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Aus der weißen Fabrik – Interview mit zwei KrankenpflegerInnen

Als Kommunistischer Aufbau sind wir auf die kürzlich gegründete ‚Initiative Kämpferische Pflege‘ (IKP) aufmerksam geworden. Dabei handelt es sich um einen klassenkämpferischen Organisierungsansatz von Pflegerinnen und Pflegern aus verschiedenen Arbeitsbereichen und Krankenhäusern. Wir drucken in dieser Ausgabe ein Interview der IKP mit zwei KollegInnen aus dem Krankenhaus ab, sowie einen kapitalismuskritischen Artikel dieser Initiative. Bitte sendet Rückmeldungen direkt an die Initiative unter organisierte.pflege@gmx.de

 

IKP: Hallo ihr beiden, stellt euch doch doch mal bitte kurz vor.

Onur: Hallo, ich heiße Onur und bin 21 Jahre alt. Ich mache derzeit meine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger in einer Uniklinik.

Inga: Hallo, ich heiße Inga, ich bin 39 Jahre alt und arbeite in einem städtischen Klinikum.

IKP: Warum habt ihr euch für die Krankenpflege entschieden? Was habt ihr von dem Beruf erwartet?

Onur: Ich habe vorher viele verschiedene Praktika und Minijobs gemacht, die mir alle mehr oder weniger sinnlos erschienen. Die Pflege schien mir die sinnvollste Alternative zu sein. Der Job ist zwar anstrengend, aber immerhin hat er eine positive menschliche Komponente. Doch nach einem halben Jahr begann mein Bild des Pflegeberufs zu bröckeln und jetzt, nach ca. einem Jahr bin ich schon ziemlich desillusioniert.

Inga: Ich hatte schon immer das Bedürfnis, Menschen zu helfen. Ein Bürojob oder eine Ausbildung in der Industrie kam für mich nie in Frage. Deshalb habe ich mich dann auch für eine Ausbildung in der Krankenpflege entschieden. Heute sehe ich viele Ding anders als zu Beginn meiner Ausbildung, aber im großen und ganzen ist meine Motivation geblieben.

IKP: Vielleicht könnt ihr für unsere Leser mal kurz beschrieben, wie so ein typischer Arbeitstag für euch aussieht.

Inga: Der Frühdienst beginnt um 06:15 Uhr mit der Übergabe, das heißt, der Nachtdienst erzählt was zu den einzelnen Patienten und was in der Nacht so passiert ist. Hier gibt es dann meistens schon die erste böse Überraschung, weil sich KollegInnen über Nacht krankgemeldet haben und kurzfristig kein Ersatz besorgt werden konnte. Das ist ja auch kein Wunder, denn die Stellen sind so knapp kalkuliert, dass es einfach so gut wie keine Kapazitäten gibt um zusätzliche Ausfälle aufzufangen. Es sind ja auch immer Stellen nicht besetzt, weil beispielsweise keine Schwangerschaftsvertretungen da sind. Und das die Kollegen, die gerade vielleicht zwölf Tage Dienst am Stück hinter sich und dazu noch einen Berg voll Überstunden angesammelt haben, dann nicht noch an einem ihrer wenigen freien Tage arbeiten kommen, kann ich auch verstehen. Dann teilen wir die Patienten untereinander auf, trinken, wenn es die Zeit zulässt, noch schnell einen Kaffee und dann geht es los. Als erstes kontrollieren wir die Medikamente für die Patienten, machen die Infusionen und Spritzen bereit und starten dann unseren ersten Rundgang, in dem wir die Patienten begrüßen, Medikamente verabreichen und die Vitalzeichen, also Blutdruck, Puls und Temperatur kontrollieren. Das nimmt schon einiges an Zeit in Anspruch, denn in den seltensten Fällen läuft alles nach Plan und ich muss auf Unregelmäßigkeiten wie einen stark erhöhten Blutdruck bei einer Patientin oder ähnliches reagieren. Wenn ich mit dem Rundgang fertig bin, meistens so gegen 9 Uhr, fange ich mit der Körperpflege meiner Patienten an. Oft schaffe ich dann erst mal nur einen Patienten, bevor die Ärzte mit ihrer Visite beginnen, bei der ich anwesend sein soll, obwohl ich eigentlich keine Zeit dafür habe. Zwischendrin werden dann auch immer wieder Patienten zu Untersuchungen oder Therapien abgerufen, was meine Planung dann natürlich gehörig durcheinander bringt. Und die Patienten haben natürlich auch zwischendrin Bedürfnisse, auf die ich reagieren muss, wie Toilettengänge oder ähnliches. Wenn dann noch irgendetwas größeres passiert, ein Notfall oder so etwas, dann kann ich manche Patienten nicht versorgen. Wenn ich dann doch alle Patienten versorgt habe, ist es meist schon 12 Uhr, also Zeit für meine Mittagsrunde, wo ich dann wieder Medikamente verteile und die Patienten bei der Nahrungsaufnahme unterstütze. Viele meiner Patienten können nicht alleine Essen, also muss ich ihnen oft das Essen anreichen, was ebenfalls wahnsinnig viel Zeit in Anspruch nimmt. Dann ist es oft schon bald Zeit für die Übergabe an den Spätdienst und danach muss ich noch dokumentieren, was in meinem Dienst so passiert ist und welche Pflegemaßnahmen ich durchgeführt habe. So schaffe ich es selten pünktlich um 14:30 Uhr Feierabend zu machen.

Onur: Für mich beginnt der Tag auch mit der Übergabe, an der ich eigentlich auch teilnehmen sollte, immerhin sind für mich viele Krankheitsbilder und Fachbegriffe noch neu. Aber im Normalfall muss ich nach fünf Minuten schon das erste Mal loslaufen, weil sich die ersten Patienten melden und Hilfe brauchen.

Da bekomme ich natürlich nicht besonders viel von der Übergabe mit, aber das wird von den examinierten Pflegekräften von mir erwartet. Während die examinierten PflegerInnen ihre Rundgänge vorbereiten, werde ich dann meistens schon zu den ersten Patienten geschickt um diese zu versorgen. Natürlich weiß ich generell wie das geht, aber trotzdem bin ich oft unsicher, was bestimmte Tätigkeiten angeht. Aber dass ich mal mit einer examinierten Kollegin zusammen Patienten versorge und dabei angeleitet werde kommt eher selten vor. Ich bin mir sicher, dass ich schon öfter gravierende Fehler gemacht habe und auch einige Male Glück gehabt habe, dass nichts passiert ist. Zum Beispiel habe ich mal einen Patienten zur Toilette mobilisiert, der nicht richtig laufen konnte und der dabei beinahe gestürzt wäre.

Generell werden wir auf den Stationen eher als Hilfskräfte bzw. zusätzliche Kräfte gesehen und weniger als Lernende. Die Zeit mal Fragen zu stellen oder sich bestimmte Dinge genauer erklären zu lassen, gibt es fast nie bzw. wird mir das Gefühl vermittelt, dass Fragen stellen jetzt nicht angebracht wäre.

IKP: Das klingt ja nicht sehr gut. Könnt ihr denn euren Aufgaben da gewissenhaft nachkommen?

Inga: Naja, laut den Richtlinien sind alleine für die Grundwaschung eines Patienten 45 Minuten veranschlagt. Bei acht Patienten wären das alleine 6 Stunden. In der Realität habe ich selten mehr als 15 Minuten Zeit für die Versorgung eines Patienten. Oft bleibt auch nur die Zeit für eine kurze Katzenwäsche, also Gesicht, unter den Armen und Intimbereich. Das bedeutet aber auch, wenn ich innerhalb dieses Zeitrahmens bleiben will, muss ich die komplette Pflege übernehmen, egal ob der Patient einige Dinge selbst übernehmen könnte. Das bedeutet natürlich eine krasse Entmündigung des Patienten und eine absolut würdelose Situation und dazu noch eine absolut kontraproduktive Behandlung, da der Patient so natürlich nicht in seinen Ressourcen gefördert wird. Aber anders schaffe ich es nicht, alle zumindest ansatzweise zu versorgen.

Nehmen wir zu den 6 Stunden Körperpflege noch 1 Stunde alleine für die korrekte Händedesinfektion, 1 Stunde für die Dokumentation und 2-3 weitere Stunden für Tätigkeiten wie Essen anreichen, Tabletten stellen und verteilen und Untersuchungen vorbereiten wird klar, dass das innerhalb eines 8-Stunden Tages unmöglich zu erreichen ist. Dass da zwangsweise einiges auf der Strecke bleibt, ist klar. Zeit mit dem Patienten zu sprechen, der in einer emotional extrem belastenden Situation ist und dringend Gesprächsbedarf hätte, bleibt natürlich auch so gut wie gar nicht.

Onur: Für mich heißt das vor Allem, dass ich kaum Zeit habe, während der Arbeit angeleitet zu werden und zu lernen. Damit reproduziere ich natürlich meine Fehler, weil keine Kontrolle stattfindet. Ich wurde auch schon öfter angemault, weil ich länger als 15 Minuten für die Pflege gebraucht habe, die Zeit wäre nicht da. So bekomme ich von Anfang an schon den Zeitdruck eingebläut.

IKP: Im Jahr 2015hat Verdi ja eine Kampagne mit dem Titel „Wir sind mehr Wert“ gestartet und wir konnten lesen, dass vielerorts PflegerInnen für mehr gesellschaftliche Anerkennung gekämpft haben. Trifft das eurer Meinung nach das Problem?

Inga: Naja, Anerkennung bekomme ich eine ganze Menge. Mir wird dauernd mitleidig auf die Schulter geklopft und gesagt, wie toll das doch sein, das ich gerade diesen Job mache, obwohl er so schwer und schlecht bezahlt sei. Aber dafür kann ich mir auch nichts kaufen, das repariert nicht meinen kaputten Rücken und sorgt auch nicht dafür, dass am Monatsende mehr Geld auf meinem Konto ist. Ebenso wenig verhindert es, dass ich meine Freunde und Familie kaum noch sehe, weil ich dauernd Wochenend- und Feiertagsschichten habe oder sorgt dafür, dass ich trotz meines durch die dauernden Schichtwechsel völlig zerstörten Biorhythmus vernünftig schlafen kann.

IKP: Wie begegnen euch denn die Patienten?

Inga: Die meisten sind natürlich sehr dankbar, sie befinden sich ja auch in einem krassen Abhängigkeitsverhältnis uns gegenüber. Den meisten fehlt ja das Wissen um die Dinge zu beurteilen, die wir mit ihnen veranstalten und sie müssen uns blind vertrauen. Auch sind sie meistens sehr verständnisvoll, wenn wir mal wieder wenig Zeit haben. Das gilt vor Allem für schwer pflegebedürftige Patienten, die aber auch am Meisten unter dem derzeitigen System zu leiden haben. Wenn sie keine Angehörige haben, die sich um sie sorgen, sind sie diesem unmenschlichen System völlig ausgeliefert und bleiben auf der Strecke. Wer fit ist und sich wehren kann hat Glück. Klar trifft das dann auch oft uns, aber da habe ich Verständnis für, auch wenn ich da meistens nicht die Schuld habe, sondern das System wie es ist, aber ich bin immerhin die direkte Ansprechpartnerin für die Patienten.

IKP: Wie ist das mit Privatpatienten? Gibt es da einen Unterschied in eurer Herangehensweise?

Onur: Viele Privatpatienten sehen uns immer mehr als Dienstleister. Nach dem Motto: „Ich zahle dafür, also mach was ich sage.“ Da herrscht wenig Verständnis für die Lage der Pflege. Man sieht auch deutlich, wie diese Patienten innerhalb des Systems bevorzugt werden. Wenn da irgendwas nicht klappt, gibt’s direkt Ärger vom Chef persönlich. Sie bekommen innerhalb von ein paar Tagen Untersuchungen, die ein Kassenpatient erst nach Wochen bekommen würde und dann auch nur ein Bruchteil davon.

Ich habe natürlich den Anspruch an mich, alle Patienten gleich zu behandeln, aber wenn ein Privatpatient was will, dann geht das natürlich vor, da kann ich nicht viel gegen tun. Da gibt’s halt direkt Druck von ganz oben.

IKP: Wie geht ihr denn mit dieser Situation um, wie ist die Stimmung unter den KollegInnen?

Inga: So traurig es ist, ich habe mich sehr schnell dran gewöhnen müssen, dass ich unmöglich meine Arbeit so erledigen kann, wie es sein sollte und so geht es auch den meisten KollegInnen. Man muss leider feststellen, die meisten haben resigniert und machen ihre Arbeit eben so gut es geht. Viele kündigen auch sehr schnell wieder, wir haben eine unheimliche Fluktuation was unser Team angeht, weil viele es einfach nicht lange aushalten. Es gibt natürlich eine Menge Unmut, alle regen sich andauernd über die Situation auf der Arbeit auf, aber den meisten fehlt dann schlussendlich die Energie, was zu ändern. Mehr als mal eine Überlastungsanzeige beim Personalrat, wenn es mal besonders schlimm ist, gibt es eigentlich nie. Oft richtet sich die Wut dann auch gegen Leute, die da eigentlich gar nichts für können, zum Beispiel andere KollegInnen, Servicekräfte oder auch PatientInnen. Da kommen dann so Aussagen wie „Na toll, Frau Maier klingelt ja schon wieder, die ist ja richtig nervig“ obwohl die Frau extrem eingeschränkt und auf Hilfe angewiesen ist, oder „War ja klar das XY mal wieder krank ist, das geht ja gar nicht.“ obwohl die Kollegin oder der Kollege vielleicht einfach nur der dauernden Belastung auf der Arbeit nicht mehr gewachsen ist. Wenn man teilweise zehn oder zwölf Dienste am Stück arbeiten muss und das dann auch noch mit wechselnden Schichten und dann an seinen paar freien Tagen auch noch angerufen wird, ob man arbeiten kommen kann, ist es halt kein Wunder, dass man sich nicht richtig regenerieren kann und krank wird.

Interessanterweise ist den Leuten schon sehr klar, dass die Ursache für die Probleme im Kapitalismus und in der daraus folgenden Ökonomisierung des medizinischen Sektors liegt. Aber aus irgendeinem Grund kommen sie dann doch nicht auf die richtigen Schlussfolgerungen und ziehen sich schnell wieder auf die Positionen der Führungsebene zurück. So regen sie sich dann beispielsweise über den immer größer werdenden Dokumentationsaufwand auf, aber verteidigen dies am Ende dann doch, weil von den zusätzlichen Geldern, die dadurch erwirtschaftet werden, ja Aushilfen bezahlt würden. Aber sie übersehen dabei völlig, dass es mit einem vernünftigen Stellenschlüssel gar nicht nötig wäre, diese Aushilfen zu beschäftigen. Oder es wird sich über schlechtes Arbeitsmaterial aufgeregt, aber am Ende dann doch gesagt, dass die teuren Sachen ja nur unnötig Geld kosten würden und wir es ja selber Schuld seien, wenn wir nicht achtsam mit den Dingen umgingen.

Also schlussendlich wird uns ins Gesicht gesagt, dass wir mehr leisten müssen, es unsere Aufgabe sei dafür zu sorgen, dass der Stationsbetrieb aufrechtgehalten werden kann.

IKP: Welche Rolle spielen denn die Gewerkschaften im Krankenhaus, bzw. in der Pflege?

Inga: So gut wie keine. Die wenigsten meiner KollegInnen sind gewerkschaftlich organisiert und haben auch kein Interesse daran, weil von den Gewerkschaften ja eh nicht viel kommt. Alle paar Jahre gibt es mal eine plakative Aktion, wo um ein paar Prozent mehr Lohn verhandelt wird, aber das Kernproblem wird völlig ignoriert.

Und wirksam sind die Aktionen der Gewerkschaften durch die engen Absprachen mit der Klinikleitung sowieso nicht. Ein Streik, bei dem eine Notbesetzung gewährleistet werden muss, übt halt keinen Druck auf die Führung aus, da der Betrieb ja weiterläuft. Diejenigen, die davon betroffen sind, sind halt nur die PatientInnen und die KollegInnen, die gezwungen sind währenddessen zu arbeiten. Das wird natürlich ausgenutzt und an das moralische Empfinden der KollegInnen appelliert, weshalb sich auch die wenigsten an den seltenen Streiks beteiligen. Man will ja die Kollegen nicht hängen lassen usw. Das ist im Übrigen auch der Grund, warum sich viele meiner KollegInnen krank zur Arbeit schleppen.

Den meisten ist zwar bewusst, wenn man sie drauf anspricht, dass dieses Verhalten auf einem falschen Verständnis von Solidarität beruht, aber am Ende erscheinen sie dann doch zum Dienst.

Onur: Ich bin zu Anfang meiner Ausbildung in die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) eingetreten, weil ich es wichtig finde, zumindest im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten ein Mitspracherecht zu haben. Als ich mit meiner Ausbildung angefangen habe, gab es gerade einige für mich damals recht eindrucksvolle Streikaktionen von Verdi, an denen sich auch viele meiner Mitazubis beteiligt haben, auch weil es um Verbesserungen für uns Azubis ging. Verdi hat uns damals gelockt bei ihnen einzutreten und es so dargestellt, als wäre das eine notwendige Voraussetzung um Jugendvertretungsarbeit zu machen. Einige Zeit später ist mir dann erst klar geworden, dass das schlicht gelogen war. Am Anfang war ich auch sehr begeistert vom Engagement meiner Mitazubis, aber das hat dann auch schnell nachgelassen, nach dem die gemerkt haben, dass hinter den Aktionen von Verdi nicht viel steht. Am Ende waren es dann neben mir noch ein oder zwei Leute, die wirklich aktiv sind.
Im Rahmen der JAV-Tätigkeit versuchen wir schon regelmäßig die Interessen der Auzbis auch mal mit radikaleren Forderungen zu vertreten, allerdings stoßen wir dabei meistens auf ziemlichen Widerstand. Die Grundhaltung der Gewerkschaften scheint eher zu sein, sich mit der Klinikleitung zu verständigen, anstatt legitime Forderungen an sie heran zu tragen. Auch wird unsere JAV-Arbeit nur bedingt unterstützt. Wir haben zum Beispiel mal gefordert, unseren Urlaub, der uns bisher fest vorgegeben ist, zumindest teilweise selber planen zu können. Das stieß von Seiten des Personalrats und Verdi erstmal auf totale Ablehnung, bzw. es wurde gesagt, dass das auf keinen Fall ginge. Als wir dann deutlich gemacht haben, dass wir im Falle einer Ablehnung Aktionen starten werden und ein Nein von Seiten der Klinikleitung nicht hinnehmen, wurde uns mehr oder weniger ein Maulkorb verpasst, mit der Begründung „Wir wollen uns ja nicht mit dem Arbeitgeber zerstreiten.“ Das ist schon frustrierend, aber spiegelt leider auch deutlich die Herangehensweise von Verdi und co. wieder. Auch wird immer wieder klar, dass unsere Arbeit nicht als notwendig, sondern eher als „goodie“ verstanden wird, welches nur unnötig Geld kostet. So weigert sich der Personalrat zum Beispiel, die Kosten für unsere Seminare vollständig zu übernehmen, mit der Begründung, das sei unwirtschaftlich. So können wir nicht alle an Seminaren teilnehmen, die nötige Grundlagen für unsere Arbeit schaffen würden, weil es im Endeffekt der Klinik zu teuer ist.

IKP: Was wären denn eurer Meinung nach die korrekten Forderungen und wie können die KollegInnen organisiert werden, um diese auch zu erreichen?

Inga: Die Hauptforderung muss die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen sein. Das bedeutet konkret ein aufgestockter Personalschlüssel in Verhältnis zur Anzahl der zu betreuenden PatientInnen und ein verbesserter Freizeitausgleich, das heißt die Senkung der Gesamtarbeitstunden bei gleichem Lohn. Es heißt immer, es seinen nicht genug Fachkräfte vorhanden. Die konkrete Lösung dafür wäre dann aber doch, das Berufsfeld attraktiver zu gestalten, beispielsweise durch Erhöhung der Löhne mindestens auf Industrieniveau.

Außerdem gilt es, die fortschreitende Privatisierung der Krankenhäuser zu bekämpfen. Eine medizinische Einrichtung kann und darf nicht wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden, denn dies geht immer auf Kosten des Personals und der PatientInnen. Es wird an den falschen Stellen eingespart und Klassenmedizin gefördert. Niemandem darf auf Grund von finanziellen Interessen der Zugang zu notwendiger medizinischer Behandlung eingeschränkt werden.

Onur: Mit einer verbesserten Personalsituation wäre auch gewährleistet, dass wir uns als Auszubildende ausschließlich darauf konzentrieren können, den Beruf zu erlernen, anstatt wie zusätzliche Hilfskräfte behandelt zu werden.

Inga: Wie man die KollegInnen organisieren kann? Nun, wie ich ja schon gesagt habe, die üblichen Kampfform des Streiks funktioniert im Krankenhaus nur sehr bedingt. Wir können die PatientInnen ja nicht hilflos liegenlassen. Also müssen wir neue Kampfformen abseits des klassischen Streiks entwickeln. In der Berliner Charité wurden zum Beispiel auf einigen Stationen einzelne Zimmer bestreikt, was einen gewaltigen Druck auf die Klinikleitung ausgeübt hat. Immerhin bedeutet ein nicht belegtes Zimmer einen riesigen Verdienstausfall für das Klinikum.

Ich denke aber auch, dass es wichtig ist, dass die Auseinandersetzung um die Pflege nicht nur von den Beschäftigten, sondern von der gesamten ArbeiterInnenklasse geführt wird. Schlechte Bedingungen in der Pflege betreffen alle, die nicht das Geld haben sich private medizinische Versorgung leisten zu können. Deshalb müssen wir alle zusammen für bessere Bedingungen in der Pflege und gegen die Ökonomisierung der medizinischen Versorgung kämpfen.

Zuletzt müssen wir uns auch gegen die immer weiter vorangetriebene Spaltung zwischen Pflegenden und Hilfskräften, seinen es Pflegehelfer, Service- oder Reinigungskräfte stellen. Diese Spaltung wird gezielt von den Kapitalisten vorangetrieben, um einerseits ihre Schuld an den schlechten Bedingungen zu verschleiern bzw. die Schuld auf andere Teile unserer Klasse abzuwälzen und andererseits um eine breite Organisation der ArbeiterInnen zu verhindern.
Interview2

Gute Pflege im Kapitalismus?!

Als Kommunistischer Aufbau sind wir auf die kürzlich gegründete ‚Initiative Kämpferische Pflege‘ (IKP) aufmerksam geworden. Dabei handelt es sich um einen klassenkämpferischen Organisierungsansatz von Pflegerinnen und Pflegern aus verschiedenen Arbeitsbereichen und Krankenhäusern. Wir drucken in dieser Ausgabe ein Interview der IKP mit zwei KollegInnen aus dem Krankenhaus ab, sowie einen kapitalismuskritischen Artikel dieser Initiative. Bitte sendet Rückmeldungen direkt an die Initiative unter organisierte.pflege@gmx.de

Die moderne kapitalistische Gesellschaft ist geprägt von einem tiefen Widerspruch zwischen einer zahlenmäßig relativ kleinen Kapitalistenklasse, die die Produktion kontrolliert und in der Machtposition ist, die Arbeitskraft von uns ArbeiterInnen zu kaufen, um davon zu leben und mehr Reichtum anzuhäufen – und der ArbeiterInnenklasse, die den gesellschaftlichen Reichtum schafft,. Diesen Interessensgegensatz finden wir in fast allen aktuellen politischen Fragen und Streitpunkten wieder. In diesem Artikel tragen wir einige Gedanken zum heutigen deutschen Gesundheitssystem zusammen. Das tun wir von einem Klassenstandpunkt aus; also parteiisch vom Standpunkt unserer Klasse, der Arbeiterinnen und Arbeiter.

Das deutsche Gesundheitssystem ist das Ergebnis einerseits der langjährigen Kämpfe der ArbeiterInnenklasse für eine staatliche Gesundheitsversorgung und andererseits dem rationellen Interesse der Kapitalistenklasse, die nicht mehr darauf verzichten kann, dass verletzte/erkrankte Arbeitskräfte zuverlässig wiederhergestellt werden.

In Deutschland konkret macht der Gesundheitssektor (also Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und Pharmakonzerne usw.) mehr als ein Zehntel der Volkswirtschaft aus.1

Das hohe ökonomische Gewicht kommt hier zusammen mit einer hohen Bedeutung für die Gesellschaft insgesamt, denn jedeR ist auf dieses Gesundheitssystem auf die ein oder andere Weise angewiesen. Die Klassenwidersprüche äußern sich in diesem System auf sehr vielfältige Weise.

Eine interessante statistische Größe ist, dass der Frauenanteil in den Pflegeberufen bei 85% liegt.2 Das macht die Pflege zu einem der sogenannten typischen „Frauenberufe“. Bereits in der letzten Ausgabe der Kommunismus wurde ausgeführt, dass gewerkschaftlich durchgesetzt werden konnte, dass Männer und Frauen im exakt gleichen Beruf heute normalerweise nicht mehr unterschiedlich entlohnt werden. Die für den Kapitalismus typische niedrigere Entlohnung von Frauen hat nun andere Formen angenommen, wie zum Beispiel, dass Berufe wie die Krankenpflege deutlich niedriger bezahlt werden als solche in der Industrie.

Wenn wir den Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiter-Frauenbewegung notwendig finden, ist somit die Arbeit im Pflegebereich eine wichtige Aufgabe, um diesem Ziel näher zu kommen.

Seit etwa den 70er Jahren spielt sich hier ein Prozess ab, der sinnbildlich für die Widersprüchlichkeit steht, die der Kapitalismus mit sich bringt. Einerseits steigen durchschnittliche Lebenserwartung und das Rentenalter an. Es ist damit logisch, dass der Bedarf eines funktionierenden Gesundheitssystems, um die ArbeiterInnenklasse arbeitsfähig zu halten ansteigt. Zum anderen geht es auch, wenn ein größtenteils staatlicher Sektor im Spiel ist, unterm Strich immer um die Frage, wie sich der gesellschaftliche Reichtum zwischen zwei großen Lagern, nämlich der ArbeiterInnenklasse und der Kapitalistenklasse, verteilt. Konkret können Ausgaben, die der Staat im Gesundheitswesen für die Versorgung der ArbeiterInnen einspart, auf anderem Wege (z.B. Subventionen) den Kapitalisten zugeführt werden. Das Ergebnis ist ein Prozess, in dem bei steigendem Bedarf, insbesondere der ArbeiterInnenklasse der Zugang zu medizinischer Betreuung eingeschränkt wird. Während auf der anderen Seite ein zunehmender Sektor von „Leistungen für Privatversicherte“ entsteht, der garantiert, dass die Kapitalistenklasse und ihre Angehörigen nicht direkt von ihrer eigenen Kürzungspolitik betroffen sind. Seinen politischen Ausdruck fand dieser Prozess in dem seit 1970 immer nur für einige Jahre unterbrochenen Prozess der sogenannten „Gesundheitsreformen“.

Einige Eckpunkte sind hier die 1977 und seitdem immer weiter gesteigerte Beteiligung der Erkrankten an den Therapiekosten (Medikament-Zuzahlungen, Zahlungen für Krankenhausbesuche etc.). 1993 wurde der Grundstein gelegt für eine Auseinanderentwicklung der Leistungen verschiedener Krankenkassen und somit ein wichtiges Element für die Vertiefung des Systems der Klassenmedizin. 2004 wurde die Praxisgebühr eingeführt und beschlossen, dass erstmals ArbeiterInnen 0,9% höhere Anteile am Krankenkassenbeitrag zahlen müssen als die Kapitalisten. 2011 mit der letzten großen Gesundheitsreform wurden diese Maßnahmen logisch weitergeführt, in dem beschlossen wurde, dass die Krankenkassen zur Deckung ihrer Kosten individuelle Zusatzbeiträge erheben könnten. Auch hier wurde die Tendenz weiter gefördert, dass die Krankenkassen, die höhere Leistungserstattungen anbieten auch höhere Beiträge von den Versicherten fordern.

All das sind nur Ausschnitte. Ein Schritt, der für die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus von besonders hoher Bedeutung war, soll hier aber hervorgehoben werden. Nämlich die Reform der Zuteilung von Krankenhausbudgets ab den 2000er Jahren. Die Finanzierung der Krankenhäuser vor 2003 hing hauptsächlich (80%) von der Verweildauer der PatientInnen ab und wurde durch Zulagen nur ergänzt. 2003 wurde dieses Verhältnis praktisch umgedreht und die sogenannten Fallpauschalen machen nun den Löwenanteil der Erstattung durch die Krankenkassen aus.3 Das erklärte Ziel der Bundesregierung, die Liegedauer der PatientInnen zu verkürzen wurde erreicht. Ökonomisch wird das Krankenhaus dazu gedrängt, PatientInnen so schnell wie möglich zu entlassen und möglichst viele Fälle mit möglichst wenig Material- und Personalkosten zu „behandeln“. Eine häufige Konsequenz sind sogenannte „blutige Entlassungen“, bei denen PatientInnen ohne dass ihre Erkrankung ausgeheilt wäre, entlassen werden. Dies führt zum sogenannten ‚Drehtüreffekt‘, nach dem ,statt einem längeren Krankenhausaufenthalt, viele kleinere Aufenthalte notwendig werden, da diese dann separat abgerechnet werden können. Die bedeutet natürliche einen erhöhten Aufwand und eine zusätzliche Belastung für die PatientInnen.

Seit den 2000ern massiv stärker betrieben wird die Privatisierung von Krankenhäusern. Mit den zockenden Bankern und den angeblich bösen Börsenspekulanten ist ins Alltagsbewusstsein eingedrungen, dass der Kapitalismus Schwierigkeiten hat, noch Investitionsmöglichkeiten zu finden, die ihm ausreichend Profite garantieren und somit zu relativ verzweifelten Mitteln greift. Die Privatisierungen im Gesundheitssektor sind ein anderer Ausdruck dieser Entwicklung. Sie bedeuten vor allem, dass das Privatkapital auch in Sektoren eindringt, die zuvor aus verschiedenen Gründen weniger Profite als andere versprochen hatten. Durch das allgemeine Fallen der Profitrate werden auch diese jetzt im Verhältnis zu anderen Sektoren profitabel.

Wie das Interview mit Onur und Inga gut veranschaulicht, wirkt sich diese Entwicklung auch spürbar auf die Arbeitssituation der PflegerInnen aus. Wir haben uns in dieser Ausgabe aus verschiedene Gründen entschieden, einen genaueren Blick darauf zu werfen. Mit über 1.200.000 Personen ist die Berufsgruppe der PflegerInnen eine der größten in Deutschland4, gleichzeitig gibt es ein sehr weit verbreitetes Bewusstsein darüber, dass die Arbeitsbedingungen nicht hinnehmbar sind und die Arbeit derjenigen, die andere gesund pflegen sollen, sie selber krank macht. Wie aber wirkt sich das auf das politische Bewusstsein und die Kampfbereitschaft der Pflegenden aus?

Eine der wichtigsten Tendenzen der letzten Jahre ist, dass unter dem Deckmantel der Professionalisierung und Modernisierung des Pflegeberufs die Berufsgruppe der PflegerInnen in zwei Lager aufgetrennt werden soll5: einen kleineren Teil von hochqualifizierten medizinischen Experten, auf die auch zunehmend Funktionen der Ärzteschaft abgewälzt werden einerseits und einen größeren Teil, der sich aus niedriger qualifizierten Pflegekräften (z.B. PflegehelferInnen) und neu geschaffenen Berufsgruppen, die überhaupt keinen Pflegeberuf gelernt haben, zusammensetzen soll. Diese zweite Gruppe soll die zeitintensiven Tätigkeiten wie Körperpflege, Essensversorgung und psychische Betreuung abdecken. Für einen deutlich geringeren Lohn, versteht sich.

Vielerorts sind diese „Rationalisierungsmaßnahmen“ mit Outsourcing verbunden worden, also dass zum Teil von den Krankenhäusern selbst gegründete Tochterfirmen Bereiche wie Reinigung oder Patientenservice übernehmen und somit das bisher erkämpfte Lohnniveau in Frage gestellt werden kann.

Dieser Prozess bringt nach dem Willen der Unternehmer mit sich, dass sich die Krankenhaus-ArbeiterInnen in immer kleinere Beschäftigtengruppen aufteilen, die folglich weniger in der Lage sind, ihre Interessen durchzusetzen. Eine schlagkräftige Antwort ist nicht, sich auf dieses Spiel einzulassen und sich von nun an als hochgradig qualifiziferte Pflegekraft und somit etwas besonderes zu fühlen, sondern erstens dieser Aufsplittung entgegenzutreten und sie zweitens zu durchbrechen, wo sie schon durchgesetzt wurde, also immer wieder den Kontakt zu den KollegInnen Pflegehilfen, Servicekräften, Reinigungspersonal usw. suchen.

Wie das Interview mit den beiden PflegerInnen zeigt, ist die Situation im Krankenhaus zunehmend für Beschäftigte wie für Patienten unerträglich. Das ist weitläufig bekannt. Die Frage nach den Ursachen für diese Situation und nach Möglichkeiten von Veränderung sind aber für die meisten viel schwieriger zu beantworten. Meistens werden wahlweise zu unfähige Krankenhausvorstände, korrupte Krankenkassen, gierige Pharmakonzerne oder die mangelnde „Lobby“ der PflegerInnen als Ursache gesehen. All das beschreibt zwar Symptome des Problems, drückt sich aber um die bittere Wahrheit herum: Gute Pflege für alle geht im Kapitalismus auf Dauer nicht. Wie oben erwähnt auch in noch nicht privatisierten Krankenhäusern und Pflegeheimen nicht.

Es bleibt also ein großer Ausweg: Wir müssen uns organisieren und kämpfen – am Ende gegen den Kapitalismus. Aber auch jede uns genommene Errungenschaft, die wir uns auf dem Weg dahin zurückerobern, werden wir gegen den Widerstand der kapitalistischen Politik und Unternehmen durchsetzen müssen.

Niemand kann behaupten, dass die Lage gut ist, aber hoffnungslos ist sie eben auch nicht. Das Gesundheitssystem betrifft die ganze ArbeiterInnenklasse sehr direkt und an potentiellen Verbündeten mangelt es somit nicht.

2Ver.di Broschüre: Allein unter Frauen – Männer in der Pflege

5Ver.di Broschüre : Neue Arbeitsteilung im Gesundheitswesen Interview  51

Terroristen auf Probe?! – PML (RC) für ein Jahr verboten

Die Kurden, Araber, Assyrer, Christen und andere Völker, die im Norden Syriens/Westkurdistan (Rojava) leben, haben im syrischen Krieg ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen und beschlossen, sich durch eine Revolution zu befreien. Seit nunmehr vier Jahren wird dort eine demokratische Selbstverwaltung inmitten der Brutalität des syrischen Stellvertreterkriegs aufgebaut. Die revolutionären Kantone in Afrin, Kobane und Cizire sind vor allem den Angriffen des IS ausgesetzt. Selbst die Regierungen der Großmächte wie USA, Deutschland und Frankreich mussten anerkennen, dass die Revolutionäre von Westkurdistan die einzige verlässliche militärische Kraft der Region im Kampf gegen den IS sind.

Die Rojava-Revolution hat verkündet: Wir kämpfen nicht nur für die Kurden, wir kämpfen für alle Völker. Wir kämpfen nicht nur für uns, wir kämpfen für die Menschlichkeit.

Sie hat die Menschen aus aller Welt aufgerufen, sich der Verteidigung der Revolution in den Reihen der YPG/YPJ (Volksverteidigungs- und Frauenverteidigungseinheiten) anzuschließen. Hunderte sind diesem Ruf gefolgt. Unter ihnen im Jahr 2015 auch zwei junge spanische Kommunisten der Organisation PML (RC)1.

Obwohl der spanische Staat von sich behauptet, ebenfalls gegen den faschistischen Fundamentalismus zu kämpfen, hat er sich entschieden, die beiden Internationalisten bei ihrer Rückkehr im Juni 2015 festzunehmen. Sie wurden nach kurzer Zeit – mit Ausreiseverboten belegt – freigelassen. Aber nun hat sich gezeigt, dass das offenbar nur dazu gedient hat um einen noch stärkeren Angriff auf ihre Organisation und ihre Überzeugung vorzubereiten.

Am 27. Januar 2016 wurden im Rahmen der Organisation Valley zahlreiche Wohnorte spanischer KommunistInnen der PML (RC) durchsucht. Mehrere GenossInnen wurden festgenommen und ins Gefängnis gebracht.

Der PML (RC) wird vorgeworfen, sie sei eine kriminelle Organisation, ihren Mitgliedern wird vorgeworfen, dass sie sich ohne Erlaubnis des spanischen Staates an einem bewaffneten Konflikt beteiligt hätten und die Staatsanwaltschaft stellt die Organisation als spanischen Arm der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) dar.

Die PML (RC) wurde vorläufig befristet auf ein Jahr verboten – genauso wie jegliche Tätigkeiten in ihrem Namen. Den insgesamt vierzehn Beschuldigten drohen Gefängnisstrafen von bis zu vierzehn Jahren.

Für Januar 2017 hat die spanische Justiz eine Entscheidung darüber angekündigt, ob das Verbot aufgehoben wird oder nicht.

Erstens ist es wichtig, diesem massiven Angriff auf die spanischen GenossInnen, der sich zugleich auf den Internationalismus als Tradition der ArbeiterInnenbewegung und die Rojava-Revolution richtet, auch international entgegen zu treten.

Zweitens enthält unserer Einschätzung nach das Vorgehen der spanischen Behörden einige interessante Schachzüge, die es zu analysieren lohnt, weil sie einmal mehr beweisen, dass Repression heute oft viel vielschichtiger als durch Polizeiknüppel und Gefängnismauern läuft.

Deswegen haben wir uns entschieden, dem Thema einen kleinen Artikel zu widmen.

Wie die GenossInnen berichten, gibt es für ihre Solidaritätskampagne „Detenidos27E“ (27. Januar Gefangene) viel Unterstützung aus den Massen und auch die spanische Presse hat sich offenbar in vielen Fällen auf die Seite der GenossInnen geschlagen. Diese Situation stellt eine Chance für die Kommunisten dar, sich sprunghaft breiteren Teilen der verarmten ArbeiterInnenklasse bekannt zu machen und neue Kräfte anzuziehen. Wir gehen davon aus, dass diese Reaktion auch der Grund ist, aus dem vorläufig alle Mitglieder der PML (RC) wieder frei gekommen sind, da die spanische Konterrevolution Wege finden musste, das Thema etwas herunterzukochen. Zuletzt ist auch Roberto Vaquero, Generalsekretär der PML (RC), freigekommen. Er wurde aufgrund der zusätzlichen fingierten Beschuldigung, er habe illegalen Sprengstoff besessen, mehr als zwei Monate festgehalten.

Isolationsähnliche Haftbedingungen und „zufällige“ unbeobachtete Begegnungen mit islamischen Fundamentalisten im Gefängnis zeugen davon, dass es sich offenbar, um einen (erfolglosen) Versuch handelt, den Genossen zu brechen.

Aufgrund der offensichtlichen Widersprüche im spanischen Staatsapparat schätzen es die GenossInnen momentan als am wahrscheinlichsten ein, dass ihre Organisation im Januar 2017 wieder legalisiert wird. Andererseits ist das Vorgehen, eine Organisation „befristet“ für kriminell beziehungsweise zum spanischen Arm der PKK zu erklären an sich reichlich absurd. Entweder der Staat sieht eine Organisation als kriminell an oder …? Er sagt: “Es wird sich zeigen, ob ihr Kriminelle bleiben wollt.“ Ein Schuh wird also daraus, wenn wir diesen Schritt als Warnschuss des spanischen Staats verstehen. Der Staat hat aufgezeigt, dass er, wenn er will, Zugriff auf führende GenossInnen der PML(RC) hat und zugleich sofort den Weg aufgezeigt, um doch nicht dauerhaft die Legalität einzubüßen. Es geht darum zu vermitteln: „Stellt eure Solidarität mit Rojava und eine allzu radikale revolutionäre Politik ein und wir drücken nochmal ein Auge zu.“

Hier wird geschickt auf Widersprüche abgezielt, in der jede neue sich rasch entwickelnde Organisation objektiv steckt, um diese zu zersetzen bzw. zum Rückzug zu zwingen.

Nach vierzig Jahren Faschismus hat sich die Bourgeoisie in Spanien entschieden, wieder eine bürgerliche Demokratie zu installieren. Diese hat nicht erst einmal bewiesen, dass Kommunisten und Revolutionäre sich auf sie ebenso wenig verlassen können wie auf irgendeine andere bürgerliche Demokratie. Somit gilt es, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten – einschließlich dem Fall, dass im Januar 2017 „neue Beweise“ auftauchen und aus der „Illegalisierung auf Zeit“ eine dauerhafte Illegalisierung wird.

Die Verfahren werden sich über etwa zwei Jahre ziehen und die Kosten sind enorm. Zeigt eure Solidarität gegen ihre Repression und spendet. Übt praktische Solidarität und fordert in euren Aktionen die sofortige Einstellung aller Verfahren gegen die InternationalistInnen!

Spendenkonto

IBAN: ES57 3035 0393 09 3930010253

detenidos27e.wordpress.com (Spanisch)

1Marxistisch-Leninistische Partei (Kommunistischer Wiederaufbau)

Erschienen in Kommunismus #6 08/2016 spain2

Kommunistische Einheit erkämpft! – Interview mit der neu gegründeten tunesischen ‚PPDS Watad‘ über ihren Einheitsprozess

Vorwort

Im Jahr 2016 befindet sich die Internationale Kommunistische Bewegung noch immer in einem historischen Tief und ist geprägt von Zersplitterung und ideologischer Zerfahrenheit.

Am 27/28. Februar 2016 haben jedoch fünf tunesische Organisationen, die sich auf den Marxismus-Leninismus beziehen, mit dieser negativen „Tradition“ gebrochen und sich in der Parti Patriotic Demokratique Socialiste – Watad (PPDS Watad) vereinigt.

Der Kommunistische Aufbau konnte sich an der Eröffnung des Vereinigungsparteitags beteiligen und in bilateralen Kontakt mit der vereinigten Partei und den verschiedenen weiteren anwesenden Organisationen kommen.

Unserem Eindruck nach vereinigt die Partei in ihren Reihen sowohl Erfahrung als auch revolutionäre Energie. Zum einen entspringen viele der sich vereinigenden Organisationen und beteiligten GenossInnen der kämpferischen Tradition der marxistisch-leninistischen „WATAD“-Bewegung der 70er Jahre und wurden von GenossInnen bereits zur Zeit der Diktatur unter Ben Ali aufgebaut. Zum anderen scheint der Sturz von Ben Ali im Jahr 2011 den GenossInnen eine feste Zuversicht und Vertrauen in die Kampfkraft der Massen gegeben zu haben – und hat ihnen gleichzeitig mit aller Kraft die Notwendigkeit der revolutionären Führung und der Vereinigung der KommunistInnen vor Augen geführt.

Die Vereinigung sehen wir als hoffnungsvolles Ereignis an, da sie mit der allzu verbreiteten Tendenz der Zersplitterung und des unprinzipiellen Spaltertums innerhalb der kommunistischen Bewegung bricht. Eine Organisation scheint bei der Vereinigung federführend gewesen zu sein, hat aber nicht einfach kleinere Strukturen „aufgesaugt“, sondern sich für einen längeren Vereinigungsprozess entschieden und so auch Programm und eigenes Aufbaukonzept vertieft. Insgesamt hat man bei allen GenossInnen eine ‚vereinigende‘ Herangehensweise festgestellt, ohne dass in prinzipiellen Fragen nachgegeben wurde.

Anfang diesen Jahres ist es zu den stärksten Protesten und Auseinandersetzungen in Tunesien seit 2011 gekommen, da die Bedürfnisse der Massen auch durch die Einführung der „Demokratie“ nicht befriedigt werden konnten. Auch der Eindruck dieser Ereignisse hat nochmal zu einer besonders kämpferischen Stimmung unter den GenossInnen beigetragen.

Wir hoffen, dass es den GenossInnen in Tunesien gelungen ist ‚ein großes Licht zu entzünden‘ und in Zukunft zu einem Anziehungspunkt für weitere kämpferische Kräfte zu werden.

Wir wollen in Zukunft den Einheitsprozess und seine Methoden genau studieren, um daraus Lehren für den Aufbau und die Einheit in Deutschland zu ziehen.

In dem folgenden Interview möchten wir den tunesischen GenossInnen die Möglichkeiten geben der deutschen revolutionären Öffentlichkeit über die Vorgeschichte der Einheit, die Methoden der Einheit und den Einheitskongress selbst zu berichten.

1. Vorgeschichte der Einheit

Liebe GenossInnen, bevor wir genauer auf euren Einheitsprozess eingehen, würden wir gern mehr über die Klassenkämpfe und die Lage in Tunesien erfahren. Der Sturz von Ben Ali im Jahre 2011 war das Signal für die Massenrevolten der arabischen Völker, die hierzulande als ‚arabischer Frühling‘ bekannt sind. Wie kam es zum Aufstand von 2010/2011 und welche Rolle habt ihr darin gespielt?

In Tunesien gab es zum Zeitpunkt des Aufstands viele verschärfte Klassenwidersprüche zwischen den Herrschenden und Beherrschten. Wir denken, dass die objektiven Bedingungen für einen Aufstand gereift waren.

Unsere wesentliche Herangehensweise war es, an dem spontanen Massenaufstand teilzunehmen und zu versuchen, ihm politische Forderungen und Ziele zu verleihen. Konkret gesagt; das Ziel des Sturzes der Regierung.

Die Selbstverbrennung von Mohamed Bouazizi am 17. Dezember 2010 war der auslösende Funke für den Aufstand. Vier Tage später stand der Hauptkoordinator und Sprecher unserer damaligen Studentenorganisation vor Gericht. Die Solidaritätsarbeit haben wir genutzt, um eine neue Kampffront gegen das Regime zu eröffnen. Wir haben die Aufmerksamkeit um den Prozess genutzt, um die verschiedenen Aufstände im ganzen Land bekannt zu machen. Im Prozess wurde von unserem Genossen zum ersten mal seit langer Zeit wieder öffentlich zum Aufstand aufgerufen, dazu aufgerufen, das System zu stützen. Deshalb haben uns die Reformisten und Revisionisten damals als Linksabweichler bezeichnet. Aber wir haben die Gelegenheit genutzt, um den Aufruf zum Sturz der Regierung in der gesamten Nation, überall dort, wo wir aktiv waren, zur gleichen Zeit zu verbreiten. Aus diesem Grund hat der Staat uns auch besonders angegriffen. So haben sie gezielt in Demonstrationen GenossInnen von uns mit dem Auto angefahren.

Unsere Mitglieder haben sich nicht aufgrund eines spontanen Willens am Aufstand beteiligt, sondern aufgrund einer Parteidirektive an jeder Massenbewegung und jedem Massenkampf – vom 17. Dezember an bis das System gestürzt wurde. Dies ist am 14. Januar 2011 gelungen.

Tunesien wird heute in deutschen Medien als Musterbeispiel einer bürgerlichen und demokratischen Revolution gefeiert und als Vorbild für den arabischen Raum dargestellt. Wie schätzt ihr den Aufstand rückblickend ein?

Wir schätzen die Revolten von 2011 rückblickend als einen Aufstand ein, sprechen aber nicht von einer Revolution, da eine grundsätzliche Veränderung der Eigentumsverhältnisse nicht stattgefunden hat. Wir können sagen, dass zwar die Regierung gestürzt wurde, der Aufstand jedoch letztlich nicht erfolgreich zu Ende geführt wurde. Hier hatten insbesondere die imperialistischen Mächte ihre Finger mit im Spiel. Einerseits haben sie zusammen mit ihren Satelliten im Golf die rechtsgerichteten Kräfte, also die Muslimbrüder, unterstützt. Andererseits haben die USA und Europa die liberalen Rechten nach vorne gebracht, die nun mit in einer Koalition in der Regierung sitzen.

Aber der Aufstand ist auch wegen des Opportunismus der linken Kräfte und den strategischen Fehlern der damaligen ‚Volksfront‘ gescheitert. Die ‚Volksfront‘ war eine Allianz verschiedener linker, revolutionärer und marxistisch-leninistischer Organisationen, an der auch GenossInnen unserer Vorgängerorganisationen beteiligt waren. Führend in der Volksfront war jedoch die Arbeiterpartei (Parti des travailleurs), die sich zwar marxistisch-leninistisch nennt, von uns jedoch als kleinbürgerliche, reformistische Partei eingeschätzt wird. Die ‚Volksfront‘ hat den Fehler gemacht, kurz nach der Erschießung von Chorki Belaid1 und eines zweiten wichtigen Führers, nicht den Weg des Massenkampfs einzuschlagen. Bei der Beerdigung von Chorki waren damals eine Millionen Menschen auf den Straßen – bei einer Bevölkerung von neun Millionen. Doch anstatt diesen Weg des Massenkampfes einzuschlagen ist der Generalsekretär der Arbeiterpartei eine Koalition mit den liberalen Teilen der Kapitalistenklasse eingegangen.

Es wurde der sogenannte ‚Nationale Dialog‘ gestartet, an dem Gewerkschaften, Parteien, Arbeitgeberverbände und auch die Volksfront beteiligt waren. Für diesen ‚Nationalen Dialog‘ haben wir Tunesier den Friedens-Nobelpreis bekommen – weil es nicht der Sieg der Massen sondern der Sieg der Bourgeoisie war! Wir haben schon damals gesagt, dass die liberalen Rechten die Volksfront isolieren und eine Koalition mit den Islamisten bilden würden. Das ist dann auch so geschehen. Heute hat die Volksfront ein paar wenige Sitze im Parlament (15 von 217), aber sie haben dort keinerlei Einfluss. Wir sind nicht dagegen, das Parlament als Bühne zu nutzen, um die revolutionäre Wahrheit zu verkünden. Aber jetzt ist nicht die Zeit für Parlamente, sondern die Zeit, zurück zu den Massen zu gehen und den revolutionären Prozess fortzusetzen.

Was sind die wichtigsten Lehren, die ihr aus dem Aufstand von 2011 gezogen habt? Welchen Einfluss hatte er auf euren Vereinigungsprozess?

Als eine Schwierigkeit konnten wir feststellen, dass das Bewusstsein der Massen sehr unstetig verläuft und man es immer wieder schaffen muss, es in die Richtung der politischen Ziele zu orientieren.

Die zweite Schwierigkeit war das Fehlen einer revolutionären Partei, die mit den Massen verbunden ist und in der Lage gewesen wäre, sie zum Sieg zu führen. In den letzten 35 Jahren hat es in Tunesien vier große Aufstände gegeben. Den Aufstand des 26. Januar 1978, des 4. Januar 1984, die Aufstände von Gafsa und Buray im Jahre 2008, den Aufstand vom 17. Dezember 2010. Jeder dieser Aufstände entstand auf Grundlage der Armut der Menschen, aber sie haben keine marxistische Führung gefunden, die sie zum Sieg führen konnte.

Aus diesem Grund ist der Wunsch bei allen marxistisch-leninistischen Kräften, sich zu vereinigen immens gestiegen.

Während des Aufstands von 2011 haben wir uns mit den verschiedenen Organisationen und anderen Zirkeln, die nun am Vereinigungsprozess beteiligt sind, auf der Straße getroffen und Schulter an Schulter gekämpft. So hat uns der praktische Kampf näher aneinander gebracht. In diesem Kampf haben wir festgestellt, dass wir eine Koalition, die ‚Patriotisch-Demokratische Koalition‚ als eine Plattform zur Einheit bilden müssen.

Der Patriotisch-Demokratische Koalition umfasste 5 Organisationen: die Parti Patriotique Socialiste Revolucionaire WATAD (PPSR WATAD), Die ‚Bewegung zur Befreiung der Arbeit‘, die ‚Marxistisch-Lenististischen Patriotisch-Demokratischen‚, einen illegalen Zirkel die ‚Bolschewistische Union‚, die ‚Patriotischen Demokraten‚ sowie die Jugendorganisation ‚KIFAH‚ und sehr viele weitere Jugendgruppen und Zirkel.

Nach großen ideologischen Kämpfen haben wir es nun endlich geschafft, uns ideologisch und organisatorisch zu vereinigen. Diese Vereinigung haben wir am 27/28. Februar 2016 abgeschlossen.

Der gemeinsame praktische Kampf auf der gleichen Seite der Barrikade war also ein ausschlaggebender Punkt für euren Wunsch nach der kommunistischen Einheit. Welche Wege seid ihr gegangen, um diese praktische Einheit in organisatorische Bahnen zu lenken?

Der Einheitsprozess begann eigentlich schon 2002/2003 mit der Bildung von PPSR Watad – der größten am jetzigen Einheitsprozess beteiligten Organisation. Nach dem Aufstand gegen Ben Ali haben wir die neu gewonnen politischen Freiheiten genutzt und die PPSR Watad auch offen gebildet. Schon bei der Gründung wurde jedoch festgestellt, dass man die Einheit mit anderen marxistisch-leninistischen Kräften als nicht abgeschlossen betrachtet. Der nächste wichtige Schritt war dann – wie bereits berichtet – die Bildung der ‚Patriotisch-Demokratischen Koalition‚.

Für diese Plattform haben wir 10 Punkte der Einheit aufgestellt, da die organisatorische Einheit auf ideologischer Einheit beruhen muss. Die Punkte umfassten zum einen unsere theoretischen Referenzen, das heißt dass wir uns auf Marx, Engels, Lenin, Stalin und die Komintern beziehen und dort vor allem auf den VI. Weltkongress. Denn dieser Weltkongress war sehr wichtig bezüglich Tunesien und bezüglich der Revolution in halb-kolonialen Ländern. Zum anderen haben wir noch folgende Punkte festgehalten: Keine Vereinigung mit Maoisten, keine Vereinigung mit Trotzkisten, keine Vereinigung mit Eurokommunisten und Moskau-Revisionisten.

Wir haben außerdem drei Ebenen der Einheit festgestellt.

1. Einheit in der Partei. Wenn das nicht möglich ist,

2. Einheit in einer revolutionären Front. Wenn das nicht möglich ist,

3. Gemeinsamer Kampf bei bestimmten Anlässen und in bestimmten Kämpfen

Als Ziel haben wir uns die Einheit in einer Partei gesetzt. Bezüglich der ideologischen Hauptpunkte haben wir mit den marxistisch-leninistischen Gruppen keinerlei Probleme gehabt. Die Probleme gab es vor allem auf organisatorischer und politischer Ebene und insbesondere in der Frage, ob wir uns auf die 2011 gewonnen demokratischen Freiheiten verlassen können oder ob wir uns so aufbauen müssen, dass wir bei einer erneuten Zuspitzung der Klassenkämpfe weiter funktionieren können. Letztendlich haben wir festgestellt, dass wir offen an die Massen gehen sollten und öffentliche Treffen haben können, aber uns klar machen müssen, dass sich das jederzeit ändern kann. Darauf haben wir uns vereinheitlicht und aus dieser Diskussion unsere organisatorischen Schlussfolgerungen gezogen.

2. Methoden der Einheit

Fünf Organisationen innerhalb einer Partei zu vereinigen ist sicherlich keine leichte Aufgabe und stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Strukturen die richtigen Methoden und Herangehensweisen für die Einheit zu entwickeln. Wie seid ihr an den Einheitsprozess herangegangen?

Der gesamte Prozess umfasste zwei Jahre. Zur Vereinheitlichung haben wir verschiedene Methoden ausgewählt: geschlossene und verdeckte Seminare, interne Diskussionsorgane, öffentliche Seminare sowie eine offene Zeitung der Koalition.

Der Prozess wurde von einer Organisation im Januar 2015 initiiert, die einen Aufruf zur Einheit an alle Kräfte gesendet hatte. Einige Monate später fand dann das erste Seminar zwischen drei Organisationen statt, bei dem fünf Dokumente der Einheit produziert wurden: Das interne Statut, das ‚allgemeine politische Programm‘, das Minimalprogramm, ein Dokument über Strategie und Taktik und ein Dokument über Revolution. Im Vorhinein gab es einige Personen von jeder Organisation, die die Möglichkeit hatten, innerhalb einer internen Zeitung vorbereitend zu diskutieren.

Das waren die grundlegenden Entwürfe, mit denen wir alle marxistisch-leninistischen Kräfte sammeln wollten. Auf diese Dokumente haben wir uns vereinheitlicht und diese innerhalb der breiten Mitgliederschaft der Parteien verbreitet und an andere Marxisten-Leninisten, die wir interessant fanden, verschickt.

Im weiteren Verlauf haben wir noch weitere Seminare organisiert. Davon waren drei geschlossene, interne Seminare. Diese fanden zuerst zwischen 50 Personen, dann zwischen 100 und dann zwischen 120 Kadern statt. Die Kader wurden so ausgesucht, dass sie die verschiedenen Regionen repräsentierten. In zwei weiteren offenen Seminaren haben wir dann auch Massenmedien eingeladen und diese Seminare als Propagandaelemente für die Einheit genutzt.

Im September 2015 gab es eine öffentliche Zeitung, die die Koalition herausgegeben hat, welche Artikel über den Wissenschaftlichen Sozialismus und die erneute Einladung zur Einheit beinhaltete.

Im Januar 2016 wurde noch eine weitere öffentliche Zeitung „Die Stimme der Januar-Aufstände“ herausgegeben, die sich mit den tunesischen Aufständen beschäftigte – da alle vier großen Aufstände im Januar stattgefunden haben. Dazu haben wir nochmal regionale Seminare veranstaltet.

Wie hat sich die Jugend an der Einheit beteiligt?

Die Jugend hat sich über unsere Jugendorganisation KIFAH am Einheitsprozess beteiligt. Mehr als 50% der Parteimitglieder sind auch aktiv in der Jugendorganisation KIFAH. Unsere Jugendorganisation hat in den letzten Jahren sehr viele Jugendliche angezogen. Im letzten November haben wir deshalb einen Kongress gemeinsam mit KIFAH organisiert, wo einige GenossInnen aus der Jugendorganisation herausgenommen wurden und in die Partei hineingezogen wurden und dann den Kaderstock von KIFAH erneuert wurde.

KIFAH ermöglicht uns auch noch anderes an die Einheit heranzugehen, da die Spitze sehr fest vereinheitlicht ist, aber nach unten etwas flexibler in der Aufnahme ist. Somit können auch GenossInnen einbezogen werden, die noch nicht in allen Punkten mit unserer Partei übereinstimmen.

3. Einheitskongress

Am Schluss eures Einheitsprozesses stand zu Beginn dieses Jahres euer Einheitskongress bei dem es darum ging die Einheit endgültig zu besiegeln

Der Kongress hat mit einer feierlichen Eröffnungszeremonie begonnen, an der sich verschiedene nationale und internationale Organisationen beteiligt haben. Das war für uns eine große Ehre und hat unserer Organisation noch einmal größere Aufmerksamkeit verliehen.2 Im Anschluss haben wir den Kongress mit Workshops an verschiedenen Stellen begonnen und anschließend im Plenum wichtige Dokumente diskutiert und beschlossen.Außerdem haben wir ein Zentralkomitee bestimmt. Dann haben sich die verschiedenen Organisationen vor dem Kongress aufgelöst, wir haben eine neue Partei proklamiert und den Kongress mit dem Singen der Internationalen beendet.

Wie war der Einheitskongress zusammengesetzt?

Auf dem Kongress waren 70 Delegierte anwesend, aus jeder kleineren Region waren zwei Repräsentanten anwesend und von den großen Regionen drei. Dazu noch die Jugendorganisation und das Frauenkomitee sowie die verschiedenen Führungen der jeweiligen Parteien.

Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Kongresses?

Dieser Kongress hat ideologische Diskussionen und Beschlüsse über folgende Fragen beinhaltet:

– Die Analyse der Weltsituation,

– Die Analyse des Mittleren Ostens und der arabischen Nationen

– Die Analyse der imperialistischen Krise und der Angriffe des Imperialismus auf der gesamten Welt

– Die Analyse des Charakters des Klassenkampfs in Tunesien in der aktuellen Situation

– Die Analyse der Revolution in der Ära des Imperialismus.

Wir haben auch ein neues Programm angenommen. Unser Programm umfasst nun einerseits das allgemeine politische Programm, welches wir das ‚Patriotisch-Demokratische Programm mit sozialistischer Perspektive‘ nennen. Andererseits das Minimalprogramm über Reformen für die Arbeiterklasse, Jugend, Frauen usw. sowie das taktische Programm.

Daneben haben wir vier Dokumente zur nationalen Frage, zur Jugend, zur Frauenfrage und zur Kultur verabschiedet. Außerdem haben wir zwei Resolutionen über Umwelt und Terrorismus angenommen.

Von einer Sache möchte ich euch noch erzählen: Eine kleine am Aufbauprozess beteiligte Organisation hat sehr wichtige theoretische Beiträge geleistet. Die Partei hat einige Dokumente, die sie produziert hatten, als Parteidokumente angenommen:

– Ein Dokument über Stalin und Sowjetunion.

– Ein Dokument gegen den Maoismus.

– Eine Dokument, welches den Kampf von Enver Hoxha behandelt. Es legt den Schwerpunkt auf die positiven Teile von Enver Hoxhas Kritiken an Mao und bei seinem Kampf gegen den Chruschtschow-Revisionismus und Tito, stellt aber auch fest, dass Hoxha kein Klassiker ist.

Könnt ihr kurz eure grundlegende Einschätzung des Mittleren Ostens und eure revolutionäre Strategie skizzieren?

Hier im Mittleren Osten haben wir den Imperialismus, den Zionismus und die reaktionären Regimes, die ihre Interessen verteidigen. Der Mittlere Osten hat eine hohe strategische Bedeutung und wichtige Rohstoffvorkommen, deshalb wollen alle Imperialisten ein Stück von ihm abhaben – egal ob USA, Frankreich, Großbritannien oder Russland. Durch Militärbasen und Besatzungen versuchen sie heute den Mittleren Osten direkt zu kontrollieren. Daneben haben wir auch terroristische Organisationen wie DAESH (IS). Der Imperialismus unterstützt und ermutigt DAESH, in dem sie ihm Waffen liefert. Gleichzeitig verkauft er Waffen an andere Regimes, die gegen DAESH kämpfen – so profitieren sie von beiden Seiten. Es gibt viele fortgeschrittene Kämpfe um nationale und soziale Befreiung, wie in Palästina oder Kurdistan.

Auf Grundlage unserer Analyse der Weltlage gehen wir davon aus, dass es zwei Formen der Revolution gibt, die patriotisch-demokratische Revolution und die sozialistische Revolution. Die patriotisch-demokratische Revolution ist die strategische Aufgabe in Ländern wie Tunesien, Algerien usw. die rückständig und reaktionär sind. Da wo es keinennationalen Schutz, sondern Kolonialismus gibt, da ist die Befreiung vom Kolonialismus die erste Aufgabe. In den entwickelten kapitalistischen Ländern ist die Hauptaufgabe eine sozialistische Revolution durchzuführen.

Welche Haltung nehmt ihr zur Frauenfrage ein?

Innerhalb der Organisation ist die Frau den männlichen Genossen gleichgestellt, sie hat die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten und ist auch in der Führung vertreten.

Des weiteren sehen wir es so, dass wir in einem halb-kolonialen Land leben, indem die Gesellschaft eine reaktionäre Gesellschaft ist, wodurch die Frauen unter einer doppelten Unterdrückung leiden. Aus Sicht ihrer Klassenherkunft hat sie die gleichen Probleme wie der Mann. Sie muss sogar noch mehr arbeiten und verdient weniger als der Mann. Daneben wird sie aber auch wegen ihres Geschlechts unterdrückt, da wir in einer sehr religiösen Gesellschaft leben und somit die Frau weniger Rechte hat als der Mann.

Gab es Momente im Einheitsprozess in denen er hätte scheitern können?

Natürlich ist so ein Einheitsprozess keine einfache Sache. Es gab Leute, die sich im Vorfeld gegen den Einheitsprozess gestellt haben. Auch gab es GenossInnen, die die unterschiedlichen Herangehensweisen verschiedener Organisationen in Kämpfen und Streiks in den 70ern in den Vordergrund gerückt haben und somit den Prozess blockiert haben. Aber zum Schluss haben wir es geschafft und die gemeinsame Einheit vollzogen.

Welche Reaktionen gab es auf eure Einheitsverkündung?

Überraschenderweise haben uns bereits kurz nach der Verkündung unserer Einheit andere Gruppen kontaktiert und angemerkt, dass wir ihnen von Anfang an hätten Bescheid geben sollen. Dabei hatten wir auch ihnen Bescheid gegeben. Aber damals haben sie gesagt, dass wir keine Partei aufbauen müssten, sondern ein Studiencenter, in dem wir unsere programmatischen Gedanken erst mal grundlegend vertiefen müssten. Wir haben einen anderen Weg gewählt, der nun erfolgreich war.

Zur weiteren Einheit mit weiteren Organisationen hat die Partei eine klare Entscheidung getroffen. Keine Gruppe kann als Gruppe in der Führung repräsentiert sein. Aber alle Diskussionen werden in einem neuen Prozess auf der Grundlage der Schriften, die wir bereits erarbeitet haben weitergeführt. Die Demokratisch-Patriotische Koalition wird beibehalten, um andere Organisationen und Personen einbeziehen zu können und um in Zukunft die Einheit der Marxisten-Leninisten noch weiter zu vergrößern.

 

 

Zum Weiterlesen:

– Facebook der Parti Patriotique Demokratique Socialiste Watad (arabisch)

https://www.facebook.com/880008545422779

– Facebook von KIFAH (arabisch)

https://www.facebook.com/Kifah.TN/

 

Gemeinsame Resolution zur kurdischen Frage von Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei Türkei/Kurdistan, Parti Patriotique Demokratique Socialiste Watad (PPDS Watad), Revolutionary Organization of Labour (ROL), Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), Kommunistischer Aufbau

 

Gemeinsame Resolution zur Solidarität mit der ‚Partido Marxista-Leninista / Reconstruccion Comunista‘ von Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei Türkei/Kurdistan, Parti Patriotique Demokratique Socialiste Watad (PPDS Watad), Revolutionary Organization of Labour (ROL), Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD), Kommunistischer Aufbau

 

1Chokri Belaid war ein bekannter Führer der tunesischen Arbeiterbewegung und bezog sich offen auf den Marxismus-Leninismus. Er wurde am 9. Februar durch einen Fundamentalisten ermordet. An seiner Beerdigung nahmen ca. 1 Millionen Menschen teil, die größte Demonstration die Tunesien bis dahin erlebt hatte.

2Unter folgendem Link findet ihr das Grußwort unserer Organisation, das bei der Konferenz gehalten wurde: https://www.youtube.com/watch?v=-P8bv6pg-Jg

Erschienen in Kommunismus #6 08/2016Tunis 2

Die Angriffe von Würzburg, München und Arnsberg – wie auf die Angststimmung reagieren?

Schon seit Monaten haben bürgerliche Medien darauf gewartet den Moment festzustellen, in dem sie auf ihre Titelseiten schreiben können: “der Terror ist in Deutschland angekommen“.

Medial und in der politischen Debatte können wir beobachten dass die drei Angriffe, die vor 3 Wochen in Würzburg, München und Arnsbach stattgefunden haben, in einen Topf geworfen werden, dass ingesammt ein Klima der Terrorangst hergestellt wird und dass dabei die verschiedenen Kräfte versuchen ihre Analyse als bestätigt zu verkaufen. Doch schauen wir uns die Vorfälle genauer an.

#Nolympia – Solidarität mit den Klassenkämpfen in Brasilien

Offensichtlich sind in ‪#‎Köln‬ einige GenossInnen auf der Straße gewesen um in der Stadt Hinweise auf die Klassenkämpfe in Brasilien zu hinterlassen.

Abaixo o massacre olimpico!

 

[Bericht] Friedrich Engels Gedenkdemo

Viele Rote Fahnen und revolutionäre Reden gab es heute bei der Friedrich Engels Gedenkdemo.

Nach einer kurzen Auftaktkundgebung am Alter Markt in Wuppertal ging es zum „Friedrich Engels Haus“ bei den an einem Denkmal für Engels die Abschlusskundgebung durchgeführt wurde.

Neben den OrganisatorInnen vom Revolutionärer Jugendbund beteiligte sich auch noch GenossInnen der Rote Aktion Köln an der Demonstration, wir selbst beteiligten uns mit einem kurzen Grußwort zur Frage warum es sich lohnt auch noch am 121 Todestag Engels zu gedenken.

Der Brexit und der Machtkampf in der EU

Am 23. Juni hat in Großbritannien ein Referendum über die Frage stattgefunden, ob das Land in der EU bleiben solle oder nicht. Mit knapp 52 Prozent hat sich das Lager der EU-Gegner durchsetzen können, sodass der Austritt “beschlossene Sache” ist. Eine neue Regierung hat sich inzwischen formiert, um das Ergebnis umzusetzen.

Wie ist diese Entwicklung einzuschätzen?

Allem Anschein nach hat der wesentliche Teil des britischen Finanzkapitals den “Brexit” nicht gewollt. Der Plan, ein Referendum darüber abzuhalten, stammte von der Regierung Cameron, die sich damit ihre Wiederwahl sichern und innerparteiliche Gegner ruhigstellen wollte. Vor dem Referendum hat sie jedoch energisch für einen EU-Verbleib geworben. Die Wiederwahl war geglückt, das Referendum ging daneben. Cameron trat zurück.

Auf das Referendum folgte die Ankündigung Schottlands und der nordirischen Partei Sinn Féin, die ihrerseits die Unabhängigkeit Schottlands bzw. Nordirlands vom Königreich ins Spiel brachten. Die schottische Regionalregierung sondiert nun mit der EU die Möglichkeit eines Verbleibs. Folgt also auf den EU-Austritt die Balkanisierung Großbritanniens?

Auch die Schwächung Londons als internationalem Finanzplatz wird ein schwerer Schlag für den britischen Imperialismus sein. In den Wirtschaftsteilen der bürgerlichen Medien wird eine Rezession für Großbritannien vorausgesagt.

Es ist also anzunehmen, dass der Ausgang des Referendums ein Beispiel dafür ist, was passiert, wenn es der Bourgeoisie einmal nicht gelingt, die von ihr gesäten nationalistischen und faschistischen Stimmungen in der Bevölkerung so weit unter Kontrolle zu halten, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt. Als Folge des Brexit-Entscheids kam es in England zu einem massiven Anstieg enthemmter rassistischer Übergriffe. Ob der Mord an der Labour-Abgeordneten Cox ein Beispiel hierfür war oder der Versuch der Geheimdienste, die Stimmung kurz vor Toresschluss noch zugunsten des EU-Verbleibs herumzureißen, sei dahingestellt.

Auf internationaler Ebene halten wir zwei Aspekte des Brexit für wesentlich:

1. Der deutsche Imperialismus nutzt die Situation, um seine Vormachtstellung in Europa zu festigen und versucht das britische Kapital zu schwächen. Die Regierung nutzte die für das britische Finanzkapital ungünstige Situation nach dem Referendum sofort und verkündete “Raus ist raus!” (Merkel). Schon früher gemachte Vorschläge zur Zentralisierung der EU (Schaffung eines europäischen FBI, Verkleinerung der Kommission, EU-Kontrolle über die nationalen Haushalte) werden jetzt wieder herausgeholt und energischer denn je vorangetrieben.

2. Es zeigt sich, dass es heute angesichts der internationalen ökonomischen Verflechtung selbst für ein starkes imperialistisches Land wie Großbritannien nur um den Preis massiver wirtschaftlicher Nachteile möglich ist, ein Machtgefüge wie die EU zu verlassen. Es spricht deshalb einiges dagegen, dass andere Länder wie Frankreich, Polen o.a. einfach nachziehen können, auch wenn die dortigen Faschisten dafür werben. Die Macht über Europa hat heute der deutsche Imperialismus. Was passiert, wenn ein kleines Land sich aus dessen Klauen lösen will, hat man am Beispiel Griechenland schon gesehen. Die Perspektive, das Machtgefüge EU zu verlassen, kann nur verwirklicht werden, wenn man das imperialistische System als solches beseitigt.

Die Resolution zum Armenien-Völkermord im deutschen Bundestag

Schon im Januar 1916 stellte Karl Liebknecht folgende Frage im deutschen Parlament: Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, dass während des jetzigen Krieges im verbündeten türkischen Reiche die armenische Bevölkerung zu Hunderttausenden aus ihren Wohnsitzen vertrieben und niedergemacht worden ist?“. Für eine Antwort hat das Parlament 100 Jahre gebraucht. Dennoch: Die vom Bundestag verabschiedete Resolution spricht klar von einem Völkermord an den Armeniern und erkennt an, dass Deutschland mitschuldig daran war. Natürlich wird die Rolle von Deutschland klein gehalten; statt klar auszusprechen, dass deutsche Offiziere Mittäter waren, übt das Parlament Selbstkritik dafür, dass man den Genozid „nicht verhindert“ habe. Zunächst können wir feststellen, dass diese Resolution ohne die unermüdliche Arbeit von Armeniern für die Anerkennung dieses Verbrechens nie zustande gekommen wäre. Trotzdem bleiben Fragen. Wer sich die Politik der deutschen Regierung im letzten Jahr gegenüber dem AKP-Regime ansieht, kann sich schon verwundert die Augen reiben. Im Anbetracht von konsequentem Schweigen über die Massaker in Kurdistan und Geldzahlungen an die Türkei in Milliardenhöhe, um sich des selbst geschaffenen Flüchtlings“problems“ zu entledigen, wirkt diese Resolution wie eine 180-Grad-Wendung.

Deutschland und die Türkei sind militärische und politische Verbündete. Daran ändert sich nichts, aber die Türkei gewinnt an Stärke und entwickelt eigene Interessen, die sie nicht nur gegenüber Feinden, sondern auch Verbündeten wie Deutschland oder den USA durchsetzen muss. Um diese schärferen politischen Widersprüche geht es bei dem monatelangen Theater, um den „Flüchtlingsdeal“, bei dem die EU unter deutscher Führung die Türkei in ein Internierungslager für die Flüchtlinge verwandelt, die sonst in die EU kommen würden. Dem deutschen Imperialismus dürfte spätestens nach diesen Verhandlungen klar geworden sein, dass sie, wenn sie Forderung für Forderung der Türkei akzeptieren, am Ende ganz und gar über den Tisch gezogen werden.Verhandlungen im Imperialismus laufen eben nicht nur mit Zugeständnissen, sondern auch mit Drohungen und Angriffen. Diese Armenien-Resolution zum jetzigen Zeitpunkt können wir als solche Drohung betrachten; Millionen von türkischen, kurdischen und armenischen MigrantInnen, die in Deutschland leben, können der Türkei nicht egal sein und eine Stärkung der Opposition und der oppositionellen Stimmungen gegen die AKP ist ein sehr konkretes Druckmittel. Für Erdoğan und die türkische Bourgeoisie geht um weit mehr als den üblichen Kampf zwischen Regierung und Opposition, sie antworten mit Faschisierung auf den wachsenden Widerstandswillen der Völker in der Türkei und Kurdistan. Eine Resolution, die sie sonst vielleicht nicht so besonders interessiert hätte, wird so zum großen Problem und die Lynchaufrufe gegen deutsche Parlamentarier sind schon die nächste Gegendrohung der Türkei: Wir können, den Krieg und Faschismus auch nach Deutschland tragen.

Am Ende bleibt aber vor allem eine Frage: Was nützt die Anerkennung eines Völkermords von vor hundert Jahren, wenn gleichzeitig die täglichen Massaker und Morde in Kurdistan schweigend hingenommen werden?

Erfolgreicher Vereinigungskongress der tunesischen Kommunisten

Am 27. und 28 Februr 2016 fand in Tunesien der Vereinigungsparteitag der Sozialistisch-Patriotischen Demokratischen Partei (PPDS) (Tunesien) in Tunis statt. Er stellt den Höhepunkt eines mehrjährigen Kampfes für die Einheit der Marxisten-Leninisten aus fünf Organisationen dar. Die PPDS ist aus den Organisationen PPSR Watad, Bewegung zur Befreiung der Arbeit, Marxistisch-Leninistische Patriotische Demokraten, Bolschewistische Union und Patriotische Demokraten hervorgegangen.

Ein Genosse hatte die Gelegenheit am Vereinigungsparteitag teilzunehmen. Wir veröffentlichen hier, die gemeinsam beschlossenen Resolutionen der anwesenden internationalen Kommunistischen Organisationen und verlinken das Video mit der Grußbotschaft unserer Organisation auf dem Kongress.

Ausführlichere Informationen über den Kongress findet ihr in der nächsten Ausgabe der Zeitung Kommunismus, die Anfang August erscheinen wird.

Es lebe die Einheit der Marxisten-Leninisten!

Es lebe PPDS und der Kampf des tunesischen Volks!

Grußwort Kommunistischer Aufbau Vereinigungskongress Tunis

Grußwort von Kommunistischer Aufbau auf dem Vereinigungskongress/deutscher Text

Grußwort an den Einheitskongress der Marxisten-Leninisten Tunesiens

Liebe Genossinnen und Genossen,

als junge, erst vor zwei Jahren gegründete Organisation begrüßen wir voller Freude euren siegreichen Einheitskongress. Wir stehen in der Tradition der über hundertfünzig Jahre alten kommunistischen Bewegung unseres Landes. Trotz aller notwendigen Bescheidenheit, erlauben wir uns, euch auch im Namen dieser Bewegung zu beglückwünschen.

Die Niederlagen der vergangenen Jahrzehnte, allen voran der Sieg der Konterrevolution in der UdSSR beim XX. Parteitag, haben uns Kommunisten zersplittert zurück gelassen, auf internationalem Niveau und ebenso in vielen Ländern. Hinzu kommt ideologische Zerfahrenheit und Orientierungslosigkeit. Es ist diese Situation, aus der wir uns heraus kämpfen müssen, um wieder in die Lage zu kommen, unsere Rolle als Vorhut des Proletariats einzunehmen.

Die Zersplitterung ist der Sieg der Konterrevolution und sie versucht sie aufrecht zu halten, aber die Einheit der Marxisten-Leninisten, die ihr hier erkämpft habt ist gleichbedeutend mit einer Niederlage für den Feind.

Wir können euch berichten, dass wir vor zwei Jahren die Gründung unserer Organisation zugleich mit der Losung der Einheit auf den Lippen verkündet haben. Auch in Deutschland sehen wir die Frage der kommunistischen Einheit als ungelöst an. Es gibt verschiedene, verstreute Potentiale, die sich nach Traditionen, politischer Arbeit und Organisationskultur unterscheiden. Sie alle eint aber unserer Meinung nach, der ehrliche Kampf gegen den deutschen Imperialismus. Wir stehen vor der Aufgabe, zur Vereinigung dieser Kräfte beizutragen. Es ist uns eine Ehre, an eurem Kongress teilzunehmen, um eure Erfahrungen zurück in den Kampf um die Kommunistische Einheit nach Deutschland zu tragen.

Es lebe der proletarische Internationalismus!

Es lebe der Marxismus-Leninsmus und die Einheit der Kommunisten!

Es lebe PPDS!

-Kommunistischer Aufbau

Freiheit für die spanischen Internationalisten! Der Kampf gegen ISIS ist kein Verbrechen!

Freiheit für die spanischen Internationalisten! Der Kampf gegen ISIS ist kein Verbrechen!

Am Mittwoch, dem 27. Januar kam es auf dem spanischen Staatsgebiet zur Verhaftung von neun Internationalisten. Sie sollen der Kommunistischen Organisation „Partido Marxista-Leninista / Reconstrucción Comunista“ (Marxistisch-Leninistische Partei / Kommunistischer Wiederaufbau) angehören.

Im Juli 2015 waren bereits zwei Jugendliche kurzzeitig verhaftet worden mit der Begründung, sie hätten sich dem bewaffneten Kampf der YPG gegen den IS in den Reihen des ‚Internationalen Freiheitsbatallions‘ (IFB) angeschlossen ohne zuvor „die Erlaubnis des spanischen Staats einzuholen“. Offensichtlich diente die vorübergehende Freilassung der beiden Internationalisten nur dazu einen noch härteren Schlag gegen die Internationale Solidarität für die Revolution in Rojava vorzubereiten.

Am 29. Januar 2016 wurde die PML/RC dann als „kriminelle Organisation“, die mit einer „terroristischen Organisation“ PKK/KCK zusammenarbeiten würde, verboten. Dabei ist die PKK in Spanien eine nicht verbotene Organisation! Während 6 der verhafteten Personen unter der Auflage sich nicht außerhalb des spanischen Staatsgebiet zu aufzuhalten freigelassen wurden, verblieben Roberto Vaquero, ein türkischer Staatsbürger sowie ein weiterer Verhafteter im Gefängnis. Die Kaution für die beiden zuletzt genannten Beträgt 10000 und 6000 Euro, Roberto kann nicht auf Kaution frei kommen.

Wir verurteilen die Kriminalisierung der revolutionären Internationalisten in Spanien und die Heuchelei des spanischen Staats scharf. Die Spanische Regierung hat gemeinsam mit den Regierungen anderer europäischer Länder Krokodilstränen über dem fundamentalistischen Terror in Paris vergossen; nun werden diejenigen, die ohne Lohn, ohne Ausbildung, ohne Sicherheiten irgendeiner Art selbstlos ihre Gesundheit und ihr Leben im Kampf gegen eben diesen Fundamentalismus aufs Spiel gesetzt haben, kriminalisiert.

Alle Völker auf der Welt, die um ihre Befreiung kämpfen, und die klassenbewussten ArbeiterInnen aber stehen hinter ihnen. Die wahren Brandstifter für den schmutzigen Krieg im nahen und mittleren Osten sind in den imperialistischen Regierungen der USA, der EU, Russlands und der reaktionären Regimes der Türkei, Saudi-Arabiens, Katars und Syriens zu finden.

Der Angriff auf die spanischen Internationalisten hat aber auch noch einen anderen Grund. Während die Lage der breiten Massen in Spanien sich immer weiter verschlechtert, die Jugendarbeitslosigkeit auf 50% steigt, könnte die Radikalisierung der Jugend zu einer ernsten Bedrohung gegenüber dem spanischen Staat verwandeln.

Organisiert vielfältige Formen der Solidarität dokumentiert sie und sendet sie an detenidos27e@gmail.com und coordinationint@yahoo.co.uk

Spendenkonto:

IBAN ES57 3035 0393 09 3930010253

Weg mit dem Verbot der PKK!

Weg mit dem Verbot der PML/RC!

Freiheit für die spanischen Internationalisten!

Kommunistischer Aufbau (Deutschland)

Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (Türkei/Kurdistan)

Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (Deutschland)

Sozialistisch Patriotische Demokratische Partei (PPDS) (Tunesien)

Revolutionary Organization of Labor (USA)

Resolution über den Kurdischen Widerstand
Resolution über den kurdischen Widerstand In der Türkei bombardiert die faschistische Diktatur seit Monaten in Nordkurdistan die Städte, Ortschaften und Dörfer mit Panzern und schweren Geschützen. Diese werden belagert. Die speziell ausgebildeten Einheiten der türkischen Armee und Polizei gehen regelrecht auf Kurdenjagd. Sie morden ohne zwischen alten und kranken Menschen, Frauen und Kinder zu unterscheiden. Die Massaker und die Verwüstung, die der IS in Kobane angerichtet hat, das bewerkstelligt jetzt das faschistische Regime der Türkei in Sur, Cizre und Silopi. Bei den engen “Straßenkämpfen” in den Städten Serekaniye und Kobane gegen den ISIS hat man die Bilder der durchlöcherten Mauern, von zerstörten Häusern und hingerichteten Menschenleichen auf den Straßen gesehen. Nun sind diese Bilder in den belagerten Zentren Nordkurdistans zu sehen. Die belagerten Städte des Nordens sind ein Stalingrad geworden, wie einst die Städte Serekaniye und Kobane. Stalingrad war für die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ein Willenskampf gegen den Hitler-Faschismus. Entweder musste man sich dem deutschen Faschismus ergeben, oder man musste den deutschen Faschismus besiegen. Ein Willenskampf wie dieser wird heute in Nordkurdistan geführt. Die Kurden werden sich entweder der faschistischen Diktatur ergeben, oder sie werden gegen diese Diktatur siegen und sich befreien. In vielen kurdischen Zentren werden Grabenkämpfe geführt. Diese Straßenkämpfe auf engstem Raum sind ein Ausdruck dieses Willenskampfs.   Im Nahen Osten werden zwischen den imperialistischen Fronten ein Konkurrenzkampf und ein Kampf um die Hegemonie geführt. Bei diesem „Kampf der Köter“ brauchen die Fronten die Türkei als Partner vor Ort. Dies ist der Grund, warum diese Länder schweigen, während die faschistische Diktatur das kurdische Volk massakriert. An diesen massiven Angriffen ist der Anteil der imperialistischen Ländern, vor allem der USA und EU groß. Der Anteil der internationalen Kräfte an diesem Massaker, die unter ihrer Leitung stehen, darf man auch nicht unterschätzen. Sie ermutigen durch ihr Schweigen das faschistische Regime. Die imperialistischen Kräfte versuchen den Freiheitskampf des kurdischen Volkes für ihrer eigenen Interessen im Nahen Osten zu instrumentalisieren. Sie stehen nicht an der Seite eines kurdischen Widerstandes, der nicht ihren imperialistischen Interessen dient. Aus diesem Grund stehen sie der Türkei beiseite. Aus diesem Grund schweigen sie und indem sie schweigen billigen sie dieses Massaker. Und aus diesem Grund treten sie die „Werte“, die sie immer betonen, mit den Füßen. Sie wollen, dass die kurdische Freiheitsbewegung sich den imperialistischen Interessen und dem internationalem Kapital unterwirft. Die Kurden haben eine große Sehnsucht nach Freiheit und der Demokratie. Sie kämpfen nicht nur für diese Werte, sondern auch für alle Menschen, die ebenfalls sich für diese Werte einsetzen. Und deswegen werden sie in diesem Kampf ermordet. Ihre Grabenkämpfe und Ideale der Selbstverwaltung muss man als den Widerstand und den Wunsch nach Freiheit und Selbstverwaltung aller Menschen sehen, die ebenfalls für Freiheit und Demokratie sind. Dieser Kampf, dieser Widerstand ist nicht nur ein Freiheitsleuchtfeuer für die Völker des Nahen Ostens. Die Revolution von Rojava ist ein Licht für alle Unterdrückten und Ausgebeuteten dieser Erde. Wir müssen die Rolle dieser Revolution verstehen und verinnerlichen. Der Wirkungsbereich dieses Lichtes, dieser Revolution wird von Tag zu Tag größer und zeigt jetzt seine Wirkung auch im Norden. Man muss es sich aneignen. Man muss es als die Erweiterung und Verbreitung der Rojava Revolution und des Kobane Widerstandes sehen. Es kann keinen Kampf um die Demokratie und Freiheit ohne den Bezug auf die Widerstände in den Städten Nordkurdistans und Rojava geben. Man kann den Kampf gegen Faschismus nicht verstehen, so lange man nicht verstanden hat, warum die Kurden Grabenkämpfe führen, warum sie Widerstand leisten und ermordet werden. Das gilt auch für das palästinensische Volk. Ohne Befreiung Palästina wird im Nahen Osten keine Freiheit und Demokratie herrschen. Der Widerstand der Völker im Nahen Osten braucht keine Unterstützung und Solidarität, die nur in Worten gefasst werden, die nicht praktisch sind. Gleichzeitig hat die Menschheit, die Freiheit und Demokratie will, nicht das Recht, die für ihre Freiheit kämpfenden Völker allein zu lassen. Die Unterstützung und Solidarität dieses Kampfes gegen den Faschismus und den Kolonialismus muss praktisch werden. Der Weltöffentlichkeit muss erklärt werden, dass dieser Widerstand zugleich ein Widerstand für uns alle ist. Die direkte Solidarität und Unterstützung muss gefordert werden. Die totale Standhaftigkeit gegen die totalen faschistischen Massaker und Angriffe muss die Aufgabe von uns allen sein. Kommunistischer Aufbau (Deutschland) Marxistisch-Leninistische Kommunistische Partei (MLKP) (Türkei/Kurdistan) Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (Deutschland) Sozialistisch Patriotische Demokratische Partei (PPDS) (Tunesien) Revolutionary Organization of Labor (USA)