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Stellungnahme zur sexualisierten Gewalt insbesondere gegen Frauen in unserer Gesellschaft

Sexismus ist die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Geschlechts.

Sexismus dient in der bürgerlichen Gesellschaft zur Benachteiligung, Verfolgung, Unterdrückung von Menschen aufgrund des Geschlechtes oder biologischer Merkmale.

Sexismus und sexuelle Gewalt sind unabhängig von Nationalität und Religion.

Was ist sexualisierte Gewalt?

Täter wollen ihre Opfer machtlos sehen und erleben, sie verachten ihr Opfer, sie zerstören die Persönlichkeit, sie demütigen, sie üben Macht aus, ihnen bringt die Ausübung von sexualisierter Grausamkeit gegen Menschen einen Kick.

Sexualisierte Gewalt umfasst alle Formen sexueller Handlungen, die gegen den Willen der Opfer durch körperliche Gewalt erzwungen werden.

Sexuelle Gewalt ist ein direkter Angriffe gegen das Geschlecht.

Vergewaltigung ist die extremste Form von sexueller Gewalt.

Vergewaltigung ist ein Verbrechen gegen die Menschheit.

Die Situation in der Vergewaltigung stattfindet wird als lebensbedrohlich empfunden, deswegen entwickelt sich bei den Opfern eine Todesangst.

Sexualisierte Gewalt hat niemals was mit Sex zu tun.

In der Mehrheit sind es Männer, die Frauen und Mädchen sexualisierte Gewalt an tun.

Alle Frauen und Mädchen können betroffen sein, es gibt kein Halt vor Alter oder Aussehen.

Es gibt kein Verhalten, dass eine Vergewaltigung ausschließen kann.

Gesellschaftliches Denken und Mythen über Vergewaltigung

Vorurteile, Gerüchte, Mythen, Vorverurteilung und Fehleinschätzung nähren sich von einem frauenfeindlichen, sexistischen gesellschaftlichen Bild über die Frau in der bürgerlichen Gesellschaft. Frauen werden mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen konfrontiert, ihre Glaubwürdigkeit wird in Frage gestellt.

Die Denkweise, wonach sexuelle Gewalt oder Missbrauch und Vergewaltigung etwas mit Sexualität zu tun habe, wird in patriarchalen Gesellschaften noch breit gepflegt, bei Männern und bei Frauen. Dieses Denken stützt ein Recht der Männer auf „sexuelle Privilegien“.

In unserer Gesellschaft wird die Rolle, das Denken und die Stellung über die Frau immer noch durch männliche Machtstrukturen bestimmt, dem Patriarchat. Das heißt Männer sind Frauen gegenüber überlegen und Frauen sind den Männern unterlegen.

Patriarchat steht für Männerherrschaft, für die Vormachtstellung in allen gesellschaftlichen Strukturen wie Wirtschaft, Politik, Medien, Polizei, Juristen, Medizin, Kirche usw.

Mythen dienen dazu diese Machtstrukturen aufrecht zu erhalten. Um ihre Überlegenheit aufrecht zu erhalten, haben Männer Mythen über den weiblichen Charakter und deren Psyche erfunden.

Beispiele für Mythen:

Jede Frau hat einen geheimen Wunsch vergewaltigt zu werden. Eine Frau, die vergewaltigt wird, genießt es. Frauen sind aufreizend gekleidet oder verhalten sich aufreizend, sie provozieren eine Vergewaltigung. Frauen sind mitschuldig oder willigen ein, weil sie sich nicht wehren oder verteidigen. Vergewaltigung kann auch lustvoll sein. Vergewaltigung sieht man einer Frau an. Frauen lügen, sie wollen Täter schädigen oder sich rächen, wenn sie z.B. Anzeige erstatten. Vergewaltigung findet durch Fremde statt. Vergewaltiger sind psychisch krank. Triebtäter sind einer sexuellen Begierde verfallen oder hilfloses Opfer ihres Sexualtriebes. Vergewaltigung ist Ausdruck von männlicher Persönlichkeit.

Wo findet sexualisierte Gewalt statt ?

Sexualisierte Gewalt findet überall in der Gesellschaft statt. In der Ehe, in der Familie, in der Kita, in der Schule, in der Uni, auf der Arbeit, im Sport, in Vereinen, in politischen Gruppen und Parteien, im Parlament, in der Medizin, auf der Straße, in der Kirche, bei Festnahmen und im Gefängnis, im Verborgenen und in der Öffentlichkeit.

Zeigt ein Opfer eine Vergewaltigung an führt der Zwang des Verhörs, nämlich eindeutige, sichtbare Beweise einer Vergewaltigung zu erbringen und die Tat im Detail darzustellen oft zu Situationen, als ob die Vergewaltigung wiederholt wird. Mythen tragen dazu bei, dass Vernehmungen die durch Männer geführt werden, die Opfer in Situationen drängen, wo sie sich und ihr Verhalten verteidigen müssen. Sie geraten in Situationen in denen die Schuldfrage, die Frage von Täter und Opfer verdreht werden können. In diesem Sinne kann ein Raum, in dem Vernehmungen stattfinden und Gerichte Urteile sprechen, zum Tatort werden.

Grundsätze die wir einnehmen

Sexualisierte Gewalt und insbesondere Vergewaltigungen sind keine „einfachen Delikte, die halt überall mal vorkommen“, sondern ein schweres Verbrechen, die Täter sind Verbrecher.

Die Form der sexuellen Gewalt ist ein Angriff, der auf die Zerstörung und Erniedrigung der gesamten Persönlichkeit zielt.

Es gibt kein typisches Opferverhalten, jedes Verhalten ist ein Schutzmechanismus.

Angst vor Stigmatisierung, wiederholter Demütigung, in Frage stellen der Glaubwürdigkeit und Schuldzuweisungen von Freunden, Verwandten, Polizei, Ärzte oder Pfaffen fördern, dass die Opfer sich selber in Frage stellen und eher die Tat verschweigen.

Sexualisierte Gewalt ist unabhängig von Nationalität und Religion.

Sexuelle Gewalt und Vergewaltigung findet in der Mehrheit im sozialen Umfeld der Betroffenen statt. Täter sind: Freunde, Ehemänner, Partner, Väter, Brüder, Arbeitskollegen, Lehrer, Nachbarn usw. darum werden Schutzräume zu Tatorten.

Das oben ausgeführte Denken und die Pflege von frauenfeindlichen, sexistischen Mythen innerhalb unserer Gesellschaft wird durch staatliche Institutionen, Politik, Medien und der katholischen sowie der evangelischen Kirche aufrecht erhalten, solange es gilt, dass die patriarchalen Strukturen notwendig sind, um den Kapitalismus zu schützen.

Das zu durchbrechen heißt:

Das gesellschaftliche Denken über die Rolle der Frau in der Gesellschaft radikal zu ändern.

Den Kapitalismus ab zu schaffen, um über einen Staat, in der die Menschheit den höchsten Wert hat und nicht das Kapital, die völlige Gleichstellung der Frau mit dem Mann in allen gesellschaftlichen und sozialen Belangen zu erreichen. Ein solcher Staat kann nur die Diktatur des Proletariats, der sozialistische Staat sein, wo in einem langen Prozess der Um- und Selbsterziehung die Voraussetzungen für das völlige Verschwinden des Geschlechterwiderspruchs als Unterdrückungsverhältnis geschaffen werden müssen. Mit dem Übergang zum Kommunismus werden dann jede Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen und damit die Klassen- wie Geschlechterunterdückung vollständig verschwinden.

Was ist positive Sexualität?

Alle die beteiligt sind, wollen miteinander Sexualität leben. Es ist eine Stimmung gegeben in der alle Beteiligten jeden Moment aussteigen können, wenn sie nicht mehr wollen oder genug haben. Es gibt weder verbalen bzw. psychischen noch körperlichen Druck oder Zwang. Es wird nichts praktiziert, was gegen den Willen des/der anderen gerichtet ist. Es gibt keine negativen Beurteilungen, Wertungen, Frust, Gemeinheiten zur eigentlichen Handlung oder Ablehnung von Handlungen. Ein Nein ist ein Nein und wird niemals in Frage gestellt und muss nicht erklärt werden. Akzeptanz, Respekt, gute Gefühle bei allen Beteiligten sind leitend.

Eine solche positive Sexualität ist auch unter den heute gegebenen Bedingungen kapitalistischer Produktionsverhältnisse und patriarchaler Machtstrukturen möglich. Ihre Verwirklichung hängt ausschließlich von unserem Willen und unserer Handlungen ab, die wir durch eine kritische Reflektion unseres Denkens und Fühlens beeinflussen können.

Sie ist nicht zu verwechseln mit einer Befreiung der Sexualität, die genauso wenig wie ein befreites Leben in einer unfreien Gesellschaft möglich ist und daher zukünftigen Generationen vorbehalten bleiben wird.

Sexualisierte Gewalt ist ein Verbrechen, keine Frage der Herkunft!

Seit Silvester sind die sexualisierten Übergriffe auf Frauen rund um den Kölner Hauptbahnhof in aller Munde. Egal wo auf der Welt, egal ob in der Schule, in der Uni, im Betrieb oder am Küchentisch, überall sind wir mit den Positionen verschiedener Menschen konfrontiert. Alle melden sich zu Wort. Die Faschisten nutzen diese Übergriffe, um massive rassistische Hetze zu verbreiten und eine Jagd auf Migranten zu entfachen. Die bürgerlichen Politiker und Medien stellen den deutschen Staat als „Retter der Frauen“ dar und verbreiten gleichzeitig ebenfalls Hetze gegen Flüchtlinge und insbesondere gegen alle muslimischen Menschen. In der fortschrittlichen politischen Widerstandsbewegung taucht zum Teil die Frage auf, ob wir uns nun mit den Flüchtlingen oder den Frauen solidarisieren sollen? Wir sagen: „Kampf dem Sexismus“ und „Kampf dem Rassismus“!

Warum das plötzliche Interesse für die Gewalt, die seit Jahren besteht und immer verschwiegen wird?

Mit der Silvesternacht ist ein Thema in die öffentliche Diskussion gelangt, was vorher aus gutem Grund verschwiegen wurde. Silvester ist die Chance für die deutschen „Saubermänner“ gewesen die Gewalt, die sie selbst hinter verschlossenen Wohnungstüren ausüben, zu einer Sache anderer Nationen umzudeuten.

Fast alles, was wir nach Silvester erleben, hat nichts mit ehrlicher Sorge um die Situation der unterdrückten Frau zu tun, sondern ist viel mehr eine Kampagne, um die politischen Ziele der Herrschenden durchzusetzen. Wir kommen später darauf zurück, aber wir wollen unseren Artikel mit dem anfangen, was sonst immer zu kurz kommt: Einigen Gedanken zu sexualisierter Gewalt und zur Situation der Frau heute.

Was geschieht hinter den verschlossenen Türen in Deutschland?

Bild1Wenn wir die Augen aufmachen und beobachten, was um uns herum in dieser Welt passiert, sehen wir, dass sexuelle Übergriffe und Gewalt gegen Frauen keine Einzelfälle und nichts Neues sind.

Schaut doch mal in die Feiermeile eurer Stadt. Ist es dort abends möglich, dass Frauen ungestört durch die Gegend laufen? Ohne das ihnen hinterher gepfiffen wird, sie angegrapscht oder ihnen dumme Kommentare hinterher gerufen werden? Man muss diese Frage wohl leider mit „Nein“ beantworten.

Stattdessen muss mindestens jede dritte Frau, die man fragt, ob sie schon mal eine Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch erlebt hat, diese Frage mit „Ja“ beantworten! Diese Verbrechen gehen in 93% der Fälle von Tätern aus dem näheren sozialen Umfeld aus.

Zu allem Überfluss wird Frauen, die sich gegen so etwas zur Wehr setzen, auch noch gesagt „Wenn du das nicht willst, lauf nicht in so einem kurzen Rock rum“. Kölns Bürgermeisterin Frau Reker macht es durch ihren „mütterlichen Rat“, Frauen sollen doch besser „eine Armlänge Abstand“ zu Fremden halten auch nicht besser. Schlimm genug, dass solche Belästigungen Alltag sind, aber noch schlimmer ist, dass Frauen dafür auch heute noch, durch genau solche Aussagen und Mythen, die nicht aus den Köpfen zu kriegen sind, selbst die Schuld gegeben wird! Während bei jedem anderen Verbrechen die Verantwortung beim Täter gesehen wird, wird das bei sexualisierter Gewalt nur zu oft umgedreht.

Welche zerstörerische Wirkung das hat, zeigt sich zum Beispiel daran, dass ein Großteil der Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe niemals angezeigt wird. Die Kampagne #ichhabnichtangezeigt hat Frauen anonym die Möglichkeit gegeben, Vergewaltigungen öffentlich zu machen und zu erklären, warum sie die Vergewaltigung niemals angezeigt haben. 345 von 1105 befragten Frauen gaben als Grund an, dass sie sich selbst schuldig fühlen!1

Uns ist es wichtig auch hier noch einmal klar heraus zu stellen: Nicht die Opfer tragen die Verantwortung dafür, wenn sie vergewaltigt, angegrapscht oder belästigt werden! Auch wenn Menschen sich küssen, heißt das nicht automatisch, dass sie danach miteinander die Nacht verbringen. Egal was zwischen zwei Menschen läuft oder was nicht, es gibt IMMER das Recht „Stopp“ und „Nein“ zu sagen.

Sexualisierte Gewalt ist ein Verbrechen, das überall auf der Welt verübt wird und Alltag ist. Wir verurteilen dieses Verbrechen, egal von wem es wo, wie und gegen wen verübt wird. Andersherum erteilen wir den momentanen Diskussionen, die sexualisierte Gewalt auf die eine oder andere Weise zu einer Frage der Herkunft oder Religion machen, eine Absage.

Was sind denn die wirklichen Ursachen für diese alltägliche Gewalt? Noch heute ist es in den meisten Beziehungen so, dass vor allem die Frau sich um die Kindererziehung kümmern muss, den Haushalt machen muss und nebenbei arbeiten geht. Der Mann dagegen geht Vollzeitarbeiten und ist angeblich dafür verantwortlich, das Geld nach Hause zu bringen. Das klingt vielleicht für viele im ersten Moment gar nicht so schlimm, aber was ist denn, wenn die Frau eigenständig sein möchte, wenn sie sich zum Beispiel von ihrem Mann trennen möchte? Viele Frauen stehen vor dem Problem, ohne das Geld des Mannes die Miete, das Essen und den Unterhalt für die Kinder nicht bezahlen zu können.

Das Problem wird nicht dadurch besser, dass Frauen zum Beispiel in Deutschland auch heute noch im Durchschnitt 23 % weniger verdienen als Männer2.

Wenn wir uns die Situation der Frauen anschauen, sehen wir, dass sie überall unterdrückt, klein gehalten und abhängig gemacht werden. Wenn dieses „Frauenbild“ besteht, ist es eine logische Folge, dass daraus Gewalt gegen Frauen und sexuelle Belästigungen hervorgehen. Das Problem ist also in unserer ganzen Gesellschaft zu suchen, nicht in Kulturen oder Religionen.

Wir leben heute in Deutschland im Kapitalismus und noch immer in einem patriarchalen System. Das bedeutet, die Arbeiterinnen und Arbeiter werden ausgebeutet, sie schaffen den Reichtum dieser Gesellschaft, aber die Kapitalisten stecken sich das allermeiste in die eigene Tasche. Die Arbeiterinnen leben zusätzlich in einer besonderen Unterdrückung, ihnen wird die Rolle der Versorgerin und Haushälterin zugeschrieben, das heißt die Frauen werden zu den „Dienerinnen“ ihrer Männer gemacht. 3

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Verhaltenstipps für Männer

1. Hör auf Frauen anzugrapschen oder zu vergewaltigen!

2. Höre darauf, wenn Frauen „Nein“ sagen!

3. Hör auf Frauen nur auf ihr Aussehen zu reduzieren!

4. Gib Frauen niemals die Schuld daran, wenn sie belästigt oder vergewaltigt werden!

5. Lass deine Hände bei dir!

6. Greif ein, wenn du siehst das jemand sich nicht wohl fühlt!

7. Mach die Augen auf und achte auf deine Umgebung!

8. Frag lieber einmal mehr nach, als einmal zu wenig!

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Aus diesen Gründen sprechen wir von einer doppelten Unterdrückung der arbeitenden Frau. Die Gewalt gegen Frauen sehen wir als ein Mittel, um genau diese Unterdrückung aufrecht zu erhalten.

Alle Männer üben auf die ein oder andere Art Gewalt gegen Frauen aus. Wobei wir unter dem Begriff nicht nur die „klassische Vergewaltigung“ verstehen. Auch ewige Anmachsprüche, hinterherpfeifen, Frauen auf ihr Aussehen reduzieren und sie als Sexobjekte wahrnehmen sind Formen, in denen Männer Gewalt gegen Frauen ausüben. Niemand kann sich davon frei sprechen. Was aber jeder tun kann, ist sein eigenes Verhalten hinterfragen und verändern. Aber egal wie viel Mühe Mann sich gibt, im Kapitalismus wird er dieses Verhalten nicht vollständig ablegen können.

Das Problem sind nicht die Migranten, sondern ist die Unterdrückung der Frau

… so muss unsere erste Schlussfolgerung lauten, wenn wir uns diese einfachen Tatsachen anschauen. Die Reaktionen der Politik und Medien sind aber vollkommen anders.

Seit Monaten wird die Situation für Flüchtlinge in Deutschland immer schlimmer. Nicht nur, dass sie mit hunderten Menschen, unter unmenschlichen Bedingungen, auf viel zu wenig Raum leben müssen. Nein, seit Silvester sind sie auch noch alle potenzielle Vergewaltiger oder grapschen zumindest Frauen an. Das alte Märchen von den Barbaren, die aus dem Süden und Osten kommen und das ach so kultivierte Europa belagern, wird jetzt wieder aufgewärmt. Hierbei steht Nordrhein-Westfalen und insbesondere die „weltoffene“ Stadt Köln im Mittelpunkt der Diskussion. Nach Silvester stand mit Karneval das nächste Großevent im Rheinland an und das wurde voll ausgenutzt, um die Diskussion auszuschlachten.

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Uns Frauen wird erzählt, wie wir uns anziehen sollen …

Uns Frauen wird erzählt, wie wir uns verhalten müssen …

Uns Frauen wird erzählt, wie unsere Haare aussehen sollen und wie wir uns am besten schminken …

Uns Frauen wird erzählt, dass wir dünn, fast magersüchtig sein müssen …

Uns Frauen wird erzählt, dass wir den Haushalt zu machen haben, die Kinder erziehen und arbeiten gehen sollen …

damit wir den Männern gefallen. Und wenn wir das nicht tun, ist das falsch und wir sind nichts wert.

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Bereits am 14.01.1016 wurde der erste Karnevalszug im Rheinberger Stadtteil Orsoy abgesagt. Wie die Rheinische Post berichtet, sagte ein Sprecher der Stadt „[…] man könne nicht ausschließen, dass die im Stadtteil Orsoy lebenden Flüchtlinge den Zug besuchen und es zu Vorfällen wie in der Silvesternacht in Köln komme. In Orsoy, das rund 3000 Einwohner zählt, befindet sich eine Zentrale Unterbringungsstelle des Landes Nordrhein-Westfalen. Dort leben mehrere hundert Flüchtlinge. In dem ehemaligen Krankenhaus mit Schwesternheim sind auch zahlreiche Nordafrikaner untergebracht – nach ersten Ermittlungsergebnissen waren auch die Kölner Täter überwiegend Nordafrikaner. […]“4. Solche Äußerungen mögen im ersten Moment hart klingen. Sie sind keine Ausnahme. Sie passen sehr gut zu den Äußerungen und dem Verhalten der deutschen Politiker. Bei der Diskussion um den angeblichen Schutz der Frauen geht es eigentlich darum, die notwendige Stimmung zu schaffen, um die Flüchtlingskrise im Sinne der Herrschenden zu lösen. Die Vorschläge für Gesetzesänderungen von CDU, SPD und den Grünen fliegen nur so aus ihren Schubladen. So prüfen die Grünen, „ob für eine schnellere Abschiebung straffällig gewordener Ausländer und Flüchtlinge Gesetzesänderungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht notwendig sind“. Die CDU fügt noch hinzu, dass die im Januar 2015 erst gelockerte Residenzpflicht nun wieder vollständig eingeführt wird. Das bedeutet, dass Asylbewerber den ihnen zugewiesenen Landkreis ohne Erlaubnis nicht verlassen dürfen. Sie können also nicht mehr in eine andere Stadt fahren, um Freunde zu besuchen, um sich das Land anzuschauen oder Urlaub zu machen.

Darin, dass eine härtere Gangart, schnellere und mehr Abschiebungen notwendig sind, sind sich alle großen Parteien einig.

Seit Ende letzten Jahres stehen die Vorschläge für eine Veränderung des Asylrechts fest. Heute wird die Grundlage geschaffen, um diese umzusetzen und noch weiter zu verschärfen. Wir sehen also, die Vorschläge laufen alle darauf hinaus, die eh schon beschlossenen Ziele der Verschärfung der deutschen Flüchtlingspolitik jetzt schneller umzusetzen5. Es wird alles dafür getan, die von den Herrschenden im Laufe des letzten Jahres eigens aufgebaute „Willkommenskultur“ nun endlich zu beenden, wieder zunichte zu machen und die Stimmung in der Gesellschaft zu drehen.

Das sind die wahren politischen Ziele, die hinter der Medienkampagne seit der Silvesternacht stehen und nach denen wir am Anfang des Artikels gefragt haben.

Wenn wir weiter schauen, sehen wir, dass die Diskussion seit Silvester längst den Rahmen einer Diskussion über die Flüchtlingsfrage gesprengt hat und ein allgemeiner Ruf nach einer härteren Hand des Staates immer lauter wird. Die massiven Auseinandersetzungen mit einem linken Hausprojekt in Berlin-Friedrichshain, die selbstorganisierten faschistischen „Bürgerwehren“, die Jagd auf Migranten in Köln und ganz Nordrhein-Westfalen machen, die „plötzlich“ wieder aufgetauchten RAF6-Mitglieder – all das wird als Vorwand genutzt, um nach einem starken Staat zu rufen. „Die Probleme der deutschen Großstädte mit kriminellen Zuwanderern sind nicht erst in der Silvesternacht entstanden. Und sie werden vor Allem nicht mit jenem Rezept gelöst, dem Regierungen nach jeder Krise folgen: Gesetze verschärfen, neue Vorschriften erlassen. Wichtiger ist es, das bestehende Recht konsequent anzuwenden. Dafür braucht es mehr Polizei. Dafür braucht es mehr Beamte in den zuständigen Behörden. Und dafür braucht es mehr Geld. Kurz: Der Staat müsse aktiver und kreativer werden, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Und um die völlige Kontrolle in seinem Hoheitsgebiet zurückzugewinnen.“7

Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir, dass den Preis für all das auch die Frauen zahlen müssen. Die barbarische sexualisierte Gewalt, die Alltag ist, mit der Kultur oder Religion der Migranten in Deutschland zu erklären, bedeutet die Bewegungsfreiheit der Frauen vollkommen einzuschränken. Das bedeutet die Angst vor Übergriffen zum Dauerzustand zu machen.

Sowohl arbeitende Frauen, als auch Migranten werden hier in Deutschland besonders unterdrückt. Wenn sie sich verbünden und gemeinsam etwas verändern wollen, sind sie eine große Gefahr für dieses System. Das soll unter allen Umständen verhindert werden. Wenn es dafür notwendig ist, rassistische Hetze zu verbreiten und alle Migranten zu potenziellen Vergewaltigern zu machen, sind sich die deutschen Politiker auch nicht zu schade dafür, genau das zu tun. Sie sind sich auch nicht zu schade dafür, alle Frauen, die Silvester von den Übergriffen betroffen waren, dafür zu nutzen, diese Hetze zu verbreiten.

Angeblich sollen jetzt mehr Beamte eingestellt werden und die allgemeine Videoüberwachung von uns Allen ausgeweitet werden, um mit solchen Situationen umzugehen und sie nie wieder passieren zu lassen. Gegen wen wird sich das alles richten? Gegen die Menschen, die nicht länger in diesem System leben wollen. Gegen die Menschen, die nicht länger schweigen, sondern ihren Mund auf machen und laut werden. Gegen uns alle!Bild8

und was können wir tun?

Zuerst müssen wir aufhören zu schweigen und laut werden! Überall wo wir uns aufhalten, müssen wir das Patriarchat angreifen! Egal, ob in der Schule, auf der Arbeit, in der Uni oder zu Hause. Nirgendwo haben Menschen das Recht dazu, uns Frauen anders zu behandeln als Männer.

Frauen die aufstehen, die kämpfen und sich wehren, tragen besonders dazu bei das Bild über die Rolle der Frau, welches uns von klein auf anerzogen wird, zu zerstören. Die Antwort auf die vielen Übergriffe auf Frauen kann nicht sein, dass Frauen nur noch in „männlicher Schutzbegleitung“ vor die Türe gehen. Frauen können und müssen ein selbstbestimmtes Leben führen, dafür muss aber wie wir sehen noch ein langer Weg gegangen werden.

Es ist absurd: immer wieder fühlen Frauen sich alleine damit, wenn sie belästigt oder vergewaltigt wurden. Die Angst darüber zu sprechen und die Scham sind sehr hoch. Viele Frauen fühlen sich hilflos der Situation ausgesetzt. Wenn wir uns aber die Zahlen ansehen, sehen wir, dass keine Frau mit solchen Erfahrungen alleine dasteht. Wir sehen, dass es genau anders herum ist und die meisten Frauen solche Erfahrungen gemacht haben. Auch hier muss das Schweigen gebrochen werden. Die Situation der Frauen heute in Deutschland muss in die Öffentlichkeit gebracht werden, sei es durch Kundgebungen, Demonstrationen, im Internet oder dadurch, dass Frauen untereinander über ihre Erfahrungen sprechen.

Wenn wir als Frauen uns gemeinsam organisieren, können wir auch heute schon viel ändern. Die Unterdrückung der Frau nutzt allein den Herrschenden das kapitalistische System aufrecht zu erhalten. Um also ohne Unterdrückung des Menschen durch den Menschen leben zu können, müssen wir das gesamte System ändern. Das passiert nicht von heute auf morgen und es wird definitiv kein einfacher Weg. Aber es ist ein Weg der sich lohnt!

Aber nicht nur wir Frauen müssen kämpfen. Wir dürfen auch die Männer nicht vergessen. Jeder Mann muss lernen, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und sich ändern. Jeder Mann muss sich dafür einsetzen, dass die Unterdrückung der Menschheit und insbesondere der Frauen endlich beendet wird. Damit meinen wir nicht, dass Männer sich schützend vor die Frauen stellen und den Beschützer spielen sollen. Sondern das Gegenteil. Sie sollen den Frauen nicht dabei im Weg stehen sich entwickeln. Sie sollen den Frauen nicht im Weg stehen, wenn sie das Schweigen brechen und in den Vordergrund treten. Und sie sollen darauf achten, dass das auch in ihrem eigenen Umfeld umgesetzt wird.

Wir sind optimistisch, dass wir, wenn wir das alles (und noch viel mehr) tun und wir diesen schwierigen Weg gehen, am Ende siegen und in einer freien Gesellschaft leben werden!

1https://ichhabnichtangezeigt.files.wordpress.com/2012/07/auswertung_ausf-web.pdf

2www.zeit.de/2012/25/Analyse-Frauen

3Hierüber kannst du mehr im vorherigen Artikel „Die gesellschaftliche Lage der Arbeiterin heute“ erfahren

4Rheinische Post Onlineartikel 14.01.2016; Innerhalb weniger Stunden wurde der Artikel (und noch einige mehr z.B. Focus online) jedoch geändert und die Flüchtlinge seien nur noch ein Grund, nicht jedoch der Hauptgrund für die Absage des Zuges. Der Hauptgrund sei nun die Behinderung des Verkehrs.

5Siehe auch „Die Flüchtlingskrise 2015 und imperialistische Strategien zur Kontrolle der benötigten Arbeitsmigration“, Kommunismus Ausgabe 4

6RAF – Rote Armee Fraktion

7Spiegel 3/2016: Am Rand, S. 25

Kämpfende Frauen verändern die Welt – ohne kämpfende Frauen läuft nichts

Schmeißt sie weg, die alten traditionellen Rollenbilder

Kämpfende Frauen sind seit Jahrhunderten weltweit Teil in Revolutionen, in Streikkämpfen, in antifaschistischen Kämpfen, in Frauenrechtskämpfen und vielen mehr. Frauen stehen oft ganz vorne im Kampf. Sie übernehmen die Führung. Frauen sind im Kampf sehr konsequent und mutig. Sie gehen motiviert in den Kampf, weil sie siegen wollen. Kämpfe entstehen vor allem dann, wenn soziale Ungerechtigkeiten und Unterdrückung besonders stark werden, wenn Frau es nicht mehr aushalten kann.

Frauen wurden und werden noch immer dazu erzogen, dass sie erdulden, sich anpassen, unterordnen und sich in der Rolle der dienenden Kümmerin oder Pflegenden einrichten. Aber längst haben Frauenkämpferinnen bewiesen, dass das nicht alles in ihrem Leben ist. Frauen wollen mehr und das müssen sie sich holen. Es gibt Frauenkämpfe, die einige nützliche Dinge erreicht haben wie z.B. demokratische Rechte wie das in der gescheiterten Revolution 1918 erkämpfte Frauenwahlrecht, Selbstbestimmung über Berufstätigkeit undErfolge durch Arbeitskämpfe wie die formelle Verankerung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in Tarifverträgen.

Für KommunistInnen sind die Kämpfe besonders wichtig, die mehr erreichen wollen als Verbesserungen im täglichen Leben und in der Arbeit. Lebens- und Arbeitsverbesserungen können vieles einfacher machen, aber weil Verbesserungen nicht die grundlegenden Probleme von Unterdrückung und Ausbeutung für die Frauen und die gesamte ArbeiterInnenklasse lösen, entstehen ständig neue Probleme oder tauchen alte wieder auf. Frauen müssen sich entscheiden: Wollen sie ein bisschen von allem oder wollen sie Alles?

Heute sehen wir, dass in Deutschland eher wenige Frauen kämpfen, egal ob gegen ihre soziale oder berufliche Unterdrückung und Ausbeutung. Unzufriedenheit und Proteste sind eine Menge da, es fehlt aber an Entschlossenheit sich politisch zu organisieren und aus dem Protest einen kämpferischen Widerstand zu entwickeln. Es fehlt die konsequente Entscheidung dafür, sich nicht nur mit einem ein bisschen besseren Leben zufrieden zu geben, sich dort einzurichten, zu resignieren und Frust zu schieben, sondern für ein ganz anderes, besseres Leben, organisiert für die Befreiung der Frau zu kämpfen.

Revolutionärer Klassenkampf macht den Bonzen Dampf

Demo
Streikszene

Es ist unübersehbar, dass sich unsere Gesellschaft in zwei große Klassen teilt. Das merken wir alle täglich. Es gibt die wenigen wirklich reichen Menschen, die durch ihren Reichtum die Macht über die Politik im Staat und unser Leben ausüben, indem sie z.B. Gesetze erlassen wie Hartz IV, zur vollständigen Überwachung der Menschen, zur Einschränkungen unserer Gesundheitsversorgung, Preiserhöhungen ohne Lohnerhöhungen oder Mietwucher und vieles mehr. Diese Macht wird richtigerweise als die Macht des Kapitals oder der Bourgeoisie bezeichnet. Also wenige Kapitalisten zwingen die Masse der Menschen so zu leben und zu arbeiten, wie sie es bestimmen, wie es ihnen ermöglicht, immer reicher zu werden.

Es gibt viele verschiedene Typen von Kapitalisten. Die Spannbreite geht vom Kleinbetrieb und Mittelstand, das sind kleinere Betriebe in denen auch ArbeiterInnen arbeiten und ausgebeutet werden, bis hin zu Monopolen, also mächtigen Industriezusammenschlüsse wie z.B. in der Autoindustrie, die den Markt und deswegen auch den Staat beherrschen.

Durch ihre Gesetze nehmen sie den Menschen das weg, was ihnen das Leben angenehmer macht und zwingen sie, sich täglich Sorgen zu machen, woher sie z.B. Geld nehmen sollen um ihren Kindern Schulmaterial oder Kleidung zu kaufen. Oft genug reicht es noch nicht mal für vernünftiges Essen und schnell rutschen Menschen mit wenig Geld in die Schuldenfalle. Das Kapital ist es, das weltweit Massen von Menschen in Armut, Unglück, schlechtes Leben, Flucht, Tod, Hunger und Verzweiflung zwingt.

Damit haben wir schon die andere Klasse angesprochen. Das ist die Masse der Menschen, die davon abhängig ist, ob und zu welchen Bedingungen die Kapitalisten ihnen Arbeit und Leben gewähren. Diese Masse ist die ArbeiterInnenklasse. ArbeiterInnen haben kein Kapital was sie ständig vermehren können. ArbeiterInnen haben nur ihre Arbeitskraft mit der sie dem Kapital ermöglichen Profit zu machen. Profit, weil die ArbeiterInnen vom Kapitalisten als Lohn nicht den Wert erhalten, den sie bei der Arbeit geschaffen haben, sondern nur soviel, wie sie brauchen um ihre Arbeitskraft zu wieder herzustellen z.B. für Nahrung, Wohnung, Kleidung.

Natürlich sehen wir täglich und überall, dass es große Unterschiede im Leben der Menschen gibt, z.B. gibt es auch die, die nicht das ganz große Kapital besitzen, aber doch genügend Reichtum um ein Leben zu führen, das weit über das Leben der ArbeiterInnen hinaus geht. Dazu gehören auch die, die vieles in der Gesellschaft lenken wie z.B. Beamte, die führend in staatlichen Ämter arbeiten wie in Gerichten, bei der Polizei, in der Wissenschaft und Bildung oder PolitikerInnen in den Regierungsparteien. Wir sprechen dann von den kleinbürgerlichen Zwischenschichten. Weil sie mit ihrer Arbeit das Kapital stützen, gehören sie nicht zu den ArbeiterInnen, sondern stehen zwischen den gesellschaftlichen Hauptklassen, aber auf Seiten des Kapitals. Andererseits gibt es auch Kleinbürger, die zwar nicht direkt für das Kapital arbeiten müssen, aber doch von der Bourgeoisie in Form der Banken abhängig sind, wie zum Beispiel viele kleine selbstständige Handwerker, Kiosk- oder Imbissbesitzer.

Kommunistinnen sprengen ihre Ketten

Kommunistin zu sein heißt, zu erkennen, dass sich die Klasse der KapitalistInnen und die Klasse der ArbeiterInnen unvereinbar gegenüber stehen, dass die einen die anderen ausbeuten und dass die Ausbeutung nur mit dem Mittel des Zwanges beendet werden kann. Kommunistin zu sein heißt, bereit zu sein, den Klassenkrieg zu führen. Klassenkrieg heißt, die Revolution zu organisieren. Eine Revolution, die die Klassenverhältnisse verändert, indem die Unterdrückten und Ausgebeuteten die politische Macht erkämpfen und verteidigen. Kommunistin zu sein heißt, sich in einer Partei zu organisieren, die diesen Klassenkrieg organisieren und führen kann. Kommunistin zu sein heißt, für die Menschheit zu kämpfen, dafür zu kämpfen, dass es keine Kriege mehr gibt die Elend und Tod bringen.

KommunistInnen wollen zusammen mit allen Frauen, die sich nicht der Unterdrückung und Ausbeutung beugen, aus dieser Lage ausbrechen. Sie wollen mit ihnen gemeinsam diesen Weg planen und organisieren und wollen zusammen verstehen, warum dieser Weg nur der Weg des revolutionären Klassenkampfes sein kann.

KommunistInnen haben Vorbilder und können auf Erfahrungen in der kommunistischen Bewegung zurückgreifen. In Deutschland ist Clara Zetkin eine führende kommunistische Kämpferin in der Frauenbewegung im 19. und 20. Jahrhundert gewesen. In ihren Texten können wir gleiche und ähnliche Probleme finden wie die, mit denen wir es heute zu tun haben. Mit diesen Problemen mussten sich die Frauen schon vor uns herumschlagen. Wir werden hier eine kurze Stelle aus ihrer Rede „Für die volle soziale Befreiung der Frau“ vom 23.Mai 1924 zitieren, weil darin sehr einfach und schön ein Grundproblem von damals und heute beschrieben wird, was Frauen darin hindert, aktiv als Kommunistin zu arbeiten.

Karl Marx erklärte im „Achtzehnten Brumaire“: „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden“.1

Bezogen auf dieses Zitat erklärt Clara Zetkin:

Im höchsten Grade trifft das zu auf das Fühlen, Denken und Wollen bei allem, was sich auf die Stellung und Betätigung der Frauen in der Gesellschaft bezieht. Mächtiger als in irgendeiner anderen Beziehung leben darin die Traditionen von Jahrhunderten, Jahrtausenden weiter. Immer wieder bricht es in Auffassung, Gewohnheiten, Lebensgestaltung durch, dass die Frau durch die Bindungen der Mutterschaft zum ersten und ältesten Eigentum des Mannes wurde. So müssen wir nicht nur die sozialen Verhältnisse umwälzen, auf denen die Versklavung der Frau beruht, sondern müssen auch das Hirn der Menschen – der Männer wie der Frauen – von dem Alp der Traditionen befreien.

In bürgerlichen Staaten, wo die Macht des toten Eigentums über die lebendigen Menschen noch nicht gebrochen ist, geht der bittere Kampf der Geschlechter unter frauenrechtlerischer Führung um die Probleme der Frauenfrage. Auf dem Boden der Sowjetrepubliken, wo die proletarische Revolution die Macht der Besitzenden und Ausbeutenden im Staat bereits gebrochen hat, ringen Frauen und Männer gemeinsam unter Führung der Kommunistischen Partei darum, mit Ausnutzung der Macht im Staate neue soziale Verhältnisse zu schaffen, die niemanden versklaven und neue Menschen erziehen, die aus dem Banne der Traditionen befreit sind. Solche Verhältnisse und solche Menschen verbürgen volle Freiheit, volles Recht für die Frau.“ 2

Aus diesen Gründen wurden in der deutschen kommunistischen Bewegung in den 70er Jahren Versuche gestartet, um Frauen aus den Bindungen von Familie und Kindern ein Stück weit raus zu holen, damit sie aktiver Teil in der kommunistischen Arbeit sein können. Das hat nicht so reibungslos geklappt, aber es gibt praktische Erfahrungen, die zumindest einen Beginn aufzeigen, was es für Möglichkeiten geben kann, solange wir noch den Bedingungen des Kapitalismus unterworfen sind. In diesem Artikel wollen wir einige Erfahrungen aufzeigen und dazu auffordern, weiter zu gehen, in dem Sinne, dass es Frauen uneingeschränkt ermöglicht wird, heute aktiv als Kommunistin zu arbeiten.

Dazu müssen wir kurz zurück gehen in die 60er Jahre, die eine Zeit des politischen Aufbruchs der Jugend waren, in der sich eine breite Kampfbewegung entwickelte und der Kommunismus eine große Rolle einnahm.

Radikale Bewegungen zerbrechen die Ruhe im Land

Politisch war die Gesellschaft in Deutschland auch dem nach Ende des 2. Weltkrieges von einem starken faschistischen Einfluss geprägt. Die Verbrechen aus dem Nationalsozialismus wurden in der Gesellschaft nicht grundlegend aufgearbeitet, vieles wurde vertuscht, verharmlost oder verschwiegen. Faschistische Verbrecher saßen wieder in führenden Positionen von Politik, Regierung, Gerichten, Polizei, Ämtern usw. Sie waren es, die die Politik in Westdeutschland mitbestimmten.

Der militärisch geführte Krieg war zu Ende, aber der Kampf um die Neuaufteilung der Welt ging weiter. Insbesondere war die sozialistische Sowjetunion, die entscheidend zur Zerschlagung des deutschen Faschismus beigetragen hat, der alte und neue Feind. Das „Kommunistische Gespenst“ war nicht unter Kontrolle gebracht, sondern stellte Ansprüche. Diese Zeit war der Beginn des „Kalten Krieges“, das heißt es lag in den 50er und 60er Jahren Kriegsgeflüster in der Luft.

Zum Anderen war die Zeit eine Zeit, in der eine sehr autoritäre Erziehung das Leben der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bestimmte. Gewalt, Misshandlungen und sexueller Missbrauch fanden überall statt; in der Familie, in allen Erziehungseinrichtungen, in so manchen Ausbildungsbetrieben, in den Kirchen. Die 60er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, Jugendliche und Studenten hatten die Nase voll von Verlogenheit und Gewalt, die sich gegen sie und gegen die Menschheit richtete. Die Wut der Jugend gegen die bestialischen Kriege und Ungerechtigkeiten – nicht nur in Deutschland sondern weltweit – durchbrach die verlogene Ruhe und autoritäre Ordnung. Die Jugend protestierte und bekam heftige Staatsgewalt zu spüren. Sie ließen sich jedoch nicht unterkriegen und leisteten Widerstand, sie organisierten sich zum Kampf in Parteien. Im Anbetracht des Siegs der Revolution in der Sowjetunion 1917, den revolutionären Kämpfen in China und Albanien, den starken Ausstrahlungen der anti-kolonialen Befreiungskämpfen und dem sich entwickelnden Befreiungskrieg des vietnamesischen Volkes war alles besser zu ertragen als Unterdrückung, Ausbeutung und bestialische Kriege.

Innerhalb der Kämpfe der Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland wurde vor allem jungen Frauen bewusst, wie hinderlich sich die traditionelle Rollenverteilung von Frau und Mann auswirkt. Ihre Männer hatten alle Möglichkeiten zu kämpfen und wurden in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen. Diese kämpfenden Männer waren zum großen Teil nicht diejenigen, die die Frauen darin unterstützten, dass sie mit auf der Straße kämpfen oder aktiv politisch tätig werden konnten. Diese Lage musste geändert werden, wenn Frauen zu Hause nicht mehr am Herd stehen oder allein die Kinder versorgen wollen, dann müssen sie sich zusammenschließen. Das wurde nicht nur gedacht, sondern getan und so entstand eine neue feministische Bewegung, die für die Emanzipation der Frau kämpfte.

Viele der kämpfenden Menschen aus dieser Bewegungszeit organisierten sich zum Ende der 60er Jahre in kommunistischen Parteien. Das hatte den Vorteil, dass der heftigen staatlichen Repression nun Kräfte gegenüber standen, die durch ihre Organisiertheit nicht mehr so leicht unter Kontrolle gebracht werden konnten. Für die politischen Ziele, wie der Kampf für die Revolution und den Kommunismus, konnten nun durch eine breite und beständige Propagierung mehr Klarheit unter die Menschen gebracht werden.

Soviel in aller Kürze zu dem geschichtlichen Hintergrund. Er wird jetzt eine Rolle spielen, wenn wir uns angucken wie es möglich sein kann, dass eine Arbeiterin, die Familie hat und berufstätig ist, auch aktive Kommunistin sein kann. Dazu stellen wir einige Erfahrungen vor, wie es in den 70er Jahren gelungen ist, dass Frauen, die auch Mütter geworden sind, durch eine gemeinsame Organisation der Kinderbetreuung, trotzdem politisch aktiv sein konnten. Wir wollen damit auch eine Debatte anregen, um die gemachten Erfahrungen nicht nur gut zu finden, sondern um praktische Lösungen für heute zu finden.

Zeitlich gesehen gehen wir dazu zurück zum Ende der 60er Jahre. Wie oben beschrieben haben sich gerade kommunistische Parteien gegründet. Auch Trude, mit der wir das Gespräch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen als Kommunistin geführt haben, ist als Auszubildende in die KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschland/Marxisten-Leninisten) gegangen. Dort hatten sich ab 1968/69AltkommunistInnen aus der verbotenen KPD, Studenten und Lehrlinge aus der 68er Bewegung organisiert.

Ausschnitte aus dem Gespräch mit Trude:

Wie alles begann

1. Mai KPD MLSehr früh habe ich mich dafür entschieden, Krankenschwester zu werden. So fing ich mit 16 Jahren mit der Ausbildung an. Schule fand ich schrecklich und zum lernen hatte ich gar keine Lust. Ich wollte arbeiten; das konnte ich, denn zu hause sind wir schon früh in alles eingewiesen worden, was im Haushalt zu tun war. Das ging auch gar nicht anders. Wir waren fünf Kinder und es gab zum Beispiel keine Waschmaschine. Also wurde die Wäsche von sieben Personen samt Bettwäsche in großen Waschbottichen gekocht. Lange Zeit wurden viele Kleidungsstücke selber genäht, denn um Kleidung zu kaufen reichte das Geld nicht. Außerdem musste ständig geputzt werden. Wir hatten einen großen Garten, in dem Gemüse und Obst angepflanzt wurde. Der musste auch gepflegt werden, was noch mehr Arbeit bedeutete. Aber immerhin hatten wir so auch frisches, gutes Essen. Also Arbeit gab es viel und immer mussten wir Kinder mithelfen. Widerspruch wurde nicht geduldet.

Glücklicherweise haben meine älteren Geschwister mir den Weg gebahnt, dass ich früh ausziehen konnte. Mit kaum 17 Jahren konnte ich gegen den Willen meiner Eltern in meine „Freiheit“ entwischen. Über die Schule hatte ich Kontakt zu GenossInnen aus der KPD/ML bekommen. Mit deren Unterstützung fand ich eine Wohnung. Mit meinem Ausbildungsgeld kam ich nicht weit, denn es reichte gerade mal um Miete, Gas, Strom und Fahrgeld zu bezahlen. Gegessen habe ich dann oft in den großen Wohngemeinschaften, den Kommunen oder bei meinen Eltern. Das alles war aber nicht so wichtig für mich, mich hat der Sturm der Revolution mitgerissen. Ich war begeistert von den Massen junger Menschen, die wie ich ständig auf den Straßen waren. Endlich konnten wir unsere Empörung und unsere Wut über die Ungerechtigkeiten, über Gewalt und die barbarischen Kriege raus lassen.

Die meisten GenossInnen waren älter als ich. Es war das erste mal das ich erlebte, dass mit mir richtig geredet wurde und dass sich Menschen dafür interessierten, was ich dachte und zu sagen habe. In der Familie wurde nicht mit uns Kindern geredet, dort wurde gemacht, was die Eltern sagten. Die hatten immer recht und haben wir nicht pariert, dann gab es Dresche. So haben wir es auch gar nicht gelernt miteinander zu reden.

Durch das Reden und die Kämpfe auf der Straße lernte ich viel Neues und Unbekanntes kennen über Kommunismus und Revolution, über Kapitalismus und Ausbeutung. Meine Entscheidung fiel sehr schnell, ich wollte Kommunistin sein und für eine andere Welt kämpfen, darum bin ich in die KPD/ML gegangen.

Kommunistische Arbeit das muss sein

Um das mal vorab zu sagen, ich habe es nie bereut, dass ich lange Zeit in einer kommunistischen Partei gearbeitet habe, sondern ich war froh, dass ich dort vieles gelernt habe, was es mir leichter machte, Zeiten zu überstehen, wo es keine Partei mehr gab, aber ich trotzdem weiter politisch aktiv war. Von dem was wir vertreten und gemacht haben, distanziere ich mich nicht in der Form, wie es die Mehrheit meiner Ex-GenossInnen tun. Sondern mir geht es darum zu analysieren, was wir für Fehler gemacht haben, die dazu geführt haben, dass wir bis heute keine kommunistische Partei haben, wie wir sie für die Revolution in diesem Land nun mal brauchen. Ich finde wir brauchen uns heute auch nicht damit auf zu halten, dass es so manches mal kein genossenschaftliches Verhalten unter den GenossInnen oder zwischen den verschiedenen Parteien gab. Wir würden besser und schneller weiter kommen, wenn wir lernen es heute anders zu machen.

Zurück in die Zeit der 70er Jahre. Mein Leben war die Politik. Alles was ich gemacht habe war im Zusammenhang mit der Parteiarbeit. Was mir schwer viel war das Lesen der Texte von Marx, Engels und Lenin. Die Texte von Stalin und Mao fand ich einfacher, die konnte ich besser verstehen. Für uns Jugendliche war die marxistische Literatur schwer zu verstehen, weil wir es nie gelernt hatten wissenschaftliche Texte zu lesen. Viele, die aus der Lehrlingsbewegung kamen, hatten einen einfachen Schulabschluss. Da lernt man nicht mit Texten zu arbeiten, deswegen war das für uns schwer und es dauerte Jahre bis ich wirklich mit den Texten arbeiten konnte.

Das Einfache war für uns, dass wir ständig auf der Straße waren. Es gab fast täglich Demonstrationen, Kundgebungen oder wir haben Flugblätter verteilt. Um mehr mit den Menschen in Kontakt zu kommen, sind wir viel in die Häuser gegangen. Wir haben geklingelt und mit den BewohnerInnen über unsere Politik geredet. Oder wir haben vor Betrieben Flugblätter an die KollegInnen verteilt. Die 70er Jahre waren eine Zeit, wo sich viele Menschen für den Kommunismus interessiert haben und wo die kommunistischen Parteien lange Zeit einen großen Zulauf oder Unterstützung hatten.

Berufstätig und alleinerziehend zu sein ist immer schwierig

Kurz nach dem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, bekam ich meine erste Tochter. Bald darauf war ich alleinerziehend. Die Trennung von dem Vater meiner Tochter wollte ich. Ich wollte nicht in einer Kleinfamilie eingesperrt sein, sondern selbstbestimmt und unabhängig von Familie und Mann leben. Das war allerdings nicht so einfach. Mit zwanzig Jahren war ich damals noch nicht volljährig. Darum stand öfters das Jugendamt vor der Tür, um zu kontrollieren ob meine Tochter in „guten“ Verhältnissen lebt. Zudem gab es zu der Zeit nur sehr wenige GenossInnen die schon Kinder hatten. In meinem Umfeld gab es in den ersten Jahren nur noch eine Familie mit Kindern. Wir waren meistens auf uns selbst gestellt, alles hin zu bekommen. Mein Beruf war mit Schicht- und Wochenenddienst. Aber es gab keine Kindergärten, die entsprechend Kinder betreut haben. Ja und dann wollte ich auch noch Politik machen.

Zuerst überbrückte ich die Zeit, indem ich als ungelernte Kraft in die Fabrik gegangen bin. Dort waren die Arbeitszeiten so, dass ich meine Tochter morgens um 6.00 Uhr in die Kita bringen und nachmittags um 17.00 Uhr wieder abholen konnte. Ich arbeitete in einer Halle, wo nur Frauen waren. Die Akkordarbeit war ausgesprochen stumpfsinnig, darum dachte ich mir mit einigen jungen Kolleginnen öfters irgendeinen Blödsinn zur Ablenkung aus. Das fiel den Vorarbeiterinnen natürlich auf. Sobald es zum Auftragsmangel kam stand vor allem ich auf der Abschussliste. Dagegen protestierten wir. Aber wir hatten keine Ideen, wie diese Arbeit wirklich erträglicher gemacht werden konnte und gewannen deswegen keine Kolleginnen für Proteste. Die Partei hatte damals in anderen Betrieben Kämpfe geführt und so machten wir dort, wo ich arbeitete, keine betriebliche Arbeit. Ich selbst hatte kaum eine Ahnung was es eigentlich heißen soll im Betrieb kommunistische Arbeit zu machen und ganz ehrlich, ich habe mich auch nicht darum bemüht.

Nachdem ich entlassen war entschied ich mich, wieder im Krankenhaus zu arbeiten. Als erstes musste ich meine Tochter entsprechend unterbringen. Darum ging ich aufs Amt und forderte eine Tagesmutter und einen Kitaplatz. Dort habe ich meine Tochter auf den Tresen gesetzt und gesagt, „Entweder bin ich gezwungen arbeitslos zu sein oder ich bringe meine Tochter jeden Tag ins Amt zur Betreuung.“ Damals gab es noch nicht so viele Alleinerziehende, die waren eher eine Ausnahme. Ich denke, dass die Angestellten im Amt irgendwie Verständnis für mich hatten, denn ich bekam beides. Eine Stelle hatte ich schnell gefunden. Es war die Zeit wo es Personalmangel in den Krankenhäusern gab, da haben sie alle genommen, die sie bekommen konnten.

In meinem Beruf habe ich sehr gerne gearbeitet, aber wie üblich sind die Arbeitsbedingungen oft das Problem gewesen. Durch meine politische Arbeit war mir bewusst, dass es wichtig ist mich mit meinen KollegInnen zusammen zu tun und dieser ständigen Konkurrenz unter uns KollegInnen etwas entgegen zu setzen. Es ist mir oft gelungen, KollegInnen zu finden, mit denen ich mich außerhalb der Arbeit getroffen habe, um unsere Arbeitsprobleme zu besprechen. Das hat uns geholfen besser miteinander klar zu kommen.

Die Gewerkschaft war uns dabei keine Hilfe. Wir haben das besser allein hin bekommen. Außerdem konnte ich jetzt mit meinen GenossInnen über die Arbeitssituation sprechen, da hatte sich inzwischen viel geändert. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie ich mich am besten verhalten kann oder ob und was es für Möglichkeiten von Protesten und Unterstützung gibt. In unserer Partei waren jetzt viele, die auf Arbeit in Konflikte geraten sind. Auch wenn es unterschiedliche Arbeitsbereiche waren, wir haben festgestellt, dass es immer wieder um ähnliche Konflikte geht. Probleme waren z.B. Überstunden und ob die bezahlt werden oder nicht oder zu kurzfristige Schichtwechsel; natürlich auch Kämpfe um Lohnerhöhungen oder gegen Personalabbau. Das sind Dinge die hören nie auf und begleiten einen in der gesamten Berufstätigkeit.

Für mich brachte die Zeit mit sich, dass ich allmählich in eine betriebliche Arbeit rein gekommen bin, in der ich viel besser die Zusammenhänge der kapitalistischen Ökonomie verstanden habe. Und das bewirkte wieder, dass ich ein richtiges Interesse entwickelte mich mit dem Marxismus-Leninismus zu beschäftigen. Das heißt nicht, dass ich jetzt alles verstanden habe – das nicht – aber es begann für mich die Zeit, in der ich anfing mit der kommunistischen Theorie zu arbeiten ohne das es eine Belastung war, sondern weil ich Interesse hatte und mehr wissen wollte.

Demo Gegen KPD/ML Verbotsverfahren
Demo Gegen KPD/ML Verbotsverfahren

Alles ändert sich mit Kindern – unsere Lösung der gemeinsamen Kinderbetreuung

Inzwischen hatte sich in dem Leben von vielen GenossInnen einiges geändert. Das Studium war vorbei. Es fing die Berufstätigkeit an. Es wurde geheiratet und Kinder stellten jetzt nicht nur mich sondern viele vor das Problem, Arbeit, Kinder und Politik unter einen Hut zu bekommen. Es ist ja nichts neues, dass Kinder das Leben der Erwachsenen völlig verändern. Aber trotzdem waren die meisten GenossInnen nicht auf die krassen Einschränkungen eingestellt, die eine Familie mit sich bringt.

Ist Frau erst mal in dem Leben einer Ehe, Kinder und Berufstätigkeit drin, kommt sie nicht so einfach raus, das galt auch für uns Kommunistinnen. Wir wollten alles anders machen und verteidigten ja sehr engagiert die Befreiung der Frau und nun war es damit vorbei. Die Männer gingen arbeiten und machten Politik. Wir Frauen machten den Haushalt und die Kinder, manche gingen noch Arbeiten, aber wie üblich in Teilzeit. So sind wir dann in der Realität angekommen. Es dauerte eine Weile bis wir in der Partei diese neuen Bedingungen wirklich wahrgenommen haben. Proteste der Frauen und die Dauerkonflikte zwischen Frauen und Männern führten dazu, dass wir uns und unsere Arbeit gemeinsam und anders organisierten.

Wir organisierten es so, dass ein oder zwei GenossInnen auf mehrere Kinder aufgepasst haben. Oft waren unsere Termine ja am Abend, da ging es besonders gut, weil die Kinder dann in einer Wohnung geschlafen haben. Wenige GenossInnen haben auf mehrere Kinder aufgepasst und wenn sie geschlafen haben konnten auch sie noch arbeiten. Es gab ja immer was zu tun wie Flugblätter, Artikel für Zeitungen oder ähnliches zu schreiben. Alle anderen konnten dann Termine wahrnehmen oder z.B. zu Aktionen und Veranstaltungen gehen. Tagsüber mussten wir uns mit den Kindern beschäftigen, da war nichts drin mit Arbeit für die, die die Kinderbetreuung übernommen haben. Weil das insgesamt gut lief und wir merkten wie viel Zeit wir über die gemeinsame Kinderbetreuung frei schaufeln konnten, fingen wir auch an, an einigen Tagen das zur Kita bringen oder Abholen zu organisieren.

Damit haben wir zumindest innerhalb der Partei Regelungen gefunden, die dafür sorgten, das alle aktiv politisch tätig sein konnten. Wir machten das Jahre lang so und es war eine sehr gute Möglichkeit für alle, um Arbeit, Kinder und Politik zusammen so zu organisieren, dass nicht die Frauen es waren, die aus der politischen Arbeit ausfielen.

Wir müssen verstehen, dass es dabei nicht nur um die Organisation von Hausarbeit und Kinderbetreuung geht, sondern auch darum, dass mehrere Erwachsene eigenständig sehen wo und wann etwas zu tun ist. Es geht darum, dass nicht jede/jeder nur seinen kleinen Bereich sieht, sondern auch sieht was bei den anderen zu tun ist, wo Unterstützung nötig ist und dass wir bereit dafür sind, uns gegenseitig zu helfen. Und es geht darum dem Denken – das sind Angelegenheiten der Mutter, der Eltern oder nur der Familie – etwas entgegen zu setzen. Es geht dabei vor allem darum, kollektiv alle Arbeiten, die anfallen, zu sehen und zu organisieren damit das gesamte, nämlich die Parteiarbeit, gut und ständig funktionierten kann. Dadurch dass es eine gute und allseitige Organisation unter uns gab wurden die Köpfe der GenossInnen frei. Sie konnten sich auf ihre Arbeit konzentrieren und mussten diese nicht ständig unterbrechen. Das gibt Sicherheit und Energie, was dann in erfolgreichen Ergebnissen sichtbar wurde und motivierend auf uns gewirkt hat.

Ein neues Denken über Kindererziehung entsteht

Natürlich kam es auch zu Konflikten zwischen den Erwachsenen und zwischen den Kindern und den Erwachsenen. Kinder sind nicht so wie Erwachsene es wollen. Sie haben einen eigenen Willen und den wollten wir ja nicht nur unterdrücken. Uns war es wichtig, die eigene Persönlichkeit der Kinder zu akzeptieren und sie in sämtlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Das ist aber leicht gedacht und schwer zu machen. Es war oft eine Herausforderung Geduld und Verständnis auf zu bringen und so fingen wir Erwachsen an über Erziehung, Pädagogik und Psychologie zu diskutieren. Da mussten wir sehr auf passen, dass uns das nicht vollständig vereinnahmt oder dass wir persönliche Probleme wichtiger nahmen als die Politik. Es war wichtig, darüber zu diskutieren, weil wir vieles an falschem Verhalten in uns hatten. Auch hier hat uns die gemeinsame Diskussion dabei geholfen Dinge zu erkennen, die wir alleine nicht sehen konnten. Vieles was wir diskutiert und vertreten haben ist ja erst mal aus der Theorie entstanden – genau wie unsere politische Überzeugung. Erst nachdem wir direkt damit konfrontiert wurden Politik, Arbeit, Kinder, Ehe oder Beziehung so hin zu bekommen, wie wir es uns vorstellten, merkten wir wo wir selbst Probleme mit unseren Ansprüchen hatten.

Damit begann aber auch, dass GenossInnen immer wieder in kleinere oder größere Schwierigkeiten kamen. Solange wie wir auf der Straße oder im Betrieb kämpften machten sich unsere persönlichen Schwierigkeiten nicht so bemerkbar. Darüber zu diskutieren und was zu verändern war nicht so schwer für uns. Was uns Schwierigkeiten machte war eher, dass wir lernen mussten, dass viele Verhaltensweisen oder Angewohnheiten von uns nicht mit dem zusammenpassten, was wir wollten. So einfach kommt man eben nicht raus aus dem, was sich tief eingeprägt hat. Uns half es auch nicht nach „Schuldigen“ für unsere Probleme zu suchen wie z.B. Eltern, Erziehung, der Mann, die Frau oder der Staat. Mit der Konfrontation mit den Problemen wurde uns klar, dass wir lernen mussten, an uns selbst zu arbeiten, um dort hin zu kommen, wo wir hin wollten.

Eine wichtige Erfahrung von mir ist es, dass wir Frauen uns aus dem Denken lösen mussten, dass für Kinder die wichtigste Bezugsperson die Mutter sei, so wie wir es überall in der Gesellschaft vermittelt bekommen. Für die Kinder mit denen ich gelebt habe und das waren viele – nicht nur meine eigenen – kam es schneller zur Konfliktentspannung, wenn die Kinder das Vertrauen zu mehreren Erwachsenen hatten. Oft sind Situationen eskaliert, weil wir im Streit an Kleinkram, der eher unwichtig war, hängen geblieben sind. Eine Sicht von außen, die nicht im Konflikt drin steckte, war oft sehr hilfreich.

Dazu gehören aber auch Männer bzw. Väter, die nicht nur ihr eigenes Ding abziehen oder mit Ignoranz glänzen, sondern sich ernsthaft in ein gemeinsames Konzept zu Kinderbetreuung, Erziehung und dem Umgang mit Frauen rein begeben. Die Fähigkeiten in der politischen Arbeit genossenschaftlich miteinander um zu gehen ist an den Punkten oftmals völlig entgleist, wo es um persönliche Dinge wie z.B. das Miteinander zwischen Frau und Mann oder Erwachsenen und Kinder ging. Es war schon krass, wenn wir Frauen gehört haben, wie Männer auf den Podesten standen und kämpferische Reden zum Kampf von Frauen und Genossinnen hielten. Aber zu Hause wurde aus den Kämpfern für die Befreiung der Frau schnell der typisch bürgerlich-patriarchale Mann. Daran hat sich ja bis heute nicht viel geändert. Deswegen ist der Frauenkampf ständig, immer und überall notwendig.

Allerdings kam es im Kampf, um die Befreiung der Frau durch männliche Genossen nicht selten zu einer merkwürdigen Auslegung. Da hieß es, weil die Frauen sich nur alleine aus ihrer Lage befreien können, müssen sie auch den Kampf führen, was ja so auch nicht falsch ist. Falsch war aber, dass männliche Genossen daraus geschlossen haben, dass sie in diesem Kampf nichts zu tun haben oder dass die Frauen ihnen sagen sollen was sie tun müssen. Bei so viel Passivität sind Konflikte vorhersehbar.

Demo von Auszubildenden gegen Krieg, 1970er Jahre
Demo von Auszubildenden gegen Krieg, 1970er Jahre

Den Kampf um die Veränderung des patriarchalen Mannes diesen Kampf müssen alle täglich, immer und überall alle führen. Um in diesem Kampf nicht in einen reinen Geschlechterkrieg zu geraten, ist es wichtig, dass wir immer wieder zu der Klassenfrage zurückkehren. Stellen wir die Klassenfrage, dann ist es die ArbeiterInnenklasse, die für ihre Befreiung kämpfen muss und darin sind alle vereinigt, egal welches Geschlecht oder welcher nationale Herkunft.

Tragisch war es wenn durch solche Konflikte die politische Arbeit in Frage gestellt wurde, was leider auch vorgekommen ist. Für mich hat das auch ein bisschen damit zu tun, dass GenossInnen durch überzogene Ansprüche an sich selbst und andere dann in Konflikte geraten wenn nichts mehr klappt, dann kommt Frust und Enttäuschung auf. Das Einfache ist dann, alles hin zu schmeißen und sauer zu sein auf alle und alles mit dem die GenossInnen in Konflikt geraten sind. Das schwierige ist die Konflikte in dem Sinne zu entspannen, dass es für jede/jeden einen Weg gibt, bestimmte Dinge erst mal an die Seite zu packen, um das weiter zu machen, was einem wirklich wichtig ist, was einem interessiert und Spaß macht. Konflikte gehören zum Leben und zur politischen Arbeit. Aber sie sind niemals der Grund dafür, dass der Kommunismus falsch ist.

Welche Schlüsse wir daraus gezogen haben

Ich denke, dass neue Erkenntnisse aus Psychologie und Pädagogik helfen können, um mit Problemen und Krisen klar zu kommen. Aber dass das nur unterstützend sein kann, diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Falsch wurde es dann, wenn sich der Wunsch einschlich, dass sich dadurch unsere Lage grundsätzlich ändern soll. Wenn wir es gewollt hätten, hätten wir merken können, dass Wissen alleine nicht ausreicht, um die Welt zu verändern und es auch nicht reicht, dass einige „wenige“ alternativ ihr Leben einrichten können.

Aber viele GenossInnen hatten große Schwierigkeiten wirklich zu verstehen, warum das Wissen alleine uns nicht zur Revolution führen wird. Wir haben viel gelesen, geschrieben, eine Menge Kämpfe in den Betrieben und auf der Straße geführt. Wir haben versucht unser Leben mit Familie und Kindern mit der Politik zu vereinbaren. All das hat uns geholfen besser zu verstehen, dass es erst durch das Zusammenbringen von Theorie und Praxis möglich wird Ursachen und Entwicklungen zu erkennen. Wir haben angefangen Analysen zu erstellen. Egal wie unfertig oder fehlerhaft sie sein mögen, ich denke, dass das ein Teil davon geworden ist, um unser Bewusstsein zu vertiefen. Damit ist aber auch sehr viel klarer geworden, was es heißt als Kommunistische Partei die Revolution zu organisieren.

Es ist schade, dass viele KommunistInnen daraus immer wieder den Schluss gezogen haben, lieber doch so zu leben wie sie es eigentlich nie wollten. Die Grenzen für ihr Engagement wurden dann gezogen und ihre Energie eher in Aufgaben eingebracht wie z.B. humanistische, religiöse, ehrenamtliche Arbeit oder alternative, parlamentarische Politik und auch ein Leben als Hausfrau und Mutter. Die meisten der damaligen KommunistInnen haben nach meiner Sicht den falschen Schluss gezogen. Nur wenige sind dabei geblieben den Kapitalismus grundsätzlich in Frage stellen. In dieser Entwicklung ist auch ein Stück der Niedergang der kommunistischen Parteien aus den 70er Jahren zu sehen.

Und wie ist es heute

Wenn ich mir heute meine Töchter, ihre FreundInnen, ArbeitskollegInnen und junge GenossInnen angucke, muss ich sagen, dass es nur selten eine gemeinsame Erziehung gibt. Alle sind irgendwie auf sich selbst gestellt. Viele Arbeiten und Probleme bleiben im kleinen Kreis der Familie, Freunde oder GenossInnen. Es sind immer noch die Frauen, die am Herd stehen und für die Kinder zuständig sind. Ständig sind alle im Stress, fühlen sich überfordert und finden keinen Platz, wo sie nicht nur reden sondern auch praktisch an ihrer Lage was verändern können.

Das Leben und Arbeiten ist nicht einfacher geworden. Das geht auch nicht, denn die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich nicht geändert, es hat ja keine Revolution statt gefunden. Aber eine Eigeninitiative, die ist immer möglich. Es ist immer möglich die Lage zu verändern, die Unzufriedenheit, Frust und Stress bringt. Das müssen wir aber wollen. Meine Erfahrung ist, dass wir viel erreichen können; aber auch, dass wir das Erreichte verteidigen müssen ansonsten ist es schnell wieder weg. Gerade um das zu durchbrechen, müssen wir mehr tun als nur unser jetzt und heute zu sehen. Fragen wir uns doch mal, wie wir mit den Erfahrungen arbeiten, was spielen sie heute für eine Rolle? Oft genug höre ich, dass vor allem die negativen Dinge ran gezogen werden, die es innerhalb der kommunistischen Bewegung auch geben hat, um zu verteidigen, dass z.B. nur Teilziele gestellt werden können. Das macht uns schwach. Aber solange wir schwach sind können uns die, die mächtig sind, alles weg nehmen und uns das Leben schwer machen.

Für mich hat die Zeit in der es eine Partei gab bewiesen, dass wir nicht schwach sondern stark sind und stärker werden. Auch wenn wir viele Fehler gemacht haben und es darum irgendwann vorbei war mit der Partei, heißt das nicht, dass der Fehler in der Bildung einer Partei liegt. Die Fehler liegen bei denen, die es nicht verstehen eine kommunistische Partei zu entwickeln und zu führen, also bei uns selbst. Daraus müssen wir Schlüsse ziehen, um nicht alle Fehler ständig zu wiederholen. Auch das ist wieder leicht gesagt und wir merken seit Jahren, dass dieser Weg nicht einfach ist. Andererseits sehen wir wie eine neue kommunistische Bewegung entsteht und auch bereits die ersten Schritte geht. Dass der Parteigedanke wieder Fuß fasst, ist z.B. eine wichtige Entwicklung. Vielleicht sollten wir nicht ständig auf die Schwierigkeiten gucken, sondern viel mehr auf das was uns motivieren kann, auf Erfolge im Klassenkampf, die es gab und heute weltweit gibt. Wir müssen unseren Blick weit über Deutschland hinaus richten, die Wirkung von internationalen Kämpfen und deren Erfolge für unsere Motivation nutzen, wie z.B. Entwicklungen im kurdischen Befreiungskampf. Das dort Frauen auf allen Ebenen an führender Stelle stehen, dass ist eine konsequente Umsetzung von Frauenförderung. Das geht auch bei uns, wir müssen es nur tun.

1Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Bd I, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 228

2Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd III, S. 5-6, Dietz Verlag 1960

Die gesellschaftliche Lage der Arbeiterin heute

Klassenrealität 1: Kinder und Haushalt

Einleitung

Frieden, Freiheit und schöner Leben, kann das der Kapitalismus für alle Menschen bieten?

In der weltweiten Öffentlichkeit steht Deutschland für Wohlstand, Zufriedenheit, Überfluss und einen Strauß von Möglichkeiten für ein gutes Leben. Alle Menschen haben scheinbar die gleichen Chancen, sie müssen diese nur richtig nutzen. Arbeit, Geld, Haus, Auto usw., es ist doch alles da. Frieden, Freiheit und Demokratie ermöglichen ein schönes Leben im Kapitalismus für Alle.

Bilder von Armut, Obdachlosigkeit, Hunger stehen vor allem dann in der Öffentlichkeit, wenn z.B. ein Bild über eine aufopferungsvolle, menschliche Gesellschaft ins rechte Licht gerückt werden soll. Die Botschaft darüber, wie schwer es ist zurecht zu kommen, wenn Menschen im Niedriglohnbereich arbeiten und irgendwann in einer Armen-Rente ankommen, bleibt eher im Hintergrund. Ebenso wird das Elend der Flüchtlinge unter dem allgemeinen Wohlstandsteppich verborgen. Allgemein gibt es große Bemühungen die Armut von Menschen zu vertuschen oder so zu verstellen, dass sich ein Denken etabliert, dass es an jedem selbst liegt in welcher Situation Menschen leben. Natürlich können wir Armut sehen und hören wenn wir wollen, doch Armut hat keine Lobby im Kapitalismus. Armut ist ein scheinbares Randübel, so zumindest die staatliche Propaganda, die sich in den Köpfen fest setzten soll. Doch ist das auch unsere Sicht?

Kapitalismus heißt Ausbeutung und Unterdrückung für die große Masse der Menschen

Es fängt schon bei den Kindern an, wo der Geldbeutel der Eltern darüber entscheidet wie die Zukunft der Kinder und Jugendlichen aussehen wird. Proteste, Widerstand, revolutionäre Aufstände konnten bis heute nicht die Kraft entwickeln, um den Kapitalismus abzuschaffen. Darum leben wir nach wie vor in einer Klassengesellschaft. Ganz normal ist es, dass das Kapital durch Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft seine Gewinne steigert. Das ist heute in jedem Land so. Je mehr die Methoden zur Herstellung von Waren optimiert werden, um so mehr Kraft kann aus den arbeitenden Menschen rausgezogen werden und um so schneller werden die Menschen krank und arbeitsunfähig. Das stellt im Kapitalismus aber kein Problem dar, denn die in hoher Zahl vorhandenen Arbeitslosen können die Lücken füllen. Reicht dies nicht aus, werden im Bedarfsfall eben Menschen aus anderen Ländern geholt und zwar nicht zum schöner Leben, sondern zum Zwecke der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft.

Es gibt aber auch die Menschen, die genauer hinschauen und hinhören, was durch die Politik so alles aufgefahren wird z.B. an staatlichen Maßnahmen, die das Leben verteuern, oder wenn z.B. durch steigende Mieten aber gleichbleibenden Lohn die Haushaltskasse schrumpft. Steigen die Lebenshaltungskosten und gibt es nur geringe oder gar keine Lohnerhöhung, so müssen die Menschen ihren Lebensstandard zurückschrauben. Manche fallen in Arbeitslosigkeit und Hartz IV und werden zwangsgeräumt, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen können. Armut, Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit wird in den Städten immer sichtbarer. Schwieriges und schlechtes Leben gehört zum Kapitalismus dazu, genauso wie das schöne Leben der Reichen und Wohlhabenden. Je nach dem in was für Klassenverhältnisse Kinder geboren werden, wird ihre Zukunft aussehen.

Wie das Eine mit dem Anderen zusammenhängt, soll vertuscht oder verharmlost werden indem z.B. von individuellen Schicksalen gesprochen und das schöner Leben in den Vordergrund gestellt wird. Darum ist es wichtig, dass es Menschen gibt, die mit Protesten und Widerstand dafür sorgen, dass Ungerechtigkeiten wie Armut und Arbeitslosigkeit, dass Unterdrückung und Ausbeutung hörbar und sichtbar werden. Es hat sich in der Geschichte bewiesen, dass der Zusammenschluss von Menschen, die aktiv ihr Schicksal in die Hand nehmen, unnachgiebig, vielfältig und mutig den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung führen, vieles erreichen kann. Die Geschichte beweist aber auch, dass Veränderungen und Verbesserungen im Kapitalismus nicht das Grundübel von Ausbeutung und Unterdrückung beseitigen.

Die Klassenrealität der proletarischen Frauen

Leben und Arbeit der proletarischen Frau heute

Klassenrealität 1: Kinder und Haushalt
Klassenrealität 1: Kinder und Haushalt

Was die proletarischen Frauen in unserer kapitalistischen Gesellschaft vereint, sind ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen, die sicherlich individuell Unterschiede aufweisen, aber als Gesamtes eben sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Frauen als eine Klasse gibt es nicht. Als Klasse gibt es die Arbeiterinnen und Arbeiter. Egal ob Mutter, Hausfrau, Berufstätige, Rentnerin, welcher Nationalität oder ob sie Flüchtlinge sind, die Arbeiterinnen sind gezwungen all das was sie an Kraft, Energie und Ideen haben dafür aufzuwenden um z.B. Wohnen, Essen, Kleidung usw. für sich und ihre Familie zu ermöglichen.

Der Lohn, den die Arbeiterin bekommt, egal ob sie in der Fabrik, im Krankenhaus, Kita, im Büro oder im Kaufhaus arbeitet, reicht aus, um dafür zu sorgen, dass Frau am nächsten Tag wieder arbeiten kann, also für Essen, Wohnung, Fahrgeld, Kleidung. Je nach Lohnhöhe ist vielleicht auch noch ein kleiner Urlaub oder etwas für die Freizeit drin.

Berufstätigkeit samt erzwungenem Jobwechsel, z.B. durch Betriebsschließungen oder Personalabbau gehen solange gut bis Frau z.B. alt, krank, alleinerziehend oder auf Dauer arbeitslos wird. Wenn eine dieser Situation eintritt, dann geht es oft darum, dass das gesamte Leben, was bis dahin vielleicht noch ganz okay war, auf einen Schlag vorbei ist. Armut in einer wohlhabenden Gesellschaft ist ab jetzt der neue Lebensstandard und es gibt wenig bis keine Chancen aus dieser Situation wieder raus zu kommen.

Ist Frau dann in der Rente angekommen und konnte sich aufgrund ihres niedrigen Einkommens kein „dickes Rentenpolster“ aufbauen, endet ihr Leben bei Hartz IV, was dann Grundsicherung heißt. Um sich z.B. manchmal etwas besseres Essen zu leisten und nicht nur noch Müll zu schlucken, stocken viele RentnerInnen z.B. als Klofrau ihr bisschen Geld auf.

Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann gibt es nicht

Ungleiches Einkommen von Frau gegenüber dem Mann ist heute immer noch Standard. Durch ständige Streikkämpfe in den verschiedensten Betrieben haben die ArbeiterInnen einheitliche Tarife der Löhne und Gehälter für Frauen und Männer erreicht. Aber es gibt trotzdem immer noch die bestehende Ungleichheit der Arbeiterin. Es ist eben so, dass die Arbeiterin überwiegend in Berufen arbeitet, wo die Löhne und Gehälter insgesamt niedrig sind und im Laufe der Berufsjahre auch nur sehr gering steigen. Zum anderen hat die Arbeiterin wenig Chancen in Berufen wie Pflege, Erziehung, Verkauf, Fabrikarbeit usw. durch z.B. Qualifizierung so auf zu steigen, dass sich die Löhne oder Gehälter merklich erhöhen.

Je höher die beruflichen Aufstiegschancen z.B. durch ein Studium werden, desto höher werden auch die Gehälter. Doch Frauen und vor allem die Arbeiterinnen, die z.B. wegen der Erziehung von Kindern, der Pflege von Eltern oder durch Erkrankung nur Teilzeit arbeiten können, haben gar keine Chance auf einen Aufstieg neben dem, dass ihr Lohn niedrig ist, was sie spätestens in der Rente in die Armut treibt. So bleibt die ökonomische Ungleichheit Teil der Gesellschaft, in der wir leben.

Wie sähe es auch aus, wenn in allen Betrieben Frauen in der Führung sitzen würden und in der Politik mindestens die Hälfte aller Posten mit Frauen besetzt wären, wenn die Familienversorgung und Hausarbeit zu 80 Prozent von Männern gemacht werden würden? Wenn Frauen die Chancen hätten, genauso Karriere zu machen und zu verdienen, wie es bei Männern ganz normal ist? Dann hätten wir ein ganz anderes Bild unserer Gesellschaft, ein Bild, dass der heutigen Männermacht völlig entgegen gesetzt wäre.

Das wäre schon gut, aber trotzdem hätten wir noch kapitalistische Produktionsverhältnisse und damit eine Klassengesellschaft. Also Ausbeutung und Unterdrückung schaffen wir nicht damit ab, indem wir die Rollen von Frau und Mann auswechseln.

Frauen als eine Klasse gibt es nicht. Frauen, die finanziell (ökonomisch) gesichert sind z.B. durch Familie, Status, Berufstätigkeiten wie Politikerin, Managerin oder eben Führungsposten in Betrieb, Staat, Ämtern, Institutionen einnehmen, sind Frauen die für das Kapital oder im Auftrag des Kapitals arbeiten und somit auch die Interessen des Kapitals vertreten. Solange sie für das Kapital arbeiten haben sie ganz andere Interessen als die Arbeiterin. Sie sorgen sich darum, dass „ihr“ Betrieb der Konkurrenz standhalten kann und dadurch immer mehr Profit erwirtschaftet. Um das zu gewährleisten, sorgen sie auch dafür, dass Frauen die als Arbeiterin in ihrem Betrieb beschäftigt sind, ständig einer Lohnbegrenzung unterworfen oder wegen betrieblicher Engpässe entlassen werden. Damit sind sie Teil von denen, die dafür sorgen die Arbeitskraft der Arbeiterin auszubeuten und gehören zu der Klasse der Kapitalisten. So verstehen sie sich auch selbst und richten ihr Leben und Arbeiten entsprechend ein. Diese Frauen kämpfen für ihre Interessen und schließen sich mit ihresgleichen zusammen, während sie wissentlich dafür sorgen die Arbeiterin für ihre Interessen zu nutzen und einzusetzen, aber ihnen niemals die Chance geben werden zu ihnen zu gehören.

Zum anderen besteht zwischen Frau und Mann weiter hin eine soziale Ungleichheit, da Frau noch immer neben ihrer Berufstätigkeit die Hauptlast von Haushalt und Kinderversorgung leistet oder als „Hausfrau“ ganz in dieser Arbeit verschwindet. Diese Arbeit geschieht abgetrennt, vereinzelt, im Verborgenen, nämlich in einer Wohnung oder einem Haus. Hausarbeit ist langweilig, körperlich anstrengend, keiner merkt sie, aber sie hört nie auf und sie bekommt selten Anerkennung und Lohn schon mal gar nicht. Gerade weil Hausarbeit aufwendig aber ohne Anerkennung ist, wird diese Arbeit selten von Männern gemacht bzw. finden Männer viele Wege um diese Arbeit zu umgehen. Dadurch dass Frauen sich selbst und ihre Bedürfnisse zurücknehmen und den Haushalt sowie die Kinderversorgung im wesentlichen erledigen, halten sie den Männern den Rücken frei für ihre Karriere, egal ob im Beruf, Sport oder Politik.

Gesellschaftlich sitzt auch heute noch das Denken tief in den Köpfen der Menschen, dass Männer sich vor allem ihrer Berufstätigkeit und Karriere zu widmen haben. Dieses Denken prägt das gesellschaftliche Leben und das ist nicht so einfach raus zu bekommen. Auch viele Kämpfe, die von Frauen geführt wurden, konnten keine grundlegenden Änderungen dauerhaft durchsetzen, weil es im Kapitalismus kein gesellschaftliches Bedürfnis gibt, die Macht der Männer ab zu schaffen.

Ebenso gehört das tief verwurzelte Denken, dass Frau „eine natürliche Berufung“ zur Mutter hat, traditionell zu unserer Gesellschaft. Kinderversorgung, -betreuung und -erziehung werden als Aufgaben oder Berufung einer Frau verstanden, die dann vor allem als Mutter gesehen wird. Daran haben auch die Bilder der „neuen Väter“, die sich mehr in die Kindererziehung einbringen, nichts geändert, weil das eher die männliche Minderheit ist. Dass Männer die Kinderbetreuung übernehmen, kann gerade dort gelebt werden, wo die Einkommen im lohnabhängigen, werktätigen oder beim selbstständigen Kleinbürgertum entsprechend hoch sind. Sie spielen daher in der ArbeiterInnenklasse kaum oder gar keine Rolle.

Klassenrealität 2: Alleinerziehende Mütter
Klassenrealität 2: Alleinerziehende Mütter

Durch das „Muttersein“ gerät die Tatsache in den Hintergrund, dass jede Mutter auch eine Frau ist. Frauen haben vielfältige Bedürfnisse, sie wollen sich bilden und leben. Frauen können sehr viel, egal ob in Kultur, Politik, Sport, Handwerk, Technik, Pflege, Transport, Erziehung, Landwirtschaft. Aber genau das macht sie zur Konkurrentin des Manns. Frauen wollen ihre ökonomische Unabhängigkeit von Familie und Mann. Eigenständigkeit und Selbstbestimmung führen zu Selbstbewusstsein, was die Voraussetzung bilden kann, sich gegen alte Traditionen zu wehren. Das untergräbt die dominante Stellung der Männer. Auch darum werden der Emanzipation von Frauen Grenzen gesetzt. Wenn Männer ihre Macht abgeben, müssen sie sehr viel in ihrem Leben verändern und das bringt unter kapitalistischen Verhältnissen persönliche und berufliche Nachteile mit sich.

Für die Arbeiterin oder die Arbeiterfamilie ist es meistens gar nicht möglich die Rollen zu tauschen, weil die Einkommen das nicht zulassen. Oftmals ist es sogar so, dass in Arbeiterfamilien Frau und Mann arbeiten gehen müssen, wenn sie nicht Hartz IV z.B. als Lohn-Aufstockung beziehen wollen. Hartz IV heißt immer noch zusätzliche Abhängigkeit und Kontrolle und oft genug Schikane und Diskriminierung durch das Amt.

Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann im Beruf, der Familie und in der Gesellschaft kann es durch die Klassenunterschiede nicht geben, solange wir im Kapitalismus leben. Die Befreiung der Frau aus ihrer Unterdrückung als Frau ist ein Kampf gegen die soziale Ungleichheit, gegen die patriarchalen Verhältnisse und gegen die Ausbeutung in der Lohnarbeit.

Das Leben und die Sorgen der proletarischen Frauen heute

In der Erziehung und Psychologie hat sich in mehr als hundert Jahren viel geändert, was das Denken über Mädchen und Frauen betrifft. Gleichzeitig haben sich aber die grundlegenden Zuschreibungen von weiblich und männlich im realen gesellschaftlichen Leben nicht wirklich geändert. Mädchen werden von Geburt an anders als Jungen betrachtet, behandelt und erzogen. Dass Mädchen auch mal mit Autos und Jungen mit Puppen spielen, ändert nichts an ihren zukünftigen Rollen, die für sie vorgesehen sind und in deren Sinn sie erzogen werden.

Spätestens dann, wenn Mädchen sich nicht in die Erziehungskonzepte von Kita oder Schule einfügen, anpassen und unterordnen, sondern z.B. kräftig und unnachgiebig kloppen, groben „Unfug“ treiben oder selbstbewusst und emanzipiert ihre Vorstellungen durchsetzen wollen, werden Zuschreibungen, Klischees und bürgerliche Geschlechterrollen zum Thema und müssen Erziehungsmaßnahmen ergriffen werden. Das was bei Mädchen „korrigiert“ werden muss, gehört beim Verhalten der Jungen ganz normal dazu: Jungs kloppen sich eben.

Alles das, was den Mädchen als Erziehungsmaßnahmen blüht, hemmt ihre natürlichen Kreativität, ihre Fähigkeiten Wege zur Selbständigkeit zu finden und so ihr Selbstbewusstsein zu entwickeln. Das was Mädchen früh abgewöhnt wird, müssen Frauen, die bewusster leben wollen, sich erst wieder mühsam aneignen und durchlaufen dafür sämtliche Therapiemaßnahmen. Die Geschichten von Pippi Langstrumpf erzählen von einem Mädchen, das aus ihrem Rollenverhalten ausbricht. Viele Pädagogen, Erzieherinnen und Eltern kennen die Geschichten und sind begeistert. Aber wehe den Mädchen, die im realen Leben Fähigkeiten besitzen, sich so wie Pippi zu verhalten. Egal ob zu Hause, in der Kita oder Schule, Erwachse stehen dann vor Problemen, dass solche Mädchen nicht in das gesellschaftliche Leben und Normalverhalten passen. Helfen alle pädagogischen Maßnahmen nicht, die Mädchen in diesem Falle in ihre gesellschaftlich zugeordneten Rollen zu drängen, werden schon im Kindesalter Therapien oder gar Medikamente eingesetzt um so, meistens erfolgreich, die Mädchen doch noch zu „gesellschaftsfähigen zurecht zu biegen“.

Fall für den Psychologen?
Fall für den Psychologen?

Eltern geraten oft genug in Widersprüche mit den pädagogischen Konzepten von Kita und Schule. Es ist ein ständiger Kampf, sich auf die Seite der Kinder zu stellen und sie zu verteidigen. Besonderem Druck sind heute alleinerziehende Mütter ausgesetzt. Alleinerziehend und Arbeiterin zu sein, ist heute oft mit Hartz IV verbunden. In vielen Berufen wie z.B. der Pflege, im Kaufhaus oder Supermarkt, bei den Verkehrsbetrieben, im Service oder in der Industrie wird im Schichtdienst gearbeitet. Diesen Arbeitszeiten angepasst gibt es aber keine entsprechende Kinderbetreuung, die sich eine Arbeiterin auch leisten kann. Kita und Hort decken nicht den Schichtdienst ab, also muss zusätzliche Betreuung organisiert werden. Dies ist mit hohen Kosten verbunden, was sich Frauen im Niedriglohnbereich oder als prekär Beschäftigte schlichtweg nicht leisten können. Finden sich keine Freunde oder Familie mit deren Unterstützung die Kinderbetreuung organisiert werden kann, wird die alleinerziehende proletarische Frau in Arbeitslosigkeit und Hartz IV abgedrängt.

Kann die Arbeiterin die Kinderbetreuung organisieren und berufstätig sein, steht sie unter einem anderen gesellschaftlichen Druck. Werden z.B. die Kinder oft krank oder bereiten in Kita und Schule „Probleme“, wird ihnen Unverständnis darüber vermittelt, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder aufbringen. Diesem Druck sind Frauen und insbesondere alleinerziehende Frauen ständig ausgesetzt und sie geraten mit vielen Ansprüchen in Konflikte mit sich selbst, mit Behörden, Arbeit, Kita und Schule.

Besonders schlimm wird die Lage für Frauen, die alleine leben oder alleinerziehend sind und so erkranken, dass sie in ihrem Beruf nicht mehr arbeiten können. So krank zu werden, dass eine Berufsunfähigkeit daraus wird, ist heute nicht mehr selten und nimmt immer mehr zu. Auch dann landen Frauen letztlich in Hartz IV und damit schneller in der Armut als sie es sich je vorgestellt haben.

Die Zwei-Klassen-Medizin ist heute in den Krankenhäusern und bei vielen Ärzten deutlich ausgeprägter zu spüren als es vor den großen Gesundheitsreformen noch üblich war. Viele Medikamente und Maßnahmen zur Genesung, Heilung oder auch nur um das Leben mit Krankheit erträglicher zu machen, müssen die Menschen aus eigener Tasche finanzieren. Das ist nicht möglich, wenn Mensch arm ist. Damit beginnt ein Kampf mit den Behörden um z.B. wenige Euro mehr zu bekommen, um vielleicht die eine oder andere Maßnahme, die zur Heilung beitragen kann, doch möglich zu machen. Wenn all das zusammentrifft sieht das Leben sehr düster aus, mit dem schöner Leben im Kapitalismus ist da nichts drin, sondern immer die Gedanken, wie soll das nur weiter gehen? Es fallen Sorgen über Sorgen über die Menschen her.

Kinder, die unter Bedingungen aufwachsen, wo das tägliche Leben vom Kampf mit Behörden geprägt ist, die schon früh die Versorgung in der Familie mit leisten müssen, die durch Armut vieles in Kultur, Sport und Freizeit nicht kennen lernen, bleibt vieles an Möglichkeiten verschlossen, was das kapitalistische Paradies für Wohlhabende und Reiche im Überfluss bietet. Ihre Chancen aus diesem Leben auszubrechen sind gering. Auch wenn sie es schaffen, Abitur zu machen, ist es durch die immer stärker werdende Abgrenzung von elitären Bildungsstätten, die natürlich ihren Preis haben, nur selten für Kinder aus der ArbeiterInnenklasse möglich, dort rein zu rutschen. Es bleibt auch die Frage, ob die Kinder das überhaupt wollen? Denn die unterschiedlichen Lebensverhältnisse von Armen und Reichen sind im Verhalten untereinander oft geprägt von Ausgrenzung, Arroganz, Kleiderordnung, Protzen durch Besitz z.B. der modernsten Medien usw. Da muss und kann man sich nicht wohl fühlen und bleibt doch lieber unter seinesgleichen, wo wenigsten die Chancen bestehen, Freunde zu finden.

Durch diese ständigen emotionalen Belastungen und Enttäuschungen macht sich viel Frust, Wut aber auch Resignation breit. Um das an den richtigen Stellen raus zu lassen, hilft es wenn sich die Arbeiterinnen zusammen tun, die alle täglich in ähnlichen Lebens- und Arbeitssituationen geraten. Machen wir uns bewusst, dass der ständige Kampf, den Frauen führen müssen, Frauen stark und kampffähig macht. Genauso klar ist es, dass niemand der Arbeiterin aus dieser Lage helfen wird – das beweist die Geschichte – sondern, dass die Arbeiterin sich selbst aus all der Unterdrückung und Ausbeutung befreien muss.

Muss all das immer so weitergehen?

Wenn unsere Lage schlecht ist und unsere Zukunft nur weitere Verschlechterungen in Aussicht stellt, was kann dann für uns der Ausweg sein?

Gehen wir also mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, dann sehen und hören wir nicht nur in anderen Ländern, sondern auch hier in unserem Land, in unserer Stadt, in unserem Kiez, in unserem Haus, in der Familie und bei Freunden, dass Frauen alles andere als befreit sind. Frauenbefreiung heißt Klassenkampf, das ist keine alte Parole, sondern diese Ansage ist nach wie vor brandaktuell. Wir sind durch die gesellschaftlichen Verhältnisse dazu verdammt, wenn wir Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung abschaffen wollen, müssen wir kämpfen, weil niemand anderes als wir selbst unsere Lage ändern kann. Es gibt viele verschiedene Formen von Kämpfen, sei es der Kampf um mehr Lohn oder um bessere Arbeitsbedingungen, der Kampf um bessere Kitas und Schulen oder um vernünftige und bezahlbare Wohnungen, der Kampf für eine lebenswürdige Rente oder qualifizierte Gesundheitsversorgung. Wenn wir nicht nur für einen kurzen Augenblick und vereinzelt was erreichen wollen, wird es uns helfen, wenn wir unsere Kämpfe in den Zusammenhang der politischen gesellschaftlichen Verhältnisse stellen.

Transpi_Frauen_haut_auf_den PutzEs reicht nicht aus, dass wir spontan los stürmen und unsere Wut mal so richtig raus lassen. Das befreit uns vielleicht emotional, aber nur vorübergehend, denn unsere Lage ändert das nicht. Die nächste Ungerechtigkeit steht schon in den Startlöchern. Spontanen Kämpfen steht die geballte, organisierte Macht der Schutztruppen des Kapitals wie Polizei und Armee gegenüber und lassen diese oft in Niederlagen enden. Viele vergangene Kämpfe haben gezeigt, dass wir uns sehr gut organisieren müssen, um unsere Kämpfe zum Erfolg zu bringen. Dies geht am besten in einer Partei. Kampferfolge hängen davon ab, dass sie von einer Führung angeleitet werden, die fähig und schlau ist, die die Lage sehr gut kennt und voraussehend agiert, die durch ihre enge Verbindung mit den ArbeiterInnen einen langen Kampf durchhalten kann. Befreiungskriege und revolutionäre Kämpfe sind keine Abenteuerevents, sondern kriegerische Auseinandersetzungen, in denen sich Feinde gegenüber stehen.

Wenn wir von Feinden sprechen sehen wir den Unterschied, ob sich eine Macht wie die Kapitalistenklasse bildet, die dafür kämpft Reichtum, Wohlstand, Privilegien nur für sich, also für wenige zu verteidigen, indem die Ausbeutung der ArbeiterInnen und die Armut für die Masse der Menschen immer extremere Ausmaße annimmt. Oder ob sich die Unterdrückten und Armen zusammenschließen und gemeinsam als Befreiungsarmee von ArbeiterInnen für ArbeiterInnen dem Kapital den Kampf ansagen. Das Kapital muss sich diesem Kampf entgegen stellen, wenn es nicht untergehen will und die ArbeiterInnen müssen den Staat revolutionieren, wenn sie sich befreien wollen. Damit werden sie zu Feinden. Die Geschichte hat dafür den Beweis erbracht, dass es so und nicht anders laufen muss. Das mag alles sehr hart klingen, aber leider ist das so. Niemals wird das Kapital auf dem Weg z.B. von Reformen oder über Appelle an seine Vernunft die Macht freiwillig abgeben, niemals!

Frauen, die kämpfen, sind Frauen die leben

Das mit der Revolution und revolutionären Kämpfen lässt sich leicht reden oder schreiben. Anders sieht es aus, wenn Kämpfe real sind oder werden. Frauen, die sich entschließen zu kämpfen, müssen gegen viele Mythen ankämpfen, die in den Köpfen der Menschen sitzen, auch gegen die in ihren eigenem Kopf. Täglich sehen wir Bilder von strahlenden Babys samt glücklicher Mutter, ein Bild der Ruhe und Harmonie, oder glückliche Kindern und Jugendliche mit schicken Kleidern und den neuesten Medien, oder aus der Kunst und Kulturszene präsentieren uns Sternchen eine extravagante Welt aus lauter Überfluss, oder entspannte Politikerinnen beweisen das Kinder und Beruf doch ein Klacks ist. In solche Bilder passen keine kämpfenden Frauen.

Nur wenn wir es wollen, sehen wir Mütter weinen, weil sie nicht wissen wie sie ihre Kinder satt bekommen sollen oder RentnerInnen die im Knast landen, weil sie ein Stück Seife geklaut haben oder Schwarzfahren müssen, Menschen die frieren, weil ihnen Strom und Heizung abgestellt werden. Das ist Armut und die bittere, verdrängte Wirklichkeit einer immer größer werdende Masse von Menschen, die in den Zentren von Wohlstand, Reichtum und Überfluss leben. In dieses Bild passen kämpfende Frauen sehr gut, sie machen Mut auf mehr und motivieren andere Frauen sich an zu schließen.

Heute ist es bei uns noch so, dass sich viele Frauen und Männer, die gegen kapitalistische Ungerechtigkeiten, Krieg, Faschismus, Sexismus und Rassismus zu kämpfen beginnen, das tun, weil sie die Notwendigkeit erkannt haben, weil sie wissen was die Zukunft bringt. Mit der andauernden Kriegssituation im Nahen Osten, den stark gewordenen Flüchtlingsbewegungen, den gezielten faschistischen Anschlägen wie z.B. in Paris, der Türkei, in Tunesien, Pakistan und vielen weiteren Orten rückt der Krieg in die Zentren des Imperialismus. Es wird immer schwerer weg zu gucken und immer einfacher sich zum Kampf gegen diese Kriege zu entscheiden, die gegen die Menschheit gerichtet sind, damit wenige sich Land, Industrie, Rohstoffe und Arbeitskräfte aneignen. Die Kriege und das gesamte Elend, was daraus entsteht, werden Unruhe in die noch ruhigen Städte bringen. Es wird immer deutlicher werden, dass die Armut um sich greift und dass die Menschen sich holen müssen, was ihnen verwehrt wird. Sorgen sie nicht dafür, dass sie was zu Essen haben, werden sie kläglich verenden. Darum ist der Kampf gegen das Kapital unsere notwendige Maßnahme, niemand wird uns retten, wenn wir es nicht selber tun.

Manche Menschen reagieren mit Angst und glauben durch passives Verhalten geht alles an ihnen vorbei. Andere legen ihre Hoffnung in überirdische Kräfte, was den sicheren Untergang bedeutet. Wieder andere greifen zu faschistischen Methoden indem sie für ihr Unglück Menschen schuldig sprechen, denen durch Krieg alles weggenommen wurde, die dort hin flüchten, wo es keinen Krieg gibt. Sie sorgen dafür, dass die Menschen sich spalten und gegenseitig bekämpfen, indem sie Hass, Neid, Lügen verbreiten, indem sie die Ursachen vertuschen, weil sie nichts anderes vorhaben als selbst eine Macht der totalen Barbarei auszuüben.

Um das zu verhindern ist es sehr, sehr wichtig, dass sich viele Menschen dazu entschließen gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen, dass sie sich zusammenschließen zu einer Partei, die den Klassenkampf organisiert und führt. Es gibt heute schon Kämpferinnen, die uns zeigen, dass es sich lohnt zu kämpfen, wir können das gerade in Kobané erleben. Dort sind es die Frauen, die uns zeigen, wie das Siegen geht. Auch das zu sehen macht uns Mut und motiviert uns den Kampf ohne Unterlass zu führen und darin ständig professioneller zu werden.

Wie wir bei uns im Kleinen anfangen können, wird durch das folgende Beispiel einer Genossin verdeutlicht, die hier und heute ihren Kampf um Befreiung zur Berufung gemacht hat. Im folgenden stellen wir Auszüge aus einem Interview mit einer Arbeiterin und Kommunistin in einem Großbetrieb vor. Viele von uns kennen so eine Arbeit nicht und kennen auch nicht das Leben, Denken und Fühlen von Menschen, die tagtäglich im Akkord und im Schichtdienst arbeiten. Die Genossin beschreibt sehr eindrucksvoll, was mit den FabrikarbeiterInnen durch diese Form der Arbeit passiert. Sie hält an ihrer Entscheidung fest, dort zu sein, wo die Klasse im Kapitalismus hart und vollständig ausgebeutet wird. Sie gibt nicht auf dafür zu kämpfen, dass die KollegInnen ihre Klassenlage erkennen und den Kampf dagegen zusammen und organisiert aufnehmen.

 

Interview mit der roten Lydia – Arbeit und Kampf im Zentrum der kapitalistischen Produktion

Interview mit einer Arbeiterin aus einem Automobilwerk, die von den KollegInnen die rote Lydia genannt wird

Ich bin gerade davon überzeugt, dass die Arbeit mit den ArbeiterInnen die richtige Arbeit ist, auch wenn manchmal Zweifel kommen, für mich gilt entweder Sozialismus oder Barbarei.“

Einleitung

Lydia kommt aus einer Familie, in der das Leben ohne Sorgen um das tägliche Brot Standard war. Eigentlich ist für sie eine akademische Ausbildung vorgesehen, weil das zu dem Leben einer Frau aus besseren Verhältnissen passt. Doch schon als Kind wollte Lydia arbeiten, richtig arbeiten wie eine Handwerkerin und das hat sie gegen den Willen der Eltern durchgesetzt. Sie lernte einen Handwerksberuf und damit ging es ihr gut. Später als sich die Arbeitsmarktsituation veränderte, wurde es schwierig in dem Beruf eine Stelle zu finden. Inzwischen hat Lydia angefangen aktiv gegen Ungerechtigkeiten zu protestieren und sie wird zu einer politischen Aktivistin.

In der Zeit, wo es auf dem Arbeitsmarkt schwierig wird Arbeit zu finden, trifft sie die Entscheidung, in eine große Fabrik zu gehen. Sie stellt diesen Schritt auch in Zusammenhang mit ihrer Entscheidung Kommunistin zu sein. In der Fabrik fängt sie als ungelernte Kraft am Band mit Akkordarbeit und Schichtdienst an. Nach einiger Zeit kandidiert sie zum Betriebsrat. Sie wird gewählt und arbeitet nun weiter am Band und zusätzlich als Betriebsrätin. Damit durchbricht sie die übliche Stellvertreterfunktion einer Betriebsratsarbeit. In der Fabrik ist ihr Ziel, dass sich die KollegInnen zusammenschließen und ihre Interessen selbst in die Hand nehmen. In der Politik ist ihr Ziel der Kommunismus.

Kommunismus:

Du hast dich für einen Beruf im Handwerk entschieden, auf welche Probleme bist du dabei gestoßen?

Lydia:

Arbeiterin_Autoindustrie_3Meinen Ausbildungsplatz im Handwerk habe ich mir alleine gesucht. Im Ausbildungsbetrieb war ich die einzige Frau. Wir waren dreißig Auszubildende in der Berufsschulklasse. Außer mir waren am Anfang noch drei Frauen in der Ausbildung, aber nur ich bin in dem Beruf geblieben. Es war für mich schwierig einen Ausbildungsplatz im Handwerk zu finden. Die Chefs gingen davon aus, dass ich nicht im Beruf bleibe und eh wieder studiere und außerdem Kinder kriege, weil ich eine junge Frau bin. Solange ich in dem Handwerk gearbeitet habe, bin ich bei den KollegInnen immer wieder auf das Denken gestoßen, dass diese Berufe nichts für Frauen sind. Das sind Männerberufe, weil die Arbeit dreckig und schwer ist. Für mich war es völlig klar, dass ich die Arbeit kann, egal was zu tun ist. Doch die Männer haben mich immer wieder gefragt, ob ich das denn auch kann oder ob sie mir helfen können. Für mich war es heftig auf so viel Unglauben zu stoßen, dass junge Frauen „richtig“ arbeiten können. Fast zehn Jahre habe ich als Handwerkerin gearbeitet. Dann entschloss ich mich den Meister zu machen. Nach der Meisterprüfung konnte ich in dem Beruf keine Arbeit mehr finden. Es gab dann eine Zeit, wo ich verschiedene Jobs gemacht habe. In meinem Beruf und in den Jobs habe ich nie viel Geld verdient und dementsprechend wohnte ich günstig und lebte bescheiden.

Kommunismus:

Wie bist du in die Fabrik gekommen?

Lydia:

Irgendwann habe ich mich entschieden in einen größeren Betrieb zu gehen. Diese Entscheidung hatte nicht nur den Grund, dass ich Geld brauchte, sondern es war eine politische Entscheidung. Dort arbeite ich jetzt seit ca. vierzehn Jahren und habe diese Entscheidung nie bereut. Aus der Fabrikarbeit konnte ich persönlich und wir als politische Organisation viele Erfahrungen rausziehen.

Die ersten zwei Jahre in der Fabrik bekam ich befristete Verträge. Erst danach wurde ich fest eingestellt. Nun war ich in der Produktion in einer Anlerntätigkeit und arbeitete im Akkord und im Schichtdienst.

Feste Arbeitsplätze in der Industrie haben im Vergleich zu Arbeitsplätzen in kleinen und mittleren Unternehmen den Vorteil höherer Löhne, was ein Anziehungspunkt ist. Die Höhe der Löhne kommt aus alten Kämpfen unserer Mütter und Väter. Dies sind erkämpfte Errungenschaften und keineswegs ein Geschenk der Großunternehmer.

Kommunismus:

Was ist der Unterschied von Fabrikarbeit und deiner Arbeit als Handwerkerin?

Lydia:

Die Ausbeutungsmaschinerie in der Industrie ist geeignet, die Menschen völlig blöd zu machen, sie aus zu laugen, den Menschen ihre Lebenskraft aus zu saugen. Die Schichtarbeit macht den Menschen kaputt. Nach acht Stunden Schicht mit dumpfer, eintöniger Arbeit ist ein Mensch zermürbter wie nach acht Stunden körperlicher Arbeit. Anlernarbeiten und Akkord bedeutet immer gleiche, monotone Arbeit. Auch wenn mal Veränderungen vorgenommen werden, es bleibt inhaltslose Arbeit.

Wir sind viele tausende KollegInnen in einer Halle, wir stehen nahe beieinander, aber wir können kaum miteinander reden. Jede/jeder ist für sich und macht mechanisch immer wieder die gleichen Dinge. Auch in den Pausen läuft fast nichts, die KollegInnen sind kaputt und sitzen oft einfach nur rum.

Die körperlich schwere Arbeit, die ich vorher gemacht habe, hat mir nicht so viel ausgemacht wie die Schichtarbeit. Trotz körperlich schwerer Arbeit konnten wir KollegInnen während der Arbeit miteinander reden, es gab eine soziale Zusammengehörigkeit unter uns.

Kommunismus:

Was passiert mit den KollegInnen durch diese Arbeit?

Lydia:

Viele KollegInnen gucken wie sie da raus kommen können. Sie suchen Vorteile für sich, was auch dazu führt, dass sie z.B. auf andere KollegInnen wie Leiharbeiter drauf rumtreten. Leiharbeiter haben keine festen Verträge und bekommen weniger Lohn, das bedeutet, sie stehen schlechter als die, die zur sogenannten Stammbelegschaft gehören. Sie werden auch minderwertig behandelt, indem sie häufig nicht mit ihrem Vornahmen sondern mit Nachnamen oder „Leiher“ gerufen werden.

Kollegialität ist schwierig und nimmt stetig ab. Vor zehn Jahren war es normal, dass wir nach der Schicht auch mal miteinander weggegangen sind oder wir haben uns mal am Wochenende getroffen. Heute gehen alle schnell nach Hause, höchstens die Jungen gehen mal am Wochenende zusammen in eine Diskothek. Es ist sehr wenig geworden, dass wir KollegInnen uns auch mal außerhalb der Arbeit treffen und irgendetwas miteinander tun. Es gibt z.B. Fahrgemeinschaften, um zusammen zum Betrieb oder nach Hause zu fahren. Aber es bleibt bei der Fahrt, dann wollen alle schnell nach Hause. Der Lebensplan von vielen KollegInnen ist arbeiten gehen, eine Familie haben und ein Haus bauen. Nach der Arbeit wird am Haus weiter gebaut, als wenn es nicht reicht arbeiten zu gehen.

Kommunismus:

Das hört sich nicht so toll an. Du hättest ja auch andere Möglichkeiten, warum machst du trotz der vielen Niederlagen und der immer unmenschlicher werdenden Ausbeutung weiter?

Lydia:

Arbeiterin_Autoindustrie_4Auch wenn die Individualisierung weiter wächst und der Klassenkampf zeitweise zurückgeht, besteht genau in so einem Betrieb wie dem, in dem ich arbeite, die größte Möglichkeit das Kapital empfindlich zu treffen. Diese ArbeiterInnen können sich zusammen tun und ihre Spaltung überwinden – und dann ist alles möglich – daran arbeite ich auch.

Kommunismus:

Du hast von einer regelrechten Krankenjagd gesprochen, wie kann Frau sich das vorstellen?

Lydia:

Die Akkordarbeit ist sehr eng mit ArbeiterInnen besetzt. Wenn KollegInnen freie Tage brauchen, wird es schnell schwierig, weil höchstens zwei bis drei KollegInnen fehlen können, um die reibungslose Arbeit zu garantieren. Weil es schon oft passiert ist, dass freie Tage nicht genehmigt wurden, führt dass wiederum dazu, dass wenn KollegInnen unbedingt frei brauchen, dieses frei hin und wieder nicht mehr offiziell beantragt wird, sondern dass KollegInnen sich krank schreiben lassen. Wenn sie dann wirklich krank werden und deswegen fehlen, wird das nicht gesehen sondern gleich unterstellt, dass krank gefeiert wird.

Fakt ist aber, dass die Akkord- und Schichtarbeit krank macht. Ab 45 Jahren sind die KollegInnen krank, viele werden dann arbeitsunfähig. Immer mehr KollegInnen werden immer früher krank. Sie schaffen den Akkord nicht mehr, sie kriegen es psychisch nicht mehr hin. KollegInnen, die das von anderen mitkriegen, können damit nicht umgehen. Es ist eher die Ausnahme, dass damit sozial umgegangen wird.

Die fehlenden sozialen Verbindungen fördern viel abwertendes Gerede und Sprüche klopfen gegeneinander innerhalb der Belegschaft. Es wird nicht gesehen, dass z.B. Kollegen, die wegen psychischer Erkrankung vier Monate fehlen, sich in dieser Zeit aber regenerieren, um wieder arbeitsfähig zu sein, dass das wirklich eine Krankheit ist. Es wird selten mit Mitgefühl wahrgenommen, wenn jemand krank ist. Hinter all dem wird auch eine systematische Krankenjagd betrieben. Offen kommen Drohungen, dass für eine angeschlagene Gesundheit kein Arbeitsplatz in der Fabrik vorhanden ist.

Kommunismus:

Für die beschriebenen Veränderungen im Vergleich zu früheren Jahrzehnten, das Anwachsen von Kampfunlust oder Resignation bei den KollegInnen siehst du einen Grund im Streben nach maximalen Profit. Dies führt zu einer radikalen und rücksichtslosen Optimierung der Menschen. Mit welchen Methoden wird das im Betrieb konkret durchgesetzt?

Lydia:

Die Arbeit selbst ist nicht schwerer geworden. Aber die Methode, mit der die Arbeit geplant wird, wird immer undurchschaubarer. Zum Beispiel soll ein Arbeitsvorgang von 1,5 Sekunden auf 1 Sekunde verkürzt werden. Man weiß nicht, wie das unter den Bedingungen, wie wir arbeiten, gehen soll. Eigentlich geht das nicht, aber nach einer bestimmten Zeit geht es doch. Es ist wie beim Leistungssport – immer mehr, immer schneller. Der Wunsch der Menschen sich ständig zu optimieren wird radikal und rücksichtslos ausgenutzt. Die Konzerne planen die Arbeitsabläufe von Beginn an so knapp, dass die Arbeit nicht geschafft werden kann. Die Planung erzeugt Wut bei uns. Aber die Wut wird nicht organisiert und gegen den Konzern gerichtet, sondern ebbt nach einer gewissen Zeit ab. Das ist dann der Augenblick, wo der Akkord angezogen wird. Nach einer gewissen Zeit wiederholen sie den Vorgang. So schaffen sie es die Prozesse zu optimieren, ohne dass sich Widerstand rührt. Es gibt Unzufriedenheit, die führt aber nur sehr selten dazu, dass wir uns zusammenschließen und uns wehren. Das Gemeinsame, der Zusammenschluss fehlt und der Schritt, unsere Interessen selbst in die Hand zu nehmen.

Es gab eine Zeit in den Großbetrieben, an die sich ältere KollegInnen noch erinnern können, wo sie ihren Akkord in einer bestimmten Zeit geschafft haben, so dass sie sich noch Freizeit rausschinden konnten. Die KollegInnen konnten diese selbst erarbeitete Freizeit für sich nutzen z.B. um miteinander zu reden, auch mal Fußball zu spielen oder eben auch mal Gegenwehr zu organisieren. Das wird es so schnell nicht wieder geben, weil die Konzerne gelernt haben, die Energie der ArbeiterInnen zur Optimierung für ihren Profit zu nutzen.

Kommunismus:

Wie viele Frauen arbeiten in der Fabrik? Sind sie den Männern gleichgestellt und wie geht es ihnen als Fabrikarbeiterin?

Lydia:

Es gibt in allen Bereichen Frauen, außer in den oberen Führungsebenen. Frauen sind im Betrieb in der Minderheit, die Zahl liegt unter 20%. Die meisten Frauen gibt es im Ausbildungsbereich. Es gibt Lohngleichheit zwischen dem Arbeiter und der Arbeiterin, aber der Zugang zu den Stellen mit den höheren Löhnen ist begrenzt. Es sind Stellen, die für Frauen nur sehr schwer zu erreichen sind. Die Frauen kommen einfach nicht dahin. Die Arbeiten werden in der Regel den Männern gegeben und so sind es die Männer, die in den höheren Lohnstufen sind.

Es gibt eine betriebliche Frauenförderung, die auch insofern Früchte trägt, dass nach und nach mehr Frauen in die Rolle als Meisterin gelangen. Aber es zieht sich auch ein ganz normaler täglicher Sexismus durch alle betrieblichen Ebenen. Das drückt sich z.B. darin aus, das es eine „Wahrheit“ geben soll, die darin besteht, dass Frauen dies oder das nicht können. Punkt.

Frauen werden darauf reduziert, dass bestimmte Dinge zu schwierig sind oder Frauen zu dumm sind. Frauen sollen so sein, dass sie ihre Aufgabe erfüllen können, die darin besteht, Männern zu dienen als Lustobjekt, Dekoration, Köchin, Kindererzieherin. Wenn eine Frau von den männlichen Konkurrenten anerkannt wird (werden muss), ist das nicht normal, sondern sie wird als eine Frau dargestellt, die „es auch drauf hat“, eine, „die immer schon besonders technisch interessiert war“. Männer lassen dann gnädig zu, dass solche „außergewöhnlichen Frauen“ einen Platz in ihren Reihen bekommen. Dass Frauen sich bewusst gegen diese Bilder wehren, erlebe ich ganz selten.

Kommunismus:

Was passiert da, wenn du von ganz normalem täglichen Sexismus sprichst?

Lydia:

Im Werk gibt es ein klares Bekenntnis, das sexuelle Diskriminierung geahndet wird. Aber das Frauen sich wirklich beschweren, geschieht sehr selten. Beschwert sich eine Frau bei einem Mann im Betriebsrat, dann wird ihr oft nicht geglaubt. Dann kommen so Dinge wie „ach der Kollege soll so was getan haben, den kenne ich doch, der ist doch so nett“. Es ist nicht zu kontrollieren, ob die Frauen Hilfe bekommen.

Für Frauen im Betrieb ist es normal geworden, dass sexistisch geredet wird, viele haben sich dem angepasst. Ich frage KollegInnen, warum wehrt ihr euch nicht? Oft sagen sie nichts und wenn sie was sagen dann z.B.: „Naja es ist nicht so einfach, weil man dann wieder zusammen am Band stehen muss und dann ist man alleine“ oder manchen fällt einfach nichts ein, was zu sagen wäre. Einmal habe ich auf einem Gruppencomputer an dem 80 Leute arbeiten Pornographie gesehen. Ich habe dann den Bildschirmhintergrund verändert: Knallrot – mit türkisfarbenem Text: „Frauenverachtung gibt es hier nicht.“ Damit setze ich ein Zeichen. Es passiert täglich, dass Frauen sich mit sexistischen Witzen und Sprüchen, die von Männern gemacht werden, rumschlagen müssen.

Kommunismus:

Du hast auch von Rassismus unter den KollegInnen erzählt…..

Lydia:

Als weiße Deutsche bin ich selbst nicht von Rassismus betroffen. Dennoch erlebe ich ihn täglich, da er im Betrieb unter den Kollegen festsitzt. Wir werden an den gleichen Maschinen und im gleichen Akkord ausgebeutet – über 40 verschiedene Nationalitäten. Dem Kapital ist das egal, ob wir weiß, schwarz, muslimisch, katholisch oder sonst was sind, während sie uns auspressen. Aber der Rassismus ist willkommen, um zu verhindern, dass wir zusammenstehen, uns organisieren, um uns den Ausbeutern entgegen zu stellen. Rassismus spaltet! Es sind die Witze und Sprüche – jede Art rassistischer Diskriminierung – alles sind kleine Spaltkeile.

Als Betriebsrätin bekomme ich tatsächlich Minidiskussionen hin, im Pausenraum, vor oder nach der Schicht. Es ist immer wenig Zeit, darum werfe ich was rein, worüber die Kollegen nachdenken können z.B. zum Rassismus oder Sexismus. Wir diskutieren dann öfters darüber, was die, die uns ausbeuten, davon haben, wenn wir uns gegenseitig kaputt machen. Denen ist das recht, ihnen ist nur wichtig uns auszubeuten.

Wenn von Betriebsratskollegen Witze oder Sprüche kommen, bin ich denen schon mehrmals über den Mund gefahren, eindeutig Stellung beziehen auch gegen Widerstände, das ist wichtig.

Kommunismus:

Vor einiger Zeit bist du zur Betriebsrätin gewählt worden. Wie sieht deine Arbeit als Betriebsrätin aus, was hast du jetzt für Möglichkeiten?

Lydia:

Die Arbeit als Betriebsräten ist ein Versuch, weil die Arbeiterklasse nicht auf dem Vormarsch ist und es kaum Bewusstsein über ihre Klassenlage gibt. Ich versuche die Dinge in einen Zusammenhang zu bringen. Die KollegInnen sehen, dass ich eine andere Betriebsratsarbeit mache als die, die sie kennen. Aber das schreiben sie eher meiner Person, der roten Lydia zu.

Als Betriebsrätin habe ich viel mehr Verbindung und Kontakt mit Kollegen als es bei der Bandarbeit überhaupt möglich wäre. Mich kennt die komplette Fabrik. Ich bin in vielen Bereichen unterwegs, auch dort wo ich vorher nichts mit zu tun hatte. Ich kann bei Problemen oder Konflikten mit Kollegen diskutieren, dass in verschieden Hallen den Kollegen gleiches passiert und es nicht nur sie/ihn betrifft.

Ich habe die Zeit genutzt, um mit sehr viel Aufwand die KollegInnen dazu zu kriegen, dass sie sich ihre Probleme nicht von mir lösen lassen, sondern dass sie bereit sein müssen, erst mal eigene Versuche zu starten. Da konnte ich einiges anstoßen, unter anderem dass KollegInnen feststellen, dass es ihnen nichts nutzt, dass irgendein Betriebsrat alles für sie macht, sondern dass wir schon selber was machen müssen.

Was ich als Betriebsrätin machen kann ist herzlich wenig, weil ich innerhalb des Gremiums keine Illusion habe etwas zu verändern. Trotzdem gibt es auch innerhalb des Betriebsrats KollegInnen, die unzufrieden sind und sie meinen, dass sich mit mir einiges verändert hat; z.B. dass Kritiken ausgesprochen werden können oder die führenden Personen nicht mehr so eng mit den Managern kuscheln. Es gibt ein Teil von Führungskräften, die hassen mich. Sie versuchen mir zu schaden, aber es gibt auch die, die wissen, an die kann man sich wenden, da bekommt man eine richtige Aussage.

Kommunismus:

Bald stehen neue Betriebsratswahlen an……

Lydia:

Zu mir hat ein Kollege gesagt, wir wissen, dass du die einzige bist, die nicht für sich selbst Betriebsrätin ist, also um sich persönlich bessere Bedingungen oder Privilegien zu ergattern, um die Wahl zur eigenen Karriere zu nutzen. Jetzt gehen die Betriebsräte, die gewählt werden wollen, zu den KollegInnen an die Bänder und reden mit ihnen, aber nur um gewählt zu werden.

Ich habe es immer so gehalten, dass ich einmal die Woche an meinem alten Arbeitsplatz am Band stehe und ganz normal die Arbeit mache wie meine KollegInnen. Zu den KollegInnen gehe ich oft und rede mit ihnen, wie gesagt, die meisten kennen mich. Jetzt zur Wahl habe ich gesagt, ich werde nicht an die Bänder kommen, weil ich dieses Wahlspektakel nicht mit mache. Ich habe die KollegInnen aufgefordert sich bei mir telefonisch zu melden, wenn sie mich brauchen.

Es gibt so ein Spruch unter den KollegInnen: Wenn du viel an den Bändern bist als Betriebsrat, dann gibt es wieder Wahlen. Die Zeit vor der Betriebsratswahl hätte ich mit den Kolleginnen und Kollegen mehr darüber diskutieren sollen, wie ein Betriebsrat denn sein sollte, welche Eigenschaften und so weiter. Das nehme ich mir für die nächste Betriebsratswahl vor, als Alternative zum Rückzug.

Kommunismus:

Sind Aufbegehren, Anpassung, Unzufriedenheit und fehlendes Klassenbewusstsein ein ständiger Kreislauf ohne Ausweg?

Lydia:

Man könnte sagen, dass aktuelle Ziel vieler ArbeiterInnen ist es Häuser zu bauen und nicht mehr für Veränderung zu kämpfen. Es gibt Unzufriedenheit unter den KollegInnen, weil sie zu wenig Geld bekommen. Der Betrieb macht riesige Profite, aber sie bekommen nichts ab. Neben der Unzufriedenheit gibt es auch eine Mischung von Befürchtungen oder mangelndes Selbstvertrauen. So wird Unzufriedenheit auch als persönliches Manko gesehen.

Mangelndes Selbstvertrauen ist z.B. wenn ein Kollege das Band stoppt und einfach zum Betriebsrat geht, um dort Beschwerden los zu werden und hinterher über das, was er tut, erstaunt ist und im nachhinein Angst bekommt. Die Angst ist insofern berechtigt, dass das Kapital Angst davor hat, dass ArbeiterInnen selbständig was tun. Darum müssen sie zurückschlagen. In dem Fall, wo ein einzelner Kollege etwas tut, müssen sie nicht auf die Belegschaft losgehen, sondern sie können sich den einen raus fischen und so einen Keil in die Belegschaft schlagen. Wir müssen daraus lernen, sich zusammen zu tun und solche Aktionen zusammen durch führen.

Wenn die Fabrik von Stilllegung bedroht werden würde, wäre diese Unzufriedenheit ein Potenzial. Es würde was passieren, das wäre ein riesiges Signal. Die Identifizierung mit dem Unternehmen wird immer schwächer. Es wird erkannt, dass die Managerebene was ganz anderes ist als die der ArbeiterInnen. Aber wenn ich z.B. darstelle in welcher Tradition der Betrieb steht, dann werde ich für die KollegInnen wieder zu radikal. Sie werfen mir dann vor, dass ich den Betrieb schlecht mache. Es besteht eine sehr große Unwissenheit, weil die Verbrechen des Konzerns unter den Tisch gefegt werden.

Es könnte sich rasend schnell was entwickeln. Aber wohin das geht, da bin ich mir nicht sicher. Von Bewusstsein über ihre Lage merke ich bei den meisten KollegInnen nichts. Ich sehe auch kaum Klassenbewusstsein. Teilweise sehe ich einen Klasseninstinkt, also ein eher unbewusstes bzw. unterbewusstes Herangehen an die eigene Lage – aber eben vom Klassenstandpunkt aus.

Wenn ich die Kollegen mal provoziere, dass man sich ja auch zusammen wehren kann oder dass man bestimmte Dinge nicht tut, wie Arbeitsplätze weg zu rationalisieren, wird mir meistens zugestimmt, aber von selbst kommt das nicht.

Die Kollegen sagen mir, wenn es losgeht, bin ich sofort dabei. Im Kampf werden sie dabei sein, aber die Arbeit vor dem Kampf ist ihnen zu schwer. Dann kommen wieder die Gedanken, wenn man sich wehrt beschleunigt man nur, dass die Fabrik geschlossen wird. Dass das ein Auslöser sein könnte und ein Signal für alle Kollegen in anderen Fabriken, bis dahin gelangt die Diskussion selten.

Kommunismus:

Kann es gelingen, dass die KollegInnen sich zusammenschließen und ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen?

Lydia:

Es sind viele Kollegen entsetzt über die Unmenschlichkeit des kapitalistischen Systems, was z.B. mit den Flüchtlingen passiert, im Mittelmeer, an den Grenzen der Festung Europa. Wenn ich dann sage, dass liegt auch in Deutschlands Verantwortung, dann kommt, ja das ist ja klar, dass du wieder Deutschland schlecht machst.

Viele haben Verständnis dafür, dass Erwerbslose im Arbeitsamt auf die Angestellten losgehen. Aber zu sehen, wie alle Ungerechtigkeiten zusammenhängen, sich zusammen zu schließen und sich zu wehren, dass geht für viele gar nicht.

Ich sehe aber auch viel Rassismus, Frauenfeindlichkeit, eine Herrschaftlichkeit der Weißen, „wir“ sind toll, was wir für tolle Produkte produzieren. Das ist Gift, was in den Köpfen herrscht, Gift das die Bourgeoisie ArbeiterInnen einflößt. Das kann nur nach hinten losgehen. Frust wie z.B. in Amokläufen oder das bestimmte Leute verprügelt werden entstehen auf dieser Grundlage. Der Konzern nutzt das und nimmt z.B. Entlassungen vor, um zu prüfen wie die Arbeiter darauf reagieren.

Die Einschätzung klingt bei mir vielleicht negativ, aber wenn die ArbeiterInnen ihre Möglichkeiten sehen würden, sehen würden, dass jeder Tag, der ins Land geht, verloren ist und die Kapitalisten immer mehr Oberwasser gewinnen, dann müsste es im Betrieb anders aussehen. Was wäre alles möglich, wenn Solidarität an erster Stelle steht.

Bei allen Schwierigkeiten habe ich unermesslich viel gelernt bei dieser Arbeit. Als Teil des Proletariats sehe ich in der Zeit der Schwäche der ArbeiterInnenbewegung die Kraft der Klasse, die zwar noch schlummert, aber da ist. In den kleinsten Kämpfen zeigt sich ihre Gewalt. Wir können gewinnen.

Ich habe mir angeeignet in der Gegenwart zu arbeiten, auf ein Ziel hin. Die Zukunft sehe ich so, dass ich mit den ArbeiterInnen in Kontakt sein kann, dass möglichst viele erkennen, dass man sich organisieren muss über die Betriebe und Länder hinweg. Schaffen wir es eine Kommunistische Partei zu bilden, schaffen wir es angesichts der Lage zur Revolution zu kommen, schaffen es die ArbeiterInnen, schaffen wir es als Klasse rechtzeitig den richtigen Feind zu erkennen? Dafür setze ich mich ein und tue alles, wie mich schulen. Ich will mich nicht mit Kleinkämpfen aufhalten, die ganze Arbeit macht nur Sinn und erfüllt mich, wenn wir Schritt für Schritt vorwärts kommen. Ich bin gerade davon überzeugt, dass die Arbeit mit den ArbeiterInnen die richtige Arbeit ist. Auch wenn manchmal Zweifel kommen, für mich gilt entweder Sozialismus oder Barbarei. Ich will, dass die heutigen Kinder und Enkel in einer Welt ohne Ausbeutung leben können.

Kommunismus:

Wir bedanken uns für diesen Einblick in die Arbeit in einer großen Fabrik, den Arbeitsbedingungen dort und der eindrucksvollen Darstellung über die Stimmung unter deinen KollegInnen. Uns werden diese Eindrücke dabei unterstützen, die Massen mehr kennen zu lernen, dass wir die Schwankungen besser einordnen und das vorhandene Potenzial vielleicht eines Tages für unseren Kampf gewinnen können.

Lesetipp: Clara Zetkin, Erinnerungen an Lenin – Gespräche über die Frauenfrage

Vorwort:

Clara Zetkins in den Jahren 1924/25 entstandenen Erinnerungen an Lenin – Gespräche über die Frauenfrage sind erstmals 1929 als Broschüre veröffentlicht worden. Die Diskussionen zwischen Clara Zetkin, Genossin Krupskaja und Lenin fanden im Spätherbst 1920 in Moskau statt. Die Rote Armee hatte gerade den Versuch die Revolution militärisch in den Westen zu tragen vor Warschau abbrechen und sich aus Polen zurückziehen müssen. Im Inneren waren die konterrevolutionären Interventionstruppen Wrangels noch nicht besiegt und die Versorgung der Städte mit Lebensmitteln war alles andere als stabil.

Kurz gesagt: Die sozialistische Revolution in Russland war trotz einiger Erfolge im Bürgerkrieg noch nicht gefestigt und weiterhin stand ihr Schicksal auf der Kippe. Aus diesem konkreten revolutionären Blickwinkel ging Lenin auch an die Frauenfrage heran, wie die nachfolgende Stelle anschaulich zeigt:

Ein weiteres Gespräch mit Lenin über die Frauenbewegung hatte ich ungefähr zwei Wochen später. (…) Lenin meinte, wir müssten danach trachten, dass der III. Weltkongress1 die Frage mit der nötigen Gründlichkeit behandle. Schon die Tatsache allein werde manches Vorurteil der Genossen überwinden. Im übrigen müssten in erster Linie die Genossinnen zupacken, und zwar kräftig. »Nicht lispeln wie brave Tanten, als Kämpferinnen laut reden, deutlich reden!« rief Lenin lebhaft aus. »Ein Kongress ist kein Salon, in dem Frauen durch Anmut glänzen sollen, wie es im Roman heißt. Er ist ein Kampfplatz, wo wir um Erkenntnisse für revolutionäres Handeln ringen. Beweist, dass ihr kämpfen könnt! Mit den Feinden natürlich an erster Stelle, aber auch in der Partei, wenn es notwendig ist. Es geht doch um die Frauenmassen. (…) Wenn diese Massen nicht mit uns sind, so kann es den Gegenrevolutionären gelingen, sie gegen uns zu führen. Daran sollten wir stets denken.«“2

Mit derselben revolutionären Klarheit und mittels der von Marx und Engels entwickelten dialektisch-materialistischen Methode ging Lenin auch an die Frage der Sexualität heran. Ein Thema, um das die bürgerliche Ideologie ein großes Geschrei entfacht, um dann doch nur Entfremdung und Leid zu produzieren. In der Kommunistischen Bewegung wird es oft als „Nebenfrage“ abgetan – dabei spielt die Sexualität offensichtlich eine sehr große Rolle für das Denken und Fühlen der Menschen.

Lenins Ausführungen zur Sexualität sind hochaktuell, wie schnell deutlich wird, wenn man z.B. die Glaswassertheorie durch den zeitgemäßen Begriff „freie Liebe“ ersetzt. Sein Plädoyer für einen gesunden Mittelweg (weder Enthaltsamkeit noch Maßlosigkeit) und natürlichen Umgang mit Sexualität und seine Warnungen vor einer Verwirrung der Jugend (und manchmal auch des Alters, wie Lenin richtig hinzufügt!) durch eine übersteigerte „politische“ Debatte über und Beschäftigung mit Sex sind eine wichtige Ausrichtung für den revolutionären Kampf. Immer wieder müssen wir miterleben, wie Genossinnen und Genossen an den gesellschaftlichen Widersprüchen, die sich im heutigen Sexualleben krass widerspiegeln, individuell zerbrechen und der Revolution verloren gehen. Solange Sex- und Liebesbeziehungen und Beziehungsdramen für das Verhalten vieler kommunistischer und revolutionärer GenossInnen in der Praxis im Leben so zentral sind, wie sie es in der Realität nun einmal sind – auch wenn theoretisch natürlich ganz andere Positionen vertreten werden – wird es für KommunistInnen notwendig sein, dass Intimleben nicht mehr als private Angelegenheit und Ansichtssache zu betrachten, sondern tatsächlich politisch an die damit zusammenhängenden Probleme und Widersprüche heranzugehen.

Auszüge aus Erinnerungen an Lenin – Gespräche über die Frauenfrage 3

Lenin: Auch bei uns ist ein großer Teil der Jugend heftig dabei, »die bürgerliche Auffassung und Moral« in der Sexualfrage zu »revidieren«. Und ich muss hinzusetzen, ein großer Teil unserer besten, unserer wirklich vielversprechenden Jugend. Es ist so, wie sie vorhin meinten. In der Atmosphäre der Kriegsauswirkungen und der begonnenen Revolution lösen sich die alten ideologischen Werte auf und verlieren ihre bindende Kraft. Die neuen Werte kristallisieren sich langsam, unter Kämpfen heraus. Auch in den Beziehungen von Mensch zu Mensch, zwischen Mann und Frau, revolutionieren sich die Gefühle und Gedanken. Neue Abgrenzungen werden gemacht zwischen dem Recht des einzelnen und dem Recht der Gesamtheit, also der Pflicht des einzelnen. Die Dinge sind noch in vollster Gärung. Die Richtung, die Entwicklungskraft der verschiedenen einander widersprechenden Tendenzen treten noch nicht in aller Bestimmtheit hervor. Es ist ein langsamer und oft sehr schmerzhafter Prozess des Vergehens und des Werdens. Gerade auch auf den Gebiet der sexuellen Beziehungen, der Ehe, der Familie. Der Verfall, die Fäulnis, der Schmutz der bürgerlichen Ehe mit ihrer schweren Lösbarkeit, ihrer Freiheit für den Mann, ihrer Versklavung für die Frau, die ekelhafte Verlogenheit der sexuellen Moral und Verhältnisse erfüllen die geistig Regsamsten und Besten mit tiefem Abscheu.

Der Zwang der bürgerlichen Ehe und der Familiengesetze der Bourgeoisie-Staaten verschärft Übel und Konflikte. Es ist der Zwang des »heiligen Eigentums«. Er heiligt Käuflichkeit, Niedrigkeit, Schmutz. Die konventionelle Heuchelei der honetten4 bürgerlichen Gesellschaft tut das übrige. Die Menschen suchen ihr Recht gegen die herrschende Widerlichkeit und Unnatur. Und die Gefühle des einzelnen wandeln sich rasch, das Begehren und das Drängen nach Wechsel im Genuss gewinnen leicht ungezügelte Gewalt in einer Zeit, wo mächtige Reiche zertrümmert, alte Herrschaftsverhältnisse gesprengt werden, wo eine ganze gesellschaftliche Welt zu versinken beginnt. Sexual- und Ehereform in bürgerlichem Sinne genügt nicht. Eine Sexual- und Eherevolution ist im Anzuge, entsprechend der proletarischen Revolution. Es ist naheliegend, dass der dadurch aufgerollte sehr verwickelte Fragenkomplex wie die Frauen, so auch die Jugend besonders beschäftigt. Sie leidet wie jene ganz besonders schwer unter den heutigen sexuellen Missständen. Sie rebelliert mit dem vollen Ungestüm ihrer Jahre dagegen. Das begreift sich. Nichts wäre falscher, als der Jugend mönchische Askese5 zu predigen und die Heiligkeit der schmutzigen bürgerlichen Moral. Allein es ist bedenklich, wenn in jenen Jahren psychisch das Sexuelle zum Mittelpunkt wird, das schon physisch stark hervortritt. Wie verhängnisvoll wirkt sich das aus. (…)

Die veränderte Einstellung der Jugend zu den Fragen des sexuellen Lebens ist natürlich »grundsätzlich« und beruft sich auf eine Theorie. Manche nennen ihre Einstellung »revolutionär« und »kommunistisch«. Sie glauben ehrlich, dass dem so sei. Obgleich ich nichts weniger als ein finsterer Asket bin, erscheint mir das sogenannte »neue sexuelle Leben« der Jugend – manchmal auch des Alters – oft genug rein bürgerlich, als eine Erweiterung des gut bürgerlichen Bordells. Das alles hat mit Freiheit der Liebe gar nichts gemein, wie wir Kommunisten sie verstehen. Sie kennen gewiss die famose Theorie, dass in der kommunistischen Gesellschaft die Befriedigung des sexuellen Trieblebens, des Liebesbedürfnisses so einfach und belanglos sei, wie das Trinken eines Glases Wasser. Diese Glaswassertheorie hat unsere Jugend toll gemacht, ganz toll… Sie ist vielen jungen Burschen und Mädchen zum Verhängnis geworden. Ihre Anhänger behaupten, dass sie marxistisch sei. Ich danke für solchen Marxismus, der alle Erscheinungen und Umwandlungen im ideologischen Überbau der Gesellschaft unmittelbar und gradlinig aus deren wirtschaftlicher Basis ableitet. Gar so einfach liegen denn doch die Dinge nicht. Das hat ein gewisser Friedrich Engels schon längst betreffs des historischen Materialismus festgestellt.

Die berühmte Glaswassertheorie halte ich für vollständig unmarxistisch und obendrein für unsozial. Im sexuellen Leben wirkt sich nicht bloß das Naturgegebene aus, auch das Kulturgewordene, mag es nun hoch oder niedrig sein. Engels hat in seinem »Ursprung der Familie« darauf hingewiesen, wie bedeutsam es ist, dass sich der allgemeine Geschlechtstrieb zur individuellen Geschlechtsliebe entwickelt und verfeinert hat. Die Beziehungen der Geschlechter zueinander sind doch nicht einfach ein Ausdruck des Wechselspiels zwischen der Wirtschaft der Gesellschaft und einem physischen Bedürfnis, das durch die physiologische Betrachtung gedanklich isoliert wird. Rationalismus, nicht Marxismus wäre es, die Umwandlung dieser Beziehungen für sich und losgelöst aus ihrem Zusammenhange mit der gesamten Ideologie unmittelbar auf die wirtschaftlichen Grundlagen der Gesellschaft zurückführen zu wollen. Nun gewiss! Durst will befriedigt sein. Aber wird sich der normale Mensch unter normalen Bedingungen in den Straßenkot legen und aus einer Pfütze trinken? Oder auch nur aus einem Glas, dessen Rand fettig von vielen Lippen ist? Wichtiger als alles ist aber die soziale Seite. Das Wassertrinken ist wirklich individuell. Zur Liebe gehören zwei, und ein drittes, ein neues Leben entsteht. In diesem Tatbestand liegt ein Gesellschaftsinteresse, eine Pflicht gegen die Gemeinschaft.

Als Kommunist habe ich nicht die geringste Sympathie für die Glaswassertheorie, auch wenn sie die schöne Etikette trägt: »Befreiung der Liebe«. Übrigens ist diese Befreiung der Liebe weder neu, noch kommunistisch. Sie werden sich erinnern, dass sie zumal gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts als die »Emanzipation des Herzens« in der schönen Literatur gepredigt wurde. In der Praxis der Bourgeoisie entpuppte sie sich als die Emanzipation des Fleisches. Die Predigt war damals talentvoller als heute, wie es mit der Praxis sich verhält, kann ich nicht beurteilen. Nicht etwa, als ob ich mit meiner Kritik die Askese predigen möchte. Fällt mir nicht ein. Der Kommunismus soll nicht Askese bringen, sondern Lebensfreude, Lebenskraft auch durch erfülltes Liebesleben. Jedoch meiner Ansicht nach gibt die jetzt häufig beobachtete Hypertrophie6 des Sexuellen nicht Lebensfreude und Lebenskraft, sie nimmt nur davon. In dem Zeitalter der Revolution ist das schlimm, ganz schlimm.

Zumal die Jugend braucht Lebensfreude und Lebenskraft. Ein gesunder Sport, Turnen, Schwimmen, Wandern, Leibesübungen jeder Art, Vielseitigkeit für geistige Interessen. Lernen, Studieren, Untersuchen, soviel als möglich gemeinsam! Das alles wird der Jugend mehr geben als die ewigen Vorträge und Diskussionen über sexuelle Probleme und das sogenannte Ausleben. Gesunder Körper, gesunder Geist! Weder Mönch noch Don Juan7, aber auch nicht als Mittelding den deutschen Philister8. Sie kennen doch den jungen Genossen X.Y.Z. Ein prächtiger Bursche, hochbegabt. Ich fürchte, trotz allem wird nie etwas Rechtes aus ihm werden. Er saust und torkelt von Weibergeschichte zu Weibergeschichte. Das taugt nicht für den politischen Kampf, nicht für die Revolution. Ich wette nicht auf die Zuverlässigkeit, die Ausdauer im Kampf jener Frauen, bei denen sich der persönliche Roman mit der Politik verschlingt. Auch nicht der Männer, die jedem Unterrock nachlaufen und sich von jedem jungen Weibchen bestricken lassen. Nein, nein, das verträgt sich nicht mit der Revolution. –

Lenin sprang auf, schlug mit der Hand auf den Tisch und machte einige Schritte im Zimmer.

– Die Revolution fordert Konzentration, Steigerung der Kräfte. Von den Massen, von den einzelnen. Sie duldet keine orgiastischen Zustände, wie sie für d’Annunzios9 dekadente Helden und Heldinnen das Normale sind. Die Zügellosigkeit des sexuellen Lebens ist bürgerlich, ist Verfallserscheinung. Das Proletariat ist eine aufsteigende Klasse. Es braucht nicht den Rausch zur Betäubung oder als Stimulus. So wenig den Rausch sexueller Übersteigerung als den Rausch durch Alkohol. Es darf und will sich nicht vergessen, nicht vergessen die Abscheulichkeit, den Schmutz, die Barbarei des Kapitalismus. Es empfindet die stärksten Antriebe zum Kampf aus seiner Klassenlage, aus dem kommunistischen Ideal. Es braucht Klarheit, Klarheit und nochmals Klarheit. Deshalb, ich wiederhole es, keine Schwächung, Vergeudung, Verwüstung von Kräften. Selbstbeherrschung, Selbstdisziplin ist nicht Sklaverei, auch nicht in der Liebe.

1Der III Weltkongress der Kommunistischen Internationalen fand ein dreiviertel Jahr später im Juni/Juli 1921 in Moskau statt.

2Clara Zetkin, Ausgewählten Reden und Schriften‘ Band III, Dietz Verlag 1960, S. 153f

3Neuveröffentlichung als Broschüre im Verlag Wiljo Heinen, 2014 sowie in in Clara Zetkin ‚Ausgewählten Reden und Schriften‘ Band III, Dietz Verlag 1960, Seite 89 bis 160 veröffentlicht. Die ausgewählte Stelle zur sexuellen Frage findet sich dort auf Seite 138 bis 142.

4Honett = anständig, ehrenhaft, rechtschaffen

5Askese = Enthaltsamkeit

6Hypertroph = überspannt, überzogen. Medizinisch bedeutet Hypertrophie eine übermäßige Vergrößerung von Geweben und Organen infolge der Vergrößerung der Zellen, meist bei erhöhter Beanspruchung.

7Don Juan (spanisch) oder Don Giovanni (italienisch) ist in der europäischen Dichtung der Prototyp des Frauenhelden. Die bekanntesten Darstellungen sind Mozarts Oper Don Giovanni sowie die Komödie Don Juan des französischen Dichters Molieres ((1622–1673). Dort wird Don Juan als Vertreter einer ungezügelten Maßlosigkeit gezeichnet, der sich über sämtliche traditionellen Normen und Moralvorstellungen hinwegsetzt. Als junger, hübscher Adeliger legt er eine (für die damalige Zeit) unvorstellbare Frechheit an den Tag. Don Juan übertritt sowohl religiöse, als auch gesellschaftliche Sitten und Werte seiner Zeit: Er verführt die Frauen reihenweise, respektiert das „heilige Sakrament“ der Ehe nicht, auch bereits Verlobte zieht er in seinen Bann, und Donna Elvira wird von ihm aus einem Kloster entführt.

8Philister = kleinbürgerlicher Mensch, Spießbürger

9Gabriele D’Annunzio (* 12. März 1863, † 1. März 1938) war ein italienischer Schriftsteller und Dichter und spätromantischer Vertreter des Symbolismus. Er gilt als ein Ideengeber für den italienischen Faschismus und als einer der Mentoren Benito Mussolinis.Lesetip_Bilder_4

Kämpfende Frauen verändern die Welt – ohne kämpfende Frauen läuft nichts

Schmeißt sie weg, die alten traditionellen Rollenbilder

Kämpfende Frauen sind seit Jahrhunderten weltweit Teil in Revolutionen, in Streikkämpfen, in antifaschistischen Kämpfen, in Frauenrechtskämpfen und vielen mehr. Frauen stehen oft ganz vorne im Kampf. Sie übernehmen die Führung. Frauen sind im Kampf sehr konsequent und mutig. Sie gehen motiviert in den Kampf, weil sie siegen wollen. Kämpfe entstehen vor allem dann, wenn soziale Ungerechtigkeiten und Unterdrückung besonders stark werden, wenn Frau es nicht mehr aushalten kann.

Frauen wurden und werden noch immer dazu erzogen, dass sie erdulden, sich anpassen, unterordnen und sich in der Rolle der dienenden Kümmerin oder Pflegenden einrichten. Aber längst haben Frauenkämpferinnen bewiesen, dass das nicht alles in ihrem Leben ist. Frauen wollen mehr und das müssen sie sich holen. Es gibt Frauenkämpfe, die einige nützliche Dinge erreicht haben wie z.B. demokratische Rechte wie das in der gescheiterten Revolution 1918 erkämpfte Frauenwahlrecht, Selbstbestimmung über Berufstätigkeit und Erfolge durch Arbeitskämpfe wie die formelle Verankerung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in Tarifverträgen.

Für KommunistInnen sind die Kämpfe besonders wichtig, die mehr erreichen wollen als Verbesserungen im täglichen Leben und in der Arbeit. Lebens- und Arbeitsverbesserungen können vieles einfacher machen, aber weil Verbesserungen nicht die grundlegenden Probleme von Unterdrückung und Ausbeutung für die Frauen und die gesamte ArbeiterInnenklasse lösen, entstehen ständig neue Probleme oder tauchen alte wieder auf. Frauen müssen sich entscheiden: Wollen sie ein bisschen von allem oder wollen sie Alles?

Heute sehen wir, dass in Deutschland eher wenige Frauen kämpfen, egal ob gegen ihre soziale oder berufliche Unterdrückung und Ausbeutung. Unzufriedenheit und Proteste sind eine Menge da, es fehlt aber an Entschlossenheit sich politisch zu organisieren und aus dem Protest einen kämpferischen Widerstand zu entwickeln. Es fehlt die konsequente Entscheidung dafür, sich nicht nur mit einem ein bisschen besseren Leben zufrieden zu geben, sich dort einzurichten, zu resignieren und Frust zu schieben, sondern für ein ganz anderes, besseres Leben, organisiert für die Befreiung der Frau zu kämpfen.

Revolutionärer Klassenkampf macht den Bonzen Dampf

Es ist unübersehbar, dass sich unsere Gesellschaft in zwei große Klassen teilt. Das merken wir alle täglich. Es gibt die wenigen wirklich reichen Menschen, die durch ihren Reichtum die Macht über die Politik im Staat und unser Leben ausüben, indem sie z.B. Gesetze erlassen wie Hartz IV, zur vollständigen Überwachung der Menschen, zur Einschränkungen unserer Gesundheitsversorgung, Preiserhöhungen ohne Lohnerhöhungen oder Mietwucher und vieles mehr. Diese Macht wird richtigerweise als die Macht des Kapitals oder der Bourgeoisie bezeichnet. Also wenige Kapitalisten zwingen die Masse der Menschen so zu leben und zu arbeiten, wie sie es bestimmen, wie es ihnen ermöglicht, immer reicher zu werden.

Es gibt viele verschiedene Typen von Kapitalisten. Die Spannbreite geht vom Kleinbetrieb und Mittelstand, das sind kleinere Betriebe in denen auch ArbeiterInnen arbeiten und ausgebeutet werden, bis hin zu Monopolen, also mächtigen Industriezusammenschlüsse wie z.B. in der Autoindustrie, die den Markt und deswegen auch den Staat beherrschen.

Durch ihre Gesetze nehmen sie den Menschen das weg, was ihnen das Leben angenehmer macht und zwingen sie, sich täglich Sorgen zu machen, woher sie z.B. Geld nehmen sollen um ihren Kindern Schulmaterial oder Kleidung zu kaufen. Oft genug reicht es noch nicht mal für vernünftiges Essen und schnell rutschen Menschen mit wenig Geld in die Schuldenfalle. Das Kapital ist es, das weltweit Massen von Menschen in Armut, Unglück, schlechtes Leben, Flucht, Tod, Hunger und Verzweiflung zwingt.

Damit haben wir schon die andere Klasse angesprochen. Das ist die Masse der Menschen, die davon abhängig ist, ob und zu welchen Bedingungen die Kapitalisten ihnen Arbeit und Leben gewähren. Diese Masse ist die ArbeiterInnenklasse. ArbeiterInnen haben kein Kapital was sie ständig vermehren können. ArbeiterInnen haben nur ihre Arbeitskraft mit der sie dem Kapital ermöglichen Profit zu machen. Profit, weil die ArbeiterInnen vom Kapitalisten als Lohn nicht den Wert erhalten, den sie bei der Arbeit geschaffen haben, sondern nur soviel, wie sie brauchen um ihre Arbeitskraft zu wieder herzustellen z.B. für Nahrung, Wohnung, Kleidung.

Natürlich sehen wir täglich und überall, dass es große Unterschiede im Leben der Menschen gibt, z.B. gibt es auch die, die nicht das ganz große Kapital besitzen, aber doch genügend Reichtum um ein Leben zu führen, das weit über das Leben der ArbeiterInnen hinaus geht. Dazu gehören auch die, die vieles in der Gesellschaft lenken wie z.B. Beamte, die führend in staatlichen Ämter arbeiten wie in Gerichten, bei der Polizei, in der Wissenschaft und Bildung oder PolitikerInnen in den Regierungsparteien. Wir sprechen dann von den kleinbürgerlichen Zwischenschichten. Weil sie mit ihrer Arbeit das Kapital stützen, gehören sie nicht zu den ArbeiterInnen, sondern stehen zwischen den gesellschaftlichen Hauptklassen, aber auf Seiten des Kapitals. Andererseits gibt es auch Kleinbürger, die zwar nicht direkt für das Kapital arbeiten müssen, aber doch von der Bourgeoisie in Form der Banken abhängig sind, wie zum Beispiel viele kleine selbstständige Handwerker, Kiosk- oder Imbissbesitzer.

Kommunistinnen sprengen ihre Ketten

Kommunistin zu sein heißt, zu erkennen, dass sich die Klasse der KapitalistInnen und die Klasse der ArbeiterInnen unvereinbar gegenüber stehen, dass die einen die anderen ausbeuten und dass die Ausbeutung nur mit dem Mittel des Zwanges beendet werden kann. Kommunistin zu sein heißt, bereit zu sein, den Klassenkrieg zu führen. Klassenkrieg heißt, die Revolution zu organisieren. Eine Revolution, die die Klassenverhältnisse verändert, indem die Unterdrückten und Ausgebeuteten die politische Macht erkämpfen und verteidigen. Kommunistin zu sein heißt, sich in einer Partei zu organisieren, die diesen Klassenkrieg organisieren und führen kann. Kommunistin zu sein heißt, für die Menschheit zu kämpfen, dafür zu kämpfen, dass es keine Kriege mehr gibt die Elend und Tod bringen.

KommunistInnen wollen zusammen mit allen Frauen, die sich nicht der Unterdrückung und Ausbeutung beugen, aus dieser Lage ausbrechen. Sie wollen mit ihnen gemeinsam diesen Weg planen und organisieren und wollen zusammen verstehen, warum dieser Weg nur der Weg des revolutionären Klassenkampfes sein kann.

KommunistInnen haben Vorbilder und können auf Erfahrungen in der kommunistischen Bewegung zurückgreifen. In Deutschland ist Clara Zetkin eine führende kommunistische Kämpferin in der Frauenbewegung im 19. und 20. Jahrhundert gewesen. In ihren Texten können wir gleiche und ähnliche Probleme finden wie die, mit denen wir es heute zu tun haben. Mit diesen Problemen mussten sich die Frauen schon vor uns herumschlagen. Wir werden hier eine kurze Stelle aus ihrer Rede „Für die volle soziale Befreiung der Frau“ vom 23.Mai 1924 zitieren, weil darin sehr einfach und schön ein Grundproblem von damals und heute beschrieben wird, was Frauen darin hindert, aktiv als Kommunistin zu arbeiten.

Karl Marx erklärte im „Achtzehnten Brumaire“: „Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden“.1

Bezogen auf dieses Zitat erklärt Clara Zetkin:

Im höchsten Grade trifft das zu auf das Fühlen, Denken und Wollen bei allem, was sich auf die Stellung und Betätigung der Frauen in der Gesellschaft bezieht. Mächtiger als in irgendeiner anderen Beziehung leben darin die Traditionen von Jahrhunderten, Jahrtausenden weiter. Immer wieder bricht es in Auffassung, Gewohnheiten, Lebensgestaltung durch, dass die Frau durch die Bindungen der Mutterschaft zum ersten und ältesten Eigentum des Mannes wurde. So müssen wir nicht nur die sozialen Verhältnisse umwälzen, auf denen die Versklavung der Frau beruht, sondern müssen auch das Hirn der Menschen – der Männer wie der Frauen – von dem Alp der Traditionen befreien.

In bürgerlichen Staaten, wo die Macht des toten Eigentums über die lebendigen Menschen noch nicht gebrochen ist, geht der bittere Kampf der Geschlechter unter frauenrechtlerischer Führung um die Probleme der Frauenfrage. Auf dem Boden der Sowjetrepubliken, wo die proletarische Revolution die Macht der Besitzenden und Ausbeutenden im Staat bereits gebrochen hat, ringen Frauen und Männer gemeinsam unter Führung der Kommunistischen Partei darum, mit Ausnutzung der Macht im Staate neue soziale Verhältnisse zu schaffen, die niemanden versklaven und neue Menschen erziehen, die aus dem Banne der Traditionen befreit sind. Solche Verhältnisse und solche Menschen verbürgen volle Freiheit, volles Recht für die Frau.“ 2

Aus diesen Gründen wurden in der deutschen kommunistischen Bewegung in den 70er Jahren Versuche gestartet, um Frauen aus den Bindungen von Familie und Kindern ein Stück weit raus zu holen, damit sie aktiver Teil in der kommunistischen Arbeit sein können. Das hat nicht so reibungslos geklappt, aber es gibt praktische Erfahrungen, die zumindest einen Beginn aufzeigen, was es für Möglichkeiten geben kann, solange wir noch den Bedingungen des Kapitalismus unterworfen sind. In diesem Artikel wollen wir einige Erfahrungen aufzeigen und dazu auffordern, weiter zu gehen, in dem Sinne, dass es Frauen uneingeschränkt ermöglicht wird, heute aktiv als Kommunistin zu arbeiten.

Dazu müssen wir kurz zurück gehen in die 60er Jahre, die eine Zeit des politischen Aufbruchs der Jugend waren, in der sich eine breite Kampfbewegung entwickelte und der Kommunismus eine große Rolle einnahm.

Radikale Bewegungen zerbrechen die Ruhe im Land

Politisch war die Gesellschaft in Deutschland auch dem nach Ende des 2. Weltkrieges von einem starken faschistischen Einfluss geprägt. Die Verbrechen aus dem Nationalsozialismus wurden in der Gesellschaft nicht grundlegend aufgearbeitet, vieles wurde vertuscht, verharmlost oder verschwiegen. Faschistische Verbrecher saßen wieder in führenden Positionen von Politik, Regierung, Gerichten, Polizei, Ämtern usw. Sie waren es, die die Politik in Westdeutschland mitbestimmten.

Der militärisch geführte Krieg war zu Ende, aber der Kampf um die Neuaufteilung der Welt ging weiter. Insbesondere war die sozialistische Sowjetunion, die entscheidend zur Zerschlagung des deutschen Faschismus beigetragen hat, der alte und neue Feind. Das „Kommunistische Gespenst“ war nicht unter Kontrolle gebracht, sondern stellte Ansprüche. Diese Zeit war der Beginn des „Kalten Krieges“, das heißt es lag in den 50er und 60er Jahren Kriegsgeflüster in der Luft.

Zum Anderen war die Zeit eine Zeit, in der eine sehr autoritäre Erziehung das Leben der Kinder und Jugendlichen in Deutschland bestimmte. Gewalt, Misshandlungen und sexueller Missbrauch fanden überall statt; in der Familie, in allen Erziehungseinrichtungen, in so manchen Ausbildungsbetrieben, in den Kirchen. Die 60er Jahre waren eine Zeit des Aufbruchs, Jugendliche und Studenten hatten die Nase voll von Verlogenheit und Gewalt, die sich gegen sie und gegen die Menschheit richtete. Die Wut der Jugend gegen die bestialischen Kriege und Ungerechtigkeiten – nicht nur in Deutschland sondern weltweit – durchbrach die verlogene Ruhe und autoritäre Ordnung. Die Jugend protestierte und bekam heftige Staatsgewalt zu spüren. Sie ließen sich jedoch nicht unterkriegen und leisteten Widerstand, sie organisierten sich zum Kampf in Parteien. Im Anbetracht des Siegs der Revolution in der Sowjetunion 1917, den revolutionären Kämpfen in China und Albanien, den starken Ausstrahlungen der anti-kolonialen Befreiungskämpfen und dem sich entwickelnden Befreiungskrieg des vietnamesischen Volkes war alles besser zu ertragen als Unterdrückung, Ausbeutung und bestialische Kriege.

Innerhalb der Kämpfe der Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland wurde vor allem jungen Frauen bewusst, wie hinderlich sich die traditionelle Rollenverteilung von Frau und Mann auswirkt. Ihre Männer hatten alle Möglichkeiten zu kämpfen und wurden in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen. Diese kämpfenden Männer waren zum großen Teil nicht diejenigen, die die Frauen darin unterstützten, dass sie mit auf der Straße kämpfen oder aktiv politisch tätig werden konnten. Diese Lage musste geändert werden, wenn Frauen zu Hause nicht mehr am Herd stehen oder allein die Kinder versorgen wollen, dann müssen sie sich zusammenschließen. Das wurde nicht nur gedacht, sondern getan und so entstand eine neue feministische Bewegung, die für die Emanzipation der Frau kämpfte.

Viele der kämpfenden Menschen aus dieser Bewegungszeit organisierten sich zum Ende der 60er Jahre in kommunistischen Parteien. Das hatte den Vorteil, dass der heftigen staatlichen Repression nun Kräfte gegenüber standen, die durch ihre Organisiertheit nicht mehr so leicht unter Kontrolle gebracht werden konnten. Für die politischen Ziele, wie der Kampf für die Revolution und den Kommunismus, konnten nun durch eine breite und beständige Propagierung mehr Klarheit unter die Menschen gebracht werden.

Soviel in aller Kürze zu dem geschichtlichen Hintergrund. Er wird jetzt eine Rolle spielen, wenn wir uns angucken wie es möglich sein kann, dass eine Arbeiterin, die Familie hat und berufstätig ist, auch aktive Kommunistin sein kann. Dazu stellen wir einige Erfahrungen vor, wie es in den 70er Jahren gelungen ist, dass Frauen, die auch Mütter geworden sind, durch eine gemeinsame Organisation der Kinderbetreuung, trotzdem politisch aktiv sein konnten. Wir wollen damit auch eine Debatte anregen, um die gemachten Erfahrungen nicht nur gut zu finden, sondern um praktische Lösungen für heute zu finden.

Zeitlich gesehen gehen wir dazu zurück zum Ende der 60er Jahre. Wie oben beschrieben haben sich gerade kommunistische Parteien gegründet. Auch Trude, mit der wir das Gespräch über ihre Arbeits- und Lebensbedingungen als Kommunistin geführt haben, ist als Auszubildende in die KPD/ML (Kommunistische Partei Deutschland/Marxisten-Leninisten) gegangen. Dort hatten sich ab 1968/69 AltkommunistInnen aus der verbotenen KPD, Studenten und Lehrlinge aus der 68er Bewegung organisiert.

Ausschnitte aus dem Gespräch mit Trude:

Wie alles begann

Sehr früh habe ich mich dafür entschieden, Krankenschwester zu werden. So fing ich mit 16 Jahren mit der Ausbildung an. Schule fand ich schrecklich und zum lernen hatte ich gar keine Lust. Ich wollte arbeiten; das konnte ich, denn zu hause sind wir schon früh in alles eingewiesen worden, was im Haushalt zu tun war. Das ging auch gar nicht anders. Wir waren fünf Kinder und es gab zum Beispiel keine Waschmaschine. Also wurde die Wäsche von sieben Personen samt Bettwäsche in großen Waschbottichen gekocht. Lange Zeit wurden viele Kleidungsstücke selber genäht, denn um Kleidung zu kaufen reichte das Geld nicht. Außerdem musste ständig geputzt werden. Wir hatten einen großen Garten, in dem Gemüse und Obst angepflanzt wurde. Der musste auch gepflegt werden, was noch mehr Arbeit bedeutete. Aber immerhin hatten wir so auch frisches, gutes Essen. Also Arbeit gab es viel und immer mussten wir Kinder mithelfen. Widerspruch wurde nicht geduldet.

Glücklicherweise haben meine älteren Geschwister mir den Weg gebahnt, dass ich früh ausziehen konnte. Mit kaum 17 Jahren konnte ich gegen den Willen meiner Eltern in meine „Freiheit“ entwischen. Über die Schule hatte ich Kontakt zu GenossInnen aus der KPD/ML bekommen. Mit deren Unterstützung fand ich eine Wohnung. Mit meinem Ausbildungsgeld kam ich nicht weit, denn es reichte gerade mal um Miete, Gas, Strom und Fahrgeld zu bezahlen. Gegessen habe ich dann oft in den großen Wohngemeinschaften, den Kommunen oder bei meinen Eltern. Das alles war aber nicht so wichtig für mich, mich hat der Sturm der Revolution mitgerissen. Ich war begeistert von den Massen junger Menschen, die wie ich ständig auf den Straßen waren. Endlich konnten wir unsere Empörung und unsere Wut über die Ungerechtigkeiten, über Gewalt und die barbarischen Kriege raus lassen.

Die meisten GenossInnen waren älter als ich. Es war das erste mal das ich erlebte, dass mit mir richtig geredet wurde und dass sich Menschen dafür interessierten, was ich dachte und zu sagen habe. In der Familie wurde nicht mit uns Kindern geredet, dort wurde gemacht, was die Eltern sagten. Die hatten immer recht und haben wir nicht pariert, dann gab es Dresche. So haben wir es auch gar nicht gelernt miteinander zu reden.

Durch das Reden und die Kämpfe auf der Straße lernte ich viel Neues und Unbekanntes kennen über Kommunismus und Revolution, über Kapitalismus und Ausbeutung. Meine Entscheidung fiel sehr schnell, ich wollte Kommunistin sein und für eine andere Welt kämpfen, darum bin ich in die KPD/ML gegangen.

Kommunistische Arbeit das muss sein

Um das mal vorab zu sagen, ich habe es nie bereut, dass ich lange Zeit in einer kommunistischen Partei gearbeitet habe, sondern ich war froh, dass ich dort vieles gelernt habe, was es mir leichter machte, Zeiten zu überstehen, wo es keine Partei mehr gab, aber ich trotzdem weiter politisch aktiv war. Von dem was wir vertreten und gemacht haben, distanziere ich mich nicht in der Form, wie es die Mehrheit meiner Ex-GenossInnen tun. Sondern mir geht es darum zu analysieren, was wir für Fehler gemacht haben, die dazu geführt haben, dass wir bis heute keine kommunistische Partei haben, wie wir sie für die Revolution in diesem Land nun mal brauchen. Ich finde wir brauchen uns heute auch nicht damit auf zu halten, dass es so manches mal kein genossenschaftliches Verhalten unter den GenossInnen oder zwischen den verschiedenen Parteien gab. Wir würden besser und schneller weiter kommen, wenn wir lernen es heute anders zu machen.

Zurück in die Zeit der 70er Jahre. Mein Leben war die Politik. Alles was ich gemacht habe war im Zusammenhang mit der Parteiarbeit. Was mir schwer viel war das Lesen der Texte von Marx, Engels und Lenin. Die Texte von Stalin und Mao fand ich einfacher, die konnte ich besser verstehen. Für uns Jugendliche war die marxistische Literatur schwer zu verstehen, weil wir es nie gelernt hatten wissenschaftliche Texte zu lesen. Viele, die aus der Lehrlingsbewegung kamen, hatten einen einfachen Schulabschluss. Da lernt man nicht mit Texten zu arbeiten, deswegen war das für uns schwer und es dauerte Jahre bis ich wirklich mit den Texten arbeiten konnte.

Das Einfache war für uns, dass wir ständig auf der Straße waren. Es gab fast täglich Demonstrationen, Kundgebungen oder wir haben Flugblätter verteilt. Um mehr mit den Menschen in Kontakt zu kommen, sind wir viel in die Häuser gegangen. Wir haben geklingelt und mit den BewohnerInnen über unsere Politik geredet. Oder wir haben vor Betrieben Flugblätter an die KollegInnen verteilt. Die 70er Jahre waren eine Zeit, wo sich viele Menschen für den Kommunismus interessiert haben und wo die kommunistischen Parteien lange Zeit einen großen Zulauf oder Unterstützung hatten.

Berufstätig und alleinerziehend zu sein ist immer schwierig

Kurz nach dem ich meine Ausbildung abgeschlossen hatte, bekam ich meine erste Tochter. Bald darauf war ich alleinerziehend. Die Trennung von dem Vater meiner Tochter wollte ich. Ich wollte nicht in einer Kleinfamilie eingesperrt sein, sondern selbstbestimmt und unabhängig von Familie und Mann leben. Das war allerdings nicht so einfach. Mit zwanzig Jahren war ich damals noch nicht volljährig. Darum stand öfters das Jugendamt vor der Tür, um zu kontrollieren ob meine Tochter in „guten“ Verhältnissen lebt. Zudem gab es zu der Zeit nur sehr wenige GenossInnen die schon Kinder hatten. In meinem Umfeld gab es in den ersten Jahren nur noch eine Familie mit Kindern. Wir waren meistens auf uns selbst gestellt, alles hin zu bekommen. Mein Beruf war mit Schicht- und Wochenenddienst. Aber es gab keine Kindergärten, die entsprechend Kinder betreut haben. Ja und dann wollte ich auch noch Politik machen.

Zuerst überbrückte ich die Zeit, indem ich als ungelernte Kraft in die Fabrik gegangen bin. Dort waren die Arbeitszeiten so, dass ich meine Tochter morgens um 6.00 Uhr in die Kita bringen und nachmittags um 17.00 Uhr wieder abholen konnte. Ich arbeitete in einer Halle, wo nur Frauen waren. Die Akkordarbeit war ausgesprochen stumpfsinnig, darum dachte ich mir mit einigen jungen Kolleginnen öfters irgendeinen Blödsinn zur Ablenkung aus. Das fiel den Vorarbeiterinnen natürlich auf. Sobald es zum Auftragsmangel kam stand vor allem ich auf der Abschussliste. Dagegen protestierten wir. Aber wir hatten keine Ideen, wie diese Arbeit wirklich erträglicher gemacht werden konnte und gewannen deswegen keine Kolleginnen für Proteste. Die Partei hatte damals in anderen Betrieben Kämpfe geführt und so machten wir dort, wo ich arbeitete, keine betriebliche Arbeit. Ich selbst hatte kaum eine Ahnung was es eigentlich heißen soll im Betrieb kommunistische Arbeit zu machen und ganz ehrlich, ich habe mich auch nicht darum bemüht.

Nachdem ich entlassen war entschied ich mich, wieder im Krankenhaus zu arbeiten. Als erstes musste ich meine Tochter entsprechend unterbringen. Darum ging ich aufs Amt und forderte eine Tagesmutter und einen Kitaplatz. Dort habe ich meine Tochter auf den Tresen gesetzt und gesagt, „Entweder bin ich gezwungen arbeitslos zu sein oder ich bringe meine Tochter jeden Tag ins Amt zur Betreuung.“ Damals gab es noch nicht so viele Alleinerziehende, die waren eher eine Ausnahme. Ich denke, dass die Angestellten im Amt irgendwie Verständnis für mich hatten, denn ich bekam beides. Eine Stelle hatte ich schnell gefunden. Es war die Zeit wo es Personalmangel in den Krankenhäusern gab, da haben sie alle genommen, die sie bekommen konnten.

In meinem Beruf habe ich sehr gerne gearbeitet, aber wie üblich sind die Arbeitsbedingungen oft das Problem gewesen. Durch meine politische Arbeit war mir bewusst, dass es wichtig ist mich mit meinen KollegInnen zusammen zu tun und dieser ständigen Konkurrenz unter uns KollegInnen etwas entgegen zu setzen. Es ist mir oft gelungen, KollegInnen zu finden, mit denen ich mich außerhalb der Arbeit getroffen habe, um unsere Arbeitsprobleme zu besprechen. Das hat uns geholfen besser miteinander klar zu kommen.

Die Gewerkschaft war uns dabei keine Hilfe. Wir haben das besser allein hin bekommen. Außerdem konnte ich jetzt mit meinen GenossInnen über die Arbeitssituation sprechen, da hatte sich inzwischen viel geändert. Wir haben dann gemeinsam überlegt, wie ich mich am besten verhalten kann oder ob und was es für Möglichkeiten von Protesten und Unterstützung gibt. In unserer Partei waren jetzt viele, die auf Arbeit in Konflikte geraten sind. Auch wenn es unterschiedliche Arbeitsbereiche waren, wir haben festgestellt, dass es immer wieder um ähnliche Konflikte geht. Probleme waren z.B. Überstunden und ob die bezahlt werden oder nicht oder zu kurzfristige Schichtwechsel; natürlich auch Kämpfe um Lohnerhöhungen oder gegen Personalabbau. Das sind Dinge die hören nie auf und begleiten einen in der gesamten Berufstätigkeit.

Für mich brachte die Zeit mit sich, dass ich allmählich in eine betriebliche Arbeit rein gekommen bin, in der ich viel besser die Zusammenhänge der kapitalistischen Ökonomie verstanden habe. Und das bewirkte wieder, dass ich ein richtiges Interesse entwickelte mich mit dem Marxismus-Leninismus zu beschäftigen. Das heißt nicht, dass ich jetzt alles verstanden habe – das nicht – aber es begann für mich die Zeit, in der ich anfing mit der kommunistischen Theorie zu arbeiten ohne das es eine Belastung war, sondern weil ich Interesse hatte und mehr wissen wollte.

Alles ändert sich mit Kindern – unsere Lösung der gemeinsamen Kinderbetreuung

Inzwischen hatte sich in dem Leben von vielen GenossInnen einiges geändert. Das Studium war vorbei. Es fing die Berufstätigkeit an. Es wurde geheiratet und Kinder stellten jetzt nicht nur mich sondern viele vor das Problem, Arbeit, Kinder und Politik unter einen Hut zu bekommen. Es ist ja nichts neues, dass Kinder das Leben der Erwachsenen völlig verändern. Aber trotzdem waren die meisten GenossInnen nicht auf die krassen Einschränkungen eingestellt, die eine Familie mit sich bringt.

Ist Frau erst mal in dem Leben einer Ehe, Kinder und Berufstätigkeit drin, kommt sie nicht so einfach raus, das galt auch für uns Kommunistinnen. Wir wollten alles anders machen und verteidigten ja sehr engagiert die Befreiung der Frau und nun war es damit vorbei. Die Männer gingen arbeiten und machten Politik. Wir Frauen machten den Haushalt und die Kinder, manche gingen noch Arbeiten, aber wie üblich in Teilzeit. So sind wir dann in der Realität angekommen. Es dauerte eine Weile bis wir in der Partei diese neuen Bedingungen wirklich wahrgenommen haben. Proteste der Frauen und die Dauerkonflikte zwischen Frauen und Männern führten dazu, dass wir uns und unsere Arbeit gemeinsam und anders organisierten.

Wir organisierten es so, dass ein oder zwei GenossInnen auf mehrere Kinder aufgepasst haben. Oft waren unsere Termine ja am Abend, da ging es besonders gut, weil die Kinder dann in einer Wohnung geschlafen haben. Wenige GenossInnen haben auf mehrere Kinder aufgepasst und wenn sie geschlafen haben konnten auch sie noch arbeiten. Es gab ja immer was zu tun wie Flugblätter, Artikel für Zeitungen oder ähnliches zu schreiben. Alle anderen konnten dann Termine wahrnehmen oder z.B. zu Aktionen und Veranstaltungen gehen. Tagsüber mussten wir uns mit den Kindern beschäftigen, da war nichts drin mit Arbeit für die, die die Kinderbetreuung übernommen haben. Weil das insgesamt gut lief und wir merkten wie viel Zeit wir über die gemeinsame Kinderbetreuung frei schaufeln konnten, fingen wir auch an, an einigen Tagen das zur Kita bringen oder Abholen zu organisieren.

Damit haben wir zumindest innerhalb der Partei Regelungen gefunden, die dafür sorgten, das alle aktiv politisch tätig sein konnten. Wir machten das Jahre lang so und es war eine sehr gute Möglichkeit für alle, um Arbeit, Kinder und Politik zusammen so zu organisieren, dass nicht die Frauen es waren, die aus der politischen Arbeit ausfielen.

Wir müssen verstehen, dass es dabei nicht nur um die Organisation von Hausarbeit und Kinderbetreuung geht, sondern auch darum, dass mehrere Erwachsene eigenständig sehen wo und wann etwas zu tun ist. Es geht darum, dass nicht jede/jeder nur seinen kleinen Bereich sieht, sondern auch sieht was bei den anderen zu tun ist, wo Unterstützung nötig ist und dass wir bereit dafür sind, uns gegenseitig zu helfen. Und es geht darum dem Denken – das sind Angelegenheiten der Mutter, der Eltern oder nur der Familie – etwas entgegen zu setzen. Es geht dabei vor allem darum, kollektiv alle Arbeiten, die anfallen, zu sehen und zu organisieren damit das gesamte, nämlich die Parteiarbeit, gut und ständig funktionierten kann. Dadurch dass es eine gute und allseitige Organisation unter uns gab wurden die Köpfe der GenossInnen frei. Sie konnten sich auf ihre Arbeit konzentrieren und mussten diese nicht ständig unterbrechen. Das gibt Sicherheit und Energie, was dann in erfolgreichen Ergebnissen sichtbar wurde und motivierend auf uns gewirkt hat.

Ein neues Denken über Kindererziehung entsteht

Natürlich kam es auch zu Konflikten zwischen den Erwachsenen und zwischen den Kindern und den Erwachsenen. Kinder sind nicht so wie Erwachsene es wollen. Sie haben einen eigenen Willen und den wollten wir ja nicht nur unterdrücken. Uns war es wichtig, die eigene Persönlichkeit der Kinder zu akzeptieren und sie in sämtlichen Fähigkeiten zu unterstützen. Das ist aber leicht gedacht und schwer zu machen. Es war oft eine Herausforderung Geduld und Verständnis auf zu bringen und so fingen wir Erwachsen an über Erziehung, Pädagogik und Psychologie zu diskutieren. Da mussten wir sehr auf passen, dass uns das nicht vollständig vereinnahmt oder dass wir persönliche Probleme wichtiger nahmen als die Politik. Es war wichtig, darüber zu diskutieren, weil wir vieles an falschem Verhalten in uns hatten. Auch hier hat uns die gemeinsame Diskussion dabei geholfen Dinge zu erkennen, die wir alleine nicht sehen konnten. Vieles was wir diskutiert und vertreten haben ist ja erst mal aus der Theorie entstanden – genau wie unsere politische Überzeugung. Erst nachdem wir direkt damit konfrontiert wurden Politik, Arbeit, Kinder, Ehe oder Beziehung so hin zu bekommen, wie wir es uns vorstellten, merkten wir wo wir selbst Probleme mit unseren Ansprüchen hatten.

Damit begann aber auch, dass GenossInnen immer wieder in kleinere oder größere Schwierigkeiten kamen. Solange wie wir auf der Straße oder im Betrieb kämpften machten sich unsere persönlichen Schwierigkeiten nicht so bemerkbar. Darüber zu diskutieren und was zu verändern war nicht so schwer für uns. Was uns Schwierigkeiten machte war eher, dass wir lernen mussten, dass viele Verhaltensweisen oder Angewohnheiten von uns nicht mit dem zusammenpassten, was wir wollten. So einfach kommt man eben nicht raus aus dem, was sich tief eingeprägt hat. Uns half es auch nicht nach „Schuldigen“ für unsere Probleme zu suchen wie z.B. Eltern, Erziehung, der Mann, die Frau oder der Staat. Mit der Konfrontation mit den Problemen wurde uns klar, dass wir lernen mussten, an uns selbst zu arbeiten, um dort hin zu kommen, wo wir hin wollten.

Eine wichtige Erfahrung von mir ist es, dass wir Frauen uns aus dem Denken lösen mussten, dass für Kinder die wichtigste Bezugsperson die Mutter sei, so wie wir es überall in der Gesellschaft vermittelt bekommen. Für die Kinder mit denen ich gelebt habe und das waren viele – nicht nur meine eigenen – kam es schneller zur Konfliktentspannung, wenn die Kinder das Vertrauen zu mehreren Erwachsenen hatten. Oft sind Situationen eskaliert, weil wir im Streit an Kleinkram, der eher unwichtig war, hängen geblieben sind. Eine Sicht von außen, die nicht im Konflikt drin steckte, war oft sehr hilfreich.

Dazu gehören aber auch Männer bzw. Väter, die nicht nur ihr eigenes Ding abziehen oder mit Ignoranz glänzen, sondern sich ernsthaft in ein gemeinsames Konzept zu Kinderbetreuung, Erziehung und dem Umgang mit Frauen rein begeben. Die Fähigkeiten in der politischen Arbeit genossenschaftlich miteinander um zu gehen ist an den Punkten oftmals völlig entgleist, wo es um persönliche Dinge wie z.B. das Miteinander zwischen Frau und Mann oder Erwachsenen und Kinder ging. Es war schon krass, wenn wir Frauen gehört haben, wie Männer auf den Podesten standen und kämpferische Reden zum Kampf von Frauen und Genossinnen hielten. Aber zu Hause wurde aus den Kämpfern für die Befreiung der Frau schnell der typisch bürgerlich-patriarchale Mann. Daran hat sich ja bis heute nicht viel geändert. Deswegen ist der Frauenkampf ständig, immer und überall notwendig.

Allerdings kam es im Kampf, um die Befreiung der Frau durch männliche Genossen nicht selten zu einer merkwürdigen Auslegung. Da hieß es, weil die Frauen sich nur alleine aus ihrer Lage befreien können, müssen sie auch den Kampf führen, was ja so auch nicht falsch ist. Falsch war aber, dass männliche Genossen daraus geschlossen haben, dass sie in diesem Kampf nichts zu tun haben oder dass die Frauen ihnen sagen sollen was sie tun müssen. Bei so viel Passivität sind Konflikte vorhersehbar.

Den Kampf um die Veränderung des patriarchalen Mannes diesen Kampf müssen alle täglich, immer und überall alle führen. Um in diesem Kampf nicht in einen reinen Geschlechterkrieg zu geraten, ist es wichtig, dass wir immer wieder zu der Klassenfrage zurückkehren. Stellen wir die Klassenfrage, dann ist es die ArbeiterInnenklasse, die für ihre Befreiung kämpfen muss und darin sind alle vereinigt, egal welches Geschlecht oder welcher nationale Herkunft.

Tragisch war es wenn durch solche Konflikte die politische Arbeit in Frage gestellt wurde, was leider auch vorgekommen ist. Für mich hat das auch ein bisschen damit zu tun, dass GenossInnen durch überzogene Ansprüche an sich selbst und andere dann in Konflikte geraten wenn nichts mehr klappt, dann kommt Frust und Enttäuschung auf. Das Einfache ist dann, alles hin zu schmeißen und sauer zu sein auf alle und alles mit dem die GenossInnen in Konflikt geraten sind. Das schwierige ist die Konflikte in dem Sinne zu entspannen, dass es für jede/jeden einen Weg gibt, bestimmte Dinge erst mal an die Seite zu packen, um das weiter zu machen, was einem wirklich wichtig ist, was einem interessiert und Spaß macht. Konflikte gehören zum Leben und zur politischen Arbeit. Aber sie sind niemals der Grund dafür, dass der Kommunismus falsch ist.

Welche Schlüsse wir daraus gezogen haben

Ich denke, dass neue Erkenntnisse aus Psychologie und Pädagogik helfen können, um mit Problemen und Krisen klar zu kommen. Aber dass das nur unterstützend sein kann, diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Falsch wurde es dann, wenn sich der Wunsch einschlich, dass sich dadurch unsere Lage grundsätzlich ändern soll. Wenn wir es gewollt hätten, hätten wir merken können, dass Wissen alleine nicht ausreicht, um die Welt zu verändern und es auch nicht reicht, dass einige „wenige“ alternativ ihr Leben einrichten können.

Aber viele GenossInnen hatten große Schwierigkeiten wirklich zu verstehen, warum das Wissen alleine uns nicht zur Revolution führen wird. Wir haben viel gelesen, geschrieben, eine Menge Kämpfe in den Betrieben und auf der Straße geführt. Wir haben versucht unser Leben mit Familie und Kindern mit der Politik zu vereinbaren. All das hat uns geholfen besser zu verstehen, dass es erst durch das Zusammenbringen von Theorie und Praxis möglich wird Ursachen und Entwicklungen zu erkennen. Wir haben angefangen Analysen zu erstellen. Egal wie unfertig oder fehlerhaft sie sein mögen, ich denke, dass das ein Teil davon geworden ist, um unser Bewusstsein zu vertiefen. Damit ist aber auch sehr viel klarer geworden, was es heißt als Kommunistische Partei die Revolution zu organisieren.

Es ist schade, dass viele KommunistInnen daraus immer wieder den Schluss gezogen haben, lieber doch so zu leben wie sie es eigentlich nie wollten. Die Grenzen für ihr Engagement wurden dann gezogen und ihre Energie eher in Aufgaben eingebracht wie z.B. humanistische, religiöse, ehrenamtliche Arbeit oder alternative, parlamentarische Politik und auch ein Leben als Hausfrau und Mutter. Die meisten der damaligen KommunistInnen haben nach meiner Sicht den falschen Schluss gezogen. Nur wenige sind dabei geblieben den Kapitalismus grundsätzlich in Frage stellen. In dieser Entwicklung ist auch ein Stück der Niedergang der kommunistischen Parteien aus den 70er Jahren zu sehen.

Und wie ist es heute

Wenn ich mir heute meine Töchter, ihre FreundInnen, ArbeitskollegInnen und junge GenossInnen angucke, muss ich sagen, dass es nur selten eine gemeinsame Erziehung gibt. Alle sind irgendwie auf sich selbst gestellt. Viele Arbeiten und Probleme bleiben im kleinen Kreis der Familie, Freunde oder GenossInnen. Es sind immer noch die Frauen, die am Herd stehen und für die Kinder zuständig sind. Ständig sind alle im Stress, fühlen sich überfordert und finden keinen Platz, wo sie nicht nur reden sondern auch praktisch an ihrer Lage was verändern können.

Das Leben und Arbeiten ist nicht einfacher geworden. Das geht auch nicht, denn die gesellschaftlichen Bedingungen haben sich nicht geändert, es hat ja keine Revolution statt gefunden. Aber eine Eigeninitiative, die ist immer möglich. Es ist immer möglich die Lage zu verändern, die Unzufriedenheit, Frust und Stress bringt. Das müssen wir aber wollen. Meine Erfahrung ist, dass wir viel erreichen können; aber auch, dass wir das Erreichte verteidigen müssen ansonsten ist es schnell wieder weg. Gerade um das zu durchbrechen, müssen wir mehr tun als nur unser jetzt und heute zu sehen. Fragen wir uns doch mal, wie wir mit den Erfahrungen arbeiten, was spielen sie heute für eine Rolle? Oft genug höre ich, dass vor allem die negativen Dinge ran gezogen werden, die es innerhalb der kommunistischen Bewegung auch geben hat, um zu verteidigen, dass z.B. nur Teilziele gestellt werden können. Das macht uns schwach. Aber solange wir schwach sind können uns die, die mächtig sind, alles weg nehmen und uns das Leben schwer machen.

Für mich hat die Zeit in der es eine Partei gab bewiesen, dass wir nicht schwach sondern stark sind und stärker werden. Auch wenn wir viele Fehler gemacht haben und es darum irgendwann vorbei war mit der Partei, heißt das nicht, dass der Fehler in der Bildung einer Partei liegt. Die Fehler liegen bei denen, die es nicht verstehen eine kommunistische Partei zu entwickeln und zu führen, also bei uns selbst. Daraus müssen wir Schlüsse ziehen, um nicht alle Fehler ständig zu wiederholen. Auch das ist wieder leicht gesagt und wir merken seit Jahren, dass dieser Weg nicht einfach ist. Andererseits sehen wir wie eine neue kommunistische Bewegung entsteht und auch bereits die ersten Schritte geht. Dass der Parteigedanke wieder Fuß fasst, ist z.B. eine wichtige Entwicklung. Vielleicht sollten wir nicht ständig auf die Schwierigkeiten gucken, sondern viel mehr auf das was uns motivieren kann, auf Erfolge im Klassenkampf, die es gab und heute weltweit gibt. Wir müssen unseren Blick weit über Deutschland hinaus richten, die Wirkung von internationalen Kämpfen und deren Erfolge für unsere Motivation nutzen, wie z.B. Entwicklungen im kurdischen Befreiungskampf. Das dort Frauen auf allen Ebenen an führender Stelle stehen, dass ist eine konsequente Umsetzung von Frauenförderung. Das geht auch bei uns, wir müssen es nur tun.

1Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Bd I, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 228

2Clara Zetkin, Ausgewählte Reden und Schriften, Bd III, S. 5-6, Dietz Verlag 1960

Freedom for the Spanish Internationalists! The fight against ISIS is not a crime!

On Wednesday, January 27th, nine internationalists have been arrested on Spanish state territory. They are said to be militants of the communist organization ‘Partido Marxista-Leninista /Reconstrucción Comunista’ (Marxist-Leninist Party / Communist Reconstruction).

In July 2015 two young members of this very organization had been briefly arrested for joining the armed struggle of YPG against ISIS in the ranks of the ‘International Freedom Battalion’ (IFB) „without getting the authorization of the Spanish state“. Obviously the intermediate liberation of these two internationalists just happened in order to prepare an even tougher blow against the international solidarity with the revolution in Rojava.

On the 29th of January 2016 the PML/RC now was prohibited for one year as a „criminal organization“ that collaborates with the „terrorist organization“ PKK/KCK. Even if PKK is not a prohibited party in Spain! While 6 arrested persons were released with the obligation to stay inside the margin of Spanish state, Roberto Vaquero as well as a Turkish citizen and another arrested internationalist were sent to Prison. The bail for the last two is 10000 and 6000 euros, for Roberto there is no possibility of getting free on bail.

We strongly condemn the criminalization of the revolutionary internationalists in Spain as much as the hypocrisy of the Spanish state. Spanish government along with all other European governments shed crocodile tears over the bodies of those killed by the fundamentalist terror attacks in Paris, now they criminalize those who put their lives and health at risk to fight against this very same fundamentalism without receiving money, a long military training or any securities.

The people struggling for freedom all over the world and the class conscious workers are standing behind them. The true arsonists for the dirty war in the near and middle east can be found in the governments of USA, EU, Russia and the reactionary regimes of Turkey, Saudi-Arabia, Qatar and Syria.

Furthermore the attack towards the Spanish internationalists has also other reasons. While the situation of the broad masses in Spain is getting worse and worse, the unemployment of youth is raising to 50%, so the radicalization of the youth might develop to a serious threat towards the Spanish state.

Let us organize solidarity, document it and send the information to detenidos27e@gmail.com and coordinationint@yahoo.co.uk!

Bank account for financial support:

IBAN ES57 3035 0393 09 3930010253

Abolition of the PKK ban!

Abolition of the PML/RC ban!

Freedom for the Spanish internationalists!

Communist Construction (Germany)

Marxist-Leninist Communist Party (MLCP) (Turkey/Kurdistan)

Marxist-Leninist Party of Germany (Germany)

Socialist Patriotic Democratic Party (PPDS) (Tunisia)

Revolutionary Organization of Labor (USA)

February 2016, at the Unity Congress of Socialist Patriotic Democratic Party (PPDS) (Tunisia)

Resolution on the Kurdish resistance

In Turkey, the fascist dictatorship has been bombing cities, towns and villages for months with tanks and artillery. They are besieged. The special units of the Turkish army and the police are hunting Kurds, they kill without making any separation between elderly, women, children or the sick. The fascist regime is organizing the same massacre and destruction in Sur, Cizre, Silopi as the ISIS has done in Kobane.

The street fight which was organized once against ISIS in Serekaniye and later in Kobane, the walls full of holes, destroyed houses, the scenes of murdered bodies on the streets, is now being seen in the seized centers of Kurdistan. Following Serekaniye and Kobane, the seized cities of the North have also become a Stalingrad. Stalingrad was a will fight of the socialist Soviet Union against Hitler fascism. Either they were going to surrender to the German fascism or German fascism was going to be defeated. This will fight is now taking place in Northern Kurdistan. The Kurds either are going to surrender to fascist dictatorship or they will become free by defeating the dictatorship. The trench wars, street fights that have been continuing in many Kurdish centers are the open expression of the will fight.

Because of the importance of Turkey in the rivalry and dog fight among imperialist blocks aiming to settle hegemony in the Middle East, everyone remains silent regarding the massacre of the Kurdish nation by the fascist dictatorship. The role of imperialist countries, in the first place the US and EU, and the international forces under their control cannot be underestimated. They are the ones who encourage fascist regime by remaining silent. In order to realize their own interests in the Middle East, the imperialists forces are using the freedom struggle of the Kurdish nation as a tool. Of course they will not support the Kurdish resistance which is not serving their interests. That’s why they are siding with Turkey. This is why they kept in silence and thus approved the massacre. This is why they are violating the “values” they always talk about. They want Kurdish Freedom Movement to subjugate under imperialist interests and international capital.

The Kurds are also fighting and dieing for all humans that strive for freedom and democracy, and struggle for these values. Their resistance with barricades, their ideals of self-administration have to be seen as resistance and the wish for freedom and self-administration of everyone who are on the side of democracy.

This war, this resistance is not only a torch for Middle Eastern people’s liberation. As the people of the world, we must understand and internalize the role of the light held to the exploited and oppressed of the world by the Rojava revolution. The sphere of the light, the enlightening influence of the revolution is being spread every passing day, and it is now showing its effects in the North. This must be defended, it must be considered as the extension and broadening of the Rojava Revolution and the Kobane resistance.

There will be no struggle for democracy and freedom without setting a connection with Rojava and the resistance in the cities of Northern Kurdistan. One will not understand the fight against fascism without understanding and internalizing why the Kurds are fighting in barricades, why they are resisting and why they are being massacred. It is the same situation with the Palestinian people and their Struggle. Without liberation of Palestine there is no possibility for victory of freedom and democracy in the Middle East.

This struggle of the peoples of the Middle East does not need a support or solidarity that is only in the words. The humanity seeking for freedom and democracy does not have a right to leave the peoples of the middle east alone, who also fight for their freedom. Solidarity with the resistance against fascism and colonialism must be in practice. The world public opinion must be explained that this resistance is also a resistance for all of us. Direct support and solidarity must be demanded.

It is a duty for all of us to show a collective and united stance against the total fascist and brutal attacks.

Communist Construction (Germany)

Marxist-Leninist Communist Party (MLCP) (Turkey/Kurdistan)

Marxist-Leninist Party of Germany (Germany)

Socialist Patriotic Democratic Party (PPDS) (Tunisia)

Revolutionary Organization of Labor (USA)

February 2016, at the Unity Congress of Socialist Patriotic Democratic Party (PPDS) (Tunisia)

Dieses System nimmt uns die Würde – erobern wir sie zurück!

 

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Am Mittwoch, den 17. Februar, haben sich die Flüchtlinge, die in einem Flüchtlingslager in Köln-Kalk untergebracht sind entschieden, ihr Schweigen zu brechen und mit ihrer unerträglichen Situation an die Öffentlichkeit zu treten. Mit einer Demonstration zogen sie zum Bundesamt für Migration und Flucht, um die Auflösung ihrer „Unterkunft“ und dezentrale Unterbringung zu fordern. In ihrem Brief ist nicht nur von unerträglicher Enge, Schmutz und Mangelernährung die Rede, sondern auch von sexualisierten Übergriffen auf die geflüchteten Frauen durch den Sicherheitsdienst.1

In der öffentlichen Debatte werden diese Aussagen nun in Frage gestellt und der Sicherheitsdienst, der sich aus Vergewaltigern und Mittätern zusammensetzt, ist nach wie vor an Ort und Stelle. Wie immer zeigt sich auch hier: Opfer von sexualisierter Gewalt müssen für die deutsche Justiz eindeutige Beweise liefern – auch wenn es diese häufig nicht gibt – um eine Veränderung zu erreichen. Es ist genau dieses Herangehen, was dazu führt, dass nur acht Prozent der Vergewaltigungen angezeigt werden und nur zwei Prozent zu Verurteilungen mit Freiheitsstrafe führen. Dass die Betroffenen in diesem Fall in besonderer Abhängigkeit und Ungewissheit leben ändert daran überhaupt nichts, sondern verschlimmert diese Situation nur noch zusätzlich. Für uns steht nicht an erster Stelle, die Aussagen der Opfer in Frage zu stellen, sondern sie als zutreffend anzusehen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Rörig hat selbst in einem Interview gesagt, dass Fälle wie dieser zur grausamen Normalität in deutschen Flüchtlingslagern gehören: „Ich gehe fest davon aus, dass es kein Einzelfall ist. Wir müssen davon ausgehen, dass sexuelle Übergriffe und Grenzverletzungen in allen Flüchtlingsunterkünften in Deutschland passieren.2

Wir müssen weiter gehen und uns fragen, warum diese Normalität? Warum werden Zustände geschaffen, in denen Männer und Frauen, ein solches „Leben“ nicht nur einige Tage oder Wochen, sondern monatelang ertragen müssen. Warum, bleiben die Behörden untätig trotz solcher wiederholt und öffentlich geäußerter Vorwürfe?3 Wenn noch am Abend der Veröffentlichungen 50 Frauen aus dem Lager in ein und demselben Gebäude mit ihren Kindern, Ehemännern und den Tätern selbst von der Kripo vernommen werden, kann man dann von einem ehrlichen Willen zur Aufklärung sprechen oder ist genau das Gegenteil das Ziel?

Zur ohnehin allzu häufig auswegslosen Situation Betroffener kommt hier, dass die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mittlerweile gezielt solche Zustände schafft. Geschaffen werden mehrere quadratkilometergroße Massenlager wie in Berlin auf dem Tempelhofer Feld, die die Kontrolle und Einschüchterung der Flüchtlinge erleichtern sollen. Die Menschen fliehen vor den Kriegen, vor Hunger und Armut, die der deutsche Konzerne und der deutsche Staat in ihren Heimatländern verursachen hierher, in der Hoffnung auf Sicherheit. Genau diese Sicherheit wird ihnen genommen, indem sie der Willkür und Gewalt ausgesetzt werden wie in diesem Kölner Lager. Dass der Staat diese Drecksarbeit bisher an Sicherheitsdienste „outsourced“ statt sie selbst zu übernehmen, ist ein logischer Schritt, um für den Fall, dass das Schweigen gebrochen wird, wie nun in Köln, die ganze Sache als „tragischen Einzelfall“ und „Skandal“ unter den Tisch zu kehren.

Wir unterstützen die Forderungen der Flüchtlinge nach Auflösung des Lagers, nach dezentraler Unterbringung und nach Bestrafung der Verantwortlichen. Aber wir gehen weiter, wir rufen dazu auf, sich zu organisieren und dem Kampf gegen diese „Normalität“ anzuschließen. Wir rufen dazu auf, nicht hinzunehmen, dass wir in einem System leben, in dem Jahr für Jahr mehr Menschen die Heimat zur Hölle gemacht wird, in dem Millionen zur Flucht gezwungen werden, als Kollateralschaden für die Interessen der Herrschenden in den USA, der EU, Russland und China. Wir rufen dazu auf, nicht hinzunehmen, dass diejenigen die in die Flucht getrieben werden, hier in Massenlager eingepfercht, eingeschüchtert und vergewaltigt werden, um sie zu gefügigen und billigen Arbeitskräften zu machen oder zur Rückkehr zu zwingen. Wir rufen auf, die Wahl „Sklaverei in Europa oder zurück in den Tod“ vor die diese Menschen gestellt werden sollen, nicht mehr hinzunehmen. Diese „Normalität“, dieses System heißt Imperialismus. Die falschen Versprechungen, die Merkel den Geflüchteten im Sommer im Fernsehen gemacht hat, sind vergessen und nun wird offensichtlich, dass die Flucht nur ein scheinbarer Ausweg aus dem Elend bleibt. Der Kampf gegen die Ursachen dieser Flucht, gegen dieses System muss hier im Herzen der Bestie ebenso geführt werden, wie in den abhängigen und ausgebeuteten Ländern, aus denen Millionen Menschen fliehen.

1www.dignity4refugees.wordpress.com

3Flüchtlinge bleiben bei ihren schweren Vorwürfen gegen Sicherheitsfirma. Kölner-Stadtanzeiger online 19.02. 2016