefert Jongen seine eigene Formulierung des neurechten „realistischen Menschenbildes“: Ziel sei eine „neodarwinistische Kulturtheorie“, die nicht auf eine Abschaffung von Traditionen, sondern auf deren Beibehaltung hinwirkt. Sie bediene sich dabei allerdings der „avanciertesten Denktechniken“, um dann mit ihnen „gegen die Moderne“ zu denken. Die traditionellen Geschlechterrollen zum Beispiel will Jongen so gegen die Anfechtungen des Konstruktivismus abschirmen. Er erkennt zwar an, dass die Geschlechterrollen bis zu einem gewissen Grad tatsächlich kulturell konstruiert sind, wie von der Gender-Theorie behauptet wird. Für Jongen folgt daraus im Praktischen aber nicht, für Transgender eigene Toiletten einzurichten oder in der Schule über sexuelle Identitäten zu sprechen. Im Gegenteil. Jongen will (…) die Geschlechterrollen stärker festschreiben, um sie vor der Bedrohung durch die Gender-Theorie zu schützen. Statt „Gender-Mainstreaming fordert Jongen deshalb „Erziehung zur Männlichkeit“. Der gesamte „kulturell-religiöse Überbau“ der Gesellschaft soll auf diese Weise geschützt werden. Die AfD soll die weitere Dekonstruktion von Familie, Volk und Kirche verhindern.“

16„Strategie der Spannung“ bezeichnete historisch das Vorgehen der NATO-Stay-Behind-Armeen und des tiefen Staates in Italien in den 60er bis 80er Jahren, durch Bombenanschläge auf Zivilisten das politische Klima im Land nach rechts, in Richtung des Rufs nach einem „starken Staat“ zu ziehen. Das Vorgehen wurde auch in Belgien („Brabant-Morde“) angewandt. Vgl. Ganser, „NATO-Geheimarmeen in Europa“, 2006.

17Zu den Details siehe z.B.: Rote Fahne 10 / 2016

18Mindestens für Frankreich wird nach der Serie von terroristischen Anschlägen des IS davon ausgegangen, dass dieser Fall früher oder später eintreten wird: „Einer These lohnt es nachzugehen: Frankreich ist ein gesuchtes Ziel, weil die Gesellschaft fragiler ist als andere in Europa. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes DGSI, Patrick Calvar, warnte bei einer Senatsanhörung: „Wir stehen am Rande eines Bürgerkriegs.“ Bewaffnete Rechtsradikale könnten bald aus Rache gegen alle Muslime losschlagen. Das ist genau das Szenario der Dschihadisten. Bereits vor Jahren haben die Chefideologen von al-Qaida es beschrieben: Eine Kette von Anschlägen soll die Nicht-Muslime in Europa provozieren. Reagieren die mit blinder Gewalt gegen alles, was nach Islam, Araber, Maghrebiner aussieht, ist das Ziel erreicht: ein Bürgerkrieg.“ (Handelsblatt v. 29.07.16)

19Opitz, S. 240 ff.

20Ebd.

21„Die Auseinandersetzung suchen“, Neues Deutschland vom 26.07.16

22Siehe „Pegida, Hogesa und die Perspektiven des prol. Antifaschismus“, www.komaufbau.org, oder: Kuczynski, „Studien, Band 2: Propagandaorganisationen des Monopolkapitals“

23Und zwar gerade, um die Bevölkerung auch auf solche Entwicklungen wie die Flüchtlingsbewegung der letzten Jahre vorzubereiten!

Erschienen in Kommunismus #6 08/2016bjoern-hoecke-afd