Wirtschaftliche Lage

Die im Jahr 2019 ausgebrochene Überproduktionskrise prägt die kapitalistische Weltökonomie bis heute. Insbesondere tritt offen zutage, wie stark der kapitalistische Krisenzyklus durch jahrzehntelange Niedrigzinspolitik und die damit einhergehende enorme Ausweitung des Kredits verformt wurde.

Im Zusammenhang mit mehreren Entwicklungen, die auf die Wirtschaft als externer Schock wirken, wie der Corona-Pandemie und den wirtschaftspolitischen Folgen der zugespitzten zwischenimperialistischen Widersprüche, ist hierdurch eine Situation entstanden, in der die kapitalistische Ökonomie seitdem nicht mehr in einen wirklichen Aufschwung gelangt ist. Die derzeitige Situation in Deutschland ist als schwankende Stagnation zu bezeichnen.

Sowohl die tiefen Verwerfungen in der Wirtschaft als auch strategische Erwägungen vor dem Hintergrund einer Phase schärferer geopolitischer Konfrontation seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 haben eine bereits vorher begonnene tiefgreifende Umstrukturierung der Weltwirtschaft stark beschleunigt.

Neustrukturierung internationaler Produktionsketten

Wir werden Zeugen eines verschärften Wirtschaftskriegs, der sich mithilfe von Schutzzöllen und zum Teil gigantischen Subventionspaketen nicht mehr nur zwischen den ohnehin brüchigen imperialistischen Bündnissen abspielt, sondern auch innerhalb dieser. Für das deutsche Kapital am prägendsten ist hierbei die unmittelbare Konkurrenz zum US-Imperialismus, dessen Staat momentan mit historisch beispiellosen Subventionen bemüht ist, Kapital im eigenen Land zu binden.

Die Grundtendenz bei allen imperialistischen Ländern besteht infolgedessen darin, dass internationalisierte Produktionsketten neu strukturiert werden und in den Einflusssphären geopolitischer Konkurrenten angelegtes Kapital abgezogen wird, um es im eigenen Land oder in als sicherer erachteten Regionen anzulegen.

Auch die in Deutschland in den letzten Jahren immer lauter geführte Diskussion über die Notwendigkeit, strukturelle Schwächen gegenüber der imperialistischen Konkurrenz beispielsweise im Bereich der IT- und Internetmonopole, der Chip- und Halbleiterindustrie sowie der Rüstungsindustrie durch gezielte staatliche oder wenigstens auf EU-Ebene angesiedelte Initiativen zu beheben, zeigt deutlich: Hierbei handelt es sich um eine notwendige Ergänzung zu den direkt militärischen Kriegsvorbereitungen. Dies gilt auch für die viel diskutierte Energiewende, bei der es nicht, wie oft vorgeschoben, um die Rettung des Weltklimas, sondern aus Sicht des deutschen Imperialismus um die Autarkie der Primärenergieversorgung als Voraussetzung einer Kriegswirtschaft geht.

Als Kommunist:innen stehen wir daher vor der Aufgabe, die sich hier vollziehenden Änderungen genau zu verfolgen und insbesondere nach natürlichen Ansatzpunkten für den Aufbau internationalistischer Beziehungen entsprechend der Neuorientierung des deutschen Kapitals zu suchen.

Auswirkungen der Krise in Deutschland

Auch der deutsche Imperialismus ist von der anhaltenden Wirtschaftskrise stark betroffen. Momentan äußert sich diese jedoch durchaus widersprüchlich in diesem Land.

So erleben wir im Zuge der dargelegten Umstrukturierungen größere Verschiebungen von Kapital ins Ausland sowie für kapitalistische Krisen typische Sparmaßnahmen und im Ergebnis davon zahlreiche Massenentlassungen, die vollzogen oder angekündigt werden.

Zugleich befindet sich die Wirtschaft in Deutschland nach wie vor in einer Situation des akuten Arbeitskräftemangels, was bisher dazu führt, dass kein deutliches Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen ist und Arbeiter:innen individuell sogar teils Lohnerhöhungen durchsetzen können, wenn sie in einen anderen sie ausbeutenden Betrieb wechseln.

Auf anderer Ebene jedoch vollziehen sich in diesem Land momentan die schärfsten Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse seit Jahrzehnten; und zwar insbesondere in Form der explodierten Teuerungsraten.

Ihr unmittelbarer Effekt ist eine starke Verarmung großer Teile der Arbeiter:innenklasse, wobei naturgemäß ihre ärmsten Teile, die Alleinerziehenden, Studierende, Auszubildende und Renter:innen am härtesten getroffen werden.

Die sozialpartnerschaftliche Allianz aus Staat, Kapital und gelben Gewerkschaften hat sich nach Kräften bemüht, durch ein Wirrwarr von Einmalzahlungen, Energiepauschalen und kurzfristigen Steuerentlastungen den Anschein von Gegenmaßnahmen zu erwecken. Es ist offensichtlich, dass alle Scheinzugeständnisse von Staat und Kapital vor allem langfristig die Verarmung der Arbeiter:innenklasse nicht verhindern werden. Nichtsdestotrotz ist es bisher nicht zu größeren Protestbewegungen gekommen.

Auch wenn in den ersten Monaten des Jahres 2023 die mittlerweile größten Streikbewegungen der jüngeren Vergangenheit die Gemüter der kapitalistischen Medienhäuser erhitzt haben, stellen diese ein durchschaubares Manöver dar, um ein Ventil für den berechtigten Frust in der Arbeiter:innenklasse zu schaffen. Die oftmals schnell mit überaus enttäuschenden Ergebnissen beendeten Tarifverhandlungen zeigen aber auch einmal mehr, dass die Gewerkschaften nicht im Interesse der Arbeiter:innen handeln. Stattdessen stabilisieren sie die Profitraten der Monopole, indem sie faulen Kompromissen zu Lasten der Arbeiter:innen oder gar Reallohnsenkungen zustimmen.

Es ist daher eine zentrale Aufgabe der Kommunist:innen in diesem Land, im Rahmen unserer Bemühungen zum Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiter:innenbewegung erstens die gesellschaftliche Rolle der gelben Gewerkschaften zu entlarven und zweitens das Bewusstsein in die Massen zu tragen, dass sich in Form der Teuerungen eine enorme Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten der Kapitalist:innenklasse vollzieht. Für die Erfüllung dieser Aufgabe bieten auch die genannten Streikkämpfe eine Möglichkeit, obwohl sie unter Führung der gelben Gewerkschaften stehen.

Die Teuerungen haben nicht mit dem Wiederauflammen des Ukraine-Krieges begonnen. Ebenso ist es nicht etwa nur ausländisches Kapital, das die enormen Extraprofite und Spekulationsgewinne, die in diesem Rahmen entstanden sind, eingestrichen hat. Gerade das deutsche Kapital verdient massiv mit an den aktuellen historischen Preissteigerungen.

Ausblick

Eine Beruhigung der wirtschaftlichen Turbulenzen deutet sich vor dem Hintergrund dieser Situation nicht an. Ganz im Gegenteil: An den verketteten Bankenpleiten im Frühjahr 2023 lässt sich klar ablesen, wie instabil selbst der momentane Stand einer wirtschaftlichen Stagnation ist.

Im Zuge dieser Krise werden sowohl Verwertungsschwierigkeiten des Kapitals insbesondere im Bereich der Tech- und Internetbranche sichtbar als auch das Platzen von Spekulationsblasen in diesem Bereich.

Es erscheint daher als wahrscheinliches Szenario, dass ein neuer tieferer wirtschaftlicher Kriseneinbruch bevorsteht, bevor die Weltwirtschaft die Folgen der im Jahr 2019 begonnen Wirtschaftskrise überwunden hat.

Internationale Lage

Die aus Sicht des deutschen Imperialismus bedeutendste Veränderung in den letzten Jahren besteht sicherlich im Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Eskalation eines seit langem schwelenden Brandherdes der imperialistischen Widersprüche markiert den Eintritt der Weltpolitik in eine neue Phase: Die direkte Vorbereitung auf einen dritten großen Krieg zur Neuaufteilung der Welt.

Das Wesen des Krieges in der Ukraine kommt immer deutlicher zum Ausdruck. Es handelt sich um einen imperialistischen Stellvertreterkrieg zwischen Russland und den verschiedenen imperialistischen Ländern der NATO, in dem es keine gerechte Seite gibt. Die ukrainischen und russischen Arbeiter:innen und Bäuer:innen zahlen den Blutzoll für das Ringen der Imperialisten um die Kontrolle über ein Land, das im Hinblick auf eine direkte militärische Konfrontation für beide Seiten von enormen Wert ist.

Für den deutschen Imperialismus bedeutet dies zugleich den Endpunkt eines jahrzehntelangen Erfolgsmodells. Dieses bestand darin, sich im außenpolitischen und militärischen Windschatten der USA zur dominanten wirtschaftlichen und politischen Macht in Europa zu entwickeln, dabei aber zugleich möglichst für ihn vorteilhafte wirtschaftliche Beziehungen zu anderen imperialistischen Räubern wie Russland oder China zu suchen.

Vor diesem Hintergrund ist der deutsche Imperialismus nun vor die Situation gestellt, dass er militärische und politische Defizite möglichst schnell überwinden muss, um in die Lage zu kommen, an einem solchen Verteilungskrieg erfolgreich teilzunehmen. Gelingt dies nicht, droht der dauerhafte Abstieg auf den Rang einer imperialistischen Macht ohne eigenständige geostrategische Handlungsfähigkeit.

Es zeigt sich jedoch ebenfalls anhand dieses Krieges, wie groß die Hindernisse für den deutschen Imperialismus dabei sind. Während Russland sich immerhin auf eine kontinuierlich laufende Rüstungsproduktion bei der Kriegsführung stützen kann, müssen die europäischen NATO-Länder Panzer und Luftabwehrraketen einzeln zusammenkratzen, um einen Zusammenbruch der ukrainischen Front zu verhindern.

Die dominante Rolle des Krieges in der Ukraine in den deutschen Medien darf aber nicht den Blick dafür trüben, dass dies nur ein imperialistischer Konfliktherd unter vielen ist. Aus Sicht des mächtigsten imperialistischen Landes der Welt, den USA, und seines imperialistischen Hauptkonkurrenten China im Kampf um die Weltwirtschaft steht das jeweils andere Land im Zentrum der Aufmerksamkeit. Deshalb mehren sich die Stimmen aus den imperialistischen Stäben und Denkfabriken, die offen von einem Krieg zwischen China und den USA um Taiwan in den nächsten Jahren ausgehen.

So sind auch die Initiativen sowohl aus den USA als auch aus China für ein zwischenzeitliches Einfrieren der Front in der Ukraine zu erklären. Zugleich ist eine dauerhafte Lösung des Konflikts um die Ukraine vor dem Hintergrund der zugespitzten Widersprüche undenkbar. Denn aus Sicht der NATO dient dieser Krieg dazu, eine der nach wie vor größten Atommächte der Welt dauerhaft zu schwächen, besonders auch in Hinblick auf einen möglichen Dritten Weltkrieg. Aus Sicht des russischem Imperialismus geht es darum, den voraussichtlichen Feind in eben einem solchen großen imperialistischen Krieg weit genug von den eigenen Industriezentren fernzuhalten, um eine realistische Chance auf die Verteidigung des eigenen Territoriums zu haben. Nicht nur der Zugang zum Schwarzen Meer rund um die Krimhalbinsel sondern auch andere Regionen spielen dafür aus Sicht des russischen Imperialismus eine wesentliche Rolle. So stehen sich zum Beispiel in der Balkanregion auch die Interessen des russischen und deutschen Imperialismus unmittelbar gegenüber.

Gerade in den abhängigen Ländern der Welt vollziehen sich die politischen und wirtschaftlichen Folgen der hier dargelegten Krisen und Zuspitzungen in der Weltlage mitunter in deutlich dramatischerer Form. So hat der sprunghafte Anstieg von Energie- und Getreidepreisen Millionen Menschen in einen direkten Kampf ums Überleben gestürzt. Noch verschärft wird die Lage in vielen abhängigen Ländern durch Dürrewellen, Überschwemmungen und andere, durch den kapitalistischen Raubbau an der Natur hervorgerufene Katastrophen.

Gerade in Südamerika, Afrika und Westasien ist es vor diesem Hintergrund zu zahlreichen Protestbewegungen bis hin zu Aufständen gekommen. Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass sich in diesen Kämpfen Hungerrevolten mit politischen Fragen verbanden. So nahmen beispielsweise im Iran die Kämpfe gegen patriarchale Gewalt und Unterdrückung die Rolle eines Zündfunkens für einen Aufstand ein, in dem sich zahlreiche gesellschaftliche Widersprüche entluden und der das iranische Regime in ernsthafte Gefahr brachte.

Innenpolitische Entwicklungen in Deutschland

Obwohl die momentane massive Zuspitzung des imperialistischen Konkurrenzkampfes nicht den Interessen und Fähigkeiten des deutschen Imperialismus entspricht, bedeutet dies nicht, dass dieser innenpolitisch Angriffe auf die Arbeiter:innenklasse und Bemühungen zur Militarisierung des Landes verhältnismäßig langsam oder vorsichtig durchführen würde.

Stattdessen macht diese Zuspitzung ein – gerade für deutsche Verhältnisse – ungewohnt rasches Verschieben der Stimmung und politischen Kultur für den deutschen Imperialismus notwendig. Vorangetrieben wird diese zunehmend durch eine sich als progressiv und modern ausgebende Koalition grüner und sozialdemokratischer Elemente der politischen Landschaft.

Ihre logische Ergänzung findet diese Tendenz darin, dass schon seit dem im Zuge der Corona-Pandemie verhängten Ausnahmezustand, jeder deutlich wahrnehmbare Widerspruch gegen die Maßnahmen des deutschen Staates mit dem Stigma überzogen wurde, aus den reaktionärsten oder sogar faschistischen Kreisen in Deutschland zu stammen. In diesem Sinne werden heute selbst harmlose bürgerliche Pazifist:innen, die es wagen, ihre Verurteilung der russischen Invasion in der Ukraine durch den Wunsch nach baldigen Verhandlungen zu ergänzen, zu „Putin-Freunden“ erklärt, um sie politisch zu isolieren.

Große Teil der politischen Widerstandsbewegung haben sowohl in der Pandemie als auch im Angesicht des Ukraine-Krieges gerade vor diesem politischen Druck kapituliert und sind zu linken Feigenblättern der imperialistischen Politik geworden.

Auf dieser Basis wird sowohl die innere als auch die äußere Militarisierung vorangetrieben. So wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Gesetzesverschärfungen durchgesetzt, die den rechtlichen Spielraum der Repressionsbehörden massiv erweitern beziehungsweise die Freiheitsrechte wie zum Beispiel das Versammlungsrecht für die Bevölkerung stark beschneiden. Auch die Verbote von kommunistischen Symbolen vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs sind in diesen Zusammenhang einzuordnen.

Die Kriegsvorbereitung vollzieht sich nicht nur durch eine stark beschleunigte Umsetzung von Aufrüstungsprojekten, die schon seit langem geplant waren, sondern auch in Form eines dauerhaften Propagandafeuerwerks, um die Arbeiter:innenklasse zunächst anhand der Ukraine kriegswillig zu machen.

Allerdings sind die Bemühungen des deutschen Imperialismus bisher nur begrenzt von Erfolgen gekrönt. Ganz anders als die große Einmütigkeit im bürgerlichen Politikbetrieb und Medien vermuten lässt, ist ein großer Teil der Bevölkerung bisher weder für das Märchen eines kollektiven Verzichts auf warmes Wasser und Heizung für die Freiheit der Ukraine zu gewinnen noch von einer Wiedereinführung der Wehrpflicht zu überzeugen.

Auf die Zeitenwende der Herrschenden mit revolutionären Klassenkämpfen reagieren

Wir erleben eine deutliche Beschleunigung und Verdichtung von Veränderungsprozessen im Imperialismus, die wiederum Ausdruck der tiefen Widersprüche sind, die dieses morsche Gesellschaftssystem prägen.

Der deutsche Bundeskanzler hat hierfür den Begriff der „Zeitenwende“ geprägt. In der Tat können wir feststellen, dass neue Zeiten anbrechen. Die Phase einer vergleichsweise ruhigen und scheinbar friedlichen Entwicklung in imperialistischen Zentren wie Deutschland ist zu Ende.

Ob wir die Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter:innenklasse, die Verschärfung der Klassenkämpfe in anderen Ländern oder die Kriegsvorbereitungen der Imperialisten betrachten, klar ist: Wenn die Arbeiter:innenklasse sich nicht widerstandslos zur imperialistischen Schlachtbank führen lassen will, muss sie durch den Aufbau eigener Kampforganisationen bis hin zur Kommunistischen Partei bewaffnet werden. In diesem Sinne gilt es, auf die Zeitenwende der Herrschenden mit einer Zeitenwende des Proletariats zu antworten.

Das aber ist nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch eine konkrete Möglichkeit, die in der momentanen Situation besteht. Denn aus der zugespitzten objektiven Lage ergibt sich auch die Möglichkeit von besonders großen und schnellen subjektiven Schritten nach vorne. So erleiden reformistische Kräfte im Angesicht der aktuellen Lage offensichtlichen Schiffsbruch und erleben weitere Rückschritte in ihrer Fähigkeit, Teile der Arbeiter:innenklasse an sich zu binden.

Ebenso bekommen immer größere Teile der Arbeiter:innenklasse ganz konkret selbst zu spüren, dass es für sie weder ökonomisch noch auf anderen Ebenen eine sichere Zukunft in diesem System geben kann. Nicht zuletzt muss es darum gehen, aus der weit verbreiteten Skepsis der Arbeiter:innen gegenüber den laufenden Kriegsvorbereitungen der Imperialisten revolutionäre Klassenkämpfe gegen die Imperialisten zu entwickeln.

Denn die Frage, vor die uns die kommende Zeit stellt, ist klar: Imperialistischer Krieg oder revolutionärer Bürgerkrieg? Sozialismus oder Barbarei?